Schlagwort: Debatte

  • Stellungnahme zum Text vom AK Beau Séjour „Die Komplizenschaft der deutschen Linken. Zur Absage unserer Veranstaltung bei der Gruppe La Banda Vaga“

    Zunächst möchten festhalten, dass wir es gut finden, dass die Genoss_innen diese Debatte eröffnet haben. Uns scheint es wichtig, solche Themen gemeinsam zu diskutieren.

    Konkret zur Sache, möchten wir folgendes sagen: Uns sind die Geschehnisse in Berlin am 7. Oktober zum Zeitpunkt unserer Zusage einen Vortrag zum Thema „Thesen zum Islamismus. Versuch einer materialistischen Analyse aus sozialrevolutionärer Perspektive“ auf dem Kongress „Antifa out of line – Kongress gegen die autoritäre Formierung“ zu halten, nicht bekannt gewesen und wir verurteilen sowohl die staatlichen Repressionen gegen pro-palästinensische Gruppen, als auch das Bejubeln derselben durch scheinbare Linke. Auch wenn wir sicher nicht alle Inhalte der pro-palästinensischen Gruppen teilen, stellen solche Repressionen einen Angriff auf uns alle dar. Und wäre die Befürwortung von solchen staatlichen Maßnahmen eine Position der Organisator_innen des Kongresses, wäre dies tatsächlich ein guter Grund die Teilnahme zurückzuziehen. Wir sehen das aber nicht als klar gegeben an.

    Wir sind der Meinung, dass Diskussion und Debatte innerhalb der Linken richtig und wichtig sind und finden die Tendenz zur Einengung der Debattenkultur gefährlich. Wir sehen innerhalb der radikalen Linken eine bedenkliche Entwicklung, Diskussionen nur noch innerhalb sehr enger Grenzen zuzulassen. Wer andere Meinungen vertritt, egal aus welchen Gründen, wird als Feind betrachtet. Dies halten wir für falsch. Auch wenn wir andere Meinungen vertreten, so muss es doch möglich sein mit anderen Strömungen der Linken zu diskutieren, egal ob anarchistischen, marxistisch-leninistischen oder sozialrevolutionären. Eine Diskussion bedeutet nicht die andere Position zu übernehmen, sondern die eigene klarzumachen und auch an der anderen Positionen zu schärfen. Wir machen uns nicht mit den Positionen der anderen Gruppe gemein nur weil wir mit ihr sprechen. Dies betrifft besonders stark umstrittene Themen, wie auf dem Kongress geplant, etwa das Verhältnis der radikalen Linken zum Islamismus.

    Dieser stellt, neben anderen Formen der reaktionären Formierung gegen emanzipatorisches Bestreben, eine durchaus starke Kraft dar – man denke nur an die Situation in Rojava und der jüdischen Bevölkerung in und außerhalb Israels. Der Austausch über die Ursachen des Erstarkens gegenwärtiger islamistischer Bewegungen, als auch des Islamismus im Allgemeinen, ist daher für Linke eine Notwendigkeit. Wir geben aber dem AK Beau Séjour in seiner Einschätzung der momentanen Militarisierung des deutschen Staates und der damit einhergehenden Zunahme an Repressionen recht. Zugleich scheint uns bisher die Grenzziehung zwischen „uns“ und den Ausrichter_innen des Kongresses – wie sie der AK macht – nicht gegeben. Wie sehen gerade an der doch eben nicht einheitlichen Positionierungen der eingeladenen Referent_innen eine gute Möglichkeit eine strömungsübergreifende Debatte innerhalb der radikalen Linken zu führen. So finden sich etwa in der Ankündigung des Kongresses Vorträge bzw. Workshops, die sich einerseits eindeutig auf eine Seite im aktuellen Ukraine-Krieg stellen, aber andererseits auch andere, die eine defätistische Position vertreten. Aufgrund dieser Offenheit halten wir es weiterhin für sinnvoll uns am Kongress zu beteiligen.

    Wo wir allerdings an den Kritiken am Kongress mitgehen können ist der Punkt, dass es doch deutliche Auslassungen gibt. Das sich die autoritäre Formierung des deutschen Staates momentan in erster Linie an der Repression gegen Palästina-solidarische Gruppen manifestiert, etwa an Verboten von Demonstrationen, Kongressen, Gruppen usw. wird völlig ignoriert. Doch obwohl wir diese Auslassung und auch noch weitere Leerstellen, die das Kongressprogramm fraglos hat, für falsch halten, denken wir doch, dass diese Punkte auf den Podien, Workshops und Vorträgen eingebracht werden können und solange uns dies möglich scheint, finden wir eine Teilnahme sinnvoll. Denn auch wenn die Diskussionen zwischen den zwei Polen „anti-imperialistisch“ und „anti-deutsch“ mittlerweile seit ca. 30 Jahren geführt werden, glauben wir, dass sie weiterhin innerhalb einer pluralen Linken sinnvoll sind. Wir begreifen uns dabei weder als Teil der einen noch der anderen, sondern vielmehr als Sozialrevolutionär_innen, für welche der Klassenstandpunkt der entscheidende, sowie die Überwindung der Klassengesellschaft das erklärte Ziel ist. Inwiefern es sich bei dem Kongress tatsächlich um eine „Querfront“ zwischen militarisierten Staat und staatstragender Linke handelt und er sich als „Stichwortgeber der Repression und Verfolgung“ andient, werden wir vor Ort beurteilen. D.h. trotz aller Kritik werden wir unseren Vortrag „Zur materialistischen Analyse des Islamismus aus sozialrevolutionärer Perspektive“ auf dem erwähnten Kongress halten, in dem Wissen, dass wir sehr viele Differenzen mit den Organisator_innen als auch dem Publikum haben werden.