Online-Workshop „Thesen zum Islamismus“
20.01.2021
Zum ersten Mal live in diesem Internet: Unser Vortrag zum Islamismus.
Am nächsten Donnerstag, 28.01. um 19:30 Uhr auf Einladung der Falken Weimar. Aktuelle Infos zur Veranstaltung gibt es hier.
Und hier zum Nachlesen: Thesen zum Islamismus bei Kosmoprolet.org.
Auf unserem Rücken? (Oktober 2020)
30.10.2020
Die Corona-Pandemie wütet immer noch. Politikerinnen und Politiker rufen deshalb zum Zusammenhalt auf. Doch in den letzten Tagen oder Wochen konnte man beim Blick in die Zeitung oder am eigenen Schicksal erleben, dass es mit diesem Zusammenhalt nicht so weit her ist. Denn die Unternehmen versuchen die Wirtschaftskrise, die auf die Coronakrise folgt, so zu lösen wie immer; auf unserem Rücken:
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So plant etwa der Automobilzulieferer Continental weltweit den Abbau von 30.000 Jobs, davon allein 13.000 in Deutschland. Die VW-Tochterfirma MAN, die LKWs produziert, plant hierzulande die Schließung von zwei Werken und den Wegfall von bis zu 9.500 Stellen. Und trotz Milliardenhilfe des Staates will die Lufthansa 26.000 Menschen entlassen, und so weiter...
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Doch der Arbeitsplatzabbau betrifft nicht nur Industriearbeitsplätze. Wie die Minijobzentrale mitteilte, sind im Zeitraum von Juni 2019 bis Juni 2020 837.000 Minijobs verloren gegangen. Diese Menschen tauchen dann oftmals in den offiziellen Arbeitslosenstatistiken nicht auf, da viele dieser Jobs nebenberuflich, neben dem Erstjob, dem Studium oder der Rente ausgeübt wurden.
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Dafür steigt dann aber die sogenannte Altersarmut und die Verschuldung von Studierenden. So warnte etwa Ende September das Statistische Bundesamt vor der wachsenden Zahl alter Menschen, die von Armut bedroht seien. Und Zehntausende Studierende haben in den letzten fünf Monaten bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Kredite im Wert von fast einer Milliarde Euro aufgenommen, die sie natürlich irgendwann auch wieder zurückzahlen müssen.
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Gleichzeitig bereitet sich die Bundesagentur für Arbeit bereits auf die kommende Pleitewelle vor. Diese wird vor allem kleine Läden, Restaurants, Bars, Kultureinrichtungen und die Tourismusindustrie treffen. Die Wirtschaftsauskunft Creditreform schätzt die Zahl der verdeckt überschuldeten Unternehmen bereits auf bis zu 800.000.
Und dies war nur eine kleine Auswahl von Meldungen, die zeigen, dass wir diese Krise bezahlen sollen. Doch wir können uns auch dagegen wehren: In den vergangenen Tagen und Wochen gab es große Proteste von Arbeiterinnen und Arbeitern der Automobilindustrie gegen die drohenden Entlassungen, Streiks im Öffentlichen Dienst, vor allem im Gesundheitswesen und Streiks im öffentlichen Nahverkehr. Und global gibt es Unruhen und Proteste rund um den Erdball von Algerien bis Zimbabwe.
Diese setzen die Kämpfe fort, die bereits vor der Corona-Krise ausgebrochen waren. Denn bereits vor Beginn der Pandemie zeichnete sich ein neuer Einbruch der Weltwirtschaft ab, die sich noch immer nicht von der großen Krise 2007/2008 erholt hatte. Corona beschleunigte und vertiefte diese Entwicklung nur noch.
Unterstützen wir die Proteste und kämpfen für eine Welt, in der die Produktion den Bedürfnissen der Menschen dient und nicht die Menschen den Bedürfnissen der Wirtschaft. Eine Welt, in der unser Leben nicht davon abhängt, ob ein ominöser Markt gerade unsere Arbeitskraft gebrauchen kann oder nicht. Eine Welt, in der wir selbst entscheiden können, wie wir leben wollen und nicht Politikerinnen, Bosse oder sonst irgendwer.
Wenn ihr Probleme auf der Arbeit habt, sei es Stress mit dem Chef, Lohnkürzungen, (ungewollte) Arbeitszeitkürzungen oder Entlassung, könnt ihr euch hier melden:
arbeit@corona-solidaritaet.de
Tretet den Basisgewerkschaften bei: Die FAU und die IWW sind Basisgewerkschaften, die gerade in den Bereichen kämpfen, an denen die großen Gewerkschaften kein Interesse haben:
La Banda Vaga Oktober 2020
Nicht auf unserem Rücken
30.05.2020
Das Corona-Virus hat in den letzten Wochen die gesamte Gesellschaft fest im Griff. Doch anders als in den PolitikerInnenreden behauptet sind nicht alle Menschen davon gleich betroffen. Während die eine Krise noch wütet, rollt die nächste schon los: Auf die „Corona-Krise“ folgt die kapitalistische Krise!
- Egal wie es ist, es ist scheiße. Die einen müssen trotz der Gesundheitsgefahren weiter in Fabriken, Büros, Kliniken, Geschäften in engem Kontakt mit anderen schuften. Dabei geht es nicht darum, wie notwendig die Arbeit ist. Sondern darum, das Hamsterrad am Laufen zu halten. Nicht umsonst sind gerade Industriezentren, wie in Norditalien oder Schlachthöfe in Deutschland zu „Corona-Hotspots“ geworden. Der Profit geht vor Menschenleben.
- Andere sind in Kurzarbeit (laut Bundesagentur für Arbeit 10,1 Mio.) oder haben ihre Jobs ganz verloren. Die geringere Ansteckungsgefahr bezahlen sie mit Lohnausfall. Die steigenden Mieten aber müssen weiter gezahlt werden.
- Viele Frauen und Kinder sind zu Hause in Isolation patriarchaler Gewalt ausgesetzt. Die erzwungene häusliche Enge und die verunsichernde allgemeine Situation verschärfen die gewalttätigen Zustände noch zusätzlich. Erste Zahlen sprechen von Steigerungen häuslicher Gewalt um ein Drittel.
- Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Hunger, Armut oder auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa wollten, sind unter katastrophalen Zuständen in Lagern in Griechenland eingesperrt oder werden entgegen aller Infektionsschutzregeln auch hierzulande in „Sammelunterkünften“ und Lagern festgehalten.
Wenn Bosse und PolitikerInnen behaupten, dass wir „alle in einem Boot“ säßen und diese schwere Zeit „gemeinsam überstehen“ müssten, ist das glatt gelogen. Wie in allen bisherigen Krisen dient solches Getöse nur dazu, die Lohnabhängigen auf kommende Einbußen vorzubereiten. Und die Folgen könnten gewaltig sein. Es droht eine Wirtschaftskrise bisher ungekannten Ausmaßes.
Die Antwort von Politik und Kapital ist schon absehbar: Erst kürzlich spekulierten konservative Politiker darüber, ob man nicht „wegen Corona“ den Mindestlohn senken solle. Weiterer Abbau der Sozialsysteme, mehr unsichere Beschäftigung, Einschränkung der ArbeiterInnen- und BürgerInnenrechte werden folgen oder sind es schon.
Dass man sich gegen solche Zumutungen wehren kann, zeigen die Kämpfe von ArbeiterInnen in italienischen Autofabriken oder bei Amazon in den USA. Sie erzwangen durch Streiks Fabrikschließungen oder Sicherheitsvorkehrungen. In Bornheim bei Bonn wehren sich um ihren Lohn betrogene ErntehelferInnen. Und auch abseits von Corona stehen die Menschen auf: Chile, Argentinien, Irak, Iran. Überall solidarisieren sich die Menschen. Sie organisieren sich und kämpfen für ein gutes Leben.
Organisieren wir uns auch! Ohne Politiker, ohne Bosse. Auch ohne Virus sind diese Verhältnisse zum Kotzen. Wir wollen nicht mehr, dass unser Leben davon abhängt, ob jemand unsere Arbeit kaufen will. Wir wollen nicht, dass die Marktlogik darüber entscheidet, wie wir leben, arbeiten, wohnen. Wir wollen selbst entscheiden.
Thesen zu "Industrie 4.0"
04.02.2020
Die Automobilindustrie erfährt gegenwärtig einen massiven Wandel. Die größten Konzerne, wie VW, haben zum ersten Mal seit Jahren sinkende Verkaufszahlen; die Luxusmarke Audi versucht die Produktion, wo es geht, zu drosseln und etliche Zulieferer mussten mittlerweile ihre Beschäftigten entlassen – oder gingen insolvent. Sinkende Verkaufszahlen, der Diesel-Skandal, aber auch die Verschärfung des Klimawandels zwingen die Branche zum Umdenken, sowohl darüber, wie produziert wird, als auch was.
Jeder relevante Automobilkonzern verkündete im Zuge dieses Einschnitts neue Strategien, um diesen Anforderungen erfolgreich begegnen zu können. Ihre Antwort bestand in der Regel in einer Offensive in der Elektromobilität sowie in der digitalen Weiterentwicklung der Produktion und Logistik. Gerade diese digitale Entwicklungen in der Produktion und Logistik werden zur Zeit forciert; indes haben sie in Deutschland schon 2010 öffentlichkeitswirksam unter dem Label „Industrie 4.0“ begonnen.
Die Transformationen greifen aber weit über die Branche hinaus. Gemessen an den Beschäftigungszahlen, Umsätzen, ihrem Einfluss und ihre Verwobenheit mit anderen Sektoren, ist die Automobilindustrie weltweit die wichtigste Industriebranche. Insofern haben die Veränderungen in der Produktion und Logistik hier eine Vorbildfunktion für andere Industriezweige – was in der Automobilindustrie heute umgesetzt wird, ist generell der Standard der Industrie von morgen.
Vor diesem Hintergrund sehen wir eine Notwendigkeit, sich mit der veränderten Klassenzusammensetzung in der digitalisierten Automobilindustrie auseinanderzusetzen. Wir haben dazu in einem Automobilwerk mit den Beschäftigten Interviews geführt, diese ausgewertet und waren ebenso mehrmals vor Ort.
Es ist einerseits das Ziel der folgenden Thesen, zu verstehen, was das Programm „Industrie 4.0“ bedeutet, welche Konsequenzen sich für die Beschäftigten ergeben und schließlich, welche nationalen und globalen Auswirkungen mit dieser Produktivkraftentwicklung verbunden sind. Andererseits hoffen wir, mit den gewonnenen Erkenntnissen die Beschäftigen und ihre Betriebsräte unterstützen zu können und mögliche Strategien im Umgang mit „Industrie 4.0“-Innovationen aufzuzeigen.
These 1: „Industrie 4.0“ wurde als Label eines Zusammenschlusses von Akteuren der deutschen Industrie, Wissenschaft und Politik geschaffen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
Bei WirtschaftspolitikerInnen, -journalistInnen und Kapitalverbänden gilt alles, was mit Internet und Digitalisierung zu tun hat schon seit langer Zeit als das 'große Ding', das die Verwertungskrisen des Kapitals überwinden und einen neuen Wachstumszyklus in Gang setzen könnte. Doch im internationalen Wettbewerb steht Deutschland hintenan. Gegen die Konzerne aus den USA und China, die die Top-20-Plätze der weltgrößten Internetkonzerne unter sich aufteilen, hat die deutsche Konkurrenz keine Chance. Was ist Zalando schon gegen Amazon? Und was die „Smart City“ Bergisch Gladbach gegen das Silicon Valley?
Nachdem zuvor auch eine europäische Digitalisierungsstrategie, die vor allem auf Internetdienstleistungen gesetzt hatte, gescheitert war, gab es ab 2010 einen Umschwung in Richtung einer Digitalisierung der Industrie. Da in Deutschland ein großer Teil des Mehrwerts in der Industrie produziert wird, versprach man sich hier einen internationalen Wettbewerbsvorteil. Während die Innovationen der US-amerikanischen Internetkonzerne vor allem Risikokapital-getrieben ist, werden die Innovationen der „Industrie 4.0“ vor allem vom Deutschen Staat gefördert. So werden beispielsweise Digitalisierungsprojekte in deutschen Industrieunternehmen von der Bundesregierung aus Mitteln des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) finanziell unterstützt. Um den Deutschlandbezug zu unterstreichen, bestanden die ErfinderInnen der Marke auch im internationalen Diskurs auf die Endung -ie. So entstand ein nationales Label, ähnlich wie „Made in Germany“. Bei der „Industrie 4.0“ handelt es sich folglich weniger um die Beschreibung einer rein technologischen Entwicklung, als vielmehr um eine Mischung aus PR-Maßnahme und Entwicklungsprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
These 2: "Industrie 4.0" beschreibt zwar durchaus eine reale Produktivkraftentwicklung, keineswegs aber eine '4. Revolution'.
Trotz ihres ideologischen Werbecharakters lässt sich die Bezeichnung „Industrie 4.0“ auch auf ein Bündel von Technologien beziehen, die der Überwachung und Kontrolle des Produktionsprozesses und der digitalen Vernetzung der Produktionsmittel dienen. „Industrie 4.0“ ist weniger in der Automatisierungstechnik als vielmehr in der digitalen Prozesssteuerung zu verorten. Hierbei ist das Ziel, die verschiedenen Ebenen der Produktionssteuerung zu vernetzen – von der unternehmensweiten Ressourcenplanung (SAP) bis zur Steuerung individueller Arbeitsprozesse. Damit wird an die Betriebsführungsstrategie der Lean Production [1] angeknüpft, deren Hauptziele die Vermeidung von sogenannter „Totzeit“ (sprich: Zeitverschwendung) sowie die Erhöhung der Ressourceneffizienz sind. Damit soll das Just-in-Time bzw. Just-in-Sequence-Prinzip [2] radikalisiert werden, da immer nachverfolgt werden kann, wo sich ein Produkt, die ArbeiterIn oder das Produktionsmittel gerade befindet. Insofern ist es mit Blick auf „Industrie 4.0“ falsch, von einer vierten industriellen Revolution zu sprechen. Industrie 4.0 ist vielmehr Ausbau und Radikalisierung der Prinzipien der Lean Production. Der technisch scheinbar „revolutionäre“ Charakter der „Industrie 4.0“ ist der Wettbewerbs- und Standort-Rhetorik im Zusammenhang mit der Etablierung eines deutschen Wirtschaftslabels zuzuschreiben (vgl. These 1).
These 3: Für die ArbeiterInnen bedeutet Industrie 4.0 zusätzliche Kontrolle und Arbeitsverdichtung.
Durch die Digitalisierung ist es möglich, alle Produktionsmittel mit digitaler Sensorik auszustatten. Dadurch können die einzelnen Arbeitsschritte permanent überwacht werden, ohne dass es der persönlichen Kontrolle durch eineN VorgesetzteN bedarf. Zwar erklärt ein von uns interviewter Betriebsrat, dass die Daten nicht zur individuellen Überwachung genutzt würden, allerdings trauen die ArbeiterInnen diesen Zusicherungen nicht. Früher wurde in der Qualitätskontrolle beispielsweise mit Wagenprüfkarten gearbeitet, in die manuell Mängel eingetragen wurden. Heute laufen diese Eintragungen über ein elektronisches Gerät. Ein interviewter Arbeiter äußert dazu: „Es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass du anhand der Eintragungen ablesen könntest, wann hat der 'ne Viertelstunde mal nichts eingetragen. Schon allein dieser Fantasie wegen überlegt man sich, ob man sich das leisten kann." Zusätzlich werden die Arbeitsschritte in tayloristischer Manier immer kürzer getaktet. Ein Logistikarbeiter erzählt von den Folgen der teils BigData-gestützten Zeitauswertung: „Der Mitarbeiter hat keine fünf Minuten Zeit auf's Klo zu gehn. Es sind nur 1,5 Minuten für Toilette eingeplant. Jetzt mal blöd formuliert, dann gibt's abends Spaghetti aglio olio und der muss kacken gehen - dafür hat er keine Zeit, das geht nicht.“ Für den Bereich der Instandhaltung berichtet ein Arbeiter, dass die letzten technischen Entwicklungen mehr Arbeitsdruck bedeuten: „Die Technik wächst, die Crew halt nicht und es wird immer mehr.“
These 4: „Industrie 4.0“ befeuert eine zunehmende Polarisierung innerhalb der Belegschaft.
Ähnlich wie bei bisherigen Automatisierungsschüben in der Produktion werden Qualifikationen von FacharbeiterInnen durch digitale Assistenzsysteme entwertet: „Wenn du heute Montagetische kreieren kannst, wo auf der Oberfläche der Tischplatte angezeigt wird: greif in das Kästchen links, hole die Schrauben raus und dann blinkt ein Pfeil, wo du die anzusetzen hast - was ist dann diese Tätigkeit noch wert?“ Angeeignetes Erfahrungswissen wird ebenfalls entwertet, weil die Vorgaben digitaler Steuerungsprogramme wider besseren Wissens der ArbeiterInnen befolgt werden müssen: „Intuitiv sagt der Logistiker: ich nehm' die sechs wichtigsten [Teile] mit, die am schnellsten leer werden [...]. Darf er aber nicht mehr, weil er es jetzt in der Reihenfolge mitnehmen muss, wie es leer geworden ist.“ Wie ein Instandhalter erzählt, wird Erfahrungswissen durch technische Neuerungen auch teilweise unbrauchbar und kann nicht ohne weiteres durch Fortbildungen aktualisiert werden: „Wir dürfen uns eigentlich gar nicht mehr Facharbeiter schimpfen, weil wir's einfach gar nicht mehr verstehen. [...] Du wirst auf Schulungen geschickt, aber Praxis und Theorie, da wären wir wieder.“ Im Zuge von „Industrie 4.0“ kommt es also zu einem Deskilling [3], indem Qualifikationen und Erfahrungswissen entwertet oder obsolet werden. Dies betrifft vor allem FacharbeiterInnen, die oft nur noch eine ausführende Funktion zu erfüllen haben. Ziel dieser Maßnahmen ist zum einen die Reduzierung von Lohnkosten durch das Ersetzen von Facharbeit durch ungelernte Arbeit. Zugleich wird die Abhängigkeit des Produktionsprozesses vom spezifischen Produktionswissen der ArbeiterInnen, und damit auch die Macht der ArbeiterInnen reduziert.
Andererseits gibt es einen Zuwachs an Stellen in den Planungs-, Steuerungs- und Führungsebenen, in denen IT-Kenntnisse immer wichtiger werden und so eine Aufwertung erhalten. Ein Instandhalter berichtet: „Ich kann drei Wochen davor sitzen und versteh's einfach nicht. Weil so Anlagen bauen Leute auf, die [...] Programmierer, die [...] träumen Null und Eins.“ Während also FacharbeiterInnen in der Produktion Deskilling-Prozessen unterworfen werden, findet gleichzeitig ein Stellenausbau in der Planung und Steuerung statt. Der Polarisierung der Tätigkeiten entspricht eine Polarisierung innerhalb der Belegschaft.
These 5: Die „Industrie 4.0“ löst ihr Versprechen einer höheren Mitbestimmung durch die Beschäftigten nicht ein.
Teil der „Industrie 4.0“-Propaganda ist, dass durch Digitalisierung eine „liquid democracy“ Einzug in die Betriebe hält und dass Arbeit zunehmend „selbstorganisiert“ abläuft.1 In dem von uns untersuchten Großbetrieb scheint jedoch das Gegenteil der Fall zu sein. Auf der institutionellen Ebene der Gestaltung des Produktionsablaufs werden die technologischen Neuerungen in der Produktion durch ein ExpertInnen-Gremium bestimmt und als unvermeidlich betrachtet. Der interviewte Betriebsrat berichtet: „Da gibt es ca. zehn Leute, die diese Veränderung bewusst wahrnehmen und begleiten [...] Die sind vom Gedanken getrieben, dass man nicht verhindern kann, was passiert, sondern dass man es gestalten muss.“ Die beschlossenen Neuerungen müssen dann ohne Mitspracherecht in der Arbeitspraxis umgesetzt werden: „Also die [obersten Etagen] wollen das halt, aber kennen den Umfang dazu nicht wirklich. Und egal wie, geht's halt an den nächsten drunter. Du musst das umsetzen. Wir sind am Ende der Kette.“ Auf der Werks-Ebene wird detailliert von der digitalen Prozesssteuerung vorgegeben, was zu tun ist. Aus der Logistik wurde uns berichtet: „Der Logistiker sucht sich nicht mehr selber, wo ist was leer, sondern der Computer sagt ihm 'hier ist was leer, fahr da hin' und plant so die Touren des Logistikers.“ Anfangs, so erklärt man uns, hätten die LogistikerInnen die Anweisungen des Computers ignoriert. Da ihr Navigationsgerät aber auch ihre Position erfasst, fiel das sofort auf und führte zu Ermahnungen. Mittlerweile herrscht Resignation: „Nee, ihr könnt mich mal am Arsch lecken. Wenn ihr nicht wollt, dass ich aktiv mitdenke, dann lass ich's gut sein!“ Von einer erhöhten Mitbestimmung im Arbeitsprozess kann also keine Rede sein. Ohne Mitspracherecht der Beschäftigten wird vorgegeben, welche Technologien wie im Produktionsprozess eingesetzt werden und digitale Assistenzsysteme geben wiederum die konkreten Arbeitsschritte vor. Zwar gibt es ein internes Feedbacksystem (Stimmungsbarometer, Verbesserungsvorschläge), insgesamt lässt sich aber von einer Entmündigung sprechen. Die ArbeiterInnen werden vom Anhängsel der Maschinen zu DienerInnen der Maschinen, die ihnen Befehle erteilen.
These 6: In Bezug auf „Industrie 4.0“-Neuerungen lässt sich Misstrauen der Arbeiter_innen gegenüber der Führungs-, Planungs- und Steuerungsebene feststellen.
Im Arbeitsablauf der „Industrie 4.0“ werden massiv Daten erfasst und gesammelt, von digitalen Schraub- und Montagehilfen, über Verbrauchsinformationen, bis hin zu Bewegungsprofilen der Beschäftigten. Dadurch, dass tendenziell jeder Arbeitsschritt für das Unternehmen transparent wird, entsteht ein Klima der Kontrolle, dem sich die ArbeiterInnen nur schwer entziehen können. Auch wenn von der Führungsebene kommuniziert wird, dass die gewonnenen Daten nur der Optimierung des Arbeitsablaufs dienen, herrscht ein tiefes Misstrauen gegenüber diesen Technologien.
Häufig äußern die ArbeiterInnen Unzufriedenheit gegenüber diesen Maßnahmen: „Ich muss das protokollieren: auf den Milliliter genau, mit welchem Druck und sonst was da reingelaufen ist. Also das ist krank eigentlich.“ Die technischen Verhaltens- und Arbeitsvorgaben lassen sich im Arbeitsalltag teilweise gar nicht umsetzen. Dies führt zu Frustration unter den ArbeiterInnen. Sie gewinnen den Eindruck, dass sie auf ein kaum umsetzbares Ideal eines optimierten Arbeitsablaufes verpflichtet werden, das mit der Realität des Arbeitsalltags immer weniger zu tun hat. Die ArbeiterInnen erfahren das als Entwertung ihres Fachwissens und als eine Entmachtung in ihren Handlungsmöglichkeiten: „Also insofern bin ich mit all diesen Kollaborations-Modellen die ich bisher kenne unzufrieden. Es ist überhaupt nicht meine Vorstellung von dem, dass der Mensch den Takt vorgibt.“ Ein Betriebsrat berichtete uns von einem regelmäßig durchgeführten Stimmungsbarometer, bei dem die ArbeiterInnen allerdings falsche Angaben machten. Bspw. gaben sie bezüglich des Arbeitspensums höchste Zufriedenheit an, weil sie befürchten, andere Angaben könnten gegen sie verwendet werden: „Und wenn ich jetzt mit den Kollegen darüber sprech', sagt mal, warum ist das so, warum gebt ihr alle an, dass das alles super ist? Dann sagen die, 'Ich trau' dem nicht, dass das anonym ist.'“ Seitens der ArbeiterInnenschaft werden allerdings nicht die technischen Neuerungen per se, sondern vor allem deren betriebliche Anwendung kritisiert. „Der ghört da net noh.“
These 7: Mittelfristige Folgen der Digitalisierung sind keine direkten Jobverluste, sondern eine gesteigerte Prekarisierung der Arbeit.
Auch wenn Prekarisierung und Deskilling den Kern der Digitalisierung ausmachen, konnten wir durchaus innerhalb des untersuchten Werks beobachten, wie menschliche Arbeit durch Maschinen, Automatisierung und Optimierung der Arbeitsabläufe ersetzt wird. In der Intralogistik wurden durch Tracking, Feedback und autonome Transportsysteme neue Automatisierungsmöglichkeiten geschaffen. Momentan werden in einem Hallen-Neubau nur ca. 20 Prozent der LogistikerInnen eingesetzt, wie im Vergleich zur alten Halle gleichen Typs (von 18 auf vier Beschäftigten bei doppelter Größe der neuen Halle). Die quasi fehlenden Stellen wurden von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) übernommen. Langfristig ist davon auszugehen, dass auch die vier Logistiker_innen vollständig von FTS ersetzt werden sollen. So stellte eine interviewte Person fest: „Ja, wenn das System funktioniert, dann kommt nächstes Jahr noch so ein FTS mehr, dann kommt noch eins. Und dann hängen am Ende keine Logistiker mehr da, sondern nur noch Instandhalter mit ihren Laptops. Das ist die Gefahr. Die ist da und die ist auch jedem bewusst.“
Dennoch kann man für den einzelnen Betrieb und die gesamte deutsche Industrie kurzfristig eher davon ausgehen, dass durch Digitalisierung und weitere Automatisierung zumindest nicht direkt Arbeitsplätze wegfallen. Denn in vielen deutschen Großbetrieben wurde durch die Gewerkschaften eine Beschäftigungsgarantie bis 2025 erkämpft. In den letzten Jahren kann in Deutschland keine technologische Arbeitslosigkeit festgestellt werden (d.h. ein direkter Wegfall von Jobs durch Digitalisierung und Automatisierung). Auch für den von uns untersuchten Großbetrieb ist es schwer, generelle Aussagen über die Zukunft der Jobs zu treffen, da sie von der Kampfkraft der Belegschaft und der Gewerkschaften, aber auch von der ökonomischen, und damit auch von global-politischen Entwicklungen abhängig sind.
Obwohl also die Jobs der Beschäftigten erst mal nicht direkt bedroht sind, muss man die Digitalisierung und weitere Automatisierung als „Klassenkampf von oben“ begreifen. Der Kern dieses Angriffs auf die Beschäftigten ist vor allem das Deskilling: Indem Tätigkeiten einfacher und stupider werden, werden sie zugleich kostengünstiger. Der Einsatz von verschiedenen digitalisierten Unterstützungs- und Vorgabetechnologien in der Produktion und Logistik ersetzt in vielen Fällen Fachwissen und damit viele Ausbildungsjobs (allerdings bisher nicht die Arbeitsplätze selbst). Und auch wenn mittelfristig eher nicht mit einem direkten Arbeitsplatzverlust zu rechnen ist, so ist für alle Beschäftigte dennoch offensichtlich, dass Automatisierung und Digitalisierung viele menschliche Arbeiten überflüssig macht. Der mögliche Jobverlust schwebt also gleichwohl wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der ArbeiterInnen und führt dazu, dass sie in dieser Bedrohungslage gefügiger werden können. Die Digitalisierung verschiebt somit auch, unabhängig vom kurz- oder mittelfristigen Arbeitsplatzabbau, das Kräfteverhältnis innerhalb der Betriebe zugunsten des Kapitals.
Besonders vor dem Hintergrund, dass die deutsche Automobilbranche ihre Produktion immer stärker auf Elektroautos ausrichtet, können schlechtere Arbeitskampfbedingungen zu einer Welle von Entlassungen führen. Schließlich ist der Arbeitsaufwand für ein Elektroauto deutlich niedriger (ca. 30 Prozent) als für ein klassisches Auto mit Verbrennungsmotor. VW-Chef Herbert Diess prognostiziert, dass durch ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 generell ca. 620.000 Jobs in Deutschland verloren gehen könnten. Es scheint also ausgemacht, dass die Automobilproduktion „schlanker“ wird. Was das aber für die Beschäftigten konkret bedeutet, muss sich in den Arbeitskämpfen entscheiden.
These 8: Die Digitalisierung verschlechtert die Bedingungen für Arbeitskämpfe.
Die digitalen Neuerungen werden vor allem zur Überwachung und Kontrolle der ArbeiterInnen eingesetzt und zerstören Räume von Kommunikation und subversivem Handeln. Eine befragte Person teilt mit, dass durch Analysen des Arbeitsprozesses selbst Verzögerungen von ein bis zwei Minuten zu Mahnungen führen können: „Du bist hier nicht da zum schwätzen, sondern zum Arbeiten.“ Kleine Pausen und Gespräche mit den KollegInnen werden so systematisch erschwert. Aber auch die konstante Angst, dass subversives oder auch nur irreguläres Verhalten mittels digitalen Technologien zurückverfolgt werden könnte, lähmt die ArbeiterInnenschaft.
Eine der zentralsten und schwerwiegendsten Konsequenzen der Digitalisierung besteht in der durch Deskilling bedingten Austauschbarkeit der ArbeiterInnen. In bestimmten Segmenten (Intralogistik, Produktion) wird das bislang essentielle Produktionswissen der ArbeiterInnen und damit ihre Produktionsmacht durch Einsatz von Sensorik, Feedbacksystemen, Speichermedien, etc. entwertet. Die damit einhergehende Austauschbarkeit der ArbeiterInnen (sowohl im Werk, als auch generell auf dem Arbeitsmarkt) schwächt ihre Position im Arbeitskampf.
These 9: Die Digitalisierung verbessert die Bedingungen für Arbeitskämpfe.
Die meisten ArbeiterInnen lassen sich nicht auf die Management-Rhetorik der digitalen Selbstorganisation bzw. Selbstoptimierung ein. Sie erkennen, dass es sich bei den Entwicklungen um Rationalisierungs- und Kontrollstrategien handelt. Nichtsdestotrotz stehen sie den Entwicklungen größtenteils mit einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber. Das schlägt jedoch oft in Wut um; insbesondere dann, wenn durch die digitale Kontrolle die menschliche Würde verletzt wird und sich die ArbeiterInnen als zu Maschinen herabgesetzt empfinden. Das wiederum führt zu einer Zunahme von informellen Arbeitskonflikten – von einer Kultur der Insubordination bis hin zu einigen Fällen von Sabotage. In diesem Zusammenhang liefert die digitale Infrastruktur den ArbeiterInnen neue Machtressourcen. Das liegt nicht zuletzt an der besonderen Verwundbarkeit der neuen Technologien: Da die „Industrie 4.0“ im Wesentlichen die Prinzipien der Lean Production radikalisiert (vgl. These 2), treten auch deren Schwachstellen offener zutage: Gerät etwa die durch Just-in-Sequence-Techniken optimierte Zulieferkette ins Stocken, steht auch schnell die Gesamtproduktion still. Das wurde zum Beispiel beim Streik der Audi-ArbeiterInnen im ungarischen Györ sehr deutlich: Als dort im Januar 2019 eine Woche lang gestreikt wurde, stand prompt auch das Werk in Ingolstadt und später sogar auch die Werke anderer Autohersteller in ganz Süddeutschland still. Die Forderungen der ArbeiterInnen in Györ konnten vollständig durchgesetzt werden. Diese Beispiele informeller und formeller Arbeitskonflikte zeigen, dass die Bedingungen für Arbeitskämpfe nicht nur durch die technologischen Neuerungen bestimmt sind (vgl. These 7 und 8), sondern auch durch die Fähigkeit von Belegschaften und Gewerkschaften zur Mobilisierung und Entwicklung neuer Strategien für Arbeitskämpfe.
These 10: Die Digitalisierung der Industrie ist die Antwort des Kapitals auf die anhaltende Verwertungskrise. Sie könnte aber viel mehr sein…
Um die Entwicklungen rund um Digitalisierung und „Industrie 4.0“ richtig zu verstehen und auch politisch und strategisch adäquat einzuschätzen zu können, ist es hilfreich, sie in die mittel- und langfristigen ökonomisch-historischen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus einzuordnen.
Der Hintergrund hierfür ist die verstetigte Krise des Kapitals: Seit dem Ende des Nachkriegsbooms in den 1970er-Jahren sinken die Profitraten für das überakkumulierte Kapital. Das Kapital versucht den vollen Ausbruch dieser latenten Dauerkrise seitdem durch einen massiven Angriff auf die Klasse der Lohnabhängigen vor sich her zu schieben. Bei mangelnden Anlageaussichten wird insbesondere überall versucht, das bereits eingesetzte Kapital in seinen Profiterträgen durch eine Erhöhung der Ausbeutungsrate zu stärken – etwa durch Prekarisierung und Flexibilisierung klassischer Arbeitsverhältnisse.
Zugleich ist das Kapital seit den späten 1970er Jahren massenhaft – dank staatlicher Deregulierung – in den Finanzsektor geflossen, so dass dieser mit großem Abstand die kapitalkräftigste Branche darstellt. Das hat zur Folge, dass es trotz immer neuer Nachrichten von der technischen Möglichkeit der weitgehenden Substitution menschlicher Arbeit durch Roboter im Zuge der „Industrie 4.0“ bislang nicht zu einem großen Automatisierungsschub kam.4
Bei den kontinuierlich sinkenden Wachstumsraten scheint es schlicht nicht profitabel, in immer teurer werdende neue Produktionstechnik zu investieren. Das liegt nicht nur am Preis dieser Technologien selbst, sondern vor allem daran, dass es höchst risikoreich scheint, Kapital permanent in Form von industrieller Infrastruktur zu fixieren. Denn die niedrigen Wachstumsraten machen auch die zukünftigen Produktabsatzmöglichkeiten und damit die Profitaussichten unsicher. Da scheint es lukrativer, Kapital in die Finanzmärkte zu investieren, aus denen es im Krisenfall schnell wieder abgezogen werden kann.
Damit bleiben größere Produktivitätssteigerungen in der Industrie aus, was bedeutet, dass entweder die Profite sinken oder die Arbeit noch weiter ausgebeutet werden muss. Mit der Digitalisierung geschieht letzteres [5]. Erstens ermöglicht sie, wie wir in These vier gesehen haben, eine Dequalifizierung und damit Verbilligung der Arbeit (was den Vergleichsrahmen für die Kosten der Robotik darstellt). Zweitens wird sie, wie wir in der dritten These gesehen haben, zur Verdichtung der Arbeit genutzt und reduziert damit die Menge der notwendigen Arbeitskräfte. Drittens ermöglicht sie eine Prekarisierung der Beschäftigten und damit einen flexiblen Arbeitskrafteinsatz, den Roboter nicht bieten. Bei der Arbeitsverdichtung bzw. -intensivierung wird die Arbeit nicht im strengen Sinne produktiver, d.h. das Verhältnis von aufgewendetem Arbeitsvolumen und Anzahl der mit diesem Arbeitsvolumen produzierten Güter bleibt gleich. Vielmehr zielt die Arbeitsverdichtung darauf, dass innerhalb derselben Zeit ein größeres Arbeitsvolumen verrichtet werden kann, indem ‚tote Zeit‘, in der eigentlich keine Arbeit stattfindet, eliminiert wird. Die Anzahl der in derselben Zeit der Arbeit produzierten Güter steigt zwar an, aber nicht, weil die Arbeit selbst durch neue Produktionsmittel produktiver geworden ist, sondern schlicht, weil in derselben Zeit mehr menschliche Arbeit geleistet wird [6].
Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen sind insgesamt deutlich billiger als in Automatisierung und durch die Digitalisierung öffnen sich ihnen neue Spielräume, wie unsere Untersuchung zeigt. Durch die Arbeitsverdichtung wird zwar mehr Mehrwert produziert, doch da die Löhne keineswegs proportional zum Grad der Arbeitsverdichtung gestiegen sind, erhöht sich der Ausbeutungsgrad. Die Arbeit wird damit noch stärker unter ihrem Wert entlohnt.
Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass durch die Digitalisierung in der Produktion – besonders der Automobilindustrie – es allem Anschein nach nicht zu einer erhöhten organischen Zusammensetzung des Kapitals [7] kommt, sondern sich vielmehr durch Arbeitsverdichtung der Faktor der menschlichen Arbeit erhöht.
Insofern verschärft die Digitalisierung selbst den weiteren tendenziellen Fall der Profitrate weniger als erwartet. Die Krise wird also auf Kosten der Arbeit weiter hinausgezögert. Indem die Digitalisierung die Produktion technologisch erheblich rationalisiert und optimiert, lassen sich sowohl die Arbeitskosten als auch die Verhandlungsstärke der Gewerkschaften senken und die Kampfkraft der Beschäftigten schwächen. Mit der Digitalisierung wird daher in erster Linie die Strategie fortgesetzt, die Ausbeutungsrate zu intensivieren – womit auch der Konkurrenzdruck unter den Einzelkapitalen zunehmen dürfte.
Diese Anstrengungen schieben die Krise somit zwar auf, können sie aber nicht lösen. Immer wieder bricht sie sektoral oder lokal auf, jedes Mal mit der Gefahr sich zu verallgemeinern, wie zuletzt mit der globalen Krise von 2007/2008. Seitdem steht das Kapital noch mehr unter Druck, neue Verwertungsmöglichkeiten zu erschließen; vor allem, weil das neoliberale Modell im Zuge der teilweise enormen gesellschaftlichen Zumutungen und Verwerfungen in der Folge der Krise von 2007/2008 und den zunehmenden sozialen Ungleichheiten politisch verstärkt in Frage gestellt wird.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Staat eine stärkere Rolle bei der Gestaltung der Kapitalakkumulation spielt. Zwar ist das Modell des „investiven Staates“, der gezielt in Entwicklungen für die heimische Industrie investiert, in Deutschland kein Novum, doch es scheint, dass mit den Förderprogrammen zur „Industrie 4.0“ und der zunehmenden Bedeutung staatlich finanzierter Entwicklungsdienstleistungen (etwa durch die Fraunhofer Institute) eine neue Qualität erreicht wurde. Als Reaktion auf die Überakkumulationskrise und der damit verschärften Konkurrenz greift der deutsche Staat in keynesianischer Manier auf Seiten des Kapitals ein – anstatt wie sonst im Keynesianismus üblich auf Seiten der Arbeit durch Sozialausgaben, etc. – und erhofft sich eine Stärkung des nationalen Wirtschaftsstandorts.
Fazit:
Die Digitalisierung provoziert immer wieder naive bürgerliche Prophezeiungen einer vierten industriellen Revolution, einer liquid democracy mit mehr Partizipation oder auch einem „Ende der Arbeit“ [8]. Sie erweisen sich jedoch empirisch als platte Ideologie. Der Kern der Digitalisierung besteht nicht in der Revolutionierung der Industrie, sondern der Kontrolle, nicht in der Demokratisierung, sondern Unterwerfung und schließlich nicht in der Entlassung, sondern verschärften Ausbeutung der Lohnabhängigen.
Anders als oftmals erwartet setzt sie unter den herrschenden Verhältnissen gerade keinen neuen Automatisierungsschub frei, sondern konstituiert vielmehr ein neues Herrschaftsregime in der Fabrik. Diese reelle Subsumtion der Arbeit unter der Ägide des Kapitals mit nunmehr digitalen Mitteln nimmt stetig autoritärer Züge an: Die Implementierung digitaler Technik wird als unausweichlich und alternativlos von den Management-Etagen durchgedrückt, so dass die Arbeit entqualifiziert, entwertet und verstumpft; zugleich wird die Belastung erhöht und Pausen und Freiräume eingeschränkt. Um dies zu gewährleisten wird die Kontrolle über die Arbeit intensiviert. Obwohl durch Digitalisierung Arbeit wirklich erleichtert und vielerorts auch einfach ersetzt und der Produktionsprozess demokratisiert werden könnte, entfaltet sie unter den spätkapitalistischen Bedingungen niedriger Profitraten und einer Überakkumulation des Kapitals vor allem ihre destruktiven und autoritären Potentiale zu Lasten der ArbeiterInnen. Digitalisierung ist im Kapitalismus vor allem Klassenkampf von Oben.
Und darin sind sich Kapital und Staat einig: der Klassenkampf von Oben lässt sich gemeinsam am besten führen. Während der Staat durch Investitionsprogramme, Ausschreibungen und technologische Innovationen dem Kapital bei der Entwicklung und Implementierung des neuen digitalen Fabrikregimes gehörig unter die Arme greift, dankt es das Kapital mit prekären Arbeitsplätzen für die StaatsbürgerInnen und Steuereinnahmen. Und des Weiteren gilt: wo die Arbeit prekär und die Arbeitsbedingungen autoritärer werden, braucht es auch einen autoritäreren Staat, um den „sozialen Frieden“ zu gewährleisten. Insofern reiht sich die Digitalisierung der Industrie in die allgemeine globale Verschärfung bürgerlicher Herrschaft ein.
Doch zugleich besitzt die Digitalisierung auch die Potentiale einer wirklich vernünftigen, an den Bedürfnissen orientierten Planwirtschaft als Basis einer rätekommunistischen Weltgesellschaft. Die Produktionsverhältnisse stellen aber eine Fessel für diese Entwicklung der Produktivkräfte dar.
[1] Lean Production bedeutet so viel wie "schlanke Produktion" und bezeichnet eine Produktionsorganisation, deren Hauptziel darin besteht, Ressourcen-Verschwendung in allen Bereichen der Produktion zu vermeiden. Zentral ist dabei das sogenannte "Pull-Prinzip": Die ganze Produktion soll sich strikt am Kundenauftrag orientieren, der bspw. die Logistik gemäß seinen aktuellen Notwendigkeiten "hinter sich herzieht" und somit den Steuerungsaufwand oder die ungenutzten Bestände minimiert. z.B.: Sattelberger, T., Welpe, I., & Boes, A. (2015). Das demokratische Unternehmen: Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft. Freiburg, München: Haufe Lexware.
[2] Just-in-Time-Produktion bedeutet, dass Arbeitsmaterial und Produkte nur zu der Zeit und in der Quantität produziert werden sollen, wie es der gegenwärtigen Auftragslage entspricht. Just-in-Sequence radikalisiert dieses Konzept und reagiert auf eine zunehmend individualisierte Produktion in der Automobilindustrie, in der die hochgradig variierenden Einzelteile exakt zur entsprechenden Montagesequenz angeliefert werden müssen.
[3] Deskilling bedeutet, dass Tätigkeiten zunehmend von ungelernten ArbeiterInnen ausgeführt werden können, für die es ehemals einer Ausbildung bedurfte. Die ungelernten ArbeiterInnen sind kostengünstiger und austauschbar, was für die Kampf- und Organisationsfähigkeit tendenziell ein Problem sein kann.
[4] Als Indikator für neue Investitionen ist die Bruttoinvestitionsquote aussagekräftig. Sie setzt sich dem Verhältnis der Bruttoinvestitionen zu dem BIP zusammen. Sowohl in Deutschland als auch global ist sie im Sinken begriffen. Während sie zwischen 1960 und 1974 stark anstieg, sinkt sie seitdem in der Tendenz beständig, vor allem in den OECD-Staaten, aber auch global. Auch wenn seit 2012 ein kleiner Anstieg in Deutschland auszumachen ist, so ist dieser zu schwach um eine neue „vierte industrielle Revolution“ zu begründen.
[5] Dies weist Moody empirisch nach: Kim Moody: Schnelle Technologie, langsames Wachstum. Roboter und die Zukunft der Arbeit, in: Butollo/Nuss: Marx und die Roboter. Vernetzte Produktion, künstliche Intelligenz und lebendige Arbeit, Berlin 2019, S.132-154. So wie auch in These 2 und 3
[6] Vgl. MEW 23, S.547f.
[7] Organische Zusammensetzung des Kapitals beschreibt das Verhältnis von menschlicher Arbeitskraft und maschineller Arbeit in der Produktion. Von einer erhöhten organischen Zusammensetzung spricht man, wenn sich der Anteil der Maschinen (das sogenannte konstante Kapital c) erhöht.
[8] Rifkin, Jeremy: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Frankfurt a.M. 1995.
Nähfabriken in Asien - Gewerkschaftstour mit Arbeiterinnen aus Indonesien und Sri Lanka / clothing factories in asia - union tour with workers from indonesia and sri lanka
28.09.2019
23. Oktober | Ort: Hebelschule, Engelbergerstraße 2, Freiburg | Zeit: 19:00 - 22:00
Über die Kämpfe der Näherinnen in Indonesien & Sri Lanka und was wir von ihnen lernen können | in english, with german translation
[translation below]
Nähfabriken in Asien - Gewerkschaftstour mit Arbeiterinnen aus Indonesien und Sri Lanka
So gut wie alle von uns tragen Klamotten aus den Nähfabriken in Asien. Höchste Zeit von den Leute vor Ort zu hören und sich mit ihnen zu vernetzen!
Dian von der feministischen Gewerkschaft Inter-Factory Workers’ Federation (FBLP), welche insbesondere in Jakarta (Indonesien) ihren Fokus hat, sowie Chamila des Dabindu Collective (Sri Lanka) werden einen Input geben. Es wird um die aktuellen Arbeits- und Lebensbedingungen der Näherinnen und Gender-Based-Violence (GBV) gehen, aber auch um aktuelle Arbeitskämpfe.
Für jede Veranstaltung ist geplant anschließend in einen Austausch zu treten und darüber zu sprechen, was vor Ort getan werden kann, um die Kämpfe der Näherinnen zu unterstützen.
Die Inputs werden auf Englisch gegeben und eine Übersetzung auf Deutsch wird organisiert.
***
Dabindu Collective: Feministische Organisation in der sich Näherinnen in der Freihandelszone von Katunayake aufeinander solidarische beziehen und sich für ihre Interesse einsetzen können. Erlangung von mehr Selbstbestimmung von Näherinnen durch Bildungsangebote. Propagierung von Menschenrechten für (lohnabhängige) Frauen.
FBLP (Inter-Factory Workers' Federation): Setzt sich für die Entfristung von Verträgen ein und ist aktiv gegen (sexualisierte) Gewalt/Diskriminierung gegen Arbeiterinnen und LGBTQ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer). Als Teil ihrer Arbeit hat FBLP ein Community Radio etabliert. Dieses wird von weiblichen Lohnabhängigen für weibliche Lohnabhängige betrieben und heißt Marsinah Radio.
clothing factories in asia - union tour with workers from indonesia and sri lanka
Dian of the feminist union Inter-Factory Workers’ Federation (FBLP), based in Jakarta (Indonesia), as well as Chamila of the Dabindu Collective (Sri Lanka) will each give an input. The focus will be on current working and living conditions of garment workers as well as Gender-Based-Violence (GBV) and the latest labour struggles.
Afterwards we want to talk about ideas on how to support the struggles of garment workers from our local regions.
The input will be given in English and translated into German.
***
FBLP (Inter-Factory Workers’ Federation): Struggles for indefinite working contracts and is active against (sexualised/ gender-based) violence and against the discriminiation of LGBTQ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer). As part of their work FBLP has a community radio. It's run by female workers for female workers and is call Marsinah Radio.
Dabindu Collective: Feminist organisation in which garment workers, especially within the free trade zone of Katunayake, are organized and can refer to each other in solidarity. They aim for more self-determination of garment workers through educational programms and promote human rights for (working) women.
Thesen zum Islamismus in Zürich
27.09.2019
29.11.2019 | 20:00 | Infoladen Kasama, Militärstrasse 87a (Innenhof), Zürich
Wir stellen unsere Thesen zum Islamismus in der Schweiz vor!
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die wir im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht haben, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Kampf, Solidarität, Klasse – was bedeutet der erste Mai?
01.05.2019
Unser Redebeitrag zum Solidarischen Straßenfest am 01.Mai 2019
1886 wurde die allererste Maidemonstration abgehalten – und zwar in Chicago, auf dem Haymarket-Platz. Damals forderten die Arbeiter_innen einen Arbeitstag von 8 Stunden statt der üblichen 12 bis 14 Stunden. Auf der Demonstration wurden Dutzende Arbeiter erschossen, hunderte verletzt. Die Organisierenden der Demonstration wurden verhaftet – und an vier von ihnen wurde das Todesurteil vollstreckt. In der Tradition der sogenannten Haymarket-Riots werden seitdem, also seit 133 Jahren, am ersten Mai Demonstrationen und Kundgebungen in der ganzen Welt abgehalten.
Etwa ähnlich alt wie der Maifeiertag ist der Begriff der Solidarität, der in der Tat mit der an Bedeutung und Schwung gewinnenden Arbeiter_innen-Bewegung der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts aufkam. Damals bedeutete der Begriff einen radikalen Wandel gesellschaftlicher Kategorien: Nicht mehr die Familie, die Verwandtschaft, oder gar die Berufsgilde waren Garanten des Überlebens„Alles Ständische und Stehende wurde verdampft“. Die Gemeinschaften, die im bis zur Industrialisierung das Überleben sicherten, fielen weg. . „Alles Ständische und Stehende wurde verdampft“. Übrig blieb die Einzelne, das Individuum, das nichts zu verkaufen hatte, außer seine Arbeitskraft. Wer nicht arbeiten konnte, stürzte in der Regel ins Elend. In ihrem individuellen Überlebenskampf waren die Lohnarbeiter_innen alle gleichermaßen auf sich gestellt.
Mit der Industrialisierung kam Solidarität als Kampfbegriff auf, der die individualisierten Arbeiter_innen miteinander vereint. Solidarität war der Schlüssel zum Kollektiv: zur neu entstehenden Arbeiterklasse. Durch Solidarität erst konnte ein Klassenbewusstsein entstehen, ein neues Kollektiv, was zentral war für das Erkämpfen besserer Lebensumstände für die Lohnarbeitenden. Klasse ist kein familiäres oder emotionales Verhältnis, sondern ein politisches: über die Klassenzugehörigkeit entscheidet nicht der Zufall des Geburtsortes, die Augen- oder Hautfarbe, sondern allein die Tatsache, dass wir gezwungen sind, unsere Arbeitskraft zu verkaufen. Mit anderen Worten „Proletarier_innen aller Welt – vereinigt euch“. Diese Idee hatte immense Sprengkraft und sorgte dafür, dass die Kämpfe in Chicago auf dem Haymarket um die Welt gingen. Die Arbeiter_innen in Österreich, Frankreich und sonstwo zettelten Demonstrationen, Streiks und Kundgebungen an, in Solidarität mit den Geschehnissen in Amerika. Mit Erfolg – gute 30 Jahre später war der 8-Stunden Tag in vielen Industrie-Ländern Europas gesetzlich festgeschrieben.
Heute leben wir glücklicherweise in paradiesischen Zeiten, in denen das Max-Planck-Institut, die CDU, Der Freiburger Stadtrat oder die AfD sich mit allem Möglichen solidarisch erklären. Das Problem dabei: ihre Solidarität grenzt aus. Die AfD begrenzt ihre Solidarität natürlich auf Biodeutsche Hetero-Konservative und das Max-Planck überlegt laut, ob mensch mehr dem Einzelnen oder mehr der Gesellschaft verpflichtet ist. Die CDU – oder auch die SPD schießen jedoch den Vogel ab: SPD und CDU erklären ein solidarisches Europa mit der einen Hand, während sie mit der anderen Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken lässt und diejenigen, die gerettet werden in Länder wie Afghanistan abschiebt – ganz zu schweigen von der Errichtung eines Grenzregimes, das Sklavenhandel und andere Gräueltaten toleriert.
Wenn das ein solidarisches Europa sein soll, hat Solidarität an Bedeutung verloren? Macht es überhaupt noch Sinn sich auf den Begriff zu beziehen, der so beliebig eingesetzt wird und auf hölzernen Beinen daherkommt?
Ja, es macht Sinn! Auch wenn es abgedroschen klingt, Solidarität ist eine Waffe und sie ist wichtiger denn je. Solidarität bedeutet politische Kämpfe ernst zu nehmen und sie als verknüpft zu begreifen. Das heißt, dass die Streiks indischer Fabrikarbeiter_innen genauso wichtig sind, wie die Proteste der Einwohner_innen im Metzgergrün oder die Friday for Future-Demonstrationen der Schüler_innen. Ob jetzt zu hohe Mieten, Klimawandel oder Ausbeutung bekämpft werden, ist dabei nicht als Trennung der Kämpfe, sondern als jeweilige Ausformung zu begreifen. Was die Kämpfe vereint ist die emanzipatorische Ausrichtung, also der Kampf gegen gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse. Ähnlich verhält es sich mit antirassistischen oder feministischen Kämpfen. Mensch muss nicht jede Form von Unterdrückung und Ausgrenzung selbst erlebt haben, um davon betroffen zu sein. Solidarität heißt, die Kämpfe anderer Menschen ernst zu nehmen. Auch als colored Cis-Frau kann mensch solidarisch mit Transpersonen sein – auch als weißer schwuler Mann kann mensch für die Rechte von Jesidinnen eintreten. Identitätspolitiken legen uns manchmal nahe, dass es bei Kämpfen vor allem um die eigene Betroffenheit geht, dass die eigene Betroffenheit die Kämpfe erst legitimieren muss. Betroffenheit ist natürlich ein starker Motor für politische Aktion, darf aber nicht ihre Bedingung sein! Solidarität heißt, die Unterdrückung und Ausbeutung anderer ernst zu nehmen – nicht aus Mitleid, sondern durch das politische Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Empfänger_innen von Solidarität sind im Sinne der Kampf-Solidarität keine Bittsteller_innen, die letztlich ganz von der Willkür der Gebenden abhängig sind, sondern eigenständige, mündige Anspruchsberechtigte.
Solidarität heißt aber auch die eigene Situation zu politisieren: wie ist mein eigenes Arbeitsverhältnis? Werden meine Rechte eingehalten? Oftmals kämpfen die Menschen gerne auf den Baustellen anderer und übersehen, dass sie in ihrem Studijob oder Minijob selbst ausgebeutet werden. Die Arbeitsverhältnisse, die ich akzeptiere, schaffen die Arbeitsverhältnisse meiner Kolleg_innen! Wenn ich den Job für acht Euro die Stunde mache, warum sollte meine Chefin der nächsten Person zehn Euro dafür geben? Ein „mir geht es doch gut, ich brauche keine 10 Euro die Stunde“ ist nicht bescheiden – sondern unsolidarisch!
Wir dürfen auch nicht erst kämpfen, wenn es uns schlecht geht – es geht nicht um die Erhaltung gewisser Verhältnisse, sondern darum, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist. Das heißt, unser Projekt sollte nicht ein netterer Kapitalismus sein, sondern dessen Überwindung! Und genau deshalb brauchen wir Solidarität als Klammer. Nicht nur als Gefühl der Brüder- oder Schwesterlichkeit, sondern als rationale Strategie gegen die Ausbeutung. In diesem Sinne ist Solidarität noch immer unsere schärfste Waffe im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung und das schwerste Gegengewicht zu den Kapitalinteressen!
Thesen zum Islamismus in Darmstadt
04.04.2019
Mittwoch, 10. Juli 2019 2019 - 20:30
Ort: 221qm (806qm) Alexanderstraße 2, 64289 Darmstadt
Wir sind im Juli als Vortragsgäste beim AStA der TU Darmstadt in der Veranstaltungsreihe "Religion & Kapital" dabei. Die offizielle Veranstaltungsankündigung findet ihr hier: https://www.asta.tu-darmstadt.de/asta/de/termine/3403-thesen-zum-islamismus-la-banda-vaga
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die wir im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht haben, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Vortrag: Alle Macht den Räten!
18.02.2019
Am 21.03.2019 um 20:00 im Gemeinschaftsraum der Arne-Torgersen-Straße 7 (Freiburg).
Marx sprach von Räten als der »endlich entdeckten Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen kann«, Hannah Arendt von einem System, das »selbst nur offenbar wiederholte, was sich bereits vorher ereignet hatte, ohne dass man jedoch von einer bewussten Nachahmung oder einer noch so vagen Erinnerung des Vergangenen sprechen konnte«. Nach 1917 organisierten sich hunderttausende ArbeiterInnen und Soldaten in ganz Europa in Räten – sowohl als Akt sozialer Notwehr angesichts des durch den ersten Weltkrieg verursachten Elends, aber auch im Sinne der Idee einer dauerhaften emanzipatorischen gesellschaftlichen Alternative. Eines der Zentren der Bewegung war Bayern, wo der Zentralrat und der Revolutionäre Arbeiterrat am 7. April 1919 die Räterepublik ausriefen. Diese wurde aber bereits am 2. und 3. Mai durch Reichswehr und Freikorps brutal niedergeschlagen. Simon Schaupp zieht aus den Ereignissen die Lehren und formuliert „Fünf Thesen zur Bayerischen Räterepublik“. Aus dieser „wirklichen Bewegung“ (Friedrich Engels), die sich auf den Straßen, in den Fabriken und Kompanien des Nachkriegseuropas abspielte, entwickelte sich der historische Rätekommunismus, als dessen Politisierung und Theoretisierung. Jens Benicke spricht über die Theorie und die Perspektive des Rätekommunismus. Beide Referenten sind Autoren des von Anna Leder, Mario Memoli, Andreas Pavlic herausgegebenen Bandes Die Rätebewegung in Österreich. Von sozialer Notwehr zur konkreten Utopie, Mandelbaum Verlag, Wien 2019, 244 S., 17.00 €.
Vorstellung der Thesen zum Islamismus in Bremen
17.01.2019
Am 30. März stellen wir im Rahmen einer K*schemme-Veranstaltungsreihe zu Islamismus in Bremen unsere Thesen zum Islamismus vor. Veranstaltungslink bei der Basisgruppe Antifa.
Am 30. März 2019 um 19:00 – 22:00
im kukoon, Buntentorsteinweg 29
Bremen
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum hat die Gruppe “La Banda Vaga” aus Freiburg den Versuch unternommen, sich dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die sie im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht hat, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Gegen die AfD-Demo in Freiburg!
29.10.2018
18:00 Kundgebung am Bertoldsbrunnen Die Interventionistische Linke und die Anarchistische Gruppe Freiburg rufen für heute Abend um 18:00 zur Gegenkundgebung auf: "Kein zweites Chemnitz in Freiburg - #Zusammenstehen gegen rassistische Vereinnahmung". Die AfD, ihre Jugendorganisation "Junge Alternative" und das rechte Frauenbündnis Kandel planen heute Abend eine Demonstration in Freiburg, der auch wir uns entgegensetzen werden.
Den Aufruf findet ihr unten und auf tacker.fr: https://tacker.fr/node/5392
Aufruf der AG Freiburg:
Achtung! AfD-Demo für Montag in Freiburg geplant!
Die AfD, ihre Jugendorganisation "JA" und das extrem rechte sogenannte "Frauen"bündnis Kandel rufen für den kommenden Montag (29.10) zu einer Demonstration über die KaJo auf. Anlass ist eine widerliche Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau durch mehrere Syrer und einen Deutschen nach einem Disco Besuch.
Die Rechten versuchen damit eine abscheuliche & frauenverachtende Tat für ihre rassistische Agenda zu instrumentalisieren. Ähnliches probierten sie schon beim Frauenmord an der jungen Studentin Maria L. durch einen afghanischen Flüchtling im Jahr 2016. Es bleibt aber dabei: Das Problem heißt Patriarchat! Die Antwort auf sexuelle Gewalt und Frauenmorde ist ein militanter, transnationaler Feminismus und nicht Hetze gegen Flüchtlinge!
Bei ähnlichen Demos in Kandel ist das gesamte Spektrum des extremen Rechten präsent gewesen von der AfD über Identitäre Bewegung bis zu Nazi-Hooligans. Bereitet euch vor und achtete auf aktuelle Infos zu den Gegenprotesten!
Kein Fußbreit den rechten Hetzern!
Aufruf der IL Freiburg:
Am Montag, den 29.10.18 ruft die AfD und ihre Jugendorganisation "Junge Alternative" in Kooperation mit dem rechten Frauenbündnis Kandel zu einer Demonstation in Freiburg auf.
Ziel ist die rassistische Vereinnahmung der grausamen Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen Freiburgerin. Der Versuch solche Ereignisse für die eigene fremdenfeindliche Politik zu vereinnahmen und Geflüchtete allgemein zu kriminalisieren, ist berechnende Strategie und steht in bundesweiter Kontinuität: Egal ob Chemnitz, Köthen oder Freiburg.
Wir überlassen den Rechten am Montag nicht die Straße. Kommt am Montag um 18:00 Uhr zur Kundgebung am Bertoldsbrunnen und zeigt AfD und co. was ihr von ihnen haltet!
Deliverunion – die Lieferdienst-Kampagne in alle Städte tragen
06.10.2018
English Version below Vortrag und Diskussion
«Foodora, Deliveroo, shame on you!» rufen rund 80 Fahrradkurriere mit pinken und türkisen Rucksäcken auf ihrem Weg durch die Berliner Innenstadt. Sie fordern bessere Bezahlung, die Übernahme der Kosten für Arbeitsmittel und ein Schichtsystem, dass ihnen erlaubt, genug zu arbeiten, um über die Runden zu kommen.
Nichts ist selbstverständlich bei den neuen app-basierten Lieferdiensten, die Essen nachhause liefern – auf den Rücken der FahrerInnen. Deshalb müssen Arbeitsstandards erst erkämpft werden. Seit 2017 haben in Berlin die FahrerInnen mit der Basisgewerkschaft FAU erste Verbesserungen durchgesetzt und die Situation der ArbeiterInnen in der digitalen Ökonomie überhaupt erst ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Als Teil der internationalen Deliverunion-Kampagne haben sie außerdem ein Beispiel für grenzüberschreitende Solidarität und Kooperation von ArbeiterInnen geschaffen.
Zwei KollegInnen der FAU Berlin, die Foodora und Deliveroo von innen kennen, berichten von Protesten, Verhandlungen und Organizing unter erschwerten Bedingungen. Der Vortrag wird die folgenden Fragen beantworten: Wie sieht der Arbeitsalltag auf dem Fahrrad eigentlich aus?
Wie gelang es den „Unorganisierbaren“ sich erfolgreich zu organisieren?
Wie lassen sich längerfristig die Arbeitsbedingungen in prekären Bereichen verbessern?
Wie geht es weiter mit Deliverunion?
Im Anschluss können Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei den Lieferdiensten in Freiburg diskutiert werden.
Wann? Samstag, 20. Oktober 2018, 20 Uhr
Wo? Adlerstraße 12a, Freiburg (Räumlichkeiten des Chaos Computer Club)
Deliverunion - delivery riders united for decent working condition
Talk and discussion
"Foodora, Deliveroo, shame on you!" shout around 80 delivery riders with pink and turquoise backpacks on their way through downtown Berlin. They demand better pay, taking on the cost of work equipment and a shift planning system that makes ends meet.
While most delivery riders are looking for a flexible and sporty job many are disappointed with the working conditions. Therefore, labor standards have to be fought for. Since 2017, the riders together with the labor union FAU have won some improvements in Berlin. Thereby they have made the situation of workers in the digital economy even more public. As part of the international Deliverunion campaign, they also gave an example for transnational workers' solidarity and cooperation.
Two colleagues from FAU Berlin who know Foodora and Deliveroo from the inside will talk about protests, negotiations and organizing under difficult conditions. They will address the following questions:
How did the “unorganizable” succeed in organizing?
What does the daily work on the bike actually look like?
How can working conditions in precarious areas be improved in the longer term?
What's next with Deliverunion?
After the talk possibilities to improve the working conditions at the delivery services in Freiburg can be discussed. The talk will be in German, English translation can be provided if necessary.
When? Saturday October 20, 2018, 8 pm
Where? Adlerstraße 12a, Freiburg (rooms of the Chaos Computer Club)
Die Thesen zum Islamismus sind online!
01.10.2018
Unsere Thesen zum Islamismus, die wir in der fünften Ausgabe des Kosmoprolet veröffentlicht haben, könnt ihr jetzt auch bei Kosmoprolet online nachlesen.
Verein freier Menschen? Idee und Realität kommunistischer Ökonomie
27.09.2018
Vortrag mit Hannes Giessler Furlan
Am 16.10.2018 um 19:30 im Übungsraum 1, KG IV, Uni Freiburg (5. Stock)
Im Namen des Kommunismus verwirklicht hat sich im 20. Jahrhundert vor allem eine totalitäre Gesellschaft. Die Ursachen des Misslingens sucht Hannes Giessler Furlan dort, wo der Kommunismus ansetzte: in der Ökonomie. Der Autor zeigt in seinem Buch, wie die kommunistische Idee eines vernünftig eingerichteten Produktionsprozesses in der Realität einen gewaltigen Staats- und Planungsapparat bedingte, wie sie scheiterte, und was von ihr übrig geblieben ist.
Dass der Kommunismus trotz seiner humanistischen Versprechen heute ein kümmerliches Dasein fristet, liegt an schwerwiegenden Fragen, die in der ökonomischen Praxis des Realsozialismus offenbar wurden und unbeantwortet blieben: Wie kann die kommunistische Produktion zugleich demokratisch und planmäßig organisiert sein? Wie kann die kommunistische Gesellschaft das Problem der Arbeitszeitrechnung lösen? Oder soll sie auf Arbeitszeitrechnung verzichten - aber wie soll dann das zentrale Anliegen kräfteschonender Produktion und Bedürfnisbefriedigung realisiert werden? Und wie kann gewährt werden, dass die Überwindung des Leistungsprinzips und der Tauschgerechtigkeit nicht in Ungerechtigkeit mündet?
In Freiburg wird der Autor die Vorstellung seines Buches auf die Kritik des Rätekommunismus zuspitzen. Dieser steht heute, zumindest in kleinen Zirkeln, in denen das humanistische Versprechen des Kommunismus gehütet und über die Zeit gebracht wird, hoch im Kurs (etwa in dem lesenswerten Pamphlet Umrisse der Weltcommune der »Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft«). Wenngleich der Rätekommunismus historisch fast keine Schuld auf sich geladen hat, liefert auch er, so die These des Autors, kaum Antworten auf oben genannte Fragen.
Vorstellung der Thesen zum Islamismus auf dem AMS-Camp
13.08.2018
La Banda Vaga - 9 Thesen zu Islamismus: Freitag, 17.08.2018, 11:30 bis 14:00 Uhr, Mühsam Mansarde auf dem AMS-Camp.
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht sind, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Vortrag & Tagesseminar in Jena zu “Islamismus als Krisenreaktion”
05.06.2018
Vortrag: 8. Juni 2018, 19 Uhr, im HS 7 Seminar: 9. Juni 2018, 10:00-17:30, im DJR (Seidelstr. 21)
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Allzu oft wird der Islamismus dabei jedoch als archaische, also vormoderne Erscheinung abgetan. Dabei sehen wir in den gegenwärtigen Islamistischen Gruppen und Gangs ein Phänomen der kapitalistischen Krise: “Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Islamismus schweigen!” Der moderne Islamismus entstand im Umfeld und als Reaktion zu der Weltwirtschaftskrise von 1929. Er ist auch aktuell eine reaktionäre Antwort auf die Krise, der gegen die Moderne, die Aufklärung und auch alle linken Ideen als vermeintliche Ursache der Krisen vorgeht.
Vortrag und Tagesseminar können unabhängig voneinander besucht werden.
Teilnahmebeitrag für das Tagesseminar: 3€ Zur Teilnahme am Tagesseminar Anmeldung bis 7.Juni an info@falken-jena.de
Vorstellung des Kosmoprolet
29.05.2018
Am Donnerstag, den 7. Juni ab 19:00 Uhr stellen wir im Falkenhaus - Rödelheimer Straße 14, in Frankfurt am Main unsere Thesen zum Islamismus vor. Dies wird im Rahmen der Heftvorstellung von Kosmoprolet #5 der Gruppe Surplus Club Frankfurt stattfinden.
La Banda Vaga zu den materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus.
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten“ entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die im neuen Kosmoprolet #5 veröffentlicht sind, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Krise, Krieg und Smog - Die Welt als Pulverfass
08.05.2018
Redebeitrag und Flugblatt zum 1. Mai 2018. Hier gibt es den Text auch zum Nachhören.
Als 2008 die globale Krise ihren medialen Höhepunkt erreichte, wurde viel über historische Parallelen diskutiert. Eine Frage dabei war: Würde es wie 1929 von der Weltkrise zum Weltkrieg kommen? Vor zehn Jahren wurde diese Frage von den meisten als absurd abgewehrt, da ja die Weltwirtschaft heute so international vernetzt sei, dass alle Nationalökonomien aufeinander angewiesen sind. Eine Politik des Freihandels und der internationalen Zusammenarbeit über Institutionen, wie die G20 oder die WTO, würden egoistische nationale Alleingänge schon verhindern und letztlich dafür sorgen, dass der ökonomische Konkurrenzkampf zivilisiert ausgetragen würde. Heute, zehn Jahre später, scheinen militärische Konflikte zwischen den Großmächten nicht mehr undenkbar und wir lesen jeden Tag in der Zeitung von bevorstehenden Handelskriegen, Strafzöllen oder protektionistische Maßnahmen. Die USA besteuern diese Produkte, China und europäische Staaten antworten darauf mit der Besteuerung jener Produkte. In zahlreichen Staaten haben inzwischen sogenannte Rechtspopulistinnen die Regierung übernommen und propagieren "mein Land first!" Eines dieser Länder sind die USA, deren globale Vorherrschaft sich seit Beginn der Krise in den 1970er-Jahren im Niedergang befindet. Die Phase des Abstiegs einer Hegemonin und die Versuche aufstrebender Nationen deren Platz im Weltsystem einzunehmen haben historisch immer zu konfliktreichen und sozial verheerenden Zuständen geführt. Besichtigen lässt sich dies anschaulich am Pulverfass der Welt, dem Mittleren Osten. Der Bürgerkrieg in Syrien, entstanden aus der Niederschlagung der Freiheitsbewegungen des Arabischen Frühlings, hat sich längst internationalisiert. Alle Regionalmächte und auch die meisten geographisch ferner liegenden Großmächte mischen in dem kaum mehr zu überschauenden Gemetzel mit. Kein Kriegsverbrechen ist zu grausam, als das es nicht in diesem Inferno verübt würde. Allem voran der Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Alte Bündnisse werden in diesem Krieg über den Haufen geworfen nur um im neu eröffneten Great Game den größten Teil des Kuchens zu bekommen. Über ihre Bündniskonstellationen im syrischen Gemetzel geraten auch die Großmächte gefährlich aneinander. Während Russland gemeinsam mit dem Iran an der Seite des Schlächters Assad steht, schwankt die Politik der USA zwischen einem Sturz des Regimes, auch mithilfe von Islamistinnen bis zu „bloß raus aus diesem Schlamassel“. Das Fehlen einer konsistenten Strategie und die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten machen die Lage nochmals gefährlicher. Ein Zusammenstoß zwischen den Atommächten USA und Russland ist nicht auszuschließen. Gleichzeitig versucht auch der stärkste Konkurrent um die Welthegemonie, China, seine Positionen global auszubauen. Getrieben von einer gigantischen heimischen Immobilienblase und tausenden sozialen Protesten, die den Wert der Ware Arbeitskraft der chinesischen Ausgebeuteten in die Höhe treiben, expandiert der chinesische Marxismus-Kapitalismus in die ganze Welt, baut neue Seidenstraßen, befreit Afrika aus dem europäischen Neokolonialismus um einen chinesischen Neokolonialismus zu errichten und kauft sich weltweit strategisch wichtige Firmen zusammen. Der globale Aufstieg Chinas nach der Devise des Mao-Nachfolgers Deng Xiaopings „Bereichert Euch!“ beutet nicht nur Millionen Lohnabhängige aus, sondern ruiniert auch die Lebensgrundlage aller in China Lebenden. Der Smog in den Megastädten ist inzwischen sprichwörtlich. Damit holt China nicht nur in der Kapitalakkumulation auf, sondern reiht sich auch in der Zerstörung der Umwelt ganz vorne mit ein. Trotz immer neuer dramatischer Appelle der Wissenschaft sind die kapitalistischen Wettbewerbsökonomien einfach nicht in der Lage die Konsequenzen ihrer destruktiven Wirtschaftsweise zu kontrollieren. Wie auch, schließlich basiert die kapitalistische Produktion ja darauf, dass sie gleichzeitig mit ihrer Expansion auch die Springquellen allen Reichtums untergräbt: die Erde und die Arbeiterin. Die kapitalistische Produktionsweise setzt also unmittelbar die Frage nach dem Überleben der Menschheit auf die Tagesordnung. Nicht nur Wirtschaftskrisen, Krieg, Hunger und Ausbeutung, sondern in letzter Konsequenz sogar die Weiterexistenz der Gattung Mensch wird durch sie in Frage gestellt. Es ist also höchste Zeit mit diesem Irrsinn aufzuhören und endlich Verhältnisse zu schaffen, in denen jede nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten leben kann.
1. Mai 2018 in Freiburg - Selbstorganisiert in Stadtteil und Betrieb
27.04.2018
Politisches und selbstorganisiertes Straßenfest im Stadtteil Grün in Freiburg, ab 14:30 Uhr, u. a. mit einem Redebeitrag und Verköstigung von uns:
Mieter*innenkampf in der Wiehre, Streiks im Krankenhaus, der Metallbranche und im öffentlichen Dienst, Protest gegen deutsche Waffenlieferung an die Türkei, Auseinandersetzungen um die Stadtentwicklung im Grün, Diskussionen um angebrachte Formen der Erinnerungskultur und Geschichtsinterpretation: In Freiburg gibt es viele politische Auseinandersetzungen. Auf dem Straßenfest im Grün soll dem ein kollektives Forum gegeben werden. Selbstorganisation im Stadtteil und im Betrieb ist Voraussetzung für eine fortschrittliche Politik. Denn alle Erfahrung zeigt: Wirkliche Veränderung gibt es, wenn sich Betroffene und solidarische Menschen gegen Missstände gemeinsam wehren anstatt ihre Stimme Funktionären und Vertreter*innen zu überlassen.
Wir feiern selbstorganisiert:
Das Straßenfest zum ersten Mai im Grün kann auf eine lange Tradition der Selbstorganisation zurückblicken. Lasst uns diese Tradition wieder aufleben lassen und für diesen Tag, und hoffentlich auch für unseren zukünftigen Alltag, die Straßen mit Leben füllen!
Dieses Jahr wird es ein abwechslungsreiches Programm aus Politischem und Kultur geben, auch für Spiel, Spaß und das leibliche Wohl wird gesorgt. Alle sind eingeladen sich zu beteiligen, sei es mit einem Essensstand, Kinderprogramm, einem Infostand oder mit dem Sofa vor der Haustür.
Auf einen vielfältigen & politischen 1. Mai im Grün!
Beten für offene Grenzen
10.04.2018
Dieser Text erschien zuerst in Ausgabe #88 der Zeitschrift der Anarchistischen Föderation »Gǎi Dào« (April 2018)
Im Oktober 2017 versammelten sich Polinnen und Polen an Grenzposten des Landes, um für die nationale Sicherheit Polens und gegen Zuwanderung zu beten. Einen Tag zuvor einigten sich CDU und CSU auf eine nicht-Obergrenze-genannte Zuwanderungs-Obergrenze von höchstens 200.000 Asylsuchenden pro Jahr und klopften sich gegenseitig auf die Schulter, um sich ihrer ach so humanistischen Einwanderungspolitik zu versichern. Derweil schreien Kritiker_innen dieser Parteienlinie nach noch weniger Einwanderung, um die Lücke zum rechten Rand zu schließen. Zurzeit werden kaum noch deutsche Polizist_innen für die Abschiebeaufsicht nach Afghanistan eingesetzt, weil das Land für sie zu gefährlich sei – von einem Abschiebestopp will die Bundesregierung aber nichts hören.
Kaum ein Thema bestimmt die politische Öffentlichkeit gerade mehr als die „Zuwanderung“. Mit der Angst um die angebliche „Überfremdung“ werden europaweit Wahlen gewonnen und diese garantierte auch in Deutschland den Erfolg der ansonsten heillos zerstrittenen AfD. Längst kann es niemand mehr leugnen: Humanisten, Liberale und Linke haben verloren. Besorgnis wird mit Rassismus verwechselt, Kultur mit Nationalismus, die deutsche Sehnsucht nach einem neuen Nationalstolz kann sich endlich wieder Bahn brechen und der Sommer der Willkommenskultur ist wirklich überwunden. Seit dem „langen Sommer der Migration“ sind nunmehr zwei Jahre ins Land gegangen, die vor allem Verschärfungen des Asylrechts, verstärkte Grenzkontrollen und tausendfachen Tod im Mittelmeer mit sich gebracht haben. Die Phase der Selbstermächtigung der Geflüchteten, die sich selbstbewusst einen Weg nach Europa bahnten, ist vorbei. Auch die CDU, die sich überraschend als Schwertträgerin der „Willkommenskultur“ hervorgetan hat, ist schon lange umgekippt und versucht nun „Merkels Alleingang“ reuig als politischen Kapitalfehler einer gerührten Kanzlerin zu verbrämen. Seit nach den sexistischen Übergriffen der „Kölner Silvesternacht“ rassistische Kontrollen unter dem Deckmantel von Sicherheitsmaßnahmen selbst an den bürgerlichen Minimalstandards kratzen, erfreut sich die neue Rechte einer erstaunlichen Salonfähigkeit und wurde in vielen Ländern zur ernstzunehmenden politischen Kraft oder konnte ihre sowieso schon starke Position noch verbessern.
Heute wird viel von „Überlastung“ und „Überforderung“ gesprochen. An die Stelle des Asylrechts ist „Gastrecht“ getreten, das nur noch selten Menschen zuteilwird. Im Gegenteil reformiert sich das nordafrikanische Grenzregime, das mit dem arabischen Frühling schwächelte, unter den EU-Geldern zu neuer Stärke kam und immer mehr Menschen in libyschen Auffanglagern dingfest machen kann, bevor diese die Möglichkeit einer Flucht über das Mittelmeer überhaupt erst haben. Das Kronjuwel des neuen Deals wurde auf der Pariser Flüchtlingskonferenz im September 2017 beschlossen: EU-Länderchef_innen tun sich mit nordafrikanischen Firmen, Armeen und Regimen zusammen um einen Grenzkorridor quer durch Afrika zu ziehen. Ob nun mit Stacheldraht oder bewaffneten Patrouillen sieht der Plan eine Grenzbefestigung vor, die länger sein wird als die berühmte Chinesische Mauer und allein dem Zweck dienen soll Migrant_innen schon vor dem Mittelmeer abzufangen. Dafür bekommen die beteiligten Regierungen Afrikas nicht nur großzügige finanzielle Mittel, sondern auch Verträge mit europäischen Rüstungs- und Sicherheitsfirmen. Seit Jahren schon verweisen Statistiken auf den zunehmenden Trend: gestorben wird bereits in Nordafrika, nicht erst im Mittelmeer. Immer wieder wird die bessere Grenzsicherung behauptet und von der Effektivität des neuen Grenzregimes berichtet, sodass Grenzübertritte als ein staatliches Versagen scheinen müssen, als ein Eindringen eines fremden und illegalen Elements in eine bekannte und angeblich bedrohte Ordnung. Dabei ist die Menschheit so mobil wie nie. Allgegenwärtige Migration ist eine Tatsache. Laut UNHCR halten sich Jahr für Jahr mehr Menschen außerhalb des Landes auf, in welchem sie als Staatsangehörige registriert sind. Konkret wurden im Jahr 2015 über 25 Millionen Menschen als Immigrant_innen gezählt. Anders als die wahrgenommenen „Wellen“ und „Ströme“ suggerieren, bewegt sich dabei die Anzahl der Geflüchteten bei nur ca. 6,5%. Migration ist ein tatsächlicher, numerisch feststellbarer Trend, der sich durch alle Klassen und Schichten zieht. Das ist vor allem Folge einer kapitalistischen Weltordnung, von der insbesondere der politische Norden profitiert. Die wachsende Zusammenarbeit des Kapitals hat dazu geführt, dass die Welt insgesamt interdependenter wird. Noch bis vor wenigen Jahren prophezeiten daher einige soziologische Vordenker_innen der herrschenden Klasse, wie etwa Ulrich Beck, den nahenden Tod des Phänomens „Nationalstaat“ und den Zerfall der entsprechenden Grenzen. Statt eines Zerfalls der Staaten müssen wir aber in den letzten Monaten ein zunehmendes Erstarken nationaler Tendenzen und protektionistischer Maßnahmen beobachten. Zuletzt schwächelt sogar die Vision eines unter dem Schengen-Vertrag geeinten Europas unter der Wiedereinsetzung von Grenzkontrollen an zahlreichen Binnengrenzen. Der Widerspruch zwischen globalisierter Welt und umgrenzten Nationalstaaten wird spätestens seit dem Brexit oder der mexikanisch-US-amerikanischen Grenzpolitik international augenfällig und auch Ökonom_innen greifen alarmiert zur Feder: In der Zeitschrift „The Economist“ wird beispielsweise konstatiert, dass die geschlossenen Grenzen einen Ertragsausfall in Billionenhöhe produzieren würden, sie bremsten außerdem Entwicklungspotenziale aus und sorgten für einen ineffektiven Arbeitsmarkt. Daher werden von neoliberaler Seite „offene Grenzen“ als Vollendung des internationalen Kapitalismus verlangt.
Manuel Castells schrieb 2001 in seinen Thesen zur Netzwerkgesellschaft, dass sich mit der zunehmenden Vernetzung der Welt die Grenzen zu semi-permeablen Membranen wandeln würden, dass die Internationalisierung vor allem eine mobile Oberschicht produziere – und eine immobile Schicht überflüssiger Arbeitskräfte. Grenzen wirken dann als sichernde Abwehr gegen diese Überflüssigen, während sie für diejenigen mit den richtigen Papieren lediglich als Stempel in Reisepässen auftauchen. Weil aber ständig entweder von offenen oder von geschlossenen Grenzen gefaselt wird, bleibt die Diskussion um Nationalstaatlichkeit und Grenzpolitik so absurd, weist aber gleichermaßen auf einen Widerspruch der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt hin: die Grenzen sind sperrangelweit offen für Kapital, Güter und Menschen mit dem richtigen Pass, sollen aber geschlossen bleiben für ein zunehmend größeres Heer an sogenannten „Überflüssigen“, dem Surplus-Proletariat. Doch sie schaffen es zu hunderten tagtäglich diese Grenzen zu überwinden. Betrachtet man die Flüchtlingslager in Melilla und Calais zeigt sich, wie widersprüchlich die gesamte Situation ist. Dort finden sich genau diejenigen Menschen, welche ein lebendiges und erfolgreiches Exempel für die Unmöglichkeit geschlossener Grenzen liefern und die zugleich aufgrund der geschlossenen Grenzen Getriebene sind, in bitterlicher Armut leben und oft nur noch hoffen können.
Die überflüssigen Arbeitskräfte bleiben nicht immobil, auch wenn der Grenzübertritt für sie ein hohes Risiko darstellt. Gerade weil sie in Ländern wohnen, in denen kein Sozialsystem die Lohnarbeitslosigkeit auffangen würde, ist die Arbeitssuche absolute Lebensgrundlage, sodass Millionen von Menschen die immer größeren Gefahren der Migration in den reichen „Norden“ riskieren. Auswandern in der Hoffnung auf Lohnarbeitsverhältnisse, die die Sicherung der eigenen und oft auch familiären Existenz garantieren (sollen), machen dementsprechend einen Großteil heutiger Migrationsbewegungen aus. Das perfide daran ist, dass gerade diejenigen Menschen, die das Risiko der Suche eines Arbeitsplatzes in wirtschaftlichen Zentren auf sich nehmen, besonders anfällig gegenüber Ausbeutung werden: Mit der Schlechterstellung durch bürokratische Auflagen oder gar ihrer Illegalisierung wird ihre Einstellung zum „Risiko“ und die feilgebotene Arbeitskraft besonders billig. Gerade Menschen ohne jeglichen Aufenthaltsstatus werden in westlichen Ländern zunehmend Objekte einer massiven Ausbeutung und fortschreitenden Unterschichtung. In Deutschland und verstärkt im südlichen Europa, aber auch in Indien, USA und anderen Ländern, werden „undokumentierte Einwanderer“ immer häufiger in sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen ausgebeutet. Furore machte in Italien der Tod Abdulla Mohammeds, der sich im Juli dieses Jahr bei der Gemüseernte buchstäblich zu Tode gearbeitet hat. Nicht nur als Erntehelfer_innen, sondern zunehmend auch in der Baubranche, in der Gastronomie und der Haushaltshilfe werden Sans-Papiers eingesetzt. Was in Mitteleuropa noch in den Anfängen ist, kann beispielsweise in den USA längst als Normalität bezeichnet werden. Hier stehen die zurzeit ca. 11,7 Millionen „Illegalen“ zu 87% in Lohn und Brot und drücken vielerorts die auf Baustellen gezahlten Löhne. Die Unterschichtung sägt damit an den Stühlen der ungelernten einheimischen Arbeiter_innen, die oftmals durch ihre Staatsbürger_innenschaft vor solchen Ausbeutungsverhältnissen geschützt werden.
Die Konkurrenzverhältnisse der Märkte, der Druck der Kapitalverwertung macht das Einstellen von billigen Überflüssigen zur Notwendigkeit. Je schwerer die Grenzen des Landes gesichert sind und je strenger die Asyl- und Arbeitsrechtsgesetze, desto verzweifelter und leichter auszubeuten sind die Migrant_innen. Manchmal wird diese Art von Migration als „Arbeitsmigration“ bezeichnet und klar von der „Fluchtmigration“ unterschieden. Diese Klassifizierung lassen Migration und Integration entweder als Akt der Gnade durch die Aufnahmestaaten oder gar als nutznießerischen Akt durch Migrant_innen erscheinen – niemals jedoch als deren Recht oder völlige Normalität. Das darf auch nicht sein, würden sich damit umgekehrt bürgerliches Recht und humanistische Moral doch als das entlarven, was sie sind: Recht auf Eigentum und Verschleierung des einzigen Wertes, den ein Mensch im Kapitalismus haben kann – des Tauschwertes. Die hohle Phrase, die Würde des Menschen sei unantastbar, mit der sich die bürgerliche Gesellschaft schmückt, erhält nur dann Relevanz, wenn es gerade dem machtpolitischen Kalkül dünkt. Die europäische Gemeinschaft – Ort der 1789 proklamierten, aber letztlich restlos gescheiterten Emanzipation der Menschheit – zeigt dort ihr wahres Gesicht, wo ihre Grenzen der Solidarität längst durch drei Reihen Nato-Stacheldraht zerfetzt wurden, um sie sich selbst vor den Resultaten der „Befreiung“ der Märkte des Südens zu schützen.
Niemals würde jemand darauf kommen einfach von „Einwanderung“ als Anspruch auf persönliche Lebensgestaltung zu sprechen – das bleibt der verwertenden Oberschicht (möglichst weiß!) vorbehalten. Und die, die am lautesten eine „Kultur des Abendlandes“ als eine aufgeklärte Kultur der Menschenrechte verteidigen, zeigen sich am schnellsten bereit, eben jene Rechte an Hautfarbe und Geburtsort zu binden. Darin liegt im eigentlichen Sinne kein Widerspruch, sondern es zeigt sich nur der verlogene Charakter der blutigen Vernunft bürgerlicher Aufklärung. Diejenigen, welche es nach wahnsinnigen Strapazen nach Europa geschafft haben, müssen sich, oft illegalisiert, in besonders beschissenen Ausbeutungsverhältnissen verdingen. Dies führt zu einer immer wiederkehrenden Unterschichtung des Arbeitsmarktes. Nicht ohne Grund propagierten Teile des Kapitals in der „Flüchtlingsdebatte“ eine liberale, „emanzipatorische“ Migrationspolitik, um sich damit ein wohlfeiles Arbeitskräftereservoir sichern zu können. Schon heute sind in Spanien, Italien und Griechenland billige migrantische Arbeitskräfte in manchen Branchen, wie der Landwirtschaft, nicht mehr wegzudenken. Auch in Deutschland ist nicht nur der medial präsente „Spargelstecher“ und das Baugewerbe, sondern auch große Teile der privaten Pflege fast ausschließlich migrantisch geprägt. Migrantische Arbeitskräfte allgemein und Geflüchtete im Besonderen machen die Arbeiten, die kein_e „Einheimische_r“ mehr machen will, – zumindest nicht zu den gezahlten Löhnen. Das könnte erklären, warum das dumpfe „Die Ausländer nehmen unsere Arbeitsplätze weg“ zumindest in Deutschland immer seltener zu hören ist. Anscheinend greifen eher Mechanismen des Neids auf die (imaginierten) Sozialleistungen für Geflüchtete als Folge weit verbreiteter Abstiegsängste. In seiner Studie „Abstiegsgesellschaft“ zeigt Oliver Nachtwey, dass der/die typische AfD-Wähler_in nicht nur im Prekariat zu finden ist, sondern vor allem in dem sowieso faschistisch-affinen Kleinbürgertum, das sich mehr Zuwendung und Schutz durch den Staat wünscht und sich von den „Ausländern“ übervorteilt fühlt. Dies passt zur Studie von Branko Milanovic über „Die ungleiche Welt“, in der er den Abstieg der Mittelklasse in den kapitalistischen Zentren diagnostiziert.
Wo die Konkurrenz bei der Jobsuche, der Wohnungssuche oder auf dem Arbeitsamt durch Migration wächst, dort gärt in einer rassistischen Gesellschaft der soziale Konflikt. Das rassistische Ressentiment lässt die Arbeitssuchenden als Eindringlinge erscheinen, die Schuld an dieser oder jenern Situation tragen. Wären die Grenzen dicht, wäre das Problem behoben – so die scheinbar einfache Lösung der Rechtspopulist_innen. Die Grenzen können aber (noch) nicht völlig geschlossen sein und der Überlebenswille und Wunsch nach Aufstieg treibt viele Menschen aus den Peripherien in die westlichen Zentren. Die geschlossenen Grenzen aber würden den sozialen Frieden wieder herstellenwiederherstellen, der durch genau diese Entwicklungen der Internationalisierung gefährdet scheint. Denn indem die Grenzen geschlossen bleiben (oder zumindest der populäre Diskurs dies behauptet) und der Durchschnittsbürger seine blonden Töchter in Sicherheit wähnt, bleibt sein Arbeitsplatz gesichert, die Wohnungssuche eine reine Formalität, die Sozialleistungen ausreichend und die Konkurrenz erst einmal wo der Pfeffer wächst (wörtlich). So Dannkann könne der Staat, so die regressive Hoffnung, sich „um seine eigenen Schäfchen“ kümmern.
Hass und Angst der „Einheimischen“ wird auf lenkt sich auf Eingewanderte gelenkt, anstatt auf systemische Ursachen. Statt als Konsequenz einer imperialistischen kapitalistischen Weltordnung wird Immigration in die westliche Welt als ein Eindringen empfunden, das den sozialen Frieden ins Wanken bringtbrächte. Oder Migrant_innen werden nur dann werden zu Flüchtlingen, die wenn ihre Schutzbedürftigkeit durch die vorgeblich neutralen staatlichen Institutionen notariell anerkannt wurdewirklich notariell und von einer „neutralen Instanz“ bewiesenermaßen schutzbedürftig sind und das bedeutet für diese zugleich, sich . Diese Schutzbedürftigen werden dann künstlich zu Sozialfällen herabsetzen zu lassengemacht, indem ihnendenen Arbeitsverbote auferlegt und sie die isoliert von der „Normalbevölkerung“ in Lagern isoliert von der „Normalbevölkerung“ untergebracht werden können. Was aus dieser Thematisierung folgenschwer erwächst, ist die Figur des/der Migranten_in als Gnadenfigur, als Hilfsbedürftige_r, dessen/deren Aufnahme eine Opferbereitschaft des Staats und der Gesellschaft erfordert und dessen/deren Selbstbestimmung damit auf ein Minimum reduziert werden kann:; er/sie muss ja dankbar sein. Jedes (gefühlte) Fehl- oder gar Konkurrenzverhalten (Eintritt in den Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Kinobesuch o.ä.) gegenüber den Gastgeber_innen wird damit zur Undankbarkeit interpretierbar. So entsteht eine Klasse der (politisch, sozial und ökonomisch) Recht- und Stimmlosen im Herzen der „westlich-aufgeklärten Demokratien“, von deren Unterdrückung und Ausbeutung schließlich Teile des sozialen Friedens abhängen. Sich humanistischer Argumente zu bedienen heißt die Verhältnisse zu reproduzieren – auch wenn das Ziel sein mag, diese zu überwinden oder zu dekonstruieren. Die hier für den deutschsprachigen Raum kurz skizzierte „Flüchtlingsdebatte“ ist Teil eines allgemeinen Rechtsrucks und verstärkt diesen wiederum. Die Weitere Beispiele dürften sind bekannt sein: Trump, Brexit, Wahlerfolge von AfD, FPÖ, SVP, rechte Regierungen in Polen und Ungarn usw. Der Rassismus der autoritären Charaktere zeigt sich in Europa und Nordamerika so offen wie lang nicht mehr. Eine ernstzunehmende Gegenbewegung scheint sich — mit wenigen Ausnahmen wie den USA — jedoch nicht abzuzeichnen. Der Rechtsruck ist folglich aktuell das zentrale Thema der westlichen Linken, wobei für viele Antonio Gramsci favorisierter Ideengeber zu sein scheint, und mündet bei vielen ehemals Rradikalen im Aufruf, linke Parteien zu wählen um Schlimmeres zu verhindern. Der Reformismus scheint – weniger wegen Gramsci, sondern vielmehr aufgrund der scheinbar aussichtslosen Situation – fatalerweise genau im Angesicht einer erstarkenden Rechten eine neue Anziehungskraft innerhalb der radikalen Linken zu entfalten.
Jedoch muss auch in diesem Falle jeder Reformismus reine Illusion bleiben: Die Flüchtlingsfrage lässt sich nicht mit einer anderen Die Grenzpolitik oder einem Einwanderungsgesetz lösen. Die widersprüchlichen Ansprüche an Grenzen bleibt ein ungelöster Widerspruch – Offenheit für Güter und Kapital, Geschlossenheit für die Überflüssigen – und deren menschenverachtende Folgen sind keine lösbaren Probleme innerhalb des Ganzen, sondern beziehen ihre Logik aus derdem Kern der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die der/die Reformist_in so gern bewahren möchte: dem Antagonismus zwischen Arbeit und Kapital.. Der einzig real umgesetzte UniversalismusDie größte ihrer Errungenschaften, der Universalismus des Weltmarktes, einer jeden Ware ihren Tauschwert zu garantieren und sie in der globalen Warengemeinschaft gleichberechtigt anzuerkennen, wird steht schon längst im Widerspruch zur Rigidität derheutzutage von der ordinären Grenze desr Nationalstaatens herausgefordert. Andererseits zeigen sich Denn Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Hayek der bürgerlichen Gesellschaft manifestieren sich bekanntlich bekanntlich nicht nur in denin den Produktivkräften n der fortgeschrittenen Arbeitsteilung, Automatisierung und Digitalisierung, sondern zugleich in den Destruktivkräften der Enteignung, Proletarisierung und Armut. Dieser Dialektik folgend und (momentan) ohne Aussicht auf Aufhebung, schickt ein globaler Kapitalismus nicht nur Waren, sondern jagt vor allem die längst überflüssig gewordenen Arbeiter_innen bis in die letzten Winkel der Welt. Diese Überflüssigen rütteln mit aller Kraft an eben jenen Grenzen und jagen dem Kapital sowie einem Großteil ihrer Ausgebeuteten eine Heidenangst ein. Denn momentan scheint es zumindest eine zu geben, das die die Bourgeoisie mindestens so sehr fürchtet wie protektionistische Wirtschaftspolitik und das sind weitere soziale Unruhen durch den Aufstand der rechtpopulistisch angeheizten autoritären Charaktere.Mit dieser Dialektik schickt der globale Kapitalismus nicht nur die Waren um den Globus, sondern ebenso ihre Produzent_innen, aber vor allem diejenigen, die nicht einmal mehr ausgebeutet werden können. Für Fürdie Bourgeoisie die Bourgeoisie stellen sich dann deshalb die folgende Fragen: wWie geschlossen darf eine Grenze sein, damit der Schaden für das Kapital verkraftbar bleibt? Wie offen kann sie sein, damit die Sozialsysteme, der Arbeitsmarkt oder der Wohnungsmarkt nicht überfordert werden und die Menschenhatz auf Migrant_innen nicht die Kapitalakkumulation stört? Eine offene und ebenso geschlossene Grenze, die Quadratur des Kreises also, allein könnte daherkann daher allein den Anforderungen einer reibungslosen Kapitalakkumulation entsprechen. Ohne offene Grenzen kein Weltmarkt, ohne geschlossene Grenzen kein sozialer Frieden in den kapitalistischen Zentren. Gleichwohl zeichnet sich eine Entwicklung ab, in der die erfolgreiche Kapitalakkumulation räumlich einem Archipel gleichkommt. Diese Inseln erfolgreich zu verteidigen wird das Schicksal der Bourgeoisie entscheiden. Dass dieser Kampf eher von Frontex bestritten wird, als durch besinnliche Gebete, ist den Herrschenden durchaus bekannt.
Vorstellung des neuen KOSMOPROLET 5
27.02.2018
Der neue KOSMOPROLET erscheint!
Am Freitag, den 9. März um 18:00 Uhr im Strandcafé (Adlerstr. 12) stellen wir die 5. Ausgabe des Kosmoprolets vor.\ Es wird zunächst eine generelle Einführung in das Magazin geben und anschließend einen Vortrag von La Banda Vaga zu den materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus.
Kosmoprolet ist eine Assoziation antiautoritär kommunistischer Gruppen. Seit 2007 geben wir in loser Folge die gleichnamige Zeitschrift heraus, um mit Leuten in Austausch zu treten, die sowohl die ausgetretenen Pfade des linken Aktivismus als auch die Studierzimmer des Seminarmarxismus verlassen wollen. Die Zeitschrift soll ein kollektiver Organisator sein, der zur Entstehung eines sozialrevolutionären Pols beiträgt. In ihr untersuchen wir den Zustand des globalen Kapitalismus im Hinblick auf seine Aufhebung. Das Verhalten der Klasse und die Dynamik von sozialen Kämpfen stehen deshalb im Zentrum unseres Interesses.
Herausgegeben wird die numehr 5. Ausgabe von den Gruppen\ Eiszeit (Schweiz), Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (Berlin), Kosmoprolet Hamburg (Hamburg), La Banda Vaga (Freiburg), Surplus Club (Frankfurt)
Mosul: What A Waste. A Materialist Analysis of ISIS
27.02.2018
The Islamic State: a Materialist Analysis\ by La Banda Vaga for ak -- analyse & kritik -- zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 623 22 May 2017 (original post in German)
translated by antidote 30.6.2017
When the "Battle of Mosul" began, it signified for many the beginning of the end of the Islamic State. A broad coalition of Iraqi, Kurdish, and Turkish troops is taking part in the as-yet largest military assault on the ISIS "caliphate." That the provincial capital will be liberated seems certain. And still, no one believes it will bring an end to Islamist terror in the region.\ With a military victory over ISIS, indeed some barbaric outgrowths of Islamist terror will have been vanquished, but not its roots. These roots lie in the crisis-generating and marginalization mechanisms of global capitalist society. We hold the view that ISIS, just like Islamism in the region more broadly, should be understood as a reaction to the failure of capitalist modernization generally, and so-called "catch-up development" [nachholende Entwicklung] in particular. Anyone who wants to talk about Islamism, therefore, cannot keep silent about capitalism.\ The proclamation of the Islamic State in June 2014 did not just come out of the blue, but the pace at which ISIS brought more and more areas under its control thereafter surprised many. The power vacuum that the 2011 withdrawal of US troops from Iraq had left behind was largely responsible for ISIS's swift and repeated triumphs. First Ramadi fell, then Fallujah, and finally Mosul, which since then has been ISIS's "capital" in Iraq. By conquering this populous city, ISIS secured not only a larger area of influence, but also access to strategically vital oilfields which would constitute one of their most important economic supports in the coming years. At the high point of their political power in the summer of 2015, ISIS destroyed cultural antiquities, enslaved thousands of women and children and subjected them to organized rape, committed a genocide of Yezidi people, and established a ghastly reign of terror. In time, its terrorist militias were encroaching on the Iraqi capital Baghdad.\ How was ISIS's string of victories against the Iraqi army even possible? The answer is partly that the Iraqi state could at the time barely be considered a state. Long before the ISIS offensive, a serial process of disintegration had already set in, accelerated by the invasion of the US-led "coalition of the willing" in 2003. This led not only to the removal from power of the hitherto ruling Sunni Ba'ath regime under Saddam Hussein, but also to the comprehensive restructuring of the state apparatus in favor of the Shi'a minority brought to power by the West. Unemployment and hopelessness among broad swathes of the population, as well as terror attacks by Islamist groups in the course of an insurgency against the occupation, had the country descending into chaos and civil war even before the withdrawal of US combat troops.\ This is the backdrop for a preliminary explanation of the emergence of ISIS: that the fall of the Ba'ath regime led to an expulsion of Sunnis from state and military positions, and that this expulsion provided fertile ground for a civil war between disenfranchised Sunnis on one side and US-empowered Shi'a on the other. Collaboration between former Ba'athist military and secret service members with Islamist terror groups was especially consequential. The growing association between these two groups came to constitute the core personnel around which ISIS was built. This predecessor organization, Al Qaeda in Iraq, was able to co-opt the insurgency and radically "Islamize" the conflict.\ But the structural reasons for the conflict run still deeper. The "jihadification" of the civil war in Iraq relied on freighting preexisting material contradictions with an ethnic and religious sectarian character. The dynamic which sowed the ground for the civil war and ultimate collapse of the state was the failure of so-called "catch-up development"---in other words, the failure of capitalist modernization.\ During the reign of Saddam Hussein, despite billions of dollars in national oil reserves, adequately-functioning local industry was never developed (with the exception of the oil industry itself). Iraq has (and had) no noteworthy manufacturing industries that could provide the basis for capitalist modernization. Key industries like mechanical and chemical engineering or steel production could never be established. At the moment, only the construction industry is experiencing positive rates of growth---which of course is only thanks to the war damage the country has suffered.\ The reasons for this economic failure are multiple. Besides corruption and military spending, the UN embargo from 1991 to 2003 should be noted first as having led to the total crippling of Iraq's economy. At least as important was, however, that outside Iraq there was never a genuine interest in developing the country after a European or Asian model. Since the 1980s, Iraq was limited to its role as a producer of raw materials. And today, with the ongoing violent conflict, a devastated infrastructure, and a teetering global economy as a backdrop, the future of the country doesn't look much like it will fulfill the promise of "catch-up development."\ For the time being, Iraq finds itself in a state of complete geopolitical impotence which deprives it of any chance at sovereign economic policy. In a global economic environment being shaped by the worst crisis since 1929, there is no real expectation for development. Because although the central banks, month after month, are "pumping billions of dollars into the economy," no sustainable growth has been produced. The crisis of capitalism, which had been smoldering since the 1970s and led the global economy to the brink of collapse in 2008, still constrains every national economy. Since the crisis is a structural one, a crisis of capital allocation (caused by the increasingly organic composition of said capital), it is not soluble on a capitalist basis---at least not without a new world war.\ Leading states and alliances are therefore compelled to conduct more war simply because they are seeking new investment opportunities. One of the essential aims of the Iraq war in 2003, as Detlef Harmann and Dirk Vogelskamp showed in their 2003 study Irak: Schwelle zum sozialen Weltkrieg [Iraq: Threshold to a Global Social War], was not only the fall of the antagonized Ba'ath regime but also the opening of the Iraqi market. Western capital was hoping to turn Iraq into a new export market and establish a new basis for future economic investment in a heretofore stagnating region. A kind of Marshall Plan for the Middle East was supposed to provide a new spring in the step of a global economy that had been limping for decades, and thus overcome the crisis---following a neoliberal model, of course, meaning at the expense of the population and any possibility for a self-determined modernization of the country.\ Since the war, Iraq has remained subject to the mandates of the IMF and other capitalist institutions. Reforms instituted by the Coalition Provisional Authority under Paul Bremer and by the IMF were essential building blocks of the neoliberalization of Iraq. The so-called "100 Orders" stipulated the reduction of the corporate tax to less than fifteen percent, the far-reaching privatization of state operations, and the immunity of foreign contractors. And it was not possible for the Iraqi government to refuse the IMF reform package, in light of the developing humanitarian catastrophe. Therefore it committed to shrink its bureaucracy, reduce state spending, weaken the influence of state banks, and privatize countless state services.\ At least for the West, the opening of the Iraqi market was a raging success: imports increased from \$2.6 billion in 2003 to a whopping \$45 billion by summer 2016. For Iraq, however, this enormous import surplus signified a crippling of domestic production. Ahmed Twaij, writing for Middle East Eye, states the results of these economic policies plainly: "The freeing up of the market destroyed what was left of Iraq's self-sustainability." The capitalist reforms led not to a shoring up of the Iraqi economy, but its demolition.\ The Iraqi rump state itself has no real options to rebuild relevant forms of production. Not only the manufacturing and service sectors, which should benefit from the high level of education among the Iraqi population, but also agriculture, have all been laid waste. The vast majority of people struggle to survive in peasant conditions, with this hardscrabble existence made yet harder by climate change-induced soil degradation and intensifying water shortages.\ Even the oil, for decades Iraq's central source of economic prosperity, hasn't been able to endure these developments. As an economy dependent on oil exports, Iraq has taken precipitous drops in oil prices especially hard. A "failed state" like Iraq, in this economic environment and under pressure from powerful interests and their economic doctrines, doesn't stand a chance of developing.\ In this situation, the Islamic State represents (at least for some) an enticing response. It presents itself as a radical alternative to liberal-capitalist modernity in that it is a "fundamentalist" reaction to the insecurity that comes along with capitalist modernization processes---and their failure. It formulates a promise of advancement and recognition for men whose social status is threatened. On the material level, it functions through gang rule, in which the scarce resources of the country are distributed among its own group while the rest of the population gets repressed, exploited, terrorized, or exterminated. In this respect, the Islamic State is just another product of the capitalist barbarism which provides fertile ground for the reign of religious violence---and therefore cannot be fought merely by military means.\ La Banda Vaga, February 2017\ Translated by Antidote\ antidotezine.com/2017/06/30/mosul-what-a-waste/
Vortrag in München: 10 Thesen zum Islamismus
04.12.2017
Vortrag von uns am 07.12.2017 im Antifa-Cafe im Kafe Marat in der Thalkirchnerstraße 102 in München Beginn: 20 Uhr / Vortrag: 21 Uhr:
La Banda Vaga zu den materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus.
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Die journalistische und wissenschaftliche Flut an Interpretationen und Theorien ist kaum noch zu überschauen, lediglich brauchbare materialistische Analysen tauchen wenn überhaupt nur vereinzelt auf. Dies führt, auch unter Linken, nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen: Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit „westlichen Werten" entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen, die im neuen Kosmoprolet #5 erscheinen, würden wir gerne mit euch diskutieren.
Vortrag: Materialistische Staatskritik
14.11.2017
Vortrag mit Moritz Zeiler am 24.11.2017 um 20 Uh im Übungsraum 1, Kollegiengebäude IV der Universität Freiburg (Rempartstraße 15)
Die Analysen des Staates gehen in der Linken weit auseinander. Das Spektrum der Interpretationen reicht von der Idealisierung bis zur Dämonisierung, von der Übernahme des Staates bis zu seiner Abschaffung. Während der Staat für die einen als Garant des Allgemeinwohls gilt, betrachten ihn andere als das Instrument der kapitalistischen Klassenherrschaft und wieder andere sehen in ihm das Terrain sozialer Kämpfe. Unser Referent Moritz Zeiler stellt in seinem Vortrag die zentralen Thesen marxistischer Theorie zum Staat vor. Besonderes Augenmerk wird er dabei auf die die Analysen des sowjetischen Marxisten Eugen Paschukanis zum Verhältnis von Warenform, Rechtsform und Staatsform und später daran anknüpfende Arbeiten von Johannes Agnoli, Joachim Hirsch und John Holloway legen.
Moritz Zeiler hat 2017 in der Reihe theorie.org den Band „Materialistische Staatskritik. Eine Einführung" veröffentlicht.
Rechtspopulismus -- Konformistische Rebellion der verunsicherten Mitte
03.11.2017
Vortrag mit Jens Benicke im Rahmen der 20 Jahre La Banda Vaga - Geburtstagfeier am 11.11.2017 um 20 Uhr im Freizeichen in der Haslacherstr. 43.
In den letzten Jahren haben sog. rechtspopulistische Parteien und Bewegungen einen scheinbar unaufhaltbaren Aufstieg erlebt. In zahlreichen Ländern, wie Russland, Ungarn, Polen, der Türkei und den USA konnten sie die Regierung übernehmen. In Frankreich und den Niederlanden wurde dies nur knapp verfehlt. Großbritannien wurde durch eine aggressive Kampagne gegen Migrantinnen und Migranten in den Austritt aus der EU getrieben und auch hierzulande können die sog. „Alternative für Deutschland" und PEGIDA die öffentliche Debatte über Flucht und Migration bestimmen und die etablierten Parteien vor sich hertreiben. Doch wie lässt sich diese globale autoritäre Entwicklung analytisch fassen? Ist der Begriff des Rechtspopulismus dafür überhaupt tauglich? Oder verharmlost er diese Erscheinungen? Müsste nicht eher von Autoritarismus, Rechtsextremismus oder gar Faschismus gesprochen werden? Ziel des Vortrages ist es, einige Erklärungen für den aktuellen Erfolg des Rechtspopulismus zu liefern. Dabei soll gezeigt werden, welche Bedeutung die globale Krise für den Vormarsch der rechten Parteien und Bewegungen hat. Denn die durch die Krise ausgelösten Abstiegsängste und Unsicherheiten setzen in der „verunsicherten Mitte" der Gesellschaft ein autoritäres Potenzial frei, das die Basis bildet für den Aufstieg des Rechtspopulismus. Unter Rückgriff auf die Theorie des autoritären Charakters soll aufgezeigt werden, wie die bislang unterdrückten und nur im privaten Umfeld geäußerten Ressentiments nun öffentlich artikuliert werden können. Aus dem Meckern am Stammtisch wird so eine konformistische Rebellion der autoritären Persönlichkeiten auf den öffentlichen Plätzen, in der Wahlkabine und im Parlament.
Es spricht Jens Benicke, von dem 2016 die 2. Auflage von Autorität & Charakter bei Springer VS erschienen ist.
20 Jahre La Banda Vaga - Geburtstagsparty
03.11.2017
Am 11.11.2017 feiert La Banda Vaga seinen 20. Geburtstag im Freizeichen (ex-Schmitz Katze) in der Haslacher Str. 43
Um 20 Uhr geht es los mit einem Vortrag zum Thema: Rechtspopulismus - Konformistische Rebellion der verunsicherten Mitte mit Jens Benicke.
Ab 22:00 spielen die beiden Bands scheissediebullen (deutschmichnichtvollpunk) und Lobster Lobster (Pioniere des Krustentier-Pop)
Ab 00:30 legen dann folgende Djanes auf: Hubert Terror (Punk/80er-Gassenhauer; München), Effy Briest (Future Bass; Strassburg) und Stroboskop Polizei (House; Berlin)
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Vortrag auf dem Action, Mond & Sterne: Thesen zum Islamismus
08.08.2017
Wie schon beim letzten AMS wollen wir dieses Jahr wieder unsere mittlerweile überarbeiteten Thesen zum Islamismus mit euch diskutieren. Dabei geht es uns vor allem um eine historische und materialistische Bestimmung dieses Phänomens. Jedoch sollen auch die katastrophalen politischen Einschätzungen des Islamismus in großen Teilen der Linken thematisiert werden. Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit westlichen Werten entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach völlig verfehlt.
Mehr Infos unter: http://actionmondundsterne.blogsport.de/
Arme Studis
05.06.2017
Ein Großteil der Studierenden in Deutschland gilt offiziell als arm. Mit einem durchschnittlichen Einkommen unter 900€ pro Monat ist es besonders in Freiburg nicht einfach, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das hohe Preisniveau und vor allem die immer weiter steigenden Mieten führen dazu, dass trotz Bafög und Kredit viele Studierende auf eine Nebeneinkommen angewiesen sind. Dies ist natürlich nichts Neues. Reichte früher jedoch oft noch ein gut bezahlter Semesteferienjob in der Industrie um sich das restliche Semester zu finanzieren, sind spätestens seit den 1990ern und erst recht nach der rot-grünen Agenda 2010 auch viele Studis von der Unterschichtung des deutschen Arbeitsmarktes betroffen. Im unteren Einkommenssegment stieg das Einkommen in den letzten dreißig Jahren relativ gesehen am geringsten - die Prekarisierung in diesem Bereich des Arbeitsmarktes nimmt stark zu. Das führt dazu, dass ein Großteil der Studis in schlecht bezahlten Midi-, Teilzeit- oder 450€-Jobs beschäftigt ist. Doch während Studis häufig nur ein Zubrot verdienen müssen, sind einige Lohnarbeitende auf die Einkünfte zentral angewiesen.\ Viele von den Studis sind dabei sehr flexibel: die Jobs werden häufig gewechselt, mit Spaß oder karrierebedingter Weiterbildung assoziiert und meist auch schlicht nicht als Lohnarbeit ernst genommen. Studierende sind nicht selten bereit zu ungewöhnlichen Zeiten zu arbeiten, die ihnen oft auch erst kurzfristig mitgeteilt werden. Betriebliche Organisation, das Einfordern von Arbeitsrechten oder gewerkschaftliche Vertretung scheinen keine gängige Praxis zu sein. Obwohl auch für geringfügige Beschäftigungen die normalen arbeitsrechtlichen Regelungen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub und Kündigungsschutz gelten, scheinen viele Studierende diese nicht zu kennen. Selbst wenn diese bekannt sind, scheint das Beharren auf sie zu umständlich und letztlich auch überflüssig, da der Job einfach gewechselt werden kann. Für viele ergibt sich auch keine direkte Notwendigkeit, schließlich können sie von dem bisschen was sie haben über die Runden kommen, werden von Verwandten meist querfinanziert und sind darüber hinaus mit Studium und Selbstfindung scheinbar vollkommen ausgelastet. Was natürlich nur für die gilt, die ein dementsprechend wohlhabendes Elternhaus vorweisen können. Dies ist mit ein Grund, warum noch immer prozentual mehr als dreimal so viele Akademiker_innenkinder studieren als solche aus nichtakademischen Familien.\ Unbezahlte Überstunden machen, keine Nacht- oder Feiertagszuschläge einfordern, auch unter dem Mindestlohn bezahlt werden -- Studierende scheinen fast alles mit sich machen zu lassen. Wie viele Kneipen, Restaurants, Kinos, Callcenter und Zeitarbeitsfirmen sind über ihre Studis glücklich -- denn nur selten machen sie den Mund auf. Dazu kommt, dass es meist zu keiner Verbindung zwischen den Festangestellten und den Studijobber_innen kommt. Leider nicht selten auch deshalb, da sich diese für etwas Besseres halten. Diese Jobs sind nur Intermezzi, kurze Zwischenstationen auf der vermeintlichen Leiter nach „oben". Dabei wird zweierlei vergessen: Erstens, dass sie einfach mehr Freizeit für sich hätten, wenn sie für ihre Arbeitsbedingungen kämpfen würden; und zweitens, dass sie durch ihre Passivität den nicht-studentischen Mitarbeiter_innen schaden. Studierende arbeiten zunehmend in Jobs, die ehemals Ausbildungsberufe darstellten, konkurrieren somit mit Arbeiter_innen im Niedriglohnsektor, die keine andere Wahl haben, als ihre Jobs als existenzielle Lohnarbeit wahrzunehmen. Nicht selten kommt es vor, dass dann Mitarbeiter_innen, die sich gegen ihre Arbeitsbedingungen wehren, einfach durch studentische Aushilfskräfte ersetzt werden. Studis treiben nicht nur die Gentrifizierung voran, sondern sie sind auch als Arbeitskräfte billiger, wehren sich nicht und sind beteiligt an der weiteren Prekarisierung der Lohnabhängigen in bestimmten Branchen.
Deshalb ist es an der Zeit, auch den Studijob als Ort gesellschaftlicher Kämpfe zu begreifen. Denn die Arbeitsverhältnisse in der Kneipe, im Restaurant oder Kino sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sind immer Ausdruck des Kräfteverhältnisses zwischen Lohnabhängigen und ihren Chefs. Wenn ihr das Gespräch mit euren Arbeitskolleg_innen sucht, über gemeinsame Probleme redet und euch dann zusammen organisiert, ist schon der erste Schritt für die Lohnerhöhung, bezahlten Urlaub oder bessere Arbeitszeiten getan. Streiken auch nur wenige studentische Aushilfskräfte in der Kneipe, dann wird die Kneipe wohl auch zu bleiben.
(veröffentlicht im Studierendenmagazin berta*, #868, Mai 2017)
Vom großen Vorsitzenden zu den kleinen Schwestern - Über die Chinarezeption der westdeutschen Linken
22.05.2017
Vortrag am 30.05.2017 im Übungsraum 1, Kollegiengebäude IV der Universität Freiburg(Rempartstraße 15)\ Beginn: 20:15 (Raum ist bis 20:00 noch belegt)
Die große „Proletarische Kulturrevolution" 1966 in China wurde in weiten Teilen der westdeutschen Linken mit viel Sympathie aufgenommen. Dominierte in Teilen des antiautoritären Flügels der 68er-Bewegung zuerst noch eine spielerisch-ironische Aneignung der Ereignisse in Fernost, wandelte sich dies mit dem Zerfall der Bewegung recht schnell. Nun wurden die Worte des Großen Vorsitzenden zu verbindlichen Vorgaben im marxistisch-leninistischen Parteiaufbau oder bei der Konstitution der Stadtguerilla. Zahlreiche maoistische Parteien, Bünde und Grüppchen konkurrierten nun um die Gunst des chinesischen Vorbilds. Doch die wechselnden außenpolitischen Manöver der chinesischen Führung und die eigene Erfolglosigkeit in der Bundesrepublik machten es den hiesigen Maoisten zunehmend schwerer ihrem idealisierten Beispiel weiterhin zu folgen. Mit dem Tode Maos 1976 beginnt dann die allgemeine Abwendung der meisten Adepten in BRD und der Niedergang der maoistischen Gruppen.
Es spricht Jens Benicke der 2010 „Von Adorno zu Mao. Über die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung" beim ca ira-Verlag veröffentlicht hat.
Selbstorganisierung im Stadtteil - Basisinitiative oder Bündnispolitik
03.04.2017
Spätestens seit der globalen Krise 2008 sind »Arbeit und Wohnen« wieder Thema in der Linken. Nicht nur weil selbst der »abgeschwächte« Kriseneinbruch hier in Deutschland viele ArbeiterInnen an beiden Punkten in die Zange nimmt: Angriff auf die Löhne und höhere Renditen auf (Wohn-)Immobilien sollen Gewinne und Investitionen stützen. Auch die Linke selber kommt in die Zange -- mehr Arbeit und steigende Mieten erschweren kontinuierliche politische Organisierung. Deshalb versucht die Worker Center Initiative Freiburg Ausbeutungsbedingungen und globale Klassenkämpfe zu thematisieren, und die Recht-auf-Stadt-Initiative nimmt Mieten und Wohnen in den Focus. Aber ohne Ansätze von eigenständigen (Klassen-)Kämpfen und Selbstorganisierung bleibt es schwer, über eine Agitation linker Kreise hinauszukommen.
Seit 2014 gibt es in Hamburg die Gruppe »Wilhelmsburg Solidarisch«, die einen Anlaufpunkt bietet für alle, die mit Chefs, Vermieter*innen oder Behörden Probleme haben und sich gegenseitig beraten und unterstützen wollen. Eine »Alltagsorganisierung« die sie explicit als Alternative zur »pseudo-politischen« Kampagnen- und Bündnisspolitik« durchbuchstabieren.\ Die Themen sind vielfältig und reichen von Lohnklau, Jobcenterschikane, Zwangsräumungen und Aufenthaltsproblemen bis zu Beitragsrückforderungen von Krankenkassen. Wo es möglich und sinnvoll ist, setzt die Initiative dabei auf öffentliche und direkte Aktionen. Gleichzeitig versuchen sie, die Ursachen nicht in individuellem Fehlverhalten zu suchen, sondern die zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu thematisieren und zu bekämpfen.
Mit zwei Vertreter*innen der Gruppe wollen wir über ihre politischen Ziele und bisherigen Erfahrungen diskutieren, aber auch welche Probleme und Grenzen es dabei gibt, eine solidarische Selbstorganisierung im Stadtteil auf die Beine zu stellen und am Laufen zu halten.
Zeit: Donnerstag, 06.04.2017, 20 Uhr
Ort: Susi-Bewohner*innentreff, Vaubanallee 2
Veranstalter*innen: Worker Center Initiative Freiburg / Recht auf Stadt
- Freiburg
Kehrseite der kapitalistischen Moderne - Der Islamische Staat - eine materialistische Analyse
28.02.2017
An English translation can be found at:\ https://antidotezine.com/2017/06/30/mosul-what-a-waste/
Als der »Kampf um Mossul« begann, galt er vielen als Anfang vom Ende des Islamischen Staates. An der bislang größten Militäraktion gegen das »Kalifat« des IS ist eine breite Koalition von irakischen, kurdischen und türkischen Truppen beteiligt. Dass sie die Provinzhauptstadt Mossul befreien werden, scheint gewiss. Und doch glaubt niemand an ein Ende des islamistischen Terrors in der Region.\ Mit dem militärischen Sieg über den IS wären zwar einige barbarische Auswüchse, aber keineswegs die Wurzeln des islamistischen Terrors verschwunden. Diese Wurzeln liegen in den Krisen- und Ausgrenzungsmechanismen der kapitalistischen Weltgesellschaft selbst. Wir sind der Ansicht, dass der IS, wie auch der Islamismus in der Region insgesamt, als eine Reaktion auf das Scheitern der kapitalistischen Modernisierung im Allgemeinen und der sogenannten »nachholenden Entwicklung« im Besonderen zu begreifen ist. Wer vom Islamismus sprechen will, darf darum auch zum Kapitalismus nicht schweigen.\ Die Ausrufung des Islamischen Staates im Juni 2014 geschah nicht aus heiterem Himmel, aber das Tempo, mit der IS innerhalb kürzester Zeit immer weitere Gebiete unter seine Kontrolle brachte, überraschte viele. Verantwortlich für die schnellen Triumphe des IS war vor allem das Machtvakuum, das der Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 hinterlassen hatte. Zuerst fiel Ramadi, dann Falludscha und schließlich Mossul, das seitdem als »Hauptstadt« des IS im Irak gilt. Mit der Eroberung dieser Millionenstadt verschaffte sich der IS nicht nur ein größeres Einflussgebiet, sondern vor allem auch Zugang zu strategisch wichtigen Ölfeldern, die in der Folgezeit eine seiner wichtigsten ökonomischen Säulen bilden sollten. Auf dem Höhepunkt seiner politischen Macht vernichtete der IS im Sommer 2015 antike Kulturgüter, versklavte Tausende von Frauen und Kindern und organisierte ihre Vergewaltigung, verübte einen Genozid an den Angehörigen der jesidischen Religion und errichtete eine grausame Terrorherrschaft. Zeitweise rückten seine Terrormilizen bis vor die irakische Hauptstadt Bagdad vor.\ Wie war der Siegeszug der IS-Milizen gegen die irakische Armee möglich? Ein Teil der Antwort ist darin zu suchen, dass der irakische Staat schon damals kaum noch als Staat bezeichnet werden konnte. Bereits lange vor der IS-Offensive hatte eine Serie von Auflösungsprozessen eingesetzt. Angestoßen wurde sie durch die US-geführte Invasion der »Koalition der Willigen« im Jahr 2003. Diese führte nicht nur zur Entmachtung des bis dahin herrschenden sunnitischen Baath-Regimes unter Saddam Hussein, sondern auch zur umfassenden Umstrukturierung des Staatsapparates zu Gunsten der durch den Westen an die Macht gebrachten schiitischen Minderheit. Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit weiter Teile der Bevölkerung sowie Terroranschläge islamistischer Gruppierungen im Zuge des »irakischen Widerstands« ließen das Land bereits vor dem Abzug der US-Streitkräfte in Chaos und Bürgerkrieg versinken.\ Eine erste Erklärung für die Entstehung des IS lautet vor diesem Hintergrund, dass der Sturz des Baath-Regimes zu einem Ausschluss der Sunnit_innen aus Staat und Militär führte, und dass dieser Ausschluss den Nährboden für einen Bürgerkrieg zwischen den entmachteten Sunnit_innen einerseits und den durch die USA an die Macht gebrachten Schiit_innen andererseits bildete. (ak 596) Besonders folgenreich war dabei der Zusammenschluss ehemaliger Militärs und Geheimdienstmitglieder des Baath-Regimes mit islamistischen Terrorgruppen. Vor allem die Verbindung dieser beiden Gruppen bildete den personellen Kern, um den sich der spätere Islamische Staat gruppierte. Dessen Vorgängerorganisation, Al-Qaida im Irak, gelang es, die Widerstandsbewegung zu vereinnahmen und den Konflikt radikal zu »islamisieren«.\ Die strukturellen Gründe des Konflikts reichen jedoch tiefer. Die »Dschihadisierung« des Bürgerkriegs im Irak beruhte auf einer Ethnisierung und religiösen Aufladung von materiellen Widersprüchen. Der Nährboden, auf dem sich der Bürgerkrieg und der schlussendliche Zerfall des Staates ausbreiteten, ist das Ergebnis eines Scheiterns der sogenannten »nachholenden Entwicklung«, also eines Scheiterns der kapitalistischen Modernisierung.\ Schon zu Zeiten Saddam Husseins gelang es trotz der Milliarden durch die reichen Ölreserven des Landes nicht, eine funktionierende heimische Industrie aufzubauen -- mit Ausnahme der Petroindustrie selbst. Der Irak besitzt und besaß kein nennenswertes verarbeitendes Gewerbe als Grundlage für eine kapitalistische Modernisierung. Schlüsselindustrien wie beispielsweise Maschinenbau, Stahlerzeugung oder Chemie konnten sich nie etablieren. Im Augenblick verzeichnet einzig die Baubranche größere Wachstumsraten, die allerdings den erlittenen Kriegsschäden zu verdanken sind.\ Die Gründe für dieses wirtschaftliche Scheitern sind vielfältig. Neben Korruption und hohen Militärausgaben ist zunächst das UN-Embargo von 1991 bis 2003 zu nennen, das zu einer völligen Lähmung der Wirtschaftsentwicklung führte. Mindestens ebenso wichtig allerdings war, dass es außerhalb des Iraks niemals ein wirkliches Interesse an der Entwicklung des Landes nach europäischem oder asiatischem Vorbild gab. Der Irak blieb seit den 1980er Jahren auf seine Rolle als Rohstofflieferant beschränkt. Mit dem schwelenden Konflikt im Hintergrund, einer schwächelnden Weltwirtschaft und der zerstörten Infrastruktur sieht auch die Zukunft des Landes nicht nach der Erfüllung des Versprechens der »nachholenden Entwicklung« aus.\ Bis auf Weiteres befindet sich der Irak in einem Zustand völliger außenpolitischer Ohnmacht, die ihn jeder Möglichkeit einer souveränen Wirtschaftspolitik beraubt. In einem weltwirtschaftlichen Umfeld, das von der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 geprägt ist, besteht für ihn keine Aussicht auf Entwicklung. Denn obwohl die Zentralbanken Monat für Monat Milliarden Dollar in »die Wirtschaft pumpen«, stellt sich kein tragfähiges Wachstum ein. Die kapitalistische Krise, die seit den 1970ern schwelt und im Jahr 2008 die Weltwirtschaft an den Rand des Kollaps geführt hat, bestimmt die ökonomischen Spielräume der Nationalökonomien auch weiterhin. Da die Krise eine strukturelle Krise der Verwertung des Kapitals ist, verursacht durch die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals, ist sie auf kapitalistischer Grundlage -- zumindest ohne einen neuen Weltkrieg -- nicht lösbar.\ Die führenden Staaten und Staatenbündnisse sind auch deshalb gezwungen, Kriege zu führen, weil sie nach neuen Verwertungsmöglichkeiten suchen. Eines der wesentlichen Ziele des Irakkriegs im Jahr 2003 war, so haben Detlef Hartmann und Dirk Vogelskamp in ihrer Studie »Irak: Schwelle zum sozialen Weltkrieg« (2003) aufgezeigt, nicht nur der Sturz des verfeindeten Baath-Regimes, sondern auch die Öffnung des irakischen Marktes. Das westliche Kapital hoffte darauf, den Irak als neuen Absatzmarkt sowie als politische und ökonomische Zukunftsplattform inmitten einer bis dahin stagnierenden Region zu installieren. Eine Art Marshall-Plan für den Nahen Osten sollte neue Impulse zur Belebung der seit Jahrzehnten erlahmten Weltwirtschaft und zur Überwindung der Krise geben -- jedoch nach neoliberalem Vorbild und damit auf Kosten der Bevölkerung und einer selbständigen Modernisierung des Landes.\ So blieb der Irak seit dem Krieg dem Diktat des IWF und anderer kapitalistischer Institutionen unterworfen. Zwei wesentliche Bausteine der »Neoliberalisierung« des Iraks bildeten dabei die Reformen des Chefs der US-Zivilverwaltung, Paul Bremer, und das Reformpaket des IWF vom Sommer 2016. Die sogenannten »100 Orders« sahen die Senkung der Körperschaftssteuer auf weniger als 15 Prozent, weitgehende Privatisierungen der staatlichen Betriebe sowie die Immunität ausländischer Vertragspartner vor. Das Reformpaket des IWF nicht anzunehmen, war der Regierung im Irak angesichts der humanitären Katastrophe nicht möglich. Daher verpflichtete sie sich, die Bürokratie zu verkleinern, Staatsausgaben zu senken, den Einfluss staatlicher Banken zu schwächen und zahlreiche Staatsbetriebe zu privatisieren.\ Zumindest für den Westen war diese Öffnung des irakischen Marktes ein voller Erfolg: Die Importe steigerten sich von 2,6 Milliarden Dollar im Jahr 2003 auf ganze 45 Milliarden Dollar im Sommer 2016. Für den Irak selbst bedeutete der enorme Importüberschuss hingegen eine völlige Lähmung der eigenen Produktion. Ahmed Twai vom Middle East Eye konstatiert das Ergebnis dieser Wirtschaftspolitik: »Die Erschließung des Marktes zerstörte, was von der eigenständigen Lebensfähigkeit des Irak übrig war.« Die kapitalistischen Reformen führten nicht zum einem Aufbau, sondern vielmehr zum Abbau der irakischen Wirtschaft.\ Der irakische Reststaat selbst besitzt keinerlei Möglichkeiten, relevante Formen der Produktion aufzubauen. Nicht nur Industrie und Dienstleistungen, die einen hohen Ausbildungsgrad der Bevölkerung voraussetzen, auch die Landwirtschaft liegen brach. Der Großteil der Menschen bestreitet in kleinbäuerlichen Verhältnissen seinen Lebensunterhalt, sieht sich angesichts der durch den Klimawandel fortschreitenden Bodendegradation und des sich verschärfenden Wassermangels jedoch zunehmend der eigenen Lebensgrundlage beraubt.\ Selbst das Öl, jahrzehntelang die zentrale Wohlstandsquelle des Irak, vermag diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Als vom Erdölexport abhängige Ökonomie traf den Irak der Sinkflug der Ölpreise besonders schwer. Ein »Failed State« wie der Irak hat in diesem ökonomischen Umfeld und unter dem Druck der mächtigen Volkswirtschaften und ihrer ökonomischen Doktrinen keine Entwicklungsperspektive.\ Der Islamische Staat stellt in dieser Situation zumindest für einige eine verlockende Antwort dar. Er präsentiert sich als radikale Alternative zur kapitalistisch-liberalen Moderne, indem er »fundamentalistisch« auf die Verunsicherungen reagiert, die mit kapitalistischen Modernisierungsprozessen und insbesondere ihrem Scheitern einhergehen. Er formuliert ein Aufstiegs- und Anerkennungsversprechen für Männer, deren sozialer Status bedroht ist. Auf der materiellen Ebene trägt er die Züge einer Cliquenherrschaft, bei der die knappen Ressourcen des Landes unter der eigenen Gruppe aufgeteilt werden, während die restlichen Bevölkerungsteile unterdrückt, ausgebeutet, terrorisiert oder gar ausgelöscht werden. Insofern ist der Islamische Staat auch nur ein Produkt der kapitalistischen Barbarei, die den Nährboden für seine religiös begründete Gewaltherrschaft bildet -- und mit militärischen Mitteln allein nicht zu bekämpfen.
Der Text ist zuerst in ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 623 erschienen.
Veranstaltung und Tagesseminar: Islamismus als Krisenreaktion
11.01.2017
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Allzu oft wird der Islamismus dabei jedoch als archaische, also vormoderne Erscheinung abgetan. Dabei sehen wir in den gegenwärtigen islamistischen Gruppen und Gangs ein Phänomen der kapitalistischen Krise: »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Islamismus schweigen!« Der moderne Islamismus entstand im Umfeld und als Reaktion zu der Weltwirtschaftskrise von 1929. Er ist auch aktuell eine reaktionäre Antwort auf die Krise, der gegen die Moderne, die Aufklärung und auch alle linken Ideen als vermeintliche Ursache der Krisen vorgeht.
Veranstaltung: Freitag, 20. Januar 2017, 19.30 Uhr\ Tagesseminar: Samstag, 21. Januar 2017, 12-19 Uhr\ nGbK, Oranienstr. 25, Berlin-Kreuzberg
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Allzu oft wird der Islamismus dabei jedoch als archaische, also vormoderne Erscheinung abgetan. Dabei sehen wir in den gegenwärtigen islamistischen Gruppen und Gangs ein Phänomen der kapitalistischen Krise: »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Islamismus schweigen!« Der moderne Islamismus entstand im Umfeld und als Reaktion zu der Weltwirtschaftskrise von 1929. Er ist auch aktuell eine reaktionäre Antwort auf die Krise, der gegen die Moderne, die Aufklärung und auch alle linken Ideen als vermeintliche Ursache der Krisen vorgeht.
In aufstrebenden islamistischen Bewegungen wie beispielsweise dem IS versammeln sich meist Männer, die sich vor dem Hintergrund massiven sozialen und/oder psychischen Elends zu gewalttätigen Herren über andere aufschwingen. Die im Kern auf Unterwerfung abzielende Ideologie legitimiert eine gewaltsame Praxis und scheinbar privilegierte soziale und ökonomische Existenz. Die Niederlage des »Arabischen Frühlings« hat zur Stärkung des Islamismus geführt. Obwohl sich die Islamisten, wenn auch eher zaghaft, an den Protesten beteiligt haben, müssen sie als eine der dynamischen und konterrevolutionären Kräfte in den Revolten gesehen werden.
Auch von linker Seite wird der Begriff Islamismus zumeist als inhaltsleere Hülle gebraucht. Entweder wird in moralisch verdammender Absicht von »Islamfaschismus« gesprochen oder toleranzgeschwängert und antirassistische Alarmglocken läutend vor steigender »Islamophobie« gewarnt. Darum haben die Genossinnen und Genossen von La Banda Vaga den Versuch unternommen, sich dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen werden sie auf der Veranstaltung vorstellen und im Anschluss diskutieren.
Die Veranstaltung findet am Freitag, den 20. Januar, 19.30 Uhr in den Räumen der nGbK statt. Das Tagesseminar findet am Samstag, den 21. Januar, von 12 bis 19 Uhr in der nGbK statt. Bitte eine Anmeldung per Email an: freu.de.kla@gmx.de. Dann erhaltet ihr auch den Reader mit den Texten für das Seminar.
Veranstaltung: Freitag, 20. Januar 2017, 19.30 Uhr\ Tagesseminar: Samstag, 21. Januar 2017, 12-19 Uhr\ nGbK, Oranienstr. 25, Berlin-Kreuzberg
Nachruf auf den Jungle in Calais
31.10.2016
Der Jungle mit seinen ehemals 10.000 Bewohner_innen wird seit Montag, dem 24.10.2016 geräumt. Nun brennen die provisorischen Hütten und die Bewohner_innen sind auf dem Weg in eine fragwürdige Zukunft. Teils in ein neues Leben auf den Straßen oder in den Wäldern um Calais, teils auf plastikbezogenen Sesseln in Reisebussen in ein System, dem sie zuvor aus dem Weg gehen wollten. Phalanxen von Riot-Police dreier Staaten sichern den reibungslosen Ablauf einer bestenfalls kosmetischen Operation im Gesicht europäischer Grenzregime. Das Ende des Jungles? Der Jungle ist ein direktes Ergebnis der EU-Grenzpolitik. Er ist kein Zufall, sondern leider nötiger Sammelpunkt geworden, für Menschen, die nirgendwo bleiben konnten, die aus dem System gefallen sind - und es wieder werden.
Eine Welt voller Untertanen. Ein Überblick über die Theorie des autoritären Charakters
18.10.2016
Vortrag am 09.11.2016 um 20:00 Uhr im Übungsraum 1, Kollegiengebäude IV der Universität Freiburg
Weltweit befinden sich autoritäre Bewegungen auf dem Vormarsch; ob Islamismus, autokratische Staatsmänner oder sog. „rechtspopulistische" Parteien. Liberale, Linke und Wissenschaft stehen diesem Ansturm hilflos gegenüber und fragen sich, wie sich diese erschreckenden Entwicklungen erklären lassen. Ihre altgedienten Gegenstrategien, wie Aufklärung, Skandalisierung oder Bildung laufen angesichts von Faktenresistenz und Verschwörungswahn ins Leere. Hier könnte ein Rückblick auf die Theorie der Autoritären Charakterstruktur, wie sie in erster Linie von der Kritischen Theorie erarbeitet wurde, hilfreich sein. Von Wissenschaft und Medien als „längst widerlegt und veraltet" ad acta gelegt, bietet dieser Ansatz die Möglichkeit den grassierenden Wahnsinn auf (massen-)psychologischer und materialistischer Grundlage zu verstehen.
Der Vortrag will einen kurzen Überblick über das Konzept der autoritären Persönlichkeiten bieten und eine Diskussion über deren Aktualität anstoßen. Es spricht Jens Benicke, von dem in diesem Jahr die 2. überarbeitete Auflage von „Autorität und Charakter" erschienen ist.
\"Das Sein bestimmt das Bewusstsein\". Einführung in die marxistische Philosophie
18.10.2016
Vortrag am 17.11.2016 um 20:00 Uhr im Übungsraum 1, Kollegiengebäude IV der Universität Freiburg.
Das dialektisch-materialistische Denken in Anschluss an Marx und Engels ist auf vielfache Weise revolutionär. Es hat die Philosophie umgestülpt und sie an die empirischen Wissenschaften und gesellschaftliche Wirklichkeit rückgebunden; hat damit die Wissenschaft grundlegend verändert und den modernen Sozialwissenschaften den Weg bereitet; es hat die Arbeiterbewegung theoretisch fundiert und praktisch begleitet; es ist die theoretische Waffe gegen die herrschenden Zustände, die Losung und das Versprechen auf eine bessere Welt; und wo es sein revolutionäres Potential aufgab, wo es zur naiven positiven Wahrheit erklärt wurde, pervertierte es von der Staatskritik zur repressiven Staatsideologie. Das Revolutionäre an der marxistischen Philosophie ist daher, dass sie wesentlich Zeitdiagnose ist, welche der Emanzipation verschrieben ist. Dieser Vortrag versucht ausgehend von einer historischen Verortung die Grundlinien der marxistischen Philosophie skizzenhaft nachzuzeichnen. Dabei stehen zunächst ihre Methode und Grundbegriffe im Zentrum der Betrachtung, um darauf aufbauend auf Konzeptionen und Weiterentenwicklungen im westlichen Marxismus einzugehen und schließlich aktuelle Fragen der marxistischen Philosophie zu diskutieren.\ Es spricht Steffen Wasko
Streikender in Piacenza von Streikbrecher totgefahren
03.10.2016
Am 15. September wurde der 53-jährige Abd Elsalam Ahmed vor einem Lager des Logistikkonzerns GLS in Piacenza in Norditalien von einem LKW angefahren und so schwer verletzt, dass er starb. Ahmed war Mitglied der linken Basisgewerkschaft USB und Teil des Streikpostens vor dem Lager. Nachdem sich die Nachricht vom \"Mord im Auftrag des Kapitals\" (USB) verbreitet hatte, kam es in den folgenden Tagen zu zahlreichen Solidaritätsstreiks und -Demonstrationen. Norditalien ist seit einiger Zeit ein Zentrum der Kämpfe in der Logistikbranche, wie auch der eindrucksvolle Dokumentarfilm \"Die Angst wegschmeissen\" zeigt.
Vortrag zum Islamismus beim Action, Mond & Sterne Camp 2016
09.08.2016
Wir werden am diesjährigen Action, Mond & Sterne-Camp vom 01. - 04. September in St. Georgen im Schwarzwald teilnehmen und dort einige Thesen zum Islamismus vorstellen:
Der Islamismus ist ohne Frage eines der zentralen Themen der Gegenwart. Allzu oft wird der Islamismus dabei jedoch als archaische, also vormoderne Erscheinung abgetan. Auch von linker Seite wird der Begriff zumeist als inhaltsleere Hülle gebraucht. Dies führt nicht selten zu katastrophalen politischen Einschätzungen. Für die einen sind zumindest bestimmte islamistische Gruppierungen Ausdruck eines berechtigten antiimperialistischen Widerstandes, andere wiederum wollen dem Islamismus im Schulterschluss mit Staat und Militär mit westlichen Werten entgegentreten. Beides ist unserer Ansicht nach verfehlt. Darum haben wir den Versuch unternommen, uns dem Phänomen mit einigen Thesen über die materiellen und historischen Grundlagen des Islamismus sowie zu den daraus resultierenden politischen Konsequenzen anzunähern. Diese Thesen würden wir gerne mit euch diskutieren.
Erneute Revolte der LehrerInnen in Oaxaca
08.07.2016
Bereits seit Wochen protestieren in Mexiko LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern gegen eine geplante reaktionäre Bildungsreform. Sie veranstalten Demonstrationen und blockieren wichtige Straßen. Der mexikanische Staat reagiert mit brutaler Gewalt, so wurden am 19. Juni bei der Auflösung einer Straßenblockade neun DemonstrantInnen von der Polizei erschossen. Zentrum der Proteste ist der südmexikanische Bundesstaat Oaxaca, in dem es bereits vor zehn Jahren zu einem Aufstand gegen die herrschenden Verhältnisse kam.
Vom Aufstand gegen Gebühren zur sozialen Revolte - Studierendenproteste in Südafrika
19.06.2016
Vortrag und Diskussion mit Anja Hertz am 23.06.2016 um 20 Uhr im StuRa in der Belfortstr. 24 in Freiburg
Seit vergangenem Jahr gibt es eine laute und vielfältige Protestbewegung an südafrikanischen Universitäten. Im Zentrum stehen nicht nur soziale Forderungen, die Studiengebühren, den Zugang zu Universitäten und die Arbeitsbedingungen von outgesourcten Arbeiter_innen auf dem Campus betreffen, sondern auch das Erbe von Kolonialismus und Apartheid, das nach wie vor überall in der südafrikanischen Gesellschaft und damit auch den höheren Bildungsinstitutionen sichtbar ist. Der Kampf gegen eine Erhöhung der Studiengebühren am Ende des vergangenen Jahres war erfolgreich, was die Studierenden zur nicht nur größten, sondern auch erfolgreichsten Protestbewegung des Landes seit dem Ende der Apartheid macht. Doch die Proteste gehen weiter, und angesichts interner Konflikte um Sexismus und die Frage, was Dekolonisierung der Universität eigentlich bedeutet, treten Bruchlinien zutage, die für das gegenwärtige Südafrika insgesamt kennzeichnend sind.
Die Veranstaltung zeichnet die gegenwärtige Bewegung mit ihren Konflikten und Widersprüchen nach und versucht, sie in umfassenden gesellschaftlichen Prozessen in Südafrika zu verorten.
Die Referentin:\ Anja Hertz hat zweieinhalb Jahre an einer südafrikanischen Universität gearbeitet und schreibt in der Jungle World über politische und gesellschaftliche Themen in Südafrika.
Kundgebung: Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich! Non à la loi travail! Nein zum Arbeitsgesetz!
14.06.2016
Am 18.06.2016 findet um 13:00 Uhr auf dem Rathausplatz Freiburg eine Kundgebung in Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich statt.
Die französische Regierung versucht derzeit ein neues Arbeitsgesetz zu verabschieden. Mit der Lockerung des Kündigungsschutzes und einem Maßnahmenpaket zur Arbeitszeitverlängerung soll ein ähnlicher Weg beschritten werden wie in Deutschland -- von einer französischen Agenda 2010 ist die Rede.
Dagegen richtet sich breiter Widerstand: Arbeiter_innen, Schüler_innen, Student_innen, Renter_innen und Arbeitslose organisieren vielfältige Aktionen: Von Demonstrationen und Streiks bis zu Blockaden von Raffinerien und Treibstoffdepots. Die Polizei geht brutal vor, es gibt viele Verletzte und der weiterhin gültige Ausnahmezustand gibt dem Staat zusätzliche Repressionsmöglichkeiten.
Weil wir wissen, dass die versprochene „Senkung der Arbeitslosigkeit" im besten Fall Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet, von denen man nicht leben kann,
weil wir wissen, dass ein „Fortschrittsgesetz" für Frankreich einen Fortschritt im Interesse des Kapitals zur Senkung des allgemeinen Lohnniveaus bedeutet,
weil wir wissen, dass die Interessen der Wirtschaft nicht die unseren sind,
weil wir Polizeigewalt und Repression nicht unbeantwortet lassen wollen, rufen wir auf zur Kundgebung:
Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich!\ Non à la loi travail! Nein zum Arbeitsgesetz!
Die aktuelle Revolte in Frankreich
14.06.2016
Vortrag mit einem Genossen aus Straßburg am Freitag, dem 17.06.2016 um 20 Uhr im Übungsraum I-4502 im Kollegiengebäude IV der Universität Freiburg.
Seit Monaten kommt es in Frankreich zu massiven Kämpfen gegen die Reform des Arbeitsrechts und dem damit verbundenen \"El Khomri\"-Gesetz. Diese Reform sieht eine Aufweichung der 35-Stunden-Woche, Erleichterung von Entlassungen sowie Änderungen in der Lohnstruktur und der Arbeitszeiten auf Betriebsebene vor. Waren es zuerst vor allem Demonstrationen und Platzbesetzungen unter dem Namen \"Nuit debout\", werden die Proteste in den letzten Wochen von massiven Streiks begleitet. Unter anderem durch den in Frankreich herrschenden Ausnahmezustand gehen die staatlichen Repressionsorgane rabiat gegen die Proteste vor. Hierzulande wird kaum darüber berichtet.
Wir haben einen Referenten aus Straßburgeingeladen, der etwas zu den Protesten in Frankreich erzählen wird. Der Vortrag wird auf Englisch gehalten. Auf Wunsch ist eine Übersetzung möglich.
Nuitdebout
10.05.2016
Seit Wochen protestieren immer wieder hundertausende DemonstrantInnen gegen die Reform im Arbeitsrecht und dem damit verbundenen \"Loi EL Khomri\"-Gesetz in Frankreich. Diese Reform sieht eine Aufweichung der 35-Stunden-Woche, Erleichterung von Entlassungen sowie Änderungen in der Lohnstruktur und der Arbeitszeiten auf Betriebsebene vor. Unter dem Namen \"nuit debout\" versammelten sich seit Wochen hunderte bis tausende GegnerInnen dieser Reform täglich am Platz der Republik in Paris. Die Platzbesetzungen weiteten sich mittlerweile auf 60 Städte in ganz Frankreich aus. Gleichzeitig kam es zu mehreren Streiks und militanten Protesten. Parallel zur abnehmenden Beteiligung seit einigen Tagen, geht die Polizei seit Ende April immer brutaler gegen die Proteste vor. Bedingt durch den in Frankreich herrschenden Ausnahmezustand ist es den staatlichen Repressionsorganen daher möglich rabiat gegen Linke und Gewerkschaftler_innen vorzugehen. Der nächste landesweite Aktionstag gegen die Reform wird am 14.6.16 stattfinden.
Geht nicht, gibt's nicht!: Gewerkschaftliche Organisierung im Niedriglohnbereich, am Beispiel der Industrial Workers of the World in New York
03.05.2016
Veranstaltung der Freien Arbeiter*innen Union Freiburg und der Workers Center Initiative Freiburg
Freitag 13. Mai, 20 Uhr
Cafe in der FABRIK e.V. (Habsburgerstr. 9 im Hauptgebäude 1.OG links --\ nicht mit der Kneipe im Vorderhaus verwechseln!)
Der allgemeinen Verschlechterung der Lebenslage für alle Lohnabhängigen in der BRD der letzten 25 Jahre konnten die Mainstream Gewerkschaften wie der DGB nichts entgegensetzen -- und wollten es eigentlich auch nicht so richtig. Aber auch von linker (gewerkschaftlicher) Seite waren die Versuche, dem etwas entgegen zu setzen, begrenzt. Oft genug scheinen die Organisierungsbemühungen wenig von Erfolg gekrönt zu sein. Viele Linke in der BRD sind deshalb auch der Meinung, dass es gerade im prekären Niedriglohnbereich nicht möglich ist, sich mit KollegInnen zusammen zu organisieren. Das dem nicht so sein muss, zeigen die Erfolge der IWW in den USA, aber auch in der Bundesrepublik.
Der Referent ist Mitglied der IWW in Frankfurt am Main und arbeitete drei Monate bei den Brandworkers, einem der IWW nahestehenden »Workers Center« in New York City.
Ein Bürgerkrieg in Deutschland
08.03.2016
Zu Theorie & Praxis des antiautoritären Kommunismus 1914-1921
Vortrag & Diskussion: Freitag, 18. März 2016, 20 Uhr, Susi-Cafe\ Seminar: Samstag, 19. März 2016, 14 Uhr, Fabrik (Habsburgerstr. 9)****
»Andere mögen ihr: ›Nur nicht zu viel! Nur nicht zu früh!‹ plärren. Wir werden bei unserem: ›Nur nicht zu wenig! Nur nicht zu spät!‹ beharren.«\ Karl Liebknecht, Die Frage des Tages, geschrieben im Knast 1918
Die russische Oktober-Revolution, die Bolschewiki, allen voran Lenin wurden von den deutschen Kommunisten bewundert, begeistert waren auch die antiautoritären Kommunisten von dem Maximalismus, der nicht nur den
- Weltkrieg beenden, sondern ihn in einen Bürgerkrieg umwandeln wollte; es schien, mit der sozialistischen Weltrevolution würde endlich ernst gemacht. Zwei, spätestens drei Jahre später war von dieser Bewunderung nicht mehr viel übrig, Bolschewiki und deutsch-holländischer Rätekommunismus waren auseinandergegangen. Lenin warf den Antiautoritären unter den Kommunisten vor, sie wären eine utopistische Kinderkrankheit des Kommunismus, die Antiautoritären sahen in Sowjetrußland nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die staatskapitalistische Despotie der bolschewistischen Partei.
Der Vortrag möchte auf drei Ebenen skizzieren: Erstens soll an die wirkliche Bewegung in Deutschland erinnert werden, das heißt nicht nur an die proletarischen Kämpfe gegen den Weltkrieg und die November-Revolution, sondern mehr noch an den heute weitgehend vergessenen, anschließenden Bürgerkrieg. Zweitens an die revolutionären Organisationen: vom Spartakusbund und den Internationalen Kommunisten Deutschlands zur Kommunisten Partei und deren erster Spaltung; von der Kommunistischen Arbeiter-Partei und der Allgemeinen Arbeiter Union, die erst nach tausenden zählten und von denen 1923 nur noch heillos zerstrittene Grüppchen übrig waren. Drittens soll die aus diesen Kämpfen und Auseinandersetzungen hervorgegangene Gesellschaftskritik, das was man heute Links- oder Rätekommunismus nennt, vorgestellt werden, ihre historischen Verdienste wie auch ihre Schwächen und Fehler.
Das Nachmittagsseminar soll Gelegenheit bieten, das umfangreiche Thema zu vertiefen. Thesen um den Einstieg in eine Diskussion zu vereinfachen werden vorbereitet, ansonsten richtet sich das Seminar ganz nach den Bedürfnissen der Teilnehmer. Unten findet Ihr eine unvollständige, unverbindliche Literaturliste, Vorkenntnisse sind selbstverständlich nicht erforderlich.
Workshop: Abseits des Spülbeckens
04.03.2016
Wo: in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg\ Wann: 13. März 2016 - 11:00
Seit einigen Jahren drehen sich wieder größere Teile der feministischen Debatte um Fragen der Politischen Ökonomie. Nachdem lange Zeit Probleme der Repräsentation und kulturellen „Performanz" von Geschlecht im Zentrum der Kritik standen, geht es nun verstärkt wieder um geschlechtliche Arbeitsteilung, Hierarchisierung durch Lohn und insgesamt um queerfeministische Ökonomiekritik. Ein seit den 1970er-Jahren zentraler Strang in dieser Debatte stellen vom italienischen Operaismus beeinflusste Feministinnen wie Silvia Federici und Maria Dalla Costa dar.
Diesen Wandel in der feministischen Diskussion, der sich immer häufiger in der Debatte um Care-Arbeit und der Commons-Diskussion widerspiegelt, halten wir prinzipiell für begrüßenswert. Mit einigen theoretischen und praktischen Implikationen und Voraussetzungen der gegenwärtigen Debatte sind wir allerdings nicht einverstanden. Im Text „Abseits des Spülbeckens. Fragmentarisches zu Geschlechtern und Kapital" der Gruppe Freundinnen und Freunde der Klassenlosen Gesellschaft, erschienen in Kosmoprolet 4, wird zu begründen versucht, warum die Behauptung eines begriffslogisch notwendigen Zusammenhangs von Geschlechter- und Kapitalverhältnis nicht überzeugt -- und warum Theorien, die eben dies behaupten, in die Irre führen müssen. Dagegen wird eine gewisse historische Tendenz zur Nivellierung der Geschlechterdifferenz im Kapitalismus behauptet.
Anhand von Textausschnitten von Silvia Federici, Maria Dalla Costa und dem Artikel der Freundinnen und Freunde der Klassenlosen Gesellschaft, würden wir am Sonntag den 13.03.2016 gerne mit euch über diese und andere Thesen diskutieren. Zur Vorbereitung sollte von allen Teilnehmenden der Text der Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft gelesen werden. Wer die weiteren Texte gerne vorher lesen würde, kann uns gerne eine Email an info@labandavaga.org schreiben, dann schicken wir Euch diese gerne zu. Die Kenntnis dieser Texte ist aber keine Voraussetzung der Teilnehme.
La Band Vaga Party: "(schon wieder...) Die Verhältnisse zum Tanzen bringen!"
08.01.2016
La Banda Vaga (bedeutendste anarchistisch-rätekommunistische Gruppe Freiburgs) lädt zum feucht-fröhlichen emanzipatorischen Musik- und Tanzgenuss! Freitag 22.01.2016 ab 20 Uhr im White Rabbit
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Zunächst agitieren wir euch ab 20:00 Uhr mit einer spannenden Vorstellung unseres soeben erschienenen Magazins Kosmoprolet. Um 22:00 Uhr wird euch das grandiose Hillbilly-Trash-Punk-Duo Smegma-Brothers was Vernünftiges auf die Ohren geben! Um 23:00 Uhr tritt Freiburgs feinste, geschmackvollste und attraktivste Deutschpunk-Band, Scheissediebullen, auf die Bühne ("dilettantischer Punksound, der schon vor 15 Jahren nicht cool war"). Ab ca. 24:00 Uhr wird zu Björn-"Bassbomber Harris"-Peng (DJ-Set; minimalitischer Elektro mit Antifa-Attitüde/ Gutti-Tech) geraved und ab ca. 1 Uhr noch mehr Rave mit Simon Heat (Electro/Techno/Gehoppse). Schließlich ab ca. 3 Uhr Hardstyle-Rave mit Schlund (Björn Peng goes hardstyle) bis niemand mehr steht.
Vorstellung des Kosmoprolets \#4 in München
23.12.2015
Am 7. Januar kommt La Banda Vaga ins Antifa-Café der AntifaNT in München und stellt die vierte Ausgabe der Zeitschrift Kosmoprolet vor:
Die Zeitschrift Kosmoprolet ist ein Versuch, mit Leuten in Diskussion zu treten, die ebenfalls das Bedürfnis verspüren, die ausgetretenen Pfade des linken Aktivismus zu verlassen und sich auf die Klassenverhältnisse zu beziehen. Der Name erinnert an die Cosmopolis, an die Idee des Weltbürgers, doch durch die Einfügung des »r« wird der schöne (kantische) Bürgertraum konterkariert und auf seine radikale Pointe gebracht: Die Weltgesellschaft besteht, aber in verkehrter Form, als allgemeine Proletarisierung. Zugleich steht der Name gegen den »linken« Nationalismus -- der »wurzellose Kosmopolit« (Besrodny kosmopolit) war ein Schlagwort in der antisemitischen Kampagne, die Ende der vierziger Jahre in der UdSSR einsetzte.
Doch die durch die allgemeine Proletarisierung massenhaft freigesetzte Arbeitskraft weckt auf Seiten des Kapitals längst keine entsprechenden Begehrlichkeiten mehr, sodass ein Surplus-Proletariat entsteht. Menschen also, die aus Sicht des Kapitals überflüssig sind. Das Surplus-Proletariat hat in den letzten Jahren auf vielfältige Weise in das politische Geschehen eingegriffen, nicht zuletzt in Form stetig wachsender Migrationsbewegungen. Unter dem Schwerpunkt Surplus-Proletariat werden verschiedene Themen in den einzelnen Aufsätzen aufgegriffen, u. a. sind dies: „Fragmentarisches über Geschlechter und Kapital", „Zur Geschichte und Kritik des Sozialstaats", „Israel, Palästina und der Universalismus", „Leiharbeit" und „Ultras in den gegenwärtigen Revolten".
Die Zeitschrift Kosmoprolet ist für 5 Euro im Kafe Marat oder auf syndikat-a.de erhältlich. Mehr Infos zur aktuellen Ausgabe sowie die Texte von Kosmoprolet Nummer 1, 2 und 3 gibt es auf der Homepage des Kosmoprolet.
Außerdem wie immer überragend gutes Essen, überraschend erfrischende Musik und die frischesten Antifa-News.
Film und Diskussionsveranstaltung: Miners Shot Down
18.09.2015
Am Donnerstag, den 24.09.2015 um 20 Uhr organisiert die Worker Center Initiative Freiburg im Susi BewohnerInnentreff Ecke Merzhauserstraße/Vauban-Allee eine Film- und Diskussionsveranstaltung:
ArbeiterInnen gegen den ANC Staat -- Der Staat schießt auf BergarbeiterInnen in Marikana
Im August 2012 wird der wilde Streik in den Bergwerken in Marikana in einer gemeinsamen Aktion von Polizei, Politik und Gewerkschaftsfunktionären zusammengeschossen. 34 ArbeiterInnen werden aus nächster Nähe erschossen, 78 verletzt, 259 festgenommen. Der Streik wurde trotzdem fortgesetzt und mit Lohnerhöhungen zwischen 11 und 22 Prozent beendet.
1994 mündet eine der weltweit am breitesten unterstützten Befreiungsbewegungen im größten Industriestaat Afrikas in die Machtübernahme durch den ANC in Südafrika. Die damit verbundenen Hoffnungen zerschellten an der »neoliberalen« Politik des ANC, die\ Besitzverhältnisse und Kapitalinteressen weitgehend unangetastet ließ. Die für die südafrikanische Wirtschaft wichtigen Exportindustrien Auto und Bergbau brachen im Zuge der Krise 2008 ein, gleichzeitig kämpften die ArbeiterInnen im Bergbau und die BewohnerInnen in den städtischen Townships.
Der Streik bei Marikana war ein Höhepunkt der Selbstorganisierung -- allerdings auch der Repression von Staatsseite. Aber der »Marikana-Effekt« strahlte aus: Streiks der Farmarbeiter und der Autoindustrie noch 2012, Goldbergbau 2013, Maschinenbau 2014... Der Film \"Miners Shot Down\" (Südafrika, Engl./Dt. Untertitel) zeigt die Ereignisse aus der Sicht der ArbeiterInnen.
Kosmoprolet \#4 ist erschienen
06.09.2015
Erhältlich ab September 2015 | 208 Seiten | 5 € / 6 CHF
Herausgegeben von den »Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft» (Berlin), »eiszeit« (Schweiz) und »la banda vaga« (Freiburg)
■ Editorial\ ■ Abseits des Spülbeckens. Fragmentarisches über Geschlechter und Kapital\ ■ Reflexionen über das Surplus-Proletariat. Phänomene, Theorie, Folgen\ ■ Elend und Schulden. Zur Logik und Geschichte von Überschussbevölkerungen und überschüssigem Kapital\ ■ Moloch und Heilsbringer. Zur Geschichte und Kritik des Sozialstaats\ ■ Israel, Palästina und der Universalismus\ ■ Leiharbeit. Ende der Identifikation mit der Ausbeutung oder doch nur Waffe des Kapitals?\ ■ Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten
In Freiburg gibt es den Kosmoprolet bei der Buchhandlung jos fritz. Per Post gibt es Einzelexemplare bei Syndikat-A.\ WiederverkäuferInnen bestellen unter kosmoprolet@gmx.de. Sie bekommen (inkl. Versandkosten): 3 Ex. für 12 €; 5 Ex. für 18 €; 10 Ex. für 35 €. Die Auslieferung erfolgt nur gegen Vorkasse auf das Konto: Weltcommune, Konto Nr.: 494584109, IBAN: DE94100100100494584109, Postbank Berlin (BLZ 10010010). Als Verwendungszweck den Namen des Bestellers angeben.
Alle Macht den Räten? Ist der Rätekommunismus heute noch relevant?
13.08.2015
Dieser Text basiert auf einem Vortrag, der im Rahmen der Freiburger Workers Center Initiative am 02.07.2014 in der Fabrik in Freiburg gehalten wurde. Eine ergänzte und überarbeitete Version des Vortrags erschien in der Ausgabe 50 der Zeitschrift „Phase 2" vom Frühjahr 2015 zum Thema „Staatenlos durch die Nacht. Was taugt der Anarchismus?".
In diesem Text soll es nicht vorrangig um eine Geschichte des historischen Rätekommunismus gehen, sondern es sollen vor allem einige Überlegungen zur heutigen Relevanz des Rätekommunismus angestellt werden. Dafür ist es allerdings notwendig kurz das historische Auftauchen der Räte, zentrale Organisationen, Perso-nen und Inhalte des Rätekommunismus darzustellen, bevor anhand einiger Kritikpunkte die Frage der Aktualität diskutiert werden kann.\ Der deutsche Anarchist Erich Mühsam definiert die Räteidee folgendermaßen:\ „Der Rätegedanke ist uralt. Räte sind im eigentlichen Sinne nichts andres als die Vereinigung Gleichberechtigter zur Beratung ihrer eigenen gemeinsamen Angelegenheiten. Diese Bedeutung hatten die Gemeindeversammlungen des Altertums, die Gilden des Mittelalters, die Sektionen der französischen Revolution und der Kommune. Das Rätewesen als Zusammenarbeit von Ratgebern und Ratholern auf Gegenseitigkeit ist über die Bestimmung der Interessenvertretung in sich verbundener Menschengruppen hinaus die natürliche Organisationsform jeder Gesellschaft überhaupt, welche die Leitung der öffentlichen Sachen von einer staatlichen Spitze aus durch die Ordnung von unten herauf, durch Föderation, Bündnis und unmittel-baren Zusammenschluss der Arbeitenden zur Regelung von Arbeit, Verteilung und Verbrauch ersetzt sehn will."
Die Geschichte der Räte
Als historisches Vorbild des Rätekommunismus gilt die Pariser Kommune von 1871, die Karl Marx als die „[...] endlich entdeckte politische Form der Befreiung der Arbeit [...]" bezeichnete.\ Die erste Revolution in deren Verlauf die Bezeichnung Räte für die\ Selbstverwaltungsorgane der Massen auftauchten, ereignete sich im Jahr 1905 in Russland. Die dortigen Ereignisse beeinflussten die internationale ArbeiterInnen-bewegung nachhaltig. Ausdruck davon war die sog. Massenstreikdebatte, in der v. a. Rosa Luxemburg die Rolle der Spontanität der ArbeiterInnenklasse und die politische Dimension von Massenstreiks betonte. Streiks sollten ihrer Meinung nach auch dafür eingesetzt werden, politische Ziele zu erreichen und nicht nur, wie bisher meist, nur auf ökonomische Fragen beschränkt bleiben. Da sich diese Position innerhalb der deutschen Sozialdemokratie aber nicht durchsetzen konnte, radikali-sierten sich einige Parteigliederungen, v. a. die sog. Bremer Linksradikalen, die dann zu einer der Keimzellen des Rätekommunismus avancierten. In der Revolutionsphase von 1917-1923 wurden die Räte dann zu einer Massenerscheinung. Ausgehend von der Oktoberrevolution in Russland und der Novemberrevolution im Deutschen Reich sollen während dieses Kampfzykluses in etwa 30 Ländern ArbeiterInnenräte gebildet worden sein. Aber auch in späteren Erhebungen, etwa während des Ungarischen Aufstandes gegen den Stalinismus 1956 oder während der Revolution im Iran 1979 entstanden ArbeiterInnenräte. Allerdings muss betont werden, dass die Räte geschichtlich nicht nur für eine freiheitliche Umgestaltung der gesamten Gesellschaft standen, sondern auch für gegenteilige Interessen genutzt wurden, etwa nach den russischen Revolutionen 1905 und 1917 oder in der deutschen Revolution. Verschiedene politische Strömungen, ob sozialdemokratische oder bolschewistische nutzten die Räte, um ihre politischen Interessen durchzusetzen und die Räte von innen zu entmachten. Die Form der Räte allein garantiert also noch keinen emanzipatorischen Inhalt.\ Der historische Rätekommunismus als Theorie der ArbeiterInnenräte entstand während der weltweiten Welle von Revolutionen 1917-23. Diese Strömung wird auch als holländische oder deutsch-holländische Linke bezeichnet, da zentrale TheoretikerInnen aus diesen beiden Ländern stammten. In der deutschen Revolution war die zentrale Frage, die die Akteure spaltete, die nach Parlamentarismus oder Rätesystem. Die deutsche Sozialdemokratie konnte sich letztlich im Bündnis mit den reaktionären Kräften gegen die RäteanhängerInnen durchsetzen. Die linksradikalen Zirkel hatten sich 1919 zur „Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) vereinigt und eine strikt antiparlamentarische und aufständische Position vertreten. Doch bereits auf dem Heidelberger Parteitag 1920 drängten die leninistischen Kräfte die antiparlamentarische Linke aus der Partei und setzten bindend durch, dass die KPD sich an Wahlen beteiligte und die Mitglieder sich in den großen Gewerk-schaften beteiligen sollten. Nach dieser Richtungsentscheidung verließ die Mehrzahl der AnhängerInnen die Partei. Aus diesen Reihen der Abtrünnigen gründeten sich dann die „Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands" (KAPD) und die „Allgemeine Arbeiterunion" (AAU). Doch nach dem Abflauen der revolutionären Welle nach 1923 zersplitterte sich der organisierte Rätekommunismus in zahlreiche Organisationen und Grüppchen und verlor seine gesellschaftliche Relevanz. Der Rätekommunismus hatte sich als Theorie und Praxis der Revolution erwiesen, der aber in nichtrevolutionären Zeiten schnell zerfiel.\ Wichtige Personen des Rätekommunismus waren die Holländer Anton Panne-koek, Hermann Gorter, Henriete Roland-Holst und Cajo Brendel, die insurektionalistischen Bandenführer Max Hoelz und Karl Plättner, der Herausgeber der Zeitschrift „Die Aktion" und Gründer der „Antinationalen Aktion", Franz Pfemp-fert, der Pädagoge Otto Rühle und das spätere Mitglied der „Industrial Workers of the World" (IWW) Paul Mattick. Spätere Anhänger der Rätekonzeption waren etwa Hannah Arndt und die französische Gruppe „Socialisme ou Barbarie".
Theorie des Rätekommunismus
Als zentrale politische Positionen des Rätekommunismus können der Antiparlamen-tarismus, die Ablehnung der (etablierten) Gewerkschaften (stattdessen Aufbau eigener revolutionärer Betriebsorganisationen oder gar einer Einheitsorganisation), Bürokratiekritik (an den Organisationen der alten ArbeiterInnenbewegung, wie der SPD, aber auch der KPD) und die Zentralität der Krisentheorie gelten.\ Die Krisentheorie der RätekommunistInnen stützte sich maßgeblich auf die pünktlich zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 erschienene Schrift „Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems. (Zugleich eine Krisentheorie)" von Henryk Grossmann und begründete das maxima-listische und insurektionalistische Vorgehen der AktivistInnen. Dies bedeutete, dass teilwiese jegliche reformistischen Tagesforderungen als kapitalismusstützend abgelehnt wurden und nur die sofortige kommunistische Revolution als adäquate Position anerkannt wurde. Max Hoelz, Karl Plättner und andere zogen daraus die Konsequenz, dass nur der bewaffnete Kampf die Antwort seien könne und zogen mit „bewaffneten Haufen" plündernd durch das Land.\ Gegen die rätekommunistischen Ansichten veröffentlichte Lenin 1920 eine Kampfschrift, die zur „Bibel des Stalinismus" avancieren sollte. In „Der linke Radikalismus, Kinderkrankheiten im Kommunismus" verteidigte Lenin die bolschewistische Politik und forderte alle KommunistInnen auf sich in den großen Gewerkschaften zu engagieren und an parlamentarischen Wahlen teilzunehmen. Auf diese Schrift reagierte wiederum Hermann Gorter mit einem „Offenen Brief an den Genossen Lenin". Aus dieser Debatte entwickelte sich eine Bolschewismuskritik, die zum Markenzeichen für die gesamte rätekommunistische Theorie werden sollte. Anfangs begrüßten die linken KommunistInnen die Oktoberevolution als den lang ersehnten Startschuss für die Weltrevolution. Doch zunehmend wurde Kritik an einzelnen Punkten der russischen Entwicklung formuliert, etwa an der Agrarpolitik oder der gewaltsamen Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes. Es war aber vor allem die Forderung der „Kommunistischen Internationalen", die verlangte, dass alle nationalen Sektionen das russische Vorbild auf ihre Heimatländer übertragen sollten, die die Kritik zu einer grundsätzlichen werden ließ. Diese radikalisierte sich zunehmend, bis zu dem Punkt, dass die Rätekommunisten im Bolschewismus nur noch eine nachholende kapitalistische Entwicklung unter den spezifischen russischen Bedingungen erkennen konnten.\ Ein weiterer wichtiger Programmpunkt der Rätekommunisten war ihre, auch praktische, Kritik an der Organisationsform der alten ArbeiterInnenbewegung. Sozialdemokratische und andere Gewerkschaften organisierten die ArbeiterInnen anhand der Berufsgruppen, also eine Gewerkschaft für die MetallarbeiterInnen, die ChemiearbeiterInnen etc. Nach der Vorstellung der RätekommunistInnen sollte sich die „Neue ArbeiterInnenbewegung" dagegen anhand des jeweiligen Betriebes zusammenschließen, d. h. alle ArbeiterInnen eines Betriebes sollten revolutionäre Betriebsorganisationen bilden, dies sich wiederum auf höherer Ebene zu ArbeiterInnen Unionen vereinigen sollten. Dies sollte die Vorstufe zur Organisation der gesamten Gesellschaft auf Rätebasis schaffen.
Kritik am Rätekommunismus
An den rätekommunistischen Vorstellungen wurde von Anfang an viel Kritik geübt. Diese kam aber nicht nur von den, von ihnen als „Alte ArbeiterInnenbewe-gung" bezeichneten Strömungen, also der Sozialdemokratie oder dem Leninismus, sondern auch dissidente kommunistische Fraktionen kritisierten Teile oder auch das gesamte Gedankengut des Rätekommunismus. Anhand der Kritiken lässt sich schon viel über den heutigen Gebrauchswert der rätekommunistischen Theorie aussagen.\ Ein Kritikpunkt ist bereits durch die kurze historische Darstellung der Geschichte deutlich geworden: Der Rätekommunismus hat sich geschichtlich als Theorie und Praxis der Revolution gezeigt. In nichtrevolutionären Zeiten zerfielen die rätekom-munistischen Gruppen immer sehr schnell und die Räteidee geriet in Vergessenheit.\ Eine der wichtigsten Kritiken am Rätekommunismus basiert auf Überlegungen, die der italienische Operaist Sergio Bologna angestellt hat. Für ihn und andere OperaistInnen war der Rätekommunismus eine Bewegung der FacharbeiterInnen.\ „Das Konzept der Arbeiterselbstverwaltung hätte in der deutschen Arbeiter-Rätebewegung ohne das Vorhandensein einer Arbeiterschaft, die mit der Technologie des Arbeitsprozesses durch ein ausgeprägtes Selbstverständnis als Facharbeiter und eine natürliche Neigung, ihre Rolle als ˊProduzentenˋ zu betonen, untrenn-bar verbunden war, niemals so breiten Anklang gefunden. Das Konzept der Selbstverwaltung betrachtete die Arbeiter als autonome Produzenten und die Arbeitskraft innerhalb der Fabrik als eine unabhängige Größe."\ Diese soziale Figur bestimmte dann auch den Inhalt. Durch die Bedeutung der FacharbeiterInnen innerhalb der Produktion und ihre Kenntnisse der Produktionsprozesse, entwickelte der Rätekommunismus eine Art „Selbstverwaltungsideologie". Vorgesetzte wurden in der Fabrikation häufig als Störfaktoren erlebt, so dass die ArbeiterInnenräte diese ausschalten sollten und der gesamte Produktionsprozess in die Hände der Belegschaft gelegt werden sollte. Die ArbeiterInnen seien häufig von einem ProduzentInnenstolz angetrieben, die weder die Produktionsweise, noch die Formen der zugrundeliegenden Technik kritisierten. Die OperaistInnen sahen diese Art des ArbeiterInnenwiderstandes Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts als überholt an. Für sie war das zentrale Subjekt der Massenarbeiter, der die Fabrik nicht selbst verwalten, sondern zerstören wolle. Statt ProduzentInnenstolz wurde nun der Kampf gegen die Arbeit propagiert.\ Obwohl es empirisch umstritten ist, ob sich der historisch Rätekommunismus in seiner sozialen Rekrutierung auf den Typus der FacharbeiterIn stützte oder ob nicht bereits zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts die fordistischen MassenarbeiterInnen die Basis der revolutionären Bewegungen stellten, so treffen doch einige der geäußerten Kritikpunkte fraglos zu. So finden sich in rätekommunistischen Veröffentlichungen zahlreiche arbeitertümelnde Aussagen. Das Programm der KAPD von 1920 forderte etwa die „rücksichtslose Durchführung des Arbeitszwanges". Auch die unkritische Propagierung der ArbeiterInnenselbstverwaltung ist nicht unproblematisch. In nichtrevolutionären Zeiten sind selbstverwaltete Betriebe gezwungen sich der kapitalistischen Umwelt und Konkurrenz anzupassen, was meist zu einer gesteigerten Form der Selbstausbeutung führt. Dies lässt sich exemplarisch an den meisten Alternativbetrieben, die in der Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahre entstanden sind beobachten. Aber selbst in revolutionären Umbrüchen, die auf ein Land beschränkt sind oder die unter schweren äußeren Bedingungen stattfinden, wie etwa ein Bürgerkrieg, ergeben sich Zwänge, die dazu führen können die eigenen Ideale aufzugeben und etwa widerwillige Arbeite-rInnen mittels Zwang zur Arbeit zu bringen.\ Ebenso zutreffend ist die Kritik an der Affirmation der vorgeblich neutralen Technik und Wissenschaft. Heutzutage kann es nicht mehr darum gehen die vor-handenen Produktionsmittel nur unter veränderten Besitzverhältnissen zu übernehmen, sondern die Produktion grundsätzlich zu verändern. Denn der im kapitalistischen System angewandten Technik wohnt immer schon die Rationalität der Kapitalvergesellschaftung inne. Die diesen Verhältnissen angepasste Vernunft ist immer eine instrumentelle. Die Kritik an der kapitalistischen Technik und Planung wurde v. a. seit den späten 1950er und 1960er Jahren von den italienischen OperaistInnen stark gemacht, so entzifferte etwa Raniero Panzierie in der ersten Ausgabe der „Quaderni Rossi" die Maschinerie als ein Mittel zur Unterwerfung der lebendigen Arbeit unter das Kommando des Kapitals. Einer kommunistischen Revolution kann es also nicht darum gehen die vorgefundenen Technologien zu übernehmen, sondern diese so zu verändern oder gar neu zu schaffen, dass sie der Bedürfnisbefriedigung dienen und nicht mehr der Kapitalakkumulation. Dies schließt eine irgendwie geartete „sozialistische" Übernahme etwa der Fließbandproduktion von vorneherein aus.\ Der Rätekommunismus definierte sich selbst als orthodoxer Marxismus und sprach diese Zuschreibung anderen sich auf Marx berufenden Strömungen wie dem Leninismus ab. Aus dieser Orthodoxie heraus ergaben sich aber auch einige proble-matische Positionen. So vertraten die RätekommunistInnen einen strikten histori-schen Determinismus, der sich am Stufenmodell „Feudalismus", „Kapitalismus", „Sozialismus", „Kommunismus" orientierte. Die Kritik an der Sowjetunion basierte etwa auf der Prämisse, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse des halbfeudalen Russlands noch nicht bereit gewesen seien für einen Sprung in den Sozialismus. Damit geraten sie aber in Widerspruch zu Marx, da dieser am Ende seines Lebens durchaus die Möglichkeit beschrieben hat, dass in Russland eine Situation entstehen könnte, in der die traditionelle russische Dorfgemeinschaft, die auf Gemeinschaftseigentum basierte, mit der Krise im kapitalistischen Westen zusammenkom-men könnte und so einen Weg Russlands in den Sozialismus ohne den Umweg über den Kapitalismus ermöglich könnte. Er betonte, dass die von ihm beschriebenen Entwicklungsstufen vom Feudalismus zum Kapitalismus und dann hoffentlich zum Sozialismus nur auf seinen Beobachtungen in Westeuropa beruhten und die Entwicklung in anderen Weltregionen durchaus anders verlaufen könnte.\ Auch bei anderen Fragen hielten sich die RätekommunistInnen streng an die Vorgaben der ihnen bekannten Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels. So veröffentlichte die „Gruppe Internationaler Kommunisten Hollands" 1930 ein ausgearbeitetes Übergangsprogramm für die Zeit nach der Revolution. Dieser „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung" betitelte Text orientierte sich dabei an Marx´ Ausführungen zur „Kritik des Gothaer Programms". Der Entwurf sah vor, dass nach der Revolution jede Person für gleiche Arbeit gleiche viele Güter erhalten sollte. Gemessen werden sollte dies anhand der individuellen Arbeitszeit, die mit Hilfe von Arbeitszetteln festgehalten werden sollte. Menschen, die nicht arbeiten können, sollten selbstverständlich von der Allgemeinheit mitver-sorgt werden. Menschen die dagegen nicht arbeiten wollen, fallen aus der Versor-gung heraus. Positiv festzuhalten an den „Grundprinzipien" bleibt, dass sich die Verfasser ernsthafte Gedanken über das weitere Vorgehen nach einer Revolution gemacht haben und sich dadurch positiv von vielen RevolutionärInnen, die nur bis zum Umsturz denken können oder wollen unterscheiden. Doch merkt man dem Text auch seine Zeitgebundenheit an. Obwohl nach einer erfolgreichen Weltrevolution als dringendstes Problem natürlich die Versorgung der Grundbedürfnisse der Menschen weltweit und die Beseitigung der kapitalistischen Verheerung sicherge-stellt werden müssen, ist beim heutigen Stand der Produktivkräfte kein Übergangs-programm, das die Voraussetzungen für den Kommunismus schafft mehr nötig, sondern es muss sofort damit begonnen werden, diesen aufzubauen. Dies beinhaltet auch die Abschaffung der Lohnarbeit in jeder Form.\ Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt betrifft die strikte Konzentration der rätekommunistischen Ausrichtung auf den Produktionsbereich. So richtig es ist, den Hebel für den Umsturz dort zu suchen, wo der Wert geschaffen wird und damit auf die Macht der ProduzentInnen zu setzen, denn diese haben natürlich ganz andere Möglichkeiten das Kapital in die Enge zu treiben, als etwa von die von der Lohnarbeit ausgeschlossenen Teile des Proletariats, so fatal ist es doch alle anderen Bereiche aus den Augen zu lassen. Dies betrifft etwa den Reproduktionsbereich, der für die Kapitalakkumulation unabdingbar ist, denn schließlich wird die Arbeitskraft erst hier geschaffen und täglich reproduziert. Dies betrifft aber etwa auch die Fragen der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die kapitalistische Produktionsweise, die das Weiterbestehen der gesamten Menschheit bedroht. Oder auch die fatale Rolle von Rassismus und Antisemitismus für die ArbeiterInnenbewegung. Der Rätekommunismus ist in vielerlei Hinsicht in der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts stehen geblieben. Die Bedeutung die etwa das Aufkommen der Kul-turindustrie, bzw. die „Gesellschaft des Spektakels" für die kapitalistische Gesellschaft eingenommen haben, konnten sie nicht mehr in ihre Theorie einordnen.
Der Rätekommunismus unter den heutigen\ Produktionsbedingungen
Die wichtigste Kritik am historischen Rätekommunismus betrifft aber dessen Fokussierung auf die ArbeiterInnen der großen Industrie. Für die RätekommunistInnen waren die großen Fabriken der Ausgangspunkt, aber auch der zentrale Ort der Revolution. Diese sollten selbstverwaltet durch Rätestrukturen das Rückgrat der neuen Gesellschaft bilden. Nach dem Ende der fordistischen Ära des Kapitalismus sind die Großfabriken aber zumindest in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems weitgehend verschwunden oder auf dem Rückzug. Die riesigen Fabrikkonglomerate sind z. T. in Schwellenländer wie China oder Indien weitergezogen. Es dürfte also spannend sein zu beobachten, wie sich die zunehmenden Kämpfe dort organisatorisch und politisch äußern. Kommt es auch dort zu Formen von proletarischer Selbstverwaltung, die mit den historischen Räten in Europa vergleichbar sind? Verschiebt sich mit der Verlagerung der Großindustrie auch das Zentrum der Kämpfe?\ Die heutige Arbeitsgesellschaft in den kapitalistischen Zentren ist hingegen durch eine unglaubliche Zersplitterung der Arbeitsverhältnisse geprägt, die eine gesellschaftliche Organisation, wie sie sich die klassischen RätekommunistInnen dachten stark erschweren. Diese Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse etwa in Leiharbeit, Werkverträge, Mini- und Midijobs, Teilzeitstellen, (Schein-)Selbst-ständigkeiten und viele weitere Formen mehr, geht in großen Teilen der Welt mit der Überflüssigmachung der Arbeitskraft einher. Immer größere Teile der WeltarbeiterInnenklasse werden vom Kapital nicht mehr benötigt, sie werden zu Überflüs-sigen, zum Surplus-Proletariat gemacht. Den Konzepten der historischen Rätekom-munistInnen wird damit die materielle Basis entzogen. Sie sind somit nur mehr ein historisches Phänomen.\ Dies bedeutet für die Revolutionäre heute, dass neue Überlegungen angestellt werden müssen, die die verbliebenen ArbeiterInnen der Großindustrie mit den prekär Beschäftigten und den „Überflüssigen" zusammenbringen. In den Kämpfen der vergangenen Jahre blinkte diese Konstellation bereits immer wieder auf. Etwa wenn sich auf dem Kairoer Tahrir-Platz streikende TextilarbeiterInnen, informelle ArbeiterInnen aller Schattierungen und SlumbewohnerInnen trafen. Oder als Occupy-Oakland gemeinsam mit den HafenarbeiterInnen einen Generalstreik mit Blockade organisierte. Häufig zentrieren sich die heutigen Kämpfe um Plätze und nicht mehr um Fabriken.\ Doch trotz aller Kritik am Rätekommunismus, der wie andere Bewegungen auch ein Kind seiner Zeit war und auf die damaligen gesellschaftlichen und materiellen Verhältnisse reagierte, so formulierte diese Strömung der ArbeiterInnenbewegung einige Positionen, hinter die auch eine heutige Emanzipationsbewegung nicht zurückfallen darf. Dies betrifft die Aufhebung der Trennung zwischen Politik und Ökonomie, wie es in den avanciertesten Konzepten der RätekommunistInnen proklamiert wurde, ebenso wie das Konzept einer antiautoritären Selbstverwaltung der Weltgesellschaft, ohne Staaten, Parteien, FunktionärInnen und Bossen unter den heutigen materiellen Voraussetzungen. Diese Selbstverwaltung vermittels des Prinzips der Räte gilt es über den engen Bereich der Arbeit auszuweiten und die gesamte Gesellschaft durch die Vereinigung Gleichberechtigter zur Beratung ihrer eige-nen gemeinsamen Angelegenheiten zu organisieren. Neue Kommunikationsmöglichkeiten, wie es das Internet bereitstellt eröffnen dazu neue Möglichkeiten, die den historischen RätekommunistInnen noch nicht zur Verfügung standen, etwa für eine gleichberechtigte Kommunikation vieler Menschen oder die ökonomische Planung einer nachkapitalistischen Gesellschaft. Es liegt an uns das Erbe weiterzutragen.
Der vollständige Text mit Fußnoten und Literaturverzeichnis findet sich in der PDF-Version.
Nicht Syriza erlitt eine Niederlage -- Syriza ist die Niederlage
03.08.2015
„Kurz, die Gewerkschaften und die etatistische Linke in Griechenland sind so unbrauchbar wie überall, doch wie überall gilt, dass sie nicht als äußerlicher Hemmschuh der Klassenkämpfe denunziert werden können, sondern deren wirkliche Grenzen ausdrücken." Diese Aussage aus dem Jahr 2010 schien sich Anfang dieses Jahres als falsch herausgestellt zu haben. Der Wahlsieg von Syriza, die Erfolge von Podemos bei den spanischen Kommunalwahlen, dann die zähen Verhandlung zwischen Griechenland und der „Troika", in der sich die griechische Regierung nicht unterkriegen lassen wollte und schließlich das erfolgreiche Referendum gegen die Sparpolitik in Griechenland -- all das gab vielen wieder eine Hoffnung zurück, dass man sich wirkungsvoll zu Wehr setzen könnte. Und dass das Resultat der weltweiten Krise seit 2007 nicht in einem ewig fortschreitenden Abbau der Lebensstandards enden müsste. Und das vielleicht sogar eine neue, bessere Gesellschaft möglich sei. Es ist jene Hoffnung, die sich nach dem scheinbaren Ende der weltweiten Bewegungen in Nichts aufgelöst hat. So verschwanden etwa die Occupy-Bewegungen offenbar spurlos, der Arabische Frühling wandelte sich in den Islamischen Winter. Und am tragischsten: Die Proteste in Syrien mündeten in einem nicht enden wollenden blutigen Bürgerkrieg. In diesem Zusammenhang ist es auf den ersten Blick nur zu verständlich, dass die Wahlsiege linker Parteien in Spanien und vor allem Griechenland erhebliches Aufsehen erregten. Gerade Syriza erschien vielen als neuer Hoffnungsschimmer für ein „friedliches, freies, demokratisches, soziales und ökologisches Europa" (Gregor Gysi) und als eine Alternative zur Austeritätspolitik. Das böse Erwachen kam schnell: Syriza musste sich den Forderungen der europäischen Austerität-Fraktion -- allen voran Deutschland -- beugen. Und dies trotz des erfolgreichen Referendums gegen die Sparpolitik, trotz der weitgehenden Entschlossenheit Syrizas der „Troika" die Stirn zu bieten und trotz der breiten Unterstützung der griechischen Bevölkerung für diese Regierung. Nun kommen auf Griechenland Reformen zu, die zum Teil stark an die Liquidierung der DDR erinnern. Eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen für die lohnabhängige Bevölkerung bis hin zur Massenverelendung wird die Folge sein. Schon jetzt ist das Gesundheitssystem kollabiert und die Folgen davon sind erschütternd: die Säuglingssterblichkeit stieg um ca. 40% an, ähnlich wie die Rate an HIV-Neuinfektionen, Tuberkulose- und Depressionsfälle und schließlich ähnlich rasant wie die Suizidrate. Diese für die Menschen katastrophalen Folgen des Klassenkampfs von oben, der sich euphemistisch „Reformen" nennt, werden allerdings deutlich schlimmer. Dass die linke Kritik an Syriza deshalb wieder lauter wird, ist verständlich. Die Kritik, dass Parteien wie Syriza Revolten und Aufbegehren kanalisieren und in für den Kapitalismus verarbeitbare Bahnen lenken, ist sicherlich berechtigt. Lediglich wird dabei vergessen, dass Syriza nicht Schuld am Niedergang der Griechischen Revolte ist, sondern der Ausdruck deren Niederlage. Nur in einem Stadium der Schwäche der realen Bewegungen kann eine Partei diese vereinnahmen. Es ist die Niederlage der Aufstände Ende 2008, als die Jugend und vor allem migrantische Lohnabhängige in riots, wilden Streiks und Demonstrationen gegen die herrschende Strukturen rebellierten, welche zu dem Erfolg Syrizas und der heutigen, scheinbar aussichtslose Situation führte. Ähnliches konnte man vor 35 Jahren in Deutschland beobachten, als die Grünen aus den Resten der Revolte der 1970er-Jahre groß wurden. Doch warum scheint diese Situation aussichtslos? Könnte nicht doch die Austeritätspolitik, d. h. die drastischen Lohnkürzungen, Verringerung der Staatsausgaben und weitgehenden Privatisierungen nicht doch eines Tages Früchte tragen? Nämlich dann wenn die Ware Arbeitskraft wieder so billig geworden ist, dass das griechische Kapital einen Extraprofit gegenüber der Konkurrenz einstreichen kann? Das mag theoretisch sogar denkbar sein, aber wahrscheinlich ist es doch nicht, da die griechische Ökonomie gar keine industrielle Basis mehr besitzt auf der sich eine eigenständige Wirtschaft entwickeln könnte. Dazu kommt das weltwirtschaftliche Umfeld, die größte Krise seit fast hundert Jahren, die jegliche Umverteilungsprojekte, ob zugunsten einzelner Bevölkerungsteile oder einzelner Länder, die gefördert werden sollen, verunmöglicht. Es bleibt festzuhalten, dass die Vorstellung einer „gesunden Marktwirtschaft", die sozial ist, von der alle profitieren und stabil bleibt, die absolute Ausnahme in der nun schon 400 Jahre andauernden Geschichte des Kapitalismus darstellt. Nicht die „goldenen" 50er und 60er, in denen der „letzte Arbeitslose" gefeiert wurde, die Löhne stetig stiegen und Kühlschränke, Kleinwagen und der Urlaub nach Italien auf einmal für große Teile der Bevölkerung erschwinglich wurde, sind der Normalzustand des Kapitalismus. Geringe Löhne, flexible Arbeitsbedingungen, Überstunden und fehlender Kündungsschutz; Prekarisierung, Ausgrenzung und Verelendung breiter Bevölkerungsteile, gehören zum Standard des warenproduzierenden Systems seit seinen Anfängen. „Armut trotz Boom", wie Die Welt titelte, ist kein Paradox, sondern folgerichtig. Dass es zum jetzigen Zeitpunkt, anders als in den 50ern, wenig zu verteilen gibt, sieht man an Griechenland und dem Scheitern Sysizas. War der Reformismus auch schon früher der für das Kapital angenehmere Weg zum sozialen Frieden und hätte ohne die radikalen Kämpfe der Lohnabhängigen nie solche Erfolge feiern können, sind nun seine Tage endgültig vorbei. Es gibt nicht mehr viel zu verteilen. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar. Für ein besseres Leben für uns alle muss er Überwunden werden und zwar nicht durch Parlamentarismus oder sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften, sondern durch die Kämpfe von unten. Die schrecklichen Folgen des Sparpakets für Griechenland, aber auch die vielen anderen Gräuel des Kapitalismus vor Augen, kann es deshalb wie vor hundert Jahren nur heißen: Sozialismus oder Barbarei. Dass beim heutigen Stand der Kämpfe in Europa diese Aussicht eher erschreckend wirkt als hoffnungsvoll ist klar. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass sich die großen Bewegungen nie lang im Voraus ankündigten. Man denke nur an den arabischen Frühling, den wenige Monate vor seiner Entstehung kaum jemand für möglich gehalten hatte. Aber auch die weltweite Bewegung um das Jahr 1968 kam scheinbar unerwartet. Und vielleicht bedeutet auch der Befund zu dem eine Studie, des neoliberalen Instituts der deutschen Wirtschaft kommt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: Die Wirtschaftsforscher haben nämlich festgestellt, dass das Vertrauen in das politische und ökonomische System in den europäischen Krisenländern dramatisch schwindet. Wenig überraschend führt Griechenland diese Statistik an. Nun muss aus dieser Einsicht „nur noch" die an die Wurzel gehende, umfassende Umgestaltung der Welt von unten folgen und die Alternative von der Rosa Luxemburg sprach würde mit „Sozialismus" beantwortet.
La Banda Vaga, Juli 2015
\"Still the Enemy within\" - Filmvorführung mit Diskussion
05.06.2015
Veranstaltung der Worker Center Initiative Freiburg am 11.6.2015 um 20 Uhr im SUSI-bewohner*innentreff (Vaubanalle 2)
Als »den Feind im Inneren« hatte Margaret Thatcher die streikenden Bergarbeiter 1984 bezeichnet. Ein Jahr später, vor ziemlich genau 30 Jahren, endete der Streik mit einer Niederlage. Der 2014 gedrehte Film »Still the Enemy Within« ist auch Jahrzehnte später mit seinen Originalaufnahmen und Interviews mit Streikaktivisten Dokumentation, Thriller und Drama zugleich. Der Film zeigt die Strategie und Brutalität der Regierung Thatcher ebenso wie die Entschlossenheit der Miners, die verschiedenen Etappen des Streiks und das Agieren einer Gewerkschaft zwischen Kampf und Gewerkschaftslogik.
Der Film bringt schließlich einen Eindruck der fast weltweiten unglaublichen Solidarität und Sympathie mit den »Miners« -- aber diese Solidarität hat nicht gereicht. Am Ende haben sie alleine gekämpft, obwohl damals alle wussten, worum es ging: Mit der Niederlage der britischen Bergarbeiter 1984/1985 wurde das Tor zur »neoliberalen Konterrevolution« mit aller Macht endgültig aufgetreten.
Vielleicht aus diesem Grund ist »Still the Enemy Within« nicht nur ein historisches Lehrstück in Zeiten, in denen sich die Frage nach dem Ende dieses Neoliberalismus stellt, in Zeiten, in denen weltweit viel gestreikt wird -- sogar hier in Deutschland.
EU erklärt Flüchtlingen offen den Krieg
26.05.2015
Nachdem es im längst zum Massengrab gewordenen Mittelmeer erneut einige grausame Flüchtlingskatastrophen gegeben hat, die ausgelöst wurden durch die Abschottungspolitik der EU, will diese nun handeln, um solche imageschädigenden Bilder in Zukunft zu vermeiden. Die imperialistische Staatengemeinschaft will nun mit dem Einsatz der Armee die Flüchtlinge daran hindern, Europa zu erreichen. Auch die \"größte Friedensbewegung der Welt\" (Ex-Verteidignungsminister Struck), die Bundeswehr, ist schon im Einsatz und hat bereits mehrere Boote versenkt. Die EU will ihren Militäreinsatz auf das ganze Mittelmeer und sogar auf Libyen ausweiten. Nachdem die Verheerungen die der Kapitalismus weltweit produziert und die zu immer neuen failed states führen, die größte Flüchtlingswelle seit dem 2. Weltkrieg ausgelöst hat, versuchen die Staaten des Zentrums nun mit aller Gewalt die Folgen dieser Politik von sich fern zu halten.
„Wohin das Kapital auch geht, der Konflikt folgt ihm"
03.05.2015
Seminar zu weltweiten Arbeiter_innenunruhen mit Christian Frings am 10.05.2015 von 14 bis ca. 18 Uhr in der Fabrik, Habsburgerstrasse 9.
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Oft dominiert in Diskussionen um die Globalisierung das Bild immer schlechter werdender Arbeitsbedingungen, sogar vom Verschwinden der Arbeiter_innenklasse ist immer öfter die Rede. Dieser Vorstellung eines „Wettlaufs nach unten" stellt die amerikanische Autorin Beverly Silver in ihrem Werk \"Forces of Labor\" den umfassenden Versuch, die Dynamiken und Muster des weltweiten Klassenkonflikts zu analysieren entgegen. Der Frage nach der Zukunft der internationalen Weltarbeiter_innenklasse folgend untersucht Berverly Silver die Entwicklung und räumliche Verlagerung von Arbeiter_innenkämpfen der letzten 150 Jahre, ohne diese auf die organisierten Arbeiter_innenbewegungen zu reduzieren. Sie greift dabei sowohl auf die theoretische Tradition des Operaismus, als auch auf die Weltsystemtheorie zurück und schafft durch diese Verbindung eine anregenden Blick auf die weltweiten sozialen Kämpfe. Am Sonntag den 10. Mai wollen wir mit euch und unserem Gast Christian Frings über die Grundlagen, die politischen Implikationen und die Aktualität dieses Konzepts diskutieren.\ Dazu sollten folgende Texte unseres Gastes zur Vorbereitung von allen Teilnehmer_innen des Seminars gelesen werden:
Frings, Christian (2009): Die Ungleichzeitigkeiten der »globalen Revolution«. 1968 im Weltsystem. In: Peter Birke (Hg.): Alte Linke - Neue Linke? Die sozialen Kämpfe der 1968er Jahre in der Diskussion. Berlin: Dietz, S. 49--64.
und
Frings, Christian (2013): Das Kapital - die entfremdete Form der Kommune aus sieben Milliarden. In: Selbsthilfegruppe Ei des Kommunismus (SEK) (Hg.): Was tun mit Kommunismus?! Kapitalismus - \"realexistierender Sozialismus\" ; konkrete Utopien heute. 1. Aufl. Münster: Unrast, S. 256--268.
Alles Verändern!
28.04.2015
1.Die Welt heute
Nimmt man den 1. Mai, immerhin internationaler Kampftag der ArbeiterInnen, zum Anlass über die derzeitige Situation der Welt zu reflektieren, so scheint es zuerst schwer Positives zu entdecken. Noch immer erschüttert die kapitalistische Krise die meisten Staaten der Welt und da eine Wirtschaftskrise zuerst immer eine Krise im Leben der Lohnabhängigen ist, wird dies durch erhöhte Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhne und Verelendung breiter Bevölkerungsschichten ersichtlich. Natürlich ist aber auch das Kapital von der Krise betroffen, auch dort gibt es „Verlierer" die pleite gehen, aber eben auch viele Gewinner, sodass es zu einer verschärften Konzentration von Reichtum kommt. Es ist also kein Zufall, dass genau zum Zeitpunkt der Krise die Kluft zwischen Arm und Reich schockierend schnell wächst: Vom kommenden Jahr an werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands besitzen, erklärte die Nichtregierungsorganisation Oxfam. Weil durch die fortschreitende Automatisierung der Produktion immer mehr Arbeit überflüssig wird, geraten weltweit die Löhne und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen unter Druck. In Deutschland leben beispielsweise mehr als drei Millionen Menschen unterhalb der Armutsschwelle, obwohl sie erwerbstätig sind.
2.Die überflüssigen Milliarden
Zwar hat es der Kapitalismus geschafft, sich über den gesamten Globus auszudehnen und die Welt nach seinem Bilde umzugestalten, aber ganze Regionen und die dort lebenden Menschen sind zur weiteren Verwertung nicht interessant: einige Regionen Afrikas und der Nahe Osten fallen zunehmend aus den weltweiten Wirtschaftskreisläufen heraus, den Menschen dort fehlt jede Möglichkeit sich nach den Regeln des Kapitalismus über Wasser zu halten. Schlimmer, als sich im Betrieb ausbeuten zu lassen, ist es in diesem Wirtschaftssystem nämlich, nicht einmal dazu die Möglichkeit zu haben - also arbeitslos zu sein. Denn wer keine Arbeit hat, ist in der Logik des Kapitalismus überflüssig. Das ist das Schicksal von immer mehr Menschen auf der ganzen Welt und als Überflüssige werden sie auch behandelt.
Im Kapitalismus wird nicht für die Bedürfnisse der Menschen, sondern nur für den Verkauf von Waren produziert. Wer also, wie die \"überflüssigen Milliarden\", keine Möglichkeit zum Gelderwerb hat, für den wird auch nicht produziert. Die steigende Produktivität, die ja eigentlich allen ein besseres Leben ermöglichen könnte, verschlimmert so deren Situation vielmehr: Weil immer weniger Menschen gebraucht werden, um die wachsenden Warenberge herzustellen, erhalten auch immer weniger Menschen einen Lohn, um an diesem Reichtum überhaupt teilzuhaben. So zerfallen ganze Gesellschaften: Vor dem politischen Kollaps der arabischen Staaten lag die Arbeitslosenquote dort jenseits der 25%.
3. Der Wachstumszwang und die Endlichkeit des Planeten
Wirtschaftliches Wachstum ist Grundlage für das Funktionieren des Kapitalismus - Wachstum ist im Kapitalismus ohne jede Alternative. Dieser Zwang, immer mehr zu produzieren, hinterlässt immer gravierendere Spuren. Auch wenn mittlerweile kaum noch jemand die Umweltkatastrophe leugnet, auf die wir zusteuern, ist innerhalb des Kapitalismus kein Kurswechsel möglich. Das zeigt sich am besten am Beispiel der \"Klimarettungsmaßnahmen\": Alle Staaten sind sich immer einig, dass die CO2-Emissionen gesenkt werden müssen und haben sich vertraglich dazu verpflichtet. Nichts davon führte je zu einem realen Rückgang von Treibhausgasemissionen, im Gegenteil. Nur in einem einzigen Jahr sanken global der Ausstoß von CO², nämlich 2009, als zu Beginn der gegenwärtigen Krise weltweit das Wirtschaftswachstum einbrach. Das zeigt: Die vielbeschworene Klimarettung ist im Kapitalismus nicht möglich. Die notwendigen Emissionsminderungen würden einen Bruch mit dem ökonomischen Wachstumszwang notwendig machen. Es gibt keinen \"grünen Kapitalismus\"!
4. Die Massenflucht aus dem kollabierenden globalen Süden
Außerhalb der Industrienationen nehmen bewaffnete Konflikte, Dürre- Sturm- und Flutkatastrophen, Hungersnöte und Armut zu. In den ökonomisch und politisch zerfallenden Randbezirken des kapitalistischen Weltsystems
- zynisch \"dritte Welt\" genannt - gibt es für große Teile der Bevölkerung schon längst keine Zukunft mehr. Hunderttausende Menschen machen sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Europa. Über 51 Millionen Geflüchtete weltweit sind kein zu akzeptierender Normalzustand, sondern Ausdruck einer eskalierenden globalen Krise. Armut und Not sind keine Naturkatastrophen, sondern Resultate des kapitalistischen Systems. Es gilt nicht, die Flüchtlinge zu bekämpfen, sondern das System, das Menschen zur Flucht zwingt.
5. Schrecken ohne Ende: Die Zukunft im Kapitalismus
Vor 25 Jahren hieß es, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts würde es auch keine großen Kriege mehr geben. Das war offensichtlich schon in den 90ern falsch, heute aber wirkt die Behauptung geradezu grotesk. Kaum eine Weltregion, in der nicht irgendwo Bürgerkrieg herrscht, nicht einmal Europa ist noch die Insel des Friedens, für die man sie lange hielt. Selbst die herrschende Politik leugnet dies nicht. Finanzminister Schäuble etwa - sonst für seinen rigorosen Sparkurs berüchtigt - kündigte an, ab 2017 mehr Geld für die Bundeswehr bereitzustellen: Die Welt sei \"ein gefährlicherer Ort geworden.\"\ Angesichts solcher Bankrotterklärungen der herrschenden Politik, die auf das globale Elend nur die martialische Antwort der immer weiter steigenden Rüstungsausgaben kennt, ist es kein Wunder, dass das bürgerliche Glücksversprechen seine Anziehungskraft verloren hat. So sind die heute jungen Menschen die erste Generation in der Bundesrepublik, die nicht mehr glauben können, es einmal besser als die Eltern zu haben. Für sie klingen selbst die moderatesten Forderungen, wie etwa die 35-Stunden-Woche, nach einer unerreichbaren Utopie. Festanstellung, ein Häuschen im Grünen und eine sichere Rente sind für immer mehr Menschen einem Wechselspiel aus Arbeitslosigkeit, Zeitverträgen, Leiharbeit und unbezahlten Praktika gewichen.
6.Kein Zweites Wirtschaftswunder: Der unerfüllbare Traum von der sozialen Marktwirtschaft
Ein Zurück in eine „gute" und gerechtere Soziale Marktwirtschaft, wie sie so viele fordern, kann es aber nicht geben. Das sogenannte Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, auf das sich viele Befürworter eines \"gerechten\" Kapitalismus berufen, war eine auf wenige westliche Länder beschränkte Ausnahmesituation, für die es heute keine Grundlage mehr gibt. Das Kapital steckt seit den 1970er Jahren in einer dauerhaften Verwertungskrise, gekennzeichnet durch die massenhafte Produktion von Waren für die es keine KäuferInnen gibt. Zwar kaschiert eine künstliche Nachfrage, die durch immer wahnwitziger anmutende Schuldenberge finanziert wird, diese Krise -- das ihr zu Grunde liegende Problem ist aber nichtsdestotrotz real und lässt eine zweite goldene Phase des Kapitalismus nicht zu.
7. Menschenfeindliche Reaktionen auf die Misere
Da das Glücksversprechen des Kapitalismus bröckelt und zur Durchhalteparole verkommt, gleichzeitig die sozialistischen Bewegungen auch in der \"Dritten Welt\" zunehmend verschwinden, wenden sich viele Menschen anderen \"Weltanschauungen\" und Bewegungen zu. Diese fallen aber oft hinter die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie zurück: Offen menschenfeindliche Ideologien wie der Islamismus, der Hindu-Nationalismus, das evangelikale Christentum usw. begeistern nun unzufriedene Massen. Auch in Europa gewinnen reaktionäre Bewegungen immer mehr an Bedeutung. So gab es etwa in Deutschland 2014 mehr als 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und fast wöchentlich kommt es zu rassistischen Demonstrationen - oft mit Duldung und Unterstützung der gesellschaftlichen Mitte.
8.Die Notwendigkeit einer revolutionären Perspektive
Als Antwort auf die sich zuspitzende Krise und die Austeritätspolitik kam es aber in den vergangenen Jahren weltweit auch zu massiven sozialen Kämpfen. Die Bilder des durch Protestierende belagerten Parlaments in Athen dürften noch etlichen Menschen im Gedächtnis sein. Im vergangenen Jahr kam es in den Balkanländern zu einer kurzen, aber wütenden Erschütterung der Staaten, woraufhin sich Versammlungen von Sarajevo bis Tuzla bildeten. Am eindrucksvollsten und kontroversesten artikulierte sich das im \"Arabischen Frühling\": Begonnen von säkularen Kräften wurde der Versuch unternommen, sich der Willkür der Diktatoren zu entledigen. Mittlerweile sind viele dieser Bewegungen jedoch von neuerlichen Diktaturen (Ägypten) oder Bürgerkriegen (Syrien) überrollt worden. Auch die anderen globalen Protestbewegungen von Hongkong über die Türkei bis Brasilien waren bisher nicht erfolgreich. Diese Beispiele zeigen einerseits, dass die Bewegungen noch lokal isoliert sind und begrenzte Ziele verfolgen, sie machen aber auch deutlich, dass sich im gemeinsamen Kampf die individuellen Ängste in kollektiven Widerstand verwandeln können -- abseits von Institutionen wie Gewerkschaften und Parteien und abseits des Staates. Mitunter kann darin eine Gesellschaft anklingen die nicht mehr der Logik \"JedeR gegen JedeN\", sondern dem Prinzip \"Alle für Alle\" folgt. Eine Gesellschaft, in der alle Menschen \"ohne Angst verschieden sein können\".\ Das klingt weit weg und utopisch und für eine befreite Gesellschaft gibt es keine Blaupause - die autoritären Regime des realsozialistischen Ostens sollten ein mahnendes Beispiel sein. Doch nach 200 Jahren technischem Fortschritt im Kapitalismus gibt es keinen materiellen Grund mehr, warum Armut und Verzweiflung noch die Menschheit plagen müssen - die technischen Mittel, den Kapitalismus zu überwinden sind längst da. Und die einzige Alternative ist eine Horrorvision: Das unendliche Fortdauern des unzähmbaren, zerstörerischen Kapitalismus.
Anarchistische Gruppe Freiburg\ Antifaschistische Initiative Freiburg\ La Banda Vaga
Alles verändern! Veranstaltungen um den 1. Mai 2015
27.04.2015
Gemeinsame Veranstaltungsreihe der Gruppen: Anarchistische Gruppe Freiburg, Antifaschistische Initiative Freiburg und La Banda Vaga zum 1. Mai 2015:
Sin Patron -- arbeiten ohne Chef\ Argentiniens instandbesetzte Betriebe in Belegschaftskontrolle\ Als Argentiniens Wirtschaft 2001 zusammenbrach lernten Tausende\ Werktätige Betriebe unter eigener Kontrolle weiterzuführen.\ Heute gibt es mehrere hundert solcher Betriebe in Argentinien,\ zum Teil von der Regierung kooptiert, zum anderen Teil aber\ weiterhin im Aufstand -- wie die Keramikfabrik FaSinPat (Zanón),\ in der nach wie vor alle den gleichen Lohn bekommen und alle die\ gleiche Stimme in der Vollversammlung haben, der höchsten Autorität\ im Werk. Im Buch, im Original herausgegeben von einem\ Verlagskollektiv aus Buenos Aires, gibt es die Geschichten von 10\ derartigen Instandbesetzungen, die in Argentinien „recuperación"\ heißen: Wiederinbetriebnahme, aber auch Genesung. Von Aneignung\ ist meist gar nicht die Rede -- die Betriebe gehören sowieso\ dem Volk. Und konsequenterweise versorgen viele fábricas recuperadas\ ihre Nachbarschaft mit speziellen öffentlichen Diensten wie\ Volksschulen und Benefizveranstaltungen.\ Vorgestellt wird das Buch von Daniel Kulla, der es übersetzt, aktualisiert\ und mit Praxisanregungen angereichert hat.\ Montag, 27. April 2015, 19 Uhr Haus der Begegnung, Landwasser
Lesung: Work (Crimethinc)\ Warum müssen wir, trotz all des technischem Fortschritts, mehr\ arbeiten als je zuvor? Wie kommt es, dass je härter wir arbeiten,\ wir letztendlich im Vergleich zu unseren Bossen umso ärmer werden?\ Warum konzentrieren sich die Leute einzig darauf, ihre Jobs\ zu retten, wenn die Wirtschaft zusammenbricht -- obwohl eigentlich\ von vornherein keine*r die Arbeit mag? Kann der Kapitalismus\ ein weiteres Jahrhundert der Krisen überstehen?\ Übesetzt von einer Crew rund um den anarchistischen Mailorder\ black mosquito ist das Buch „Work" nun auch auf deutsch erschienen.\ Ursprünglich wurde es vom CrimethInc-Collective in den USA\ herausgegeben. Wir laden ein zu Lesung, Buchvorstellung und anschließender\ Diskussion mit Mitgliedern des Übersetzungskollektivs.\ Mittwoch, 29. April 2015, 19 Uhr Hofcafé Corosol, Stühlinger
„Wohin das Kapital auch geht, der Konflikt folgt ihm"\ Seminar zu weltweiten Arbeiter_innenunruhen mit Christian Frings\ Oft dominiert in Diskussionen um die Globalisierung das Bild immer\ schlechter werdender Arbeitsbedingungen, sogar vom Verschwinden\ der Arbeiter_innenklasse ist immer öfter die Rede.\ Dieser Vorstellung eines „Wettlaufs nach unten" stellt die amerikanische\ Autorin Beverly Silver in ihrem Werk \"Forces of Labor\"\ den umfassenden Versuch, die Dynamiken und Muster des weltweiten\ Klassenkonflikts zu analysieren entgegen. Der Frage nach\ der Zukunft der internationalen Weltarbeiter_innenklasse folgend\ untersucht Berverly Silver die Entwicklung und räumliche Verlagerung\ von Arbeiter_innenkämpfen der letzten 150 Jahre, ohne diese\ auf die organisierten Arbeiter_innenbewegungen zu reduzieren.\ Am Sonntag den 10. Mai wollen wir mit euch und unserem Gast\ Christian Frings über die Grundlagen, die politischen Implikationen\ und die Aktualität dieses Konzepts diskutieren. Zur Vorbereitung\ des Seminars stellen wir frühzeitig mehrere Textausschnitte\ auf unsere Hompage. Diese sollten\ von allen Teilnehmer_innen für das Seminar gelesen werden.\ Sonntag, 10. Mai 2015, 14-18 Uhr Fabrik, Habsburger str. 9
Flüchtlingselend und Systemkrise\ Vortrag von Thomas Konicz zu globalen Fluchtursachen\ Über 50 Mio. Flüchtlinge gibt es zurzeit auf der Welt; nach dem\ Zweiten Weltkrieg hat es nie mehr gegeben. Nur die wenigsten von\ ihnen schaffen es bis in unsere Breitengrade und noch viel weniger\ schaffen es überhaupt, der steigenden Zahl gewaltträchtiger Konflikte\ und der nicht-abnehmen-wollenden Armut zu entkommen.\ Was es mit diesen Krisentendenzen weltweit -- als den Hauptursachen\ für steigende Flüchtlingszahlen -- auf sich hat und warum\ in diesem krisenhaften Zusammenhang brutalste Phänomene wie\ ISIS um sich greifen, wird uns der freie Autor und Journalist Tomasz\ Konicz darlegen.\ Montag, 11. Mai 2015, 20 Uhr Uni Freiburg, Kollegiengebäude 1, HS 1098
Infostand am 1. Mai 2015\ Vormittag: Stühlinger Kirchplatz\ Nachmittag: Straßenfest im Grün (Adlerstr. / Rempartstr.)
Wo ist denn die Emanzipation ?
05.03.2015
Wirft man einen Blick in die Zeitung, glaubt man die Frauenbewegung habe keine Daseinsberechtigung mehr, da sie alle ihre Forderungen erfüllen konnte: Es gibt eine Bundeskanzlerin, sogar eine Kriegs-, pardon, Verteidigungsministerin und demnächst eine Frauenquote in den Chefetagen großer Unternehmen und einiges mehr. Doch passt das mit der Realität der Mehrheit der Frauen in diesem Lande zusammen? Ist der Feminismus in der Gesellschaft angekommen? War die Zweite Frauenbewegung der 60er und 70er mit ihren Forderungen erfolgreich?
Die feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts haben Rechte erkämpft und Machtstrukturen bekämpft und waren darin auch -- bei aller Kritik -- erfolgreich. Sicherlich wurden die Teilerfolge immer wieder von Rollbacks und rückwärtsgewandten Gegenbewegungen bedroht. Die Stellung der Frau in dieser Gesellschaft hat sich aber im Verlauf dieser Kämpfe verbessert.
Allerdings ist das Frauenbild im 21. Jahrhundert vor allem eines: unemanzipatorisch.
Die Frau ist die liebevolle, fürsorgliche Mutter -- von Natur aus gebärfreudig. Sie ist selbstverständlich berufstätig und darf sich -- obwohl sie meistens einen höheren Schulabschluss hat -- für einen niedrigeren Lohn als ihre männlichen Kollegen abrackern.
Im Schnitt verdienen Frauen 20% weniger als ihre männlichen Kollegen und generell sind Frauen in „frauentypischen" Berufsfeldern beschäftigt, in denen sie sowieso weniger verdienen. Das Armutsrisiko liegt bei Frauen deutlich höher als bei Männern: bei alleinerziehenden Frauen beträgt die Armutsquote ca. 45%.
Lebt sie mit einem Mann zusammen, teilen sie sich die Arbeit im Haushalt -- was in den meisten Fällen nur bedeutet, dass er immer sonntags kocht und sie den Rest macht. Dass er beruflich zurücksteckt, kann sich die Mehrheit der Frauen und Männer nicht vorstellen. Dies ist geschlechtliche Arbeitsteilung, bei der die Frau unbezahlte Arbeit verrichtet.
Damit ist die Frau mindestens einer Doppelbelastung ausgeliefert: Lohnarbeit zu einem niedrigen Lohn und Hausarbeit ohne Ent-lohnung. Diese strukturelle ökonomische Benachteiligung spiegelt sich in dem heutigen regressiven Rollenbild von „Mann" und „Frau" wieder.
Gerade von der Prekarisierung der Arbeitswelt sind Frauen in verstärktem Maße betroffen: Es sind vor allem Frauen, die in Ein-Euro-, Mini- und 450€-Jobs beschäftigt sind; die befristete Verträge, mangelnden Kündigungsschutz und mangelhaften sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz haben.
Geradezu mustergültig zeigte sich in den letzten Jahren diese unterschiedliche gesellschaftliche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit im Fall von zwei spektakulären Firmenpleiten: Zum einen die Insolvenz des Bauunternehmens „Holzmann" 2002, bei der die Bundesregierung, getragen von einer sympathisierenden Medienberichterstattung, die mehr als 10.000 überwiegend männlichen Arbeitsplätze erst einmal rettete. Dagegen intervenierte der Staat bei der Insolvenz der Drogeriemarktkette „Schlecker" nicht. Insgesamt 23.400 Menschen, in der übergroßen Mehrheit Frauen, verloren ihren Job.
Nicht zuletzt damit zeigt sich, dass rechtliche Gleichstellung nicht viel mit de facto Gleichberechtigung zu tun hat und beides herzlich wenig mit Emanzipation!
Doch die Frage muss eigentlich sein: Was will man mit Gleichberechtigung erreichen?
Emanzipation und Gleichberechtigung sind verschiedene Paar Schuh. Was die Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts erkämpft haben, war eine Annäherung an eine Gleichstellung von Mann und Frau, d. h.: eine gleichgestellte Form der Ausbeutung.
In einem Verhältnis zu leben, in dem ich von meinem Lohn und meinem Chef abhängig bin, ich gerade in der Krise mit Gehaltserhöhungen kürzer treten muss und man hoffen muss, den Job überhaupt behalten zu können, ein Gehalt womöglich nicht reicht um zu leben, ich zugleich schauen muss, dass meine Kollegin nicht befördert wird, damit ich eine bessere Stellung bekomme -- kurz um: in einem Zwangsverhältnis -- unter solchen Verhältnissen kann man sich nicht emanzipieren.
Sicherlich ist die Forderung nach wahrer Gleichberechtigung völlig gerechtfertigt und auch notwendig! Doch die Ausbeutung der Frau in doppelter Weise kann nur durch eine emanzipatorische Bewegung überwunden werden, welche alle Verhältnisse angreift in denen die Frau ein geknechtetes Wesen ist.
Das heißt, die Emanzipation im Kapitalismus ist eine Illusion. Eine emanzipatorische Frauenbewegung muss eine antikapitalistische Frauenbewegung sein!
Protestwelle gegen sexistische Gewalt in der Türkei
26.02.2015
Nach dem brutalen Mord an der jungen Studentin Özgecan Aslan kommt es in der gesamten Türkei zu massiven Protesten gegen die allgegenwärtige sexistische Gewalt. Die Proteste finden in einem immer autoritärer werdenden gesellschaftlichen Umfeld statt, das von der Islamisierungspolitik der AKP-Regierung geprägt wird. Ein immer stärker zunehmender Einfluss des Islams auf die Bildung, neue Sicherheitsgesetze und das Verbot von Streiks und Protesten prägen das Bild. Die antisexistischen Proteste könnten so zu einem neuen Kristallisationpunkt gegen die Erdogan-Regierung werden, so wie es die Gezi-Bewegung 2013 war. Eine gute Möglichkeit zur Solidarisierung mit den Kämpfen in der Türkei bietet der internationale Frauenkampftag am 08. März.
Die neue Marx-Lektüre des frühen Operaismus. Klassenkampf als Subjekt der Geschichte
18.11.2014
Vortrag und Diskussion mit Christian Frings
Donnerstag 27.11.2014
KG 1, Raum 1108 19:30 Uhr
Obwohl der italienische Operaismus einer der bedeutendsten Strömungen der Neuen Linken war und durch seinen starken Einfluss in den 1970er und 80er Jahren heute noch eine der Wurzeln der linksradikalen Bewegung in der BRD darstellt, ist er weitgehend in Vergessenheit geraten. Heutzutage ist er nur noch in der Form des sogenannten Post-Operaismus à la Negri und Hardt bekannt. Diese, an der Uni, wie beim globalisierungskritischen Gipfelsturm angesagte Theorie hat aber kaum noch etwas mit dem ursprünglichen Operaismus zu tun.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet der Marxismus an verschiedenen Punkten in die Krise: Die kapitalistische Technologie hatte in Krieg und Massenmord ihre zerstörerische Produktivität zur Schau gestellt, und mit den Arbeiteraufständen in Ostdeutschland, Ungarn und Polen 1953/1956 konnte sich die „Sowjetmacht" nicht mehr als Repräsentation der Arbeiterinteressen darstellen. Einer der interessantesten Versuche, sich Marx' Kritik der politischen Ökonomie auf neue Weise anzueignen und für radikale Arbeiterpolitik fruchtbar zu machen, ging von einer dissidenten Strömung in Italien aus. Die Gruppe um die ab 1961 erscheinenden «Quaderni Rossi» und deren Wortführer Raniero Panzieri verband ihre akribische Neulektüre des «Kapital» mit einer kritischen Rezeption der Industriesoziologie und eigenen Untersuchungen in der Fabrik. Sie legten die fundamentale Kritik von Marx am despotischen Charakter der kapitalistischen Arbeitsorganisation wieder frei, die nach Marx vergessen und durch eine produktivistische Verherrlichung der Rationalität ersetzt worden war. Und sie arbeiteten die revolutionäre Bedeutung des von Marx systematisch entwickelten Begriffs des «kombinierten Gesamtarbeiters» heraus, die sie zur Formulierung einer «strategischen Umkehr» (Mario Tronti) im Verhältnis von Arbeiterklasse und Kapital brachte.
Nicht zuletzt die massiven Kämpfe der ArbeiterInnen des politischen Südens, aktuell u. a. in China und Bangladesch, zeigen, dass diese „kopernikanische Wende", die der Operaismus in seiner Marx-Lektüre vollzog, trotz enormer Veränderungen des kapitalistischen Systems noch, wenn nicht gerade heute wieder von höchster Aktualität ist.
La Banda Vaga, November 2014
Red Scare 2014
29.10.2014
Eigentlich sollte man denken, dass die letzten Streiks bei Lufthansa und der Deutschen Bahn kein großes Aufsehen erregen könnten. Sie waren weder besonders lang noch bewegten sie sich außerhalb des engen gesetzlichen Rahmens, auch die Forderungen haben sehr gemäßigten, wenn nicht gar defensiven Charakter. Dennoch war in der Presse von „Erpressung", „Lokführer-Kartell" und Ähnlichem die Rede. Immer lauter wird dabei der Ruf nach der Einschränkung des sowieso schon sehr restriktiven Streikrechts in Form der gesetzlichen Tarifeinheit. Gegen den Klassenkampf von Oben!
Unruhen nach tödlichen Polizeischüssen
19.08.2014
Nachdem der unbewaffnete schwarze Teenager Michael Brown am 09.08. von einem Polizisten erschossen wurde, kam es in Ferguson, einem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Vorort von St. Louis zu schweren Ausschreitungen. Trotz der Verhängung einer Ausgangssperre und dem Einsatz der Nationalgarde dauern die Riots seit einer Woche an. Auch an anderen Orten der USA kam es zu Protesten. Die Ereignisse in Missouri reihen sich ein, in eine lange Reihe rassistischer Polizeigewalt und militanter Gegenwehr.123
31.07. Siebte Sitzung des Diskussionszyklus: David Graeber: Inside Occupy
13.07.2014
Am Donnerstag, den 31.07.2014 findet die siebte und letzte Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Dieses mal diskutieren wir Kapitel 5 des Buches \"Inside Occupy\" des US-amerikanischen Anarchisten und Ethnolgen David Graeber. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Alle Macht den Räten? Ist der Rätekommunismus heute noch relevant?
23.06.2014
Mittwoch, 02.07.2014, 20 Uhr\ Fabrik, Habsburgerstr. 9 (Haupthaus 1. OG)
Während der revolutionären Welle Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte der Rätekommunismus zu den radikalsten Strömungen der Arbeiter_innenbewegung. Programmatisch strebte er die Übernahme der Fabriken durch die Selbstverwaltungsorgane der Räte an. Er stützte sich auf das Wissen der Facharbeiter_innen, die die Produktion effektiver als die betriebsfremden Chefs organisieren konnten. Seine Basis fand er in den Arbeiter_innenmassen der großen Fabriken. Ist der Rätekommunismus auch heute noch, in Zeiten prekarisierter, vereinzelter und individualisierter Arbeitsverhältnisse aktuell? Diese Frage wollen wir nach einer kurzen Einführung gemeinsam diskutieren.
Eine Veranstaltung der Workers Center Initiative Freiburg\ Kontakt: http://www.liu.indymedia.org/WCI-FR\ wci-freiburg@listen.jpberlin.de
26.06. Sechste Sitzung des Diskussionszyklus: Das unsichtbare Komitee: Der kommende Aufstand
16.06.2014
Am Donnerstag, den 26.06.2014 findet die sechste Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Dieses mal diskutieren wir den dritten und fünften Kreis aus dem \"Kommenden Aufstand\" vom Unsichtbaren Komitee. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Proteste nach Grubenunglück in der Türkei
25.05.2014
Nach dem verheerenden Grubeneinsturz mit 301 Toten in der anatolischen Stadt Soma flammen die sozialen Proteste in der Türkei wieder auf und rücken auch hierzulande ins mediale Interesse zurück. Ausgelöst durch eine, die realen Umstände verleugnende, Rede von Ministerpräsident Erdogan, begannen Hinterbliebene und kritische Stimmen von Arbeitsmord zu sprechen. Die International Labour Organization (ILO) schätzt, dass jeden Tag weltweit etwa 6.000 Menschen durch arbeitsbedingte Unfälle oder Krankheiten sterben.Ausgelöst werden Unglücke solchen Ausmaßes auch durch eine auf den reinen Profit bedachte Wirtschaftspolitik. Die türkische Regierung und ihre Exekutive geht nach wie vor mit aller Härte gegen Demonstrierende vor und schreckt auch vor offensichtlichen Exzessen nicht zurück, in der sogar der Ministerpräsident selbst einen Mann als „israelische Brut" diffamierte und ihn ohrfeigte. So wurde nach Ausbruch der Proteste Soma von den Behörden abgeriegelt, selbst Anwälte wurden nicht durchgelassen. Auch in den übrigen Landesteilen kam es erneut zu Ausschreitungen, in Istanbul bereitet sich die Bewegung der Gezi-Proteste gerade auf den anstehenden Jahrestag vor, was auf eine Ausweitung des Widerstandes hoffen lässt.
29.05. Fünfte Sitzung des Diskussionszyklus: Detlef Hartmann: Mc Kinsey - das Selbst - der Klassenkampf
14.05.2014
Am Donnerstag, den 29.05.2014 findet die fünfte Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Dieses mal diskutieren wir den Text \"Mc Kinsey - das Selbst - der Klassenkampf\" von Detlef Hartmann. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Die kapitalistische Logik durchbrechen!
01.05.2014
Am 1. Mai 2013 gab es in Freiburg neben dem offiziellen Rummel um den „Tag der Arbeit" zum ersten Mal seit langem, eine sich explizit „libertär" verstehende Demonstration der linksradikalen Subkultur. Diese Demonstration, die mindestens genauso viele Teilnehmer_innen wie die DGB-Demonstration vorweisen konnte, wurde von verschiedensten Seiten, unter anderem von der Antifaschistischen Linken Freiburg (ALFR), kritisiert. Bei aller berechtigten Kritik des Szenecharakters dieser Veranstaltung, muss man ihr aber zugutehalten, dass sie mit dem Motto „Nieder mit der Arbeit" den Kern jeder emanzipatorischen Kapitalismuskritik getroffen hat.
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Leider ist die Forderung „wenig Arbeit für alle" bei weiten nicht so „natürlich" wie es im Aufruf zur Libertären 1. Mai-Demonstration heißt. Gerade in der Linken ist das Arbeitsethos ein wichtiger Bestandteil der eigenen Identität. Dies gilt vor allem für Organisationen, die sich in die Tradition der klassischen Arbeiterbewegung stellen. Der DGB ist für „gute Arbeit" immer zu haben, die Linkspartei.PDS forderte 2005 gar „Arbeit soll das Land regieren!" und gerade die sich als revolutionär verstehenden Gruppierungen leninistischer Prägung, zeigen mit Slogans wie „Für Arbeit, Frieden - echten Sozialismus!" (MLPD) oder „Arbeit für alle." (DKP) ihre Arbeitsaffinität. Aber auch innerhalb des „libertären" Spektrums, ist bzw. war die Ablehnung der Arbeitsideologie, abseits schnell und folgenlos aufstellbarer Parolen, nicht so selbstverständlich wie oft (selbst) angenommen. Auch die historische CNT -- bis heute durch den Spanischen Bürgerkrieg der Mythos der anarchistischen Bewegung -- und angeblich so etwas wie der Beweis für die Umsetzbarkeit des Anarchismus, propagierte die Arbeit und zeigte sich unter dem Widerstand der Arbeiter_innen sogar gezwungen Arbeitslager einzurichten (ausführlich in „Seidman, Michael: Gegen die Arbeit.").
Dieses Lob der Arbeit, welche (nur) in unserer jetzigen Gesellschaftsform mit Lohnarbeit gleichgesetzt werden kann, scheint paradox, da jede_r an der eigenen Realität erfahrenkann, dass er/sie sich tagtäglich gegen die Arbeit, mit Blaumachen, Pausen hinausziehen usw. wehrt, oder sich jedenfalls um jeden Tag Freizeit in Form von Wochenenden, Feiertagen und Urlaub freut. Schon Marx, der den meisten oben erwähnten Arbeitsfreunden als großes Vorbild dient, betonte: „Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört;" (MEW Bd. 25, S. 828 ). Wer kennt solche Gespräche mit dem/der Kolleg _in nicht, in denen erst lange gemosert wird, wie früh man aufstehen musste und wie lange es noch zum Wochenende dauert, nur um im nächsten Satz, vor allem sich selbst, zu bestätigen, wie wichtig einem die Arbeit doch sei und dass man ohne sie ja doch nicht wüsste was man den ganzen Tag machen sollte? Das Verhältnis der Arbeiter_innen zur Lohnarbeit -- einerseits die Arbeit als (Klassen-) Identität, über die man sich definiert und andererseits in der täglichen Realität die Arbeit als das, was der eigenen Entfaltung entgegensteht zu begreifen -- erscheint schizophren, entstammt aber dem kapitalistischen Wesen der Arbeit.
Erstens ist die Lohnarbeit eben nicht nur Arbeit sondern auch Lohn, das heißt die notwendige Grundlage der menschlichen Existenz im Kapitalismus. Die meisten Menschen setzen somit Lohn und Arbeit gleich, abstrahieren also vom kapitalistisch spezifischen Charakter dieser Gleichsetzung und begreifen die Arbeit somit als überhistorischen Kern des Lebens, obwohl die Produktivkraftentwicklung mittlerweile die Voraussetzungen geschaffen hat, die Arbeit auf einen Randbereich des täglichen Lebens zu minimieren. Zweitens ist durch die Zentralität der Lohnarbeit, als einzige Möglichkeit der Mehrwertproduktion für das Bestehen des Kapitalismus, diese auch zu DEM identitätsstiftenden Moment der Arbeiter_innen geworden. Du bist nicht was du isst, sondern was du arbeitest. Der eigentliche Traum jeder/s Arbeiter(s)_in, das Abwesend-Sein von Arbeitszwang, also die Arbeitslosigkeit, ist somit zum Kennzeichen persönlichen Versagens geworden.
Die menschliche Arbeit ist also nicht nur unbedingte materielle Voraussetzung für die Existenz des Kapitalismus, sondern auch ideologisches Disziplinierungsinstrument der Massen. Das linke Lob der Arbeit ist daher nicht nachzuvollziehen. Gerade weil die kapitalistische Entwicklung dazu führt, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit um alle materiellen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, trotz steigender Weltbevölkerung, von Jahr zu Jahr abnimmt und Elend und Hunger für die gesamte Weltbevölkerung schon längst der Geschichte angehören könnten. Parallel zu dieser Entwicklung nimmt jedoch die Verdichtung von Arbeitszeit rasant zu und immer mehr Menschen leiden unter Burnout und ähnlichem. Es ist also nicht nur unverständlich sondern geradezu grotesk, dass Teile der Linken noch immer dem Arbeitsethos der Facharbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts anhängen und mehr Arbeitsplätze oder „gute" Arbeit fordern. Jedoch reicht aber die reine aufklärerische Propaganda der „Nicht-Arbeit" -- wie zum Beispiel durch Slogans bei Demos -- nicht aus und ist gerade bei sich libertär verstehenden Gruppen und Strömungen mit einer falsch verstandenen Arbeitskritik verbunden. Oft folgt aus einer solchen Arbeitskritik ein völliges Desinteresse am Arbeitsplatz als Kampfplatz. Diese seltsame Trennung zwischen eigener ökonomischer Reproduktion und politischen Betätigungsfeld führt nicht selten zu einer Fixierung auf die eigne Szene, die jedoch für die große Mehrheit der Menschen weltweit keine emanzipatorische Alternative bildet.
Die Produktion und damit die Lohnarbeit ist aber weiterhin nicht nur für den Kapitalismus zentral, sondern bestimmt auch weiterhin das Leben der allermeisten Menschen auf dieser Welt und muss daher ein zentraler Ansatzpunkt jeder emanzipatorischen Bemühung sein. Die Arbeit ist also weder als emanzipatorische Kategorie zu ideologisieren, noch aus der revolutionären Praxis zu streichen. Stattdessen ist es angebracht die meist nur diffus vorhandenen Bedürfnisse der Arbeiter_innen nach weniger Arbeit aufzugreifen und die meist nur vereinzelt und rudimentär vorhandenen Widerstandsformen, wie Krankfeiern, langsamer arbeiten usw. zu kollektivieren und zu versuchen diese zuzuspitzen. Erst wenn wir gegen jeglichen Rentabilitätsgedanken unsere Forderungen setzen, bewegen wir uns außerhalb der Kapitallogik und damit antikapitalistisch und werden gleichsam den Bedürfnissen der Weltarbeiter_innenklasse gerecht. Die zentrale Forderung in allen Verteilungskämpfen muss also lauten: Weniger Arbeit -- mehr Lohn!\ Eine solche Forderung scheint unrealistisch und widerspricht auch tatsächlich den gesellschaftlichen Bedingungen, sie ist zu einer Zeit wegfallender Verhandlungsspielräume aufgrund fallender Profitraten aber nicht utopischer, als ein Zurückwollen zu den verklärten Verhältnissen vor dem „neoliberalen Kahlschlag" oder gar die Forderung „faire Arbeit" im Kapitalismus.
La Banda Vaga, Mai 2014
24.4. Vierte Sitzung des Diskussionszyklus: Robert Kurz: Einkleitung zum Schwarzbuch Kapitalismus
13.04.2014
Am Donnerstag, den 24.04.2014 findet die vierte Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Dieses mal diskutieren wir die Einleitung aus dem Schwarzbuch Kapitalismus von Robert Kurz. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Buchvorstellung: Paul Mattick: Die Revolution als großes Abenteuer
07.03.2014
Wo: Fabrik, Habsburgerstr.9\ Wann: 28. März 2014 - 20:00 Uhr
Einführung, Lesung & Diskussion mit den Herausgebern Marc & Christoph
Paul Mattick (1904-1981) ist vielleicht der exemplarische Arbeiterrevolutionär und Intellektuelle: Seine furiose Abrechnung mit John Maynard Keynes, seine Kritik an Herbert Marcuse, die dieser übrigens als einzig taugliche Kritik von links akzeptierte, seine sprichwörtliche Marx-Orthodoxie, mit der er den tendenziellen Fall der Profitrate gegen allerlei »Modernisierer« verteidigte, machten den Deutsch-Amerikaner in den 60er und 70er Jahre zu einer Art kommunistischem Gewissen und Stichwortgeber der antiautoritären Revolte.
Fundiert war sein sympathisch halsstarriges radikales Denken in einer aufregenden Lebensgeschichte, von der man sich damals wie von einer Legende erzählte: Der Schulabbrecher und Autodiktat aus prekären proletarischen Verhältnissen war in der Weimarer Republik in der anti-parlamentarischen marxistischen KAPD organisiert, schlug sich als Schlosser, Tagelöhner und Wanderagitator durch, war durchdrungen von der revolutionären Stimmung jener Tage. 1926 wanderte er aus Abenteuerlust in die USA aus, re-organisierte in Chicago die Wobblies, engagierte sich in der Arbeitslosenbewegung der Grossen Depression, tauchte später in die New Yorker Boheme ein und verfocht in selbstverlegten Kleinstpublikationen einen antiautoritären Kommunismus.
Mattick hat um diese Biographie kein Aufheben gemacht, Heldengeschichten waren ihm zuwider. Aber er gab trotzdem Auskunft: 1976 führte der Hannoveraner Politologe Michael Buckmiller ein langes autobiographisches Interview mit ihm. Das Interview wurde bis dato nie publiziert, nur einzelne Informationen daraus kursierten, Jahrzehnte war es unter Verschluss, erst vor kurzem haben es die Berliner Herausgeber ausgegraben -- und das Recht auf eine Veröffentlichung durchsetzen können. Das Interview übertrifft tatsächlich die Erwartungen: Es ist ein lebenssatter Bericht, in dem uns Mattick als ebenso lakonischer wie unabhängiger Kommunist, dem alle Parteischablonen und alles friedfertig sich beschränkende Denken zuwider waren, begegnet.
Die beiden Herausgeber werden kurz in Leben und Werk von Paul Mattick einführen und Passagen aus diesem Lebensbericht lesen -- kombiniert mit literarischen Texten Matticks, in denen er etwa die Klassenkriege, die in den 20er Jahren in den USA tobten, verarbeitete.
Paul Mattick: Die Revolution war für mich ein großes Abenteuer. Paul Mattick im Gespräch mit Michael Buckmiller, hrsg. Marc Geoffroy, Christoph Plutte, Unrast Verlag, Münster 2013.
Globale Flüchtlingsproteste
03.03.2014
Seit einiger Zeit verschärfen sich global die Kämpfe von Flüchtlingen. Nach der Protestwelle in Deutschland und Österreich, stehen momentan vor allem die spanischen Enklaven in Nordafrika im Blickpunkt. Doch auch gegen das australische Flüchtlingsregime, das die Geflüchteten u. a. auf Papua-Neuguinea interniert, gibt es massive Proteste. Am 15. März findet in Freiburg eine Demonstration für ein humanitäres Bleiberecht statt! Ab 14 Uhr an der Johanneskirche.
27.3. Dritte Sitzung des Diskussionszyklus: Wildcat: Was nach der Bauerninternationalen kommt
03.03.2014
Am Donnerstag, den 27.03.2014 findet die dritte Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Dieses mal diskutieren wir den Text \"Was nach der Bauerninternationale kommt\" aus der Zeitschrift wildcat. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Bosnien - Im Aufstand vereint
27.02.2014
Anfang Februar kam es in Bosnien-Herzegowina zu radikalen Protesten. Nachdem über 1000 ArbeiterInnen in der Stadt Tuzla als Konsequenz von Privatisierungen ihrer Betriebe entlassen worden waren, kam es dort zu Ausschreitungen. In deren Folge wurde das Gebäude der Regionalregierung, von Anhängern eines Fußballclubs in Brand gesetzt. Die Proteste weiteten sich schnell auf das ganze Land aus, so brannte tags darauf der Sitz des Präsidiums in der Hauptstadt Sarajevo. Der Zorn der Demonstrierenden richtet sich dabei vor allem gegen die anhaltende massive Korruption der politischen Eliten im Land und die anhaltende Armut. Bemerkenswert ist dabei, dass in den Protesten, die sich seit der Teilung Jugoslawiens verfestigenden ethnischen Schranken, langsam zu erodieren beginnen. So skandierten die Revoltierenden unter anderem „Wir sind in drei Sprachen hungrig".
Zweite Sitzung des Diskussionszyklus: Giovanni Arrighi: Entwicklungslinien des Empire
14.02.2014
Am Donnerstag, den 20.02.2014 findet die zweite Sitzung unseres diesjährigen Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\" statt. Anschließend an unsere letzte Sitzung diskutieren wir diesmal den Text \"Entwicklungslinien des Empire. Kritik der Weltordnung\" von Giovanni Arrighi. Wie immer soll der Text von allen Teilnehmenden für die Sitzung bereits gelesen sein, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den zu lesenden Aufsatz findet Ihr in unserem Reader, den es immer bei den Treffen zu erwerben gibt, oder Ihr ladet Euch die anhängende PDF-Datei runter. Die Debatte findet wieder um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt.
Für die digitale Räterepublik Teil II
14.02.2014
Seit Anfang dieses Jahres sind wir nicht nur bei Twitter, sondern auch bei Facebook zu finden.
Kambodschanische Militärpolizei erschießt Streikende
24.01.2014
Ähnlich wie ihre KollegInnen in Bangladesch traten auch die kambodschanischen TextilarbeiterInnen in einen Generalstreik um eine Erhöhung des kärglichen Mindestlohnes zu erreichen. Am 3. Januar 2014 liess die Regierung eine Demo von der Militärpolizei angreifen. Sie schossen mit Kalaschnikows und töteten 5 Arbeiter_innen und verwundeten Dutzende schwer. Nach dem Massaker von Marikana in Südafrika ist dies bereits das zweite bekannt gewordene Blutbad innerhalb eines Jahres, dass an Streikenden verübt wurde. Die kambodschanische Regierung hat seitdem alle Demonstrationen verboten und das Militär eingesetzt, um die Straßen frei zu bekommen. Mindestens 39 Arbeiter_innen sind festgenommen worden und werden an unbekannten Orten festgehalten. Angesichts dieser brutalen Repression haben die Gewerkschaften den Streik abgebrochen und die Arbeiter_innen kehrten zurück an ihre Arbeit, bleiben aber weiter bei ihren Forderungen. Labourstart hat eine Kampagne gegen das autoritäre Regime gestartet und inzwischen gibt es auch wieder Streiks in Kambodscha selbst.
Erste Sitzung des Diskussionszyklus: Antonio Negri, Eine ontologische Definition der Multitude
04.01.2014
Am Donnerstag, den 30. Januar 2014 beginnen wir mit der Diskussion des Textes \"Eine ontologische Definition der Multitude\" von Antonio Negri unseren Diskussionszyklus \"Das Ende vom Ende der Geschichte\". Die Debatte findet um 20 Uhr in den Räumen der iz3w in der Kronenstr. 16 a (Hinterhaus) in Freiburg statt. Dort wird es dann auch einen Reader mit allen Texten und zusätzlichen Informationen geben. Alle Teilnehmer_innen sollen den Text vorher gelesen haben, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können. Den für die erste Sitzung zu lesenden Text findet Ihr hier unten als pdf angehängt. Wir freuen uns auf viele diskussionsfreudige Teilnehmer_innen.
Diskussionszyklus: Das Ende vom Ende der Geschichte
04.01.2014
Nach dem marktliberalen Rollback der 1980er Jahre schien es, als ob es spätestens seit den 90ern wirklich zum „Ende der Geschichte" -- jedenfalls in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems -- gekommen sei. Die neoliberale Parole „there is no alternative" (tina), die durch Margaret Thatcher Berühmtheit erlangte, brannte sich tief in das Denken der meisten Menschen ein. Wenn es dennoch zum Aufbegehren kam, hatte dies meist defensiven Charakter, ob nun bei der linken Szene, die ihre vorher eroberten „Freiräume" verteidigte, oder der Kampf der Lohnabhängigen gegen den Verlust des Arbeitsplatzes, zu dessen Gunsten sie deutliche Verschlechterungen ihrer Verhältnisse hinnahmen. Dieses -- hier vielleicht etwas zu düster gemalte -- Bild, hat sich aber in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Der vorher so fest im Sattel sitzende Kapitalismus kämpft mit seiner schwersten Krise seit den 1930ern und hat bis heute kein Rezept zu deren Überwindung gefunden. Die schlimmsten Auswirkungen auf die Wirtschaft konnten zwar durch eine bis dahin ungekannte Staatsverschuldung und die Senkung der Reproduktionskosten in weiten Teilen der Welt aufgeschoben werden, hatten aber zur Folge, dass ganze Staaten bankrottgingen bzw. zu gehen drohen und es zu einer massiven Verschlechterung der Verhältnisse weiter Teile der Lohnabhängigen kam. In diesem Kontext kam und kommt es zu einer Welle von Revolten und Unruhen. Diese weltweite Situation in der wir uns gerade befinden, zeichnet sich durch eine seit Jahrzehnten nicht mehr gekannte Gleichzeitigkeit von Bewegungen aus, die für ein besseres Leben kämpfen und nicht mehr nur den Status Quo verteidigen. Trotz des Rollbacks in manchen Regionen (z.B. Ägypten), des Steckenbleibens einzelner Aufstände im Bürgerkrieg (z.B. Syrien) und des Aufkommens bzw. Erstarkens reaktionärere Bewegungen (z.B. Ungarn) scheinen wir uns in einer „Ära der Aufstände" (Blaumachen) zu befinden. Obwohl die Zukunft wieder veränderbar und nicht nur als Wiederholung der Gegenwart erscheint, hinkt die linke Theorie den realen Erscheinungen hinterher. Dies drückt sich auch darin aus, dass bei aller Gleichzeitigkeit der Aufstände ein gemeinsamer Inhalt fehlt, ja sogar nur in den wenigsten Fällen wirklich konkret aufeinander Bezug genommen wird. So beschränken sich in Protestbewegungen wie „Occupy" und den „Empörten" die konkreten Inhalte auf basisdemokratische Verfahrensweise, Kritik am Finanzsystem und Forderungen nach „wahrer Demokratie". Eine Analyse der gegenwärtigen kapitalistischen Verhältnisse, abseits von verkürzter und oft personalisierter Pseudokritik, fehlt dahingegen fast gänzlich bzw. konnte sich nicht durchsetzen. Symptomatisch drückte sich dies u. a. darin aus, dass sogar Angela Merkel Sympathie für die Proteste empfand. Dabei wird von einzelnen Theoretiker_innen immer wieder der Versuch unternommen die linken Analysen zu aktualisieren. Grund genug für uns einen Blick in Form eines Diskussionszyklus auf die linke Theorieproduktion der letzten paar Jahre zu werfen. Um die 1970er Jahre herum kam es zu einem Wandel im kapitalistischen Produktionsregime, dessen Ergebnis zum Teil sehr unscharf und oberflächlich mit Begriffen wie Globalisierung, Finanzkapitalismus oder Postfordismus bezeichnet wird. Diese Transformation -- die bei all ihrer Tiefe nie über die kapitalistische Logik hinausging -- kann auf mehreren Ebenen beobachtet werden. Auf der globalen Ebene endete mit dem Kalten Krieg nicht nur die Blockkonstellation, sondern auch die bisherige hegemoniale kapitalistische Weltmacht, die USA, verlor immer mehr an Bedeutung, ohne dass eine neue alle anderen überschattende Supermacht klar auszumachen ist. Inwieweit es sich dabei um eine Deterritorialisierung des Kapitalismus, also um eine neue Art der Machtausübung, die ohne feste geographische Verortung auskommt, handelt, diskutiert der Weltsystemtheoretiker Giovanni Arrighi in seinem Text „Entwicklungslinien des Empire: Transformationen des Weltsystems". In diesen Zusammenhang gehört auch die Verlagerung von größeren Teilen -- jedoch bei weiten nicht die Gesamtheit -- der Produktion aus vormaligen Zentren in neue und aufsteigende Industrieregionen. Mittlerweile dominiert fast weltweit die kapitalistische Produktion die Lebensverhältnisse des überwiegenden Teils der Menschheit. Eine einheitlich agierende Weltarbeiter_innenklasse hat sich deshalb aber noch nicht herausgebildet. Die beiden Autoren des „Kultbuchs" der Antiglobalisierungsbewegung „Empire -- die neue Weltordnung" Michael Hardt und Antonio Negri haben in diesem Zusammenhang unter dem Stichwort der „Multitude" den Versuch unternommen eine neue Klassentheorie aufzustellen, die wir auf Grundlage des Textes: „Eine ontologische Definition der Multitude" diskutieren wollen. Die weltweite Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse hat auch zur Folge, dass die Bauernschaft zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht mehr die Mehrheit der Weltbevölkerung stellt. Gerade aber diese noch nicht oder nur zum Teil kapitalisierten Regionen spielten in vielen linken Theorien, nicht zuletzt im Marxismus/Leninismus, eine zentrale Rolle, war doch deren Sozialismus faktisch nichts anderes als eine aufholende Industrialisierung. Solchen Gedanken, die sich real meist in so genannten nationalen Befreiungsbewegungen ausdrückten, scheint also der Boden entzogen. Stellt sich uns also nun die Frage: „Was nach der Bauerninternationalen kommt?", wie es im Text von Wildcat heißt. Auf der Ebene der Produktion ist die Epoche des tayloristischen Arbeitssystems, bei der riesige Fabriken mit meist un- oder angelernten Massenarbeiter_innen die Produktion dominierten, zumindest in den kapitalistischen Zentren zu Ende. Stattdessen ist die Produktion nun kleingliedriger und die typische Arbeitskraft ist nicht mehr der „Malocher" sondern das gut ausgebildete Prekariat. Als solches ist der/die Lohnabhängige nicht mehr nur den vorgefundenen Hierarchien ausgesetzt, sondern übt sich vornehmlich in auferlegter Selbstkontrolle. Diese neuen Herrschaftsmittel untersucht Detlef Hartmann in seinem Aufsatz \"McKinsey - das Selbst - der Klassenkampf\". Die Veränderungen innerhalb des kapitalistischen Systems beruhen unter anderem auf der Durchsetzung der Mikrochiptechnologie. Diese ist auch als Antwort auf die Krisenerscheinungen des fordistischen Produktionsregimes zu verstehen. Diese sogenannte „dritte industrielle Revolution" erlaubte es dem Kapital die Profite, durch einen sprunghaften Anstieg an Automatisierung und Mechanisierung, zu erhöhen. Jedoch können diese Maßnahmen die strukturelle Verwertungskrise, wie sie von Robert Kurz beschrieben wurde, nicht lösen und spitzten diese sogar zu, wie der weltweite Kriseneinbruch 2007 zu beweisen scheint. In der Folge dieser Krise kam es weltweit zu erstaunlich vielen, nicht vorhersehbaren Protestbewegungen. Gerade gegen Regime, die in der Konstellation des kalten Krieges entstanden waren, wie etwa die unter Gaddafi und Mubarak, konnten sich die Revolten zu regelrechten Revolutionen ausweiten. In Europa und den USA waren die Proteste bei weitem weniger einflussreich, schafften es aber den Kampf für Alternativen wieder auf die Tagesordnung zu setzten. Dabei machte vor allem die sog. Occupy-Bewegung von sich reden. Der amerikanische Ethnologe und Anarchist David Graeber gilt in der Öffentlichkeit als einer deren Haupttheoretiker, unter anderem wegen seines Buches „Inside Occupy". Bereits einige Jahre zuvor erschütterten Aufstände in den ökonomisch abgehängten Vorstädten Frankreichs die bürgerliche Gesellschaft. Das Pamphlet \"Der kommende Aufstand\" eines sich Unsichtbares Komitee nennenden Autor_innenkollektivs wurde als der politisch-literarische Ausdruck dieser Unruhen angesehen und international zu einem viel diskutierten Bestseller.\ In den folgenden Monaten wollen wir mit Euch gemeinsam einige Texte aus der radikalen Linken der vergangenen Jahre, die versuchen die aktuellen Veränderungen der kapitalistischen Wirklichkeit zu analysieren, diskutieren.
Streik im Einzelhandel
02.12.2013
Die Unternehmer_innen wollen die schon jetzt miesen Bedingungen für die Arbeiter_innen im Einzelhandel noch verschlechtern und kündigten dafür den Manteltarifvertrag. Unter anderem sollen Lohnzuschläge für Abends- und Nachtarbeit wegfallen, eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten eingeführt und der Lohn der meisten Kassierer_innen rigoros gekürzt werden. Zwar droht Verdi die für einen Arbeitskampf günstige Situation der Vorweihnachtszeit, der einen guten Teil der Einnahmen des Einzelhandels ausmacht, auszunutzen, jedoch häufen sich jetzt schon die Anzeichen, dass sich Verdi, wie so oft, den „gemeinsamen" Interessen beugen wird und durch sich durch eine sogenannte Prozessvereinbarung alle Kampfmittel aus der Hand nehmen lässt. Mehr Informationen zur Situation im Einzelhandel und Diskussion um die Möglichkeit sozialrevolutionärer Intervention gibt es am 3.12. im Rasthaus Freiburg und am 19.12. im Susi Bewohnerinnentreff.
La Banda Vaga Jahrzehnteparty (60er-2000er)
29.11.2013
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Eine Party ist kein Gastmahl, kein Aufsatzschreiben, kein Bildermalen oder Deckchensticken; sie kann nicht so fein, so gemächlich und zartfühlend, so maßvoll, gesittet, höflich, zurückhaltend und großherzig durchgeführt werden.?
Ausnahmsweise gar nicht faul laden wir euch am Freitag den 13.12 zur 60er, 70er, 80er, 90er und 2000er Soliparty in die KTS ein. Wiedermal haben wir keine Kosten und Mühen gescheut: ab zehn legen die DJ_anes Chwantschkara, Horner und Punkhurst das Beste was die Plattenkiste hergibt auf und rücken stündlich ein musikalisches Jahrzehnt näher an die Gegenwart. Grund genug sich sein 60er-, 70er-, ? -Outfit überzuwerfen und vorbeizuschauen. Wer sich nicht zu fein ist, im Dress des letzten Jahrtausends aufzutauchen, bekommt auch eine kleine aber hochprozentige Überraschung.
Wie immer gilt: keine Stresser, Sexisten, GEMA-Songs und sonstige Arschlöcher.
Stadtbericht wird fortgesetzt
13.11.2013
Aufgrund der starken Nachfrage haben wir uns entschlossen die beliebte Rubrik \"Freiburger Stadtbericht\" wieder aufzunehmen und fortzuführen. Wir beginnen mit dem Jahr 2013, wollen aber demnächst noch die fehlenden Jahre ergänzen. Alle Nutzer_innen unserer Seite sind aufgerufen uns Ergänzungen, Korrekturen, Anmerkungen etc. dazu zukommen zu lassen. Auf das wir viel zu tun bekommen!
Nieder mit dem deutschen Asylregime!
28.10.2013
Nach der Katastrophe vor Lampedusa, bei der nach der Havarie eines Flüchtlingsbootes mehr als 360 Menschen ertranken, ist man in der deutschen Innenpolitik -- nach dem Vergießen obligatorischer Krokodilstränen -- darauf bedacht wieder zum Status quo zurückzukehren. Dieser besteht aus dem zur Genüge bekannten Instrumentarium aus Ausgrenzung, Abschiebung und polizeilicher Repression. Auch der deutsche Mob ist dabei stets willkommen. Davon zeugen jüngste Brandanschläge in Duisburg und Wehr. Seit einiger Zeit regt sich dagegen von den Betroffenen selbst aktiver, konsequenter Protest und offener Widerstand. Was als kleine Bewegung in der bayrischen Provinz begann, ist nun in den Großstädten Berlin und Hamburg angelangt. Dabei setzen Geflüchtete und ihre UnterstützterInnen neben öffentlich wirksamen Platzbesetzungen und dem Druckmittel des Hungerstreiks auch auf den offenen Dialog mit der regionalen Politik. Von der Gegenseite wurden solcherlei Angebote jedoch lediglich mit neuerlichen Schikanen beantwortet. Offensichtlich ist jedoch, dass in Deutschland angekommene Asylsuchende das ihnen hier offerierte „Schicksal" nicht länger stillschweigend hinnehmen.\ Es lebe die Insurrektion der Geflüchteten in Würzburg, Berlin, Hamburg und anderswo!
Still fighting!
13.10.2013
Fast schien es schon so, als ob die Aufstände in Brasilien abflauen würden, seit sich ab Juli die Unruhen immer mehr von den Innenstädten in die Favelas verlagerten. Nun erschüttern seit einigen Wochen erneut massive Proteste das Land. Seit über einen Monat streiken die Lehrer_innen für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Um ihre Forderungen zu untermauern werden immer wieder Demonstrationen organisiert, z. T. mit mehreren zehntausend Teilnehmer_innen, dabei kommt es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Interview mit zwei Aktivist\_innen aus Brasilien
07.10.2013
Im Frühjahr/Sommer 2013 überraschten massive Proteste in Brasilien die Weltöffentlichkeit. Wie bereits in zahllosen anderen Ländern zuvor schienen die Massendemonstrationen, direkten Aktionen und Versammlungen aus dem Nichts gekommen zu sein. Die Welt beobachtete verwundert die Ereignisse. Am 03.08.2013 berichteten zwei brasilianische Aktivist_innen auf Einladung von La Banda Vaga in der KTS in Freiburg über die Protestbewegung in ihrem Heimatland. Im Anschluss an die Veranstaltung führten wir folgende Interview um einige Fragen noch weiter zu vertiefen:
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Die Proteste in Brasilien finden zu einer Zeit statt, in der es weltweit zu einer ungewöhnlichen, vielleicht geschichtlich gar einzigartigen, Anhäufung von Protesten, Aufständen und Unruhen kommt. Die einzelnen Teile dieser „Ära der Aufstände" scheinen aber relativ isoliert von einender abzulaufen. Wie ist das bei den Protesten bei euch? Gibt es Bezug oder Kontakt zu anderen Protesten? Wenn ja zu welchen und in wie weit?
Die weltweiten Proteste wurden von uns in Brasilien von Anfang an über das Internet verfolgt. Am bedeutendsten war es, dabei zu sehen, wie wichtig direkte Aktionen für die Proteste sind und in welchem Maß diese zunehmen. Solche direkten Aktionen schienen früher unrealistisch, besonders in Rio, da die Polizei hier, wie auch im restlichen Brasilien, äußerst gewaltsam vorgeht. Bei den aktuellen Protesten war aber genau diese Gewalt eine Wurzel des Aufbegehrens. Auch schon vor den großen Auseinandersetzungen und den letzten Unruhen in Rio war es üblich, dass von den Protestierenden die Parole „Acabou o amor, isso aqui vai virar a Tuquia" (sinngemäß: Die Ruhe ist vorbei, es werden türkische Verhältnisse einkehren") gesungen wurde. Insgesamt kann man sagen, dass die weltweiten Proteste, zum Beispiel in Ägypten, Griechenland und der Türkei, uns bei den Protesten sehr halfen und als Inspiration dienten.
Bei vielen dieser Proteste kam es im Vorfeld zu größeren Arbeitskämpfen, zum Beispiel in Ägypten und der Türkei. War das in Brasilien auch so? Gab es vor oder während der jetzigen Protesten qualitativ oder quantitativ hervorstechende Arbeitskämpfe?
Nein für Brasilien trifft das nicht zu. Die Arbeitskämpfe in Brasilien verbleiben immer auf der Ebene gewerkschaftlicher Kämpfe. Besonders die großen Gewerkschaften aber auch die Gewerkschaften allgemein sind mit der Regierung verknüpft, sodass es immer zu Übereinkünften zwischen diesen Konfliktparteien kommt. Die aktuellen Revolten sind von unabhängigen Gruppen getragen, besonders von jenen, die gegen die Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr kämpfen und den Gruppen in den Favelas, die für die Rechte der Armen und gegen die Polizeigewalt agieren.
In den deutschen Medien -- teilweise auch in den linken -- werden die Proteste in Brasilien als ein Aufstand der Mittelklasse dargestellt. Stimmt das? Wie ist die soziale Zusammenätzung der Proteste?
Die ersten Demonstrationen wurden von ein paar wenigen Bewegungen und linken Parteien getragen. Später jedoch beteiligte sich die Mittelschicht, unterstützt und animiert durch die Mainstream-Medien, massiv an den Protesten. Typisch für die Sicht der Mittelschicht auf die Proteste ist, dass sie diese als Art friedliches Fest interpretieren wollte. So wurden die Protestierenden durch die Medien auch in friedliche „echte Demonstranten" und gewalttätige Randalierer eingeteilt. Die Medien, besonders TV Globo, wollten durch die Agitation für eine größere Beteiligung der Mittelschicht die Proteste in eine bestimmte Richtung lenken. Nun sind wir aber schon wieder in einer Phase, in der die Mittelschicht die Proteste verlässt und nur noch „die Linke" beteiligt ist. Die Unruhen sind kleiner geworden aber sehr kontinuierlich und sachlich. Das Rathaus ist weiterhin besetzt, die Lehrer streiken und es kommt, zumindest in Rio, häufig zu Riots.
Mit Dilma Vana Rousseff ist eine sozialdemokratische Präsidentin an der Macht, die aktiv im Widerstand gegen die Militärdiktatur war. Wie wirkt sich das auf die Proteste aus? Besteht die Gefahr, dass sie die Proteste instrumentalisiert und somit auch kanalisiert?
Nein, einen solchen Einfluss auf die Proteste gibt es nicht. Die Präsidentin scheint ihre Vergangenheit und damit ihren Kampf gegen die Diktatur vergessen zu haben. Sie steht nun der selben Polizei vor, die sie damals gefoltert hat und die jetzt auf Protestierende in den Favelas schießt und sie tötet. Als die Polizei 11 Menschen nach einer Demonstration in einem der größten Favelas Rios töteten, sah die Präsidentin nur zu und unternahm nichts dagegen. Die Polizei in Brasilien ist militärisch organisiert, wird immer stärker aufgerüstet und immer gewalttätiger. Obwohl es die selbe Polizei ist, die die Präsidentin folterte wird nichts gegen sie unternommen
Oder wirkt sich dies eher Gegenteilig aus, indem es die Proteste für rechte Gruppen und Personen interessant macht, die so ihre Agitation gegen die „linke" Regierung popularisieren könnten. So scheint es, wenn man Bilder der Proteste beobachtet, immer wieder zu einem positiven Bezug auf die brasilianische Nation zu kommen, indem Flaggen geschwenkt werden oder gegen die Korrupte Regierung geschimpft wird. Wie groß ist also der Einfluss reaktionären Gedankenguts, wie Nationalismus aber auch Sexismus und Rassismus, in den Protesten?
Von dem Moment an, an dem sich die Mittelschicht an den Demonstrationen beteiligte, nahmen rechte und extrem rechte Gruppen daran teil. Auf Demonstrationen gingen die Rechten gewalttätig gegen linke Parteien vor. In der brasilianische Bevölkerung gibt es mittlerweile eine starke Aversion gegen den Versuch von linken wie rechten Parteien die Proteste zu instrumentalisieren. Besonders in Sao Paulo hat sich die Lage zugespitzt, da dort die Rechte sehr gut organisiert ist. Sie treten zum Beispiel für eine neue Militärdiktatur ein und fordern, dass das Erwachsenenstrafrecht auch auf Minderjährige ausgedehnt wird. In Rio waren die Rechten ebenfalls präsent, allerdings nicht so stark wie in Sao Paulo. Sie besitzen hier kaum Mobilisierungskraft. Nun jedoch beteiligen sich weder die Mittelschicht noch die Rechten an den Riots. An den aktuellen Unruhen beteiligen sich aber weder die Mittelklasse noch die Rechten, sie werden von linken sozialen Bewegungen und den Armen getragen.
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Natürlich sind solche Proteste nie Einheitlich und immer ein Komplex unterschiedlichster Interessen, könntet ihr dennoch versuchen herauszuarbeiten, welche Inhalte und Forderungen dominieren? Und gibt es starke Unterschiede bei den Zielen der Protestierenden abhängig von ihrer sozialen Zugehörigkeit?
Die Proteste hatten zuerst ein klares Ziel, die Verhinderung der Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr. In der zweiten Phase, als andere Gruppen, wie die Mittelschicht und Organisationen aus den Favelas, zu den Protesten stießen differenzierten sich auch die Forderungen aus. Es kamen eher abstrakte Forderungen auf, wie die nach dem Ende der Korruption, aber auch realpolitische wie die Entmilitarisierung der Polizei. Die jeweiligen Forderungen konnten klar bestimmten sozialen Schichten zugeordnet werden. Während die Mittelschicht gegen Korruption demonstrierte, forderten die Armen günstigere Fahrpreise und die Abschaffung der Militärpolizei. Die Rechten konnten sich zu keinem Zeitpunkt mit ihren Forderungen durchsetzen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Forderungen der Mittelschicht gemäßigter waren, während jene der unteren Schichten radikaler waren.
Interview mit zwei Aktivist\_innen aus Brasilien
07.10.2013
Im Frühjahr/Sommer 2013 überraschten massive Proteste in Brasilien die Weltöffentlichkeit. Wie bereits in zahllosen anderen Ländern zuvor schienen die Massendemonstrationen, direkten Aktionen und Versammlungen aus dem Nichts gekommen zu sein. Die Welt beobachtete verwundert die Ereignisse. Am 03.08.2013 berichteten zwei brasilianische Aktivist_innen auf Einladung von La Banda Vaga in der KTS in Freiburg über die Protestbewegung in ihrem Heimatland. Im Anschluss an die Veranstaltung führten wir folgende Interview um einige Fragen noch weiter zu vertiefen:
Die Proteste in Brasilien finden zu einer Zeit statt, in der es weltweit zu einer ungewöhnlichen, vielleicht geschichtlich gar einzigartigen, Anhäufung von Protesten, Aufständen und Unruhen kommt. Die einzelnen Teile dieser „Ära der Aufstände" scheinen aber relativ isoliert von einender abzulaufen. Wie ist das bei den Protesten bei euch? Gibt es Bezug oder Kontakt zu anderen Protesten? Wenn ja zu welchen und in wie weit?
Die weltweiten Proteste wurden von uns in Brasilien von Anfang an über das Internet verfolgt. Am bedeutendsten war es, dabei zu sehen, wie wichtig direkte Aktionen für die Proteste sind und in welchem Maß diese zunehmen. Solche direkten Aktionen schienen früher unrealistisch, besonders in Rio, da die Polizei hier, wie auch im restlichen Brasilien, äußerst gewaltsam vorgeht. Bei den aktuellen Protesten war aber genau diese Gewalt eine Wurzel des Aufbegehrens. Auch schon vor den großen Auseinandersetzungen und den letzten Unruhen in Rio war es üblich, dass von den Protestierenden die Parole „Acabou o amor, isso aqui vai virar a Tuquia" (sinngemäß: Die Ruhe ist vorbei, es werden türkische Verhältnisse einkehren") gesungen wurde. Insgesamt kann man sagen, dass die weltweiten Proteste, zum Beispiel in Ägypten, Griechenland und der Türkei, uns bei den Protesten sehr halfen und als Inspiration dienten.
Bei vielen dieser Proteste kam es im Vorfeld zu größeren Arbeitskämpfen, zum Beispiel in Ägypten und der Türkei. War das in Brasilien auch so? Gab es vor oder während der jetzigen Protesten qualitativ oder quantitativ hervorstechende Arbeitskämpfe?
Nein für Brasilien trifft das nicht zu. Die Arbeitskämpfe in Brasilien verbleiben immer auf der Ebene gewerkschaftlicher Kämpfe. Besonders die großen Gewerkschaften aber auch die Gewerkschaften allgemein sind mit der Regierung verknüpft, sodass es immer zu Übereinkünften zwischen diesen Konfliktparteien kommt. Die aktuellen Revolten sind von unabhängigen Gruppen getragen, besonders von jenen, die gegen die Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr kämpfen und den Gruppen in den Favelas, die für die Rechte der Armen und gegen die Polizeigewalt agieren.
In den deutschen Medien -- teilweise auch in den linken -- werden die Proteste in Brasilien als ein Aufstand der Mittelklasse dargestellt. Stimmt das? Wie ist die soziale Zusammenätzung der Proteste?
Die ersten Demonstrationen wurden von ein paar wenigen Bewegungen und linken Parteien getragen. Später jedoch beteiligte sich die Mittelschicht, unterstützt und animiert durch die Mainstream-Medien, massiv an den Protesten. Typisch für die Sicht der Mittelschicht auf die Proteste ist, dass sie diese als Art friedliches Fest interpretieren wollte. So wurden die Protestierenden durch die Medien auch in friedliche „echte Demonstranten" und gewalttätige Randalierer eingeteilt. Die Medien, besonders TV Globo, wollten durch die Agitation für eine größere Beteiligung der Mittelschicht die Proteste in eine bestimmte Richtung lenken. Nun sind wir aber schon wieder in einer Phase, in der die Mittelschicht die Proteste verlässt und nur noch „die Linke" beteiligt ist. Die Unruhen sind kleiner geworden aber sehr kontinuierlich und sachlich. Das Rathaus ist weiterhin besetzt, die Lehrer streiken und es kommt, zumindest in Rio, häufig zu Riots.
Mit Dilma Vana Rousseff ist eine sozialdemokratische Präsidentin an der Macht, die aktiv im Widerstand gegen die Militärdiktatur war. Wie wirkt sich das auf die Proteste aus? Besteht die Gefahr, dass sie die Proteste instrumentalisiert und somit auch kanalisiert?
Nein, einen solchen Einfluss auf die Proteste gibt es nicht. Die Präsidentin scheint ihre Vergangenheit und damit ihren Kampf gegen die Diktatur vergessen zu haben. Sie steht nun der selben Polizei vor, die sie damals gefoltert hat und die jetzt auf Protestierende in den Favelas schießt und sie tötet. Als die Polizei 11 Menschen nach einer Demonstration in einem der größten Favelas Rios töteten, sah die Präsidentin nur zu und unternahm nichts dagegen. Die Polizei in Brasilien ist militärisch organisiert, wird immer stärker aufgerüstet und immer gewalttätiger. Obwohl es die selbe Polizei ist, die die Präsidentin folterte wird nichts gegen sie unternommen
Oder wirkt sich dies eher Gegenteilig aus, indem es die Proteste für rechte Gruppen und Personen interessant macht, die so ihre Agitation gegen die „linke" Regierung popularisieren könnten. So scheint es, wenn man Bilder der Proteste beobachtet, immer wieder zu einem positiven Bezug auf die brasilianische Nation zu kommen, indem Flaggen geschwenkt werden oder gegen die Korrupte Regierung geschimpft wird. Wie groß ist also der Einfluss reaktionären Gedankenguts, wie Nationalismus aber auch Sexismus und Rassismus, in den Protesten?
Von dem Moment an, an dem sich die Mittelschicht an den Demonstrationen beteiligte, nahmen rechte und extrem rechte Gruppen daran teil. Auf Demonstrationen gingen die Rechten gewalttätig gegen linke Parteien vor. In der brasilianische Bevölkerung gibt es mittlerweile eine starke Aversion gegen den Versuch von linken wie rechten Parteien die Proteste zu instrumentalisieren. Besonders in Sao Paulo hat sich die Lage zugespitzt, da dort die Rechte sehr gut organisiert ist. Sie treten zum Beispiel für eine neue Militärdiktatur ein und fordern, dass das Erwachsenenstrafrecht auch auf Minderjährige ausgedehnt wird. In Rio waren die Rechten ebenfalls präsent, allerdings nicht so stark wie in Sao Paulo. Sie besitzen hier kaum Mobilisierungskraft. Nun jedoch beteiligen sich weder die Mittelschicht noch die Rechten an den Riots. An den aktuellen Unruhen beteiligen sich aber weder die Mittelklasse noch die Rechten, sie werden von linken sozialen Bewegungen und den Armen getragen.
Natürlich sind solche Proteste nie Einheitlich und immer ein Komplex unterschiedlichster Interessen, könntet ihr dennoch versuchen herauszuarbeiten, welche Inhalte und Forderungen dominieren? Und gibt es starke Unterschiede bei den Zielen der Protestierenden abhängig von ihrer sozialen Zugehörigkeit?
Die Proteste hatten zuerst ein klares Ziel, die Verhinderung der Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr. In der zweiten Phase, als andere Gruppen, wie die Mittelschicht und Organisationen aus den Favelas, zu den Protesten stießen differenzierten sich auch die Forderungen aus. Es kamen eher abstrakte Forderungen auf, wie die nach dem Ende der Korruption, aber auch realpolitische wie die Entmilitarisierung der Polizei. Die jeweiligen Forderungen konnten klar bestimmten sozialen Schichten zugeordnet werden. Während die Mittelschicht gegen Korruption demonstrierte, forderten die Armen günstigere Fahrpreise und die Abschaffung der Militärpolizei. Die Rechten konnten sich zu keinem Zeitpunkt mit ihren Forderungen durchsetzen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Forderungen der Mittelschicht gemäßigter waren, während jene der unteren Schichten radikaler waren.
Arbeitskampf in Bangladesh
03.10.2013
Über eine Woche lang haben zehntausende Textilarbeiter_innen in Bangladesh ihre Arbeit niedergelegt und für die Anhebung des Mindestlohn protestiert. In ca. 500 Textilfabriken musste die Produktion eingestellt werden. Dabei kam es zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Arbeiter_innen und der Polizei. Nach Zusagen der Regierung und der Fabrikbesitzer_innen, die Löhne zu erhöhen endeten diese Woche die „stärksten Proteste in der Industriegeschichte des Landes". Da nur allgemeine Versprechungen gegeben wurden und noch keine konkreten Zahlen zugesichert wurden, bleibt abzuwarten ob es sich dabei nicht nur um eine Hinhaltetaktik handelt. Dennoch zeigen gerade die Kämpfe in einem Land, in dem besonders beschissene Verhältnisse für die Lohnabhängigen existierten -- erinnert sei hier nur an den Einsturz einer Fabrik mit über 1000 Toten im April diesen Jahres -- dass die Arbeiter_innen nicht auf Konsumentengewissen angewiesen sind, sondern sich die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erkämpfen müssen.
Sa. 28.09. bundesweit dezentrale Demos: "Keine Profite mit der Miete!" auch in Freiburg
14.09.2013
Samstag, den 28.09.2013, 13:00 Uhr Stühlinger Kirchplatz. Demo: „Die Stadt gehört Allen -- Keine Profite mit der Miete"
Aufruf zur bundesweiten dezentralen Demonstration „Die Stadt gehört Allen -- Keine Profite mit der Miete" am 28. September 2013 die auch in Freiburg stattfindet!\ Wohnen in Freiburg können sich Viele kaum oder gar nicht leisten. Gerade dort, wo Menschen bisher weniger teure Wohnungen nutzen konnten, steigen die Preise. So war Haslach im vergangenen Jahr einer der Stadtteile mit der höchsten Mietsteigerung, in Weingarten lassen energetische Sanierungen, durchgesetzt gegen den ausdrücklichen Willen der MieterInnen, die Preise in den Wohnblocks der Stadtbau in die Höhe schießen, der Mietspiegel treibt die Spirale weiter nach oben.\ Bei der Stadtbau fallen bis 2016 407 Wohnungen aus der Sozialbindung, sie werden dann zum „freien Marktpreis" angeboten. Gleichzeitig erwirtschaften die FSB-MieterInnen mit ihren Mieten einen Überschuss, der städtische Haushaltslöcher stopft und Prestigeobjekte wie das Kunstdepot und das Green City Hotel finanziert. Das Schaffen von bezahlbaren Wohnraum würde wohl zu wenig Profit abwerfen.\ Auch die Wohnungsgenossenschaften, die bisher als Anbieter von günstigerem Wohnraum galten, werden diesem Ruf längst nicht mehr gerecht: Nahe der Uniklinik stehen schon ganze Häuserblöcke mit Wohnungen ab 3-4 €/m², teilweise frisch renoviert, zum Abriss leer. Die BauvereinsgenossInnen werden verdrängt, um Platz für teurer Apartements zu schaffen. Stadtbau, Wohnungsgenossenschaften, Sauer, Unmüssig & Co. erhöhen die Mieten regelmäßig um bis zu 20 %.
Keine Wahl\ Nicht besser sieht es auf Bundesebene aus. Im Wahlkampf entdecken die Parteien die Wohnungsnot, die sie zuvor jahrelang ignoriert und gefördert haben, u.a. durch die Privatisierung von Sozialwohnungen. Doch auch hier geht es um die Ankurbelung des Baugeschäfts und um die Gestaltung der Mieterhöhungen -- die Preissteigerung selbst wird von der Politik nicht in Frage gestellt. Die unbequemen Fragen werden nicht gestellt, die am Grund der Mietmisere liegen: Warum verdienen viele Menschen so wenig, dass sie selbst für geförderten Wohnraum ihr halbes Einkommen ausgeben müssen? Warum arbeiten sie in zwei oder drei Jobs, um sich das überhaupt leisten zu können? Warum gibt es überhaupt „arme" und „reiche Viertel"? Profite werden mit der Miete gemacht -- wie auch sonst überall in einer kapitalistischen Gesellschaft, die die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt.
Nötig ist es statt dessen, die Mietpreissteigerungen zu stoppen oder, noch besser, die Mieten zu senken. Nötig ist es, Wohnungen dem Markt zu entziehen, um Wohnen für Alle bedingungslos zu ermöglichen. Es muss Schluss sein mit der Stadtplanung über die Köpfe der BewohnerInnen hinweg. Was nützen MieterInnenbeiräte wie bei der Stadtbau, wenn sie sich nicht kritisch äußern dürfen? Welche Stadt entsteht durch ein Innenstadtkonzept wie für den Rotteckring, das sozial Marginalisierte aus dem Zentrum vertreibt und die Kostenkalkulation schon dieses Jahr übersteigt?
Bauen, Bauen, ...\ Die Stadtverwaltung erklärt den Neubau als Allheilmittel zur Lösung der Wohnungsfrage. Vauban und Rieselfeld beweisen jedoch, dass neue Stadtteile keine Antwort auf die Verdrängung einkommensschwacher Menschen aus der Stadt sind. Wohnungen mit dauerhafter Sozialbindung wird es im neuen Baugebiet Gutleutmatten wohl wieder nicht geben. Das Studentenwerk bekam schon das Signal, dass ein geplantes Studierendenwohnheim kein Platz haben wird. Da können Salomon un Co. zu Semesterbeginn noch so viel von Plakaten grinsen, Studierende mit wenig Geld finden kaum Wohnraum. Eine Zwischennutzung der Fläche bis zum Baubeginn, durch einen Wagenplatz, wurde durch das Ordnungsamt, wie in vielen Anderen Fällen auch, verhindert. Flächen für experimentelles Wohnen, wo WäglerInnen ihre Versorgung selbst in die Hand nehmen könnten, werden nicht ausgewiesen.
Raus aus dem Markt!\ Dabei gibt es schon heute funktionierende Beispiele dafür, wie Menschen sich für ihr Recht auf Wohnen und auf Stadt erfolgreich einsetzen. In Berlin protestieren regelmäßig Menschen gegen Zwangsräumungen -- in Spanien gelang es immer wieder, die Räumungen sogar zu verhindern. Dieses Jahr wurde eine Gesetzesänderung erkämpft, die das Recht auf Wohnen stärkt. In Freiburg entstanden, hat sich das Mietshäusersyndikat mit Projekten im ganzen Bundesgebiet ausgebreitet und seine Idee ist international gefragt. Die Syndikatshäuser werden dauerhaft dem Markt entzogen, die BewohnerInnen gestalten sie selbst und entscheiden selbst über die Miethöhe.\ Aufkaufen allerdings lässt sich der Kapitalismus nicht, wir müssen uns dagegen jenseits von Staat und Markt selbst organisieren.\ Kommen wir zusammen, um zu zeigen, wie viele Menschen mit der Wohnungspolitik unzufrieden sind! Kommen wir zusammen, um Ideen zu sammeln, was wir selbst tun können -- unabhängig von PolitikerInnen und Wahlkampf-Konjunkturen! In Freiburg, Berlin, Hamburg und vielen anderen Städten!
Wir machen keinen Wahlkampf! Wir fordern unser Recht auf Stadt!\ Kommt alle zur Demonstration „Die Stadt gehört Allen! Keine Profite mit der Miete!" am Samstag nach der Bundestagswahl, dem 28. September 2013.
MieterInnen müssen ihre Stimme erheben - statt abgeben!
Vortrag zu den Protesten in Brasilien
18.07.2013
Seit einigen Wochen kommt es in auch Brasilien zu massiven Protesten. Ausgelöst durch Preissteigerungen im Öffentlichen Personennahverkehr und durch die protzige Baupolitik im Rahmen der kommenden Fußballweltmeisterschaft und Olympia demonstrieren Hunderttausende im ganzen Land. Zwei Aktivist_innen werden über die Proteste und die Rolle der anarchistischen Bewegung in diesen berichten.\ Die Veranstaltung findet am Samstag, den 03. August um 20 Uhr in der KTS Freiburg, in der Baslerstr. 103 statt.\ Der Vortrag wir auf Portugiesisch gehalten und ins deutsche übersetzt.
Soziale Unruhen in Brasilien
21.06.2013
Seit einigen Wochen kommt es nun auch in Brasilien, einem der angeblich aufsteigenden Schwellenländer, zu sozialen Unruhen. Ausgelöst durch Preissteigerungen im Öffentlichen Personennahverkehr und durch die protzige Baupolitik im Rahmen der kommenden Fußballweltmeisterschaft und Olympia demonstrieren Hunderttausende im ganzen Land. Doch der vermeintliche Aufschwung der brasilianisch Ökonomie ist prekär und hängt am Tropf der expansiven Geldpolitik der amerikanischen und japanischen Notenbanken. Die globale Krise ist noch nicht vorbei.
Aufstand in der Türkei
18.06.2013
Der Protest gegen die drohende Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul, der letzten Grünfläche in der Innenstadt hat sich seit Ende Mai in eine landesweite Aufstandsbewegung gegen den immer autoritäreren Kurs der AKP-Regierung entwickelt. Bei den brutalen Polizeieinsätzen dagegen wurden zahlreiche Menschen verletzt und mindestens vier Menschen getötet. Doch die aktuellen Ereignisse haben eine Vorgeschichte, die von Protesten gegen die fortschreitende Islamisierungspolitik Erdogans über die städtische Vertreibungspolitik bis hin zu zahlreichen hart geführten Streiks reicht.
Antiauthoritarian Movement in Malaysia
16.06.2013
Vortrag über die anarchistische und antiautoritäre Bewegung in Malaysia mit Arip Jordi
26.06.2013 20 Uhr KTS, Baslerstr. 103 Freiburg
Die Anarchistische Gruppe Freiburg und La Banda Vaga laden ein zum Vortrag eines politischen Aktivisten des autonomen Zentrums Rumah Api in Kulua Lumpur, der sich an vielen verschiedenen Projekten vor Ort beteiligt. Der Vortrag soll einen allgemeinen historischen und politischen Überblick über Malaysia aus anarchistischer Perspektive geben. So wird sowohl der aktuelle Zustand der anarchistischen und anti-autoritären Bewegung in Malaysia beleuchtet, insbesondere die Situation in Kuala Lumpur, als auch ihr weiterer geschichtlicher Kontext: Der Referent wird auf die Freiheitsbestrebungen in Malaysia eingehen, die bis ins 15. und 16. Jahrhundert reichen und die Anfänge einer anarchistischen Bewegung in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts skizzieren. Ebenso wird er aktuelle Probleme in Malaysia schildern, wie beispielsweise religiöse Konflikte, die die politische Arbeit erschweren, aber auch die praktischen Fortschritte der anarchistischen Arbeit veranschaulichen. Hierbei werden verschiedene Projekte, wie „Food not Bombs" vorgestellt.
Der Vortrag wird in englischer Sprach gehalten. Eine Übersetzung wird angeboten.
Unruhe im Freiburger Gesundheitswesen
31.05.2013
Im letzten Jahr kam es zu vermehrten Protestaktionen am Universitätsklinikum Freiburg, dem mit circa 10.000 MitarbeiterInnen größten Arbeitgeber in Südbaden. Grund dafür sind die Umstrukturierungspläne der Klinik: Gewinnbringende Abteilungen wie die chirurgische Klinik sollen aus- bzw. neugebaut und die dadurch entstehenden Kosten durch Personaleinsparungen aufgebracht werden. Zwar zeigten die bisherigen Proteste, zuletzt eine Demonstration am 14. Mai, Wirkung und die Kürzungspläne wurden selber gekürzt, aber durch die Erhöhung der Arbeitsintensivität und mit sogenannten \"kalten Kündigungen\" durch Nichtverlängerung von Verträgen wird trotzdem weiter gespart. Leiden vor allem die MitarbeiterInnen, aber auch die PatientInnen, unter dem Sparprogramm, können die Vorstände auf Bonuszahlungen hoffen, wenn sie die Rendite erhöhen. Richtig Schwung kann in die Proteste aber wohl erst kommen, wenn andere Kliniken und Bereiche des „Gesundheitscluster" einbezogen werden. Mehr Informationen über die Situation am Universitätsklinikums am Dienstag, 4. Juni im Mini-Rasthaus um 20 Uhr.
Vortrag: Isaak Steinberg, Bolschewismuskritik aus eigener Erfahrung
19.05.2013
Gemeinsam mit der Initiative Sozialistisches Forum veranstalten wir am Mittwoch, den 05. Juni um 20 Uhr im Jos Fritz-Café, Wilhelmstr. 15 (Spechtpassage) einen Vortrag zu Isaak Steinberg, Bolschewismuskritik aus eigener Erfahrung.
Als einer der ganz wenigen Revolutionäre der ersten Stunde überlebte der (heute) kaum noch bekannte Isaak Steinberg (1888-1957) die Selbstvernichtung der Oktoberrevolution, die er Zeit seines Lebens gegen den Bolschewismus verteidigte. Bevor auch der letzte Bündnispartner der Bolschewiki deren Anspruch auf totale Herrschaft weichen mußte, war Steinberg als linker Sozialrevolutionär bis zum Frühjahr 1918 der erste Volkskommissar der Justiz im revolutionären Rußland. Diese politische Vergangenheit ermöglichte es ihm, Innenansichten über die bolschewistische Politik mit grundsätzlichen politisch-moralischen Reflexionen zu verknüpfen. Der Vortrag will Steinbergs Deutung der Oktoberrevolution sowie seine Kritik am Bolschewismus vor dem Hintergrund des bewegten Lebens des Revolutionärs und Intellektuellen vorstellen, dessen Weg ihn über das Deutschland der Weimarer Republik in die USA führte, wo er als führender Protagonist der jüdischen Freeland-League aktiv war.
Es spricht Hendrik Wallat (Hannover), Autor von "Staat oder Revolution. Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik" (edition assemblage).
Der Leiharbeitsfragebogen als Beispiel sozialrevolutionärer Praxis
01.05.2013
Die Freiburger Worker Center Initiative lädt am 13. Mai um 20 Uhr im Cafe der Fabrik e. V. zur Diskussion. Thema wird \"Der Leiharbeitsfragebogen als Beispiel sozialrevolutionärer Praxis\" sein.
Die Leiharbeit zieht -- besonders seit ihrer radikalen Ausdehnung durch die Reformpolitik der Rot-Grünen Regierung Anfang der 2000er -- als eine zentrale Ausdrucksform der Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der letzten Jahrzehnte im besonderen Maße die Kritik auf sich. In Freiburg geschah dies unter anderem durch das Aktionsbündnis „Leiharbeit abschaffen". Das Hauptziel der Kampagne, der Austausch mit LeiharbeiterInnen, erfüllte sich jedoch nicht. Deshalb und auf Grund einer schon länger laufenden Diskussion innerhalb unserer Gruppe über das übliche expertenhafte Vorgehen vieler linker Gruppen entstand vor circa 3 Jahren die Idee einen Fragebogen für LeiharbeiterInnen zu erstellen. Zurzeit arbeiten wir gerade an der Auswertung und wollen deshalb heute Abend mit euch das Konzept der ArbeiterInnenuntersuchung anhand unseres Fragebogen als Praxis sozialrevolutionärer Gruppen diskutieren.
Cafe der Fabrik e.V.\ (Habsburgerstr. 9 im Hauptgebäude 1.OG links - nicht mit der Kneipe im Vorderhaus verwechseln!)
Zum 1. Mai: Der Streik bei Neupack und die Rolle der Gewerkschaften
30.04.2013
Seit November letzten Jahres befindet sich ein Großteil der Belegschaft des Hamburger Verpackungsmittelherstellers Neupack im Arbeitskampf. Das Ziel der Belegschaft ist der Abschluss eines Tarifvertrages. Gemeinsam mit VertreterInnen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Industrie (IG BCE) sollten die Forderungen der KollegInnen durchgesetzt werden. Die Gewerkschaft versprach vollen Rückhalt und verkündete vollmundig ein baldiges Erreichen der Streikziele. Doch die Geschäftsinhaber Familie Krüger zeigte sich hartnäckig und gerissen. Sie ging nicht auf Verhandlungen ein, sondern stellte kurzerhand LeiharbeiterInnen ein, um den Streik zu brechen.
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So zog sich der Streik in die Länge und wurde zu einem der längsten Arbeitskämpfe in der jüngeren Geschichte der BRD, der ähnlich wie der Kampf der Beschäftigen beim Flugzeug-Caterer „Gate-Gourmet" 2006 in Düsseldorf inzwischen grundsätzliche Bedeutung erlangt hat. Dabei kamen auch -- für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich -- Blockadeaktionen vor den Werkstoren zur Anwendung. In der Zwischenzeit versuchten Betriebsrat und Gewerkschaftsvertretung die Geschäftsleitung immer wieder zu Verhandlungen zu bewegen, diese reagierte jedoch lediglich mit Abmahnungen für die Streikenden und fristlosen Kündigungen für etliche KollegInnen, darunter auch den Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes.\ Nach dieser schikanösen Zermürbungstaktik seitens der Geschäftsleitung, beschloss die IG BCE auch ihre eigene Streiktaktik zu ändern und forderte von den KollegInnen ab Ende Januar in einen so genannten „Flexi-Streik" zu treten. Dies bedeutet, dass in unregelmäßigen Abständen gestreikt wird um die Kosten für den Betrieb zu erhöhen. Die Folge davon war jedoch, dass die Arbeitenden wieder die Lager der Firma Neupack füllten. Des Weiteren mussten sie auch noch die LeiharbeiterInnen anlernen, die einen zu hohen Anteil an Ausschuss produziert hatten. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Gewerkschaftsvertretung von ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag abgerückt und wollte stattdessen nur noch eine Regelungsabsprache abschließen, die der Geschäftsleitung weitgehendere Rechte einräumt. Betriebsrat und KollegInnen von Neupack fühlen sich, verständlicherweise, seitdem von ihrer Gewerkschaft hintergangen und forderten wild zu streiken, womit sie die Gewerkschaft unter Druck setzten. Besonderen Unmut verursachten auch die Verhandlungen der Gewerkschaftsvertretung mit der Geschäftsleitung, da diese ähnlich dem Streik bei „Bosch-Siemens-Hausgeräte" in Berlin 2006, nicht offen geführt wurden, sondern in privaten Treffen. Als Grund für den Schwenk nannte ein Gewerkschaftsvertreter, dass ein weiterer wirtschaftlicher Schaden von der Firma Neupack abgewendet werden müsse, um zukünftige Arbeitsplätze zu schonen.\ Auf den ersten Blick mag der offene Bruch der Gewerkschaft mit den Interessen der Lohnabhängigen nur illoyal und verlogen erscheinen, doch er entspringt durchaus der Logik der kapitalistischen Verwertungszwänge. So ist aus Sicht der Gewerkschaft nicht viel „gewonnen" wenn ein Großteil der bisherigen Belegschaft in naher Zukunft durch LeiharbeiterInnen ersetzt wird. Eine offensichtliche Niederlage -- dem Abschluss einer Regelungsabsprache und dem Fallenlassen von Strafanzeigen gegen etliche MitarbeiterInnen -- wird so als Sieg dargestellt. Am Beispiel des Streiks bei Neupack lässt sich erkennen, dass bei einem zu großem Widerspruch zwischen den Interessen der Lohnabhängigen und denen des Kapitals eine Gewerkschaft sich für letztere entscheiden wird. Sie muss dies schon allein deshalb tun um den Fortbestand der eigenen Organisation zu gewährleisten. Denn dieser Fortbestand ist daran gekoppelt in den Verhandlungen mit der Unternehmensseite die Vertretung der LohnarbeiterInnen, also derjenigen die den Mehrwert produzieren, zu übernehmen. Eine Gewerkschaft kann also nur solange Gewerkschaft sein, so lange Arbeitskraft ausgebeutet wird. Ein Ende der Ausbeutung wäre auch ein Ende der Gewerkschaft. In Arbeitskampfsituationen wird immer wieder das Dilemma der Gewerkschaften, aber auch derjenigen sichtbar, die nichts zu verkaufen haben, außer ihrer Arbeitskraft. Denn während diese einerseits ein objektives Interesse an der Aufhebung eines Zustandes haben, in der sie gezwungen werden ihre Arbeitskraft zu verkaufen um einigermaßen leben zu können, ist ihr unmittelbares Interesse an die ökonomische Situation ihres Brötchengebers gekoppelt. Anders gesprochen, kann ein konsequent geführter Arbeitskampf, der deutliche Lohnsteigerungen erkämpft zur Schwächung des Unternehmens in der kapitalistischen Konkurrenz führen, was wiederum zu Entlassungen und Lohnkürzungen führen könnte. Die Gewerkschaften nun haben diesen Widerspruch im Laufe ihrer Geschichte soweit akzeptiert, dass sie immer im Gesamtinteresse des Betriebes, bzw. als Gewerkschaftsverband im Interesse des „Standortes Deutschland" agieren. Sie vergessen bei Tarifforderungen deshalb auch nie zu erwähnen, dass Gehaltssteigerungen nur deshalb notwendig seien, weil dies zur Steigerung der Binnennachfrage beitrage. Vor allem in Deutschland hat sich so eine Ideologie der so genannten „Sozialpartnerschaft" entwickelt, wonach VertreterInnen von Gewerkschaften und Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen Abschlüsse aushandeln. So mögen Gewerkschaften zwar scheinbar im Interesse der Lohnabhängigen handeln, können dies aber nur soweit tun, wie grundsätzliche Gesetzmäßigkeiten des Kapitals nicht verletzt werden. Die Gewerkschaften müssen das Profitinteresse des Unternehmens daher -- früher oder später -- grundsätzlich akzeptieren. Dass es dadurch mit ihrer Verhandlungsmacht von vornherein nicht besonders gut aussieht, zeigt der Streik bei Neupack mehr als deutlich: Die Unternehmensführung spricht mit ihrer sturen Zermürbungstaktik das letzte Wort. Gewerkschaften vertreten also nur die unmittelbaren Interessen der LohnarbeiterInnen innerhalb des kapitalistischen Systems. Ein Ende von Ausbeutung, Entfremdung und Unterdrückung kann es aber nur außerhalb dessen geben. Die Gewerkschaften sind in diesem Kampf ein Hindernis.
La Banda Vaga im April 2013
Hier gibt´s auch noch eine pdf-Version des Textes.
Der Streik bei Neupack und die Rolle der Gewerkschaften
30.04.2013
Seit November letzten Jahres befindet sich ein Großteil der Belegschaft des Hamburger Verpackungsmittelherstellers Neupack im Arbeitskampf. Das Ziel der Belegschaft ist der Abschluss eines Tarifvertrages. Gemeinsam mit VertreterInnen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Industrie (IG BCE) sollten die Forderungen der KollegInnen durchgesetzt werden. Die Gewerkschaft versprach vollen Rückhalt und verkündete vollmundig ein baldiges Erreichen der Streikziele. Doch die Geschäftinhaber Familie Krüger zeigte sich hartnäckig und gerissen. Sie ging nicht auf Verhandlungen ein, sondern stellte kurzerhand LeiharbeiterInnen ein, um den Streik zu brechen. So zog sich der Streik in die Länge und wurde zu einem der längsten Arbeitskämpfe in der jüngeren Geschichte der BRD, der ähnlich wie der Kampf der Beschäftigen beim Flugzeug-Caterer „Gate-Gourmet" 2006 in Düsseldorf inzwischen grundsätzliche Bedeutung erlangt hat. Dabei kamen auch -- für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich -- Blockadeaktionen vor den Werkstoren zur Anwendung. In der Zwischenzeit versuchten Betriebsrat und Gewerkschaftsvertretung die Geschäftsleitung immer wieder zu Verhandlungen zu bewegen, diese reagierte jedoch lediglich mit Abmahnungen für die Streikenden und fristlosen Kündigungen für etliche KollegInnen, darunter auch den Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes.\ Nach dieser schikanösen Zermürbungstaktik seitens der Geschäftsleitung, beschloss die IG BCE auch ihre eigene Streiktaktik zu ändern und forderte von den KollegInnen ab Ende Januar in einen so genannten „Flexi-Streik" zu treten. Dies bedeutet, dass in unregelmäßigen Abständen gestreikt wird um die Kosten für den Betrieb zu erhöhen. Die Folge davon war jedoch, dass die Arbeitenden wieder die Lager der Firma Neupack füllten. Des Weiteren mussten sie auch noch die LeiharbeiterInnen anlernen, die einen zu hohen Anteil an Ausschuss produziert hatten. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Gewerkschaftsvertretung von ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag abgerückt und wollte stattdessen nur noch eine Regelungsabsprache abschließen, die der Geschäftsleitung weitgehendere Rechte einräumt. Betriebsrat und KollegInnen von Neupack fühlen sich, verständlicherweise, seitdem von ihrer Gewerkschaft hintergangen und forderten wild zu streiken, womit sie die Gewerkschaft unter Druck setzten. Besonderen Unmut verursachten auch die Verhandlungen der Gewerkschaftsvertretung mit der Geschäftsleitung, da diese ähnlich dem Streik bei „Bosch-Siemens-Hausgeräte" in Berlin 2006, nicht offen geführt wurden, sondern in privaten Treffen. Als Grund für den Schwenk nannte ein Gewerkschaftsvertreter, dass ein weiterer wirtschaftlicher Schaden von der Firma Neupack abgewendet werden müsse, um zukünftige Arbeitsplätze zu schonen.\ Auf den ersten Blick mag der offene Bruch der Gewerkschaft mit den Interessen der Lohnabhängigen nur illoyal und verlogen erscheinen, doch er entspringt durchaus der Logik der kapitalistischen Verwertungszwänge. So ist aus Sicht der Gewerkschaft nicht viel „gewonnen" wenn ein Großteil der bisherigen Belegschaft in naher Zukunft durch LeiharbeiterInnen ersetzt wird. Eine offensichtliche Niederlage -- dem Abschluss einer Regelungsabsprache und dem Fallenlassen von Strafanzeigen gegen etliche MitarbeiterInnen -- wird so als Sieg dargestellt. Am Beispiel des Streiks bei Neupack lässt sich erkennen, dass bei einem zu großem Widerspruch zwischen den Interessen der Lohnabhängigen und denen des Kapitals eine Gewerkschaft sich für letztere entscheiden wird. Sie muss dies schon allein deshalb tun um den Fortbestand der eigenen Organisation zu gewährleisten. Denn dieser Fortbestand ist daran gekoppelt in den Verhandlungen mit der Unternehmensseite die Vertretung der LohnarbeiterInnen, also derjenigen die den Mehrwert produzieren, zu übernehmen. Eine Gewerkschaft kann also nur solange Gewerkschaft sein, so lange Arbeitskraft ausgebeutet wird. Ein Ende der Ausbeutung wäre auch ein Ende der Gewerkschaft. In Arbeitskampfsituationen wird immer wieder das Dilemma der Gewerkschaften, aber auch derjenigen sichtbar, die nichts zu verkaufen haben, außer ihrer Arbeitskraft. Denn während diese einerseits ein objektives Interesse an der Aufhebung eines Zustandes haben, in der sie gezwungen werden ihre Arbeitskraft zu verkaufen um einigermaßen leben zu können, ist ihr unmittelbares Interesse an die ökonomische Situation ihres Brötchengebers gekoppelt. Anders gesprochen, kann ein konsequent geführter Arbeitskampf, der deutliche Lohnsteigerungen erkämpft zur Schwächung des Unternehmens in der kapitalistischen Konkurrenz führen, was wiederum zu Entlassungen und Lohnkürzungen führen könnte. Die Gewerkschaften nun haben diesen Widerspruch im Laufe ihrer Geschichte soweit akzeptiert, dass sie immer im Gesamtinteresse des Betriebes, bzw. als Gewerkschaftsverband im Interesse des „Standortes Deutschland" agieren. Sie vergessen bei Tarifforderungen deshalb auch nie zu erwähnen, dass Gehaltssteigerungen nur deshalb notwendig seien, weil dies zur Steigerung der Binnennachfrage beitrage. Vor allem in Deutschland hat sich so eine Ideologie der so genannten „Sozialpartnerschaft" entwickelt, wonach VertreterInnen von Gewerkschaften und Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen Abschlüsse aushandeln. So mögen Gewerkschaften zwar scheinbar im Interesse der Lohnabhängigen handeln, können dies aber nur soweit tun, wie grundsätzliche Gesetzmäßigkeiten des Kapitals nicht verletzt werden. Die Gewerkschaften müssen das Profitinteresse des Unternehmens daher -- früher oder später -- grundsätzlich akzeptieren. Dass es dadurch mit ihrer Verhandlungsmacht von vornherein nicht besonders gut aussieht, zeigt der Streik bei Neupack mehr als deutlich: Die Unternehmensführung spricht mit ihrer sturen Zermürbungstaktik das letzte Wort. Gewerkschaften vertreten also nur die unmittelbaren Interessen der LohnarbeiterInnen innerhalb des kapitalistischen Systems. Ein Ende von Ausbeutung, Entfremdung und Unterdrückung kann es aber nur außerhalb dessen geben. Die Gewerkschaften sind in diesem Kampf ein Hindernis.
Aufruf der FAU Freiburg Kapitalismus tötet! 27. April Kundgebung zum Workers Memorial Day 2013
26.04.2013
In Deutschland fand der \"Workers Memorial Day\" bisher kaum Beachtung. Das wollen wir nun ändern. Wir von der FAU Freiburg rufen auf zu einer Kundgebung für den 27. April 2013 um 14:00 Uhr am Bertholdsbrunnen.
Tödliche Arbeitsunfälle, Verstümmelungen, Vergiftungen, Burnouts, Psychosen, Suizide, Berufskrankheiten...; die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Alle 15 Sekunden stirbt auf der Welt ein Mensch an den Folgen der Ausbeutung durch Arbeit, mehr als zwei Millionen Todesopfer pro Jahr.\ Noch weit mehr Menschen sind heute von unsichtbaren Gesundheitsrisiken bedroht und zwar dauerhaft: Arbeitsverdichtung, Leistungsdruck, Stress, Schichtarbeit, Prekarisierung und Angst vor Arbeitslosigkeit, um nur einige Erscheinungen der „modernen Arbeitswelt" zu nennen, machen krank.\ Gegen all diese Missstände richtet sich der \"Workers Memorial Day\"(WMD). Alljährlich wird er am 28.April weltweit begangen. An diesem Tag gedenken Menschen durch Kampagnen, Demonstrationen und Kundgebungen der Opfer des kapitalistischen Alltags und kämpfen für sichere Arbeits- und Lebensbedingungen.
Deshalb: Nichts ist \"okay\"! Da gibt es kein \"gutes Gewissen\" im Kapitalismus.
Der Toten gedenken. Für die Lebenden kämpfen!
School´s out in Denmark!
12.04.2013
Der Traum aller SchülerInnen ist in Dänemark wahr geworden. Seit dem 1. April dürfen 67.000 PädagogInnen ihre Schulen nicht mehr betreten -- und bekommen auch kein Gehalt. Aussperrung im Tarifkonflikt. Die Kommunen wollen so längere Unterrichtszeiten erzwingen. Die Gewerkschaft lehnt dies ab und ermöglicht es den SchülerInnen so für das Leben zu lernen und nicht für die Schule.
Wer bleiben will, soll bleiben!
06.04.2013
„Freiwillige Ausreisen" sind nichts anderes als indirekte Abschiebungen...\ Alle Abschiebungen stoppen!\ SOLIDARITÄT JETZT!\ DEMONSTRATION 20. April 2013 | 14 Uhr | FREIBURG | Johanneskirche
Baden-Württemberg schiebt ab - allen grün-roten Lippenbekenntnissen zu einer humaneren Flüchtlingspolitik zum Trotz. 2012 wurden aus Baden-Württemberg 763 Menschen abgeschoben. Ein zwischenzeitiger Abschiebestopp für Familien mit minderjährigen Kindern endete am 20. März diesen Jahres: Nun leben Menschen, die auch schon seit langer Zeit hier wohnen wieder in ständiger Angst, die Region in eine unsichere Zukunft verlassen zu müssen.
Die Lebensbedingungen für hier lebende Flüchtlinge sind katastrophal. Die Bewegungsfreiheit wird besonders für Geduldetedurch die sogenannte „Residenzpflicht" massiv eingeschränkt, oft werden nur Sach- statt Geldleistungen gewährt und in den Flüchtlingslagern hat jeder Mensch derzeit 4,5 m² zur Verfügung. Wer sich dagegen wehrt, dem drohen Repression und körperliche Übergriffe -- wie bei der Refugee-Bustour im März, wo es in Karlsruhe, Köln und weiteren Städten zu Festnahmen und Prügelattacken durch die Polizei kam. Wie schlecht die Lebensbedingungen für Flüchtlinge sind, beweisen auch die aktuellen Flüchtlingsproteste in mehreren baden-württembergischen Städten, z.B. in Freudenstadt, Heidenheim und Künzelsau.
Die grün-rote Landesregierung erhöht den Druck: So werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asylanträge aus den Balkanstaaten routinemäßig abgelehnt, die Ausgabe von Duldungen wird als Druckmittel eingesetzt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe als zentrale baden-württembergische Abschiebebehörde gab unter anderem ein „Hinweisblatt" heraus, auf dem Flüchtlinge ankreuzen sollen, ob sie „bereit sind freiwillig auszureisen" -- oft ohne Übersetzung. Obwohl diese Angabe rechtlich nicht erforderlich ist, erweckte die Ausländerbehörde mehrfach den Anschein, dass die verlängerte Duldung erst nach einer Unterschrift ausgehändigt würde. So werden zahlreiche Familien mit bürokratischen Schikanen und psychischem Druck von den Ausländerbehörden bewusst zu einer sogenannten „freiwilligen Ausreise" gedrängt. Diese erfolgt alles andere als freiwillig: Alternativ droht die zwangsweise Abschiebung und damit ein fünfjähriges Einreiseverbot für den ganzen Schengen-Raum. Die „freiwillige Ausreise" ist faktisch nichts anderes als eine indirekte Abschiebung, was von den politisch Verantwortlichen auch noch als „humane Flüchtlingspolitik" verkauft wird.
Mit der sehr engen Auslegung des Asylrechts wird Deutschland der Situation von Flüchtigen nicht gerecht. Wer es bis nach Deutschland schafft, hat wenig Chancen auf Schutz. Nach dem Dublin-II-Abkommen werden Menschen direkt dahin abgeschoben, wo sie die EU-Grenzen übertraten. Die dortige Situation interessiert deutsche Behörden in keiner Weise: Kürzlich sah sich sogar das Verwaltungsgericht Meiningen dazu veranlasst, eine Abschiebung nach Ungarn aufgrund der dortigen Verhältnisse zu stoppen. So wird in Ungarn offen gegen Roma gehetzt und offizielle Staatspreise an Menschen vergeben, die Roma als „Affenmenschen" bezeichnen. Alles kein Abschiebehindernis für den deutschen Staat, genauso wie die unmenschlichen Zustände, vor denen Menschen fliehen und welche ein direktes Produkt von wirtschaftlicher Ausbeutung und ungleichen Machtverhältnissen sind. Somit ist die Unterscheidung zwischen „wirtschaftlichen" und „politischen" Flüchtlingen für die deutsche Politik ein elegantes Instrument zur effektiven Abschottung und ermöglicht es, dem Großteil der Flüchtigen jeden Schutz zu verwehren.
Freiburg rühmt sich bekanntermaßen gerne als „offene Stadt". Für Flüchtlinge gilt dies nicht: Mehrere hundert Menschen, meist Roma, leben in heruntergekommenen Wohnheimen fernab der Öffentlichkeit, die lieber notdürftig renoviert werden, anstatt die ausgrenzende Lagerunterbringung endlich zu beenden. Die Freiburger Ausländerbehörde will die „unerwünschten Wirtschaftsflüchtlinge" offenbar elegant loswerden, indem sie auchseit Jahren hier lebende Menschen in aussichtslose Asylverfahren drängt. Nach einem abgelehnten Asylantrag kann dann mit zusätzlicher Legitimierung umso schneller abgeschoben werden. Außerdem müsste ein Asylantrag in Karlsruhe gestellt werden und ist häufig mit einer neuen Zuteilung in die jeweiligen Kommunen verbunden: Somit entledigt sich die Freiburger Lokalpolitik vermeintlich des Problems, während den Betroffenen das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensumfeld erneut verwehrt wird.
Es hat sich erwiesen, dass der direkte Kontakt zwischen Flüchtlingen und Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. festem Aufenthaltsstatus ein konkreter Ansatzpunkt ist, an dem Solidarität entstehen kann. In Freiburg gibt es zahlreiche Initiativen und Menschen, die Kontakt zu den Betroffenen haben. Doch es braucht noch viel mehr Solidarität, um etwas zu bewegen!
Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen. Bringen wir unsere Solidarität zum Ausdruck. Zeigen wir, dass wir die Vertreibungen und Abschiebungen aus Freiburg nicht wollen und auch nicht akzeptieren.
Für eine „Offene Stadt Freiburg ohne Abschiebungen"!\ Solidarität mit den Betroffenen!
Nichts zu verlieren\...
25.02.2013
Seit Mai 2011 wurden den ArbeiterInnen von Vio.Me, eines griechischen Baustoffherstellers keine Löhne mehr gezahlt. Bis 2010 schienen die Geschäfte gut zu laufen, dann schrieb das Unternehmen auf einmal rote Zahlen. Soweit die offizielle Darstellung des Managements. Tatsächlich flossen wohl aber über 1,9 Millionen Euro an das Mutterunternehmen Filkeram-Johnson, wodurch Vio.Me vermutlich abgewirtschaftet werden sollte. Nach diversen Prozessen und Streiks, welche alle durch eine Generalversammlung legitimiert wurden und nicht durch ein Exklusivgremium, verließ das Management den Produktionsort und überließ die KollegInnen ihrem Schicksal. Diese haben nun nachdem sie seit mehr als einem Jahr keine befriedigenden Antworten auf ihre Forderungen seitens der zuständigen Behörden erhalten haben, die Produktion in Eigenregie zum 12.02.2013 wieder aufgenommen. Wie ihr euch den ArbeiterInnen gegenüber solidarisch zeigen könnt und weitere Informationen erhaltet ihr hier und bei der Fau..
Für die digitale Räterepublik!
18.02.2013
La Banda Vaga ist nun auch in der Welt der \"Social Media\" zu finden, denn seit heute haben wir einen Twitter-Acount. Also folgt uns und Ihr bekommt unsere neuesten Nachrichten, Veranstaltungshinweise und Welterklärungen in 140 Zeichen.
Zum fünfzehnten Geburtstag von La Banda Vaga
04.01.2013
Grußbotschaft des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Albaniens
An das Zentralkomitee von La Banda Vaga
Liebe Genossen und Genossinnen,
das Zentralkomitee der Partei der Arbeit Albaniens übermittelt euch im Namen aller Kommunisten Albaniens anlässlich ihres fünfzehnten Geburtstags und der Geburtstags-Soli-Party revolutionäre Grüße und wünscht allen Partygästen sowie allen rätekommunistischen-anarchistsichen Kämpfern große Erfolge bei ihrer Arbeit und Siege bei ihren revolutionären Kampf.
Das Jahr 1997, das Gründungsjahr La Banda Vagas, stellt ein bedeutendes Jahr für das weltweite Proletariat sowie für alle Werktätigen dar. Die Gründung La Banda Vagas ist das Ergebnis des Klassenkampfs der ArberInnenklasse und der revolutionären Werktätigen, für Freiheit, Emanzipation und Sozialismus. La Banda Vaga ist die Wahre Erbin und würdige Fortsetzerin der ruhmreichen revolutionären Tradition des deutschen Proletariats und seiner hervorragensten VertreterInnen. Dies ist auch der Grund weshalb sie die Herzen aller wahrhaftigen RevolutionärInnen erobert haben, deren Kampf mit der ArbeiterInnenklasse voran, für den Triumph des Sozialismus und den Sieg der Diktatur des Proletariats fortwährend wuchs und erstarkte, besonders in den letzten fünfzehn Jahren.
Es ist eine Freude und ein Ansporn für uns, dass unsere Freiburger rätekommunistisch-anarchistischen GenossInnen zu diesem Jubiläum und dieser Party mit einer reichen Bilanz revolutionärer Kämpfe und wichtiger Siege im internationalen Maßstab kommen. In dieser Situation großer Auseinandersetzungen und Konfrontationen leistete und leitet unsere Bruderpartei, La Banda Vaga, einen hervorragenden Beitrag als Vorhut des Weltproletariats gegen die deutsche imperialistische Bourgeoisie und dem Weltimperialismus, gegen den deutschen Sozialfaschismus und dem sowjetischen Sozialimperialismus sowie gegen den modernen Revisionismus im Allgemeinen und der Weltreaktion. Das ist ein Sieg nicht nur für euch, sondern auch für die gesamte rätekommunistsich-anarchistsiche Weltbewegung.
Der Kampf eurer Gruppe für den Triumph der sozialistischen Revolution wird weiterhin die volle Unterstützung der gesamten Werktätigen sowie aller rätekommunistisch-anarchistischen Revolutionäre der Welt genießen. Sie hat euch die flammende Unterstützung der Partei der Arbeit Albaniens sowie des albanischen Proletariats gesichert.
Ich gebe der Überzeugung Ausdruck, das eure Party eure rätekommunistisch-anarchitische Linie verteidigt, weiterentwickelt und noch vorantreibt, für die WeltarbeiterInnenklasse neue Wege und Perspektiven erschließt, das unbesiegbare Banner Marx, Engels, Lenin und Stalin noch höher heben wird. Sie wird so eine neue Etappe im Kampf gegen den modernen Revisionismus im Allgemeinen und den sowjetischen und chinesischen Revisionismus im besonderen bezeichnen und so einen neuen Sieg von theoretischer und praktischer Bedeutung für die Revolution und dem Rätekommunismus sichern.
Die Tätigkeiten von La Banda Vaga in den fünfzehn Jahren ihres Bestehens stellen eine feste und nicht zu erschütternde Grundlage zu neuen, noch größeren Erfolgen in der Zukunft und zugleich für große Siege der gemeinsamen Sache der Revolution und des Sozialismus auf der ganzen Welt dar.
Möge sich die Beziehung der Freundschaft und brüderlichen Zusammenarbeit zwischen der Partei der Arbeit und La Banda Vaga auf der Grundlage der marxistischen Ideale und des proletarischen Internationalismus noch mehr festigen.
Weite Erfolge, liebe GenossInnen, zu eurer Feier des fünfzehnten Geburtstages von La Banda Vaga und zu eurer Party.
Ruhm den siegreichen Rätekommunismus-Anarchismus!
Im Namen des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Albaniens,
Enver Hoxha
Erster Sekretär des Zentralkomitees
Tirana, den 14.12.2012
Die proletarischen Massen feiern 15 Jahre La Banda Vaga
04.01.2013
Mit einem rauschenden Fest im Kommunistischen Tanz-Salon (KTS) wurde das 15-jährige Bestehen der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse angemessen gewürdigt.
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Die Verlesung der Grußbotschaft des Genossen Enver Hoxha (erster Sektretär des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Albaniens), wurde immer wieder von frenetischem Beifall und kämpferischen Sprechchören der Massen begleitet.
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Eine Wandzeitung dokumentierte das konsequente Schaffen La Banda Vagas der letzten 15 Jahre. Des weiteren gerieten kulinarische Spezialitäten aus unseren sozialistischen Bruderländern und regionales Braugut den anwesenden GenossInnen zur Stärkung. Zu fortgeschrittener Stunde wurde ausgelassen das Tanzbein zum proletarischem Liedgut dreier ArbeiterInnenkapellen geschwungen.
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La Banda Vaga geht gestärkt und voller Zuversicht voran, um den nächsten Fünfjahresplan zu erfüllen.
Im Morgengrauen endeten die Feierlichkeiten mit dem traditionellen Absingen der Internationalen, die Räumlichkeiten wurden besenrein hinterlassen.
Diese Fete war ein weiterer großer Schritt in Richtung Befreiung der Menschheit...
Streik beim Verpackungs- Hersteller Neupack in Hamburg
17.12.2012
Seit dem 1. November streiken nun schon die rund 200 ArbeiterInnen des Verpackungshersteller Neupack in Hamburg-Stellingen. Sie kämpfen für die Einführung eines Tarifvertrags, in dem gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, eine einheitliche Regelung für Urlaub und Zuschläge sowie die Einführung von Mindestlöhnen geregelt sind. Am vergangenen Montag wurden die Tarifverhandlung mit den VertreterInnen der Unternehmensseite abgebrochen, da diese weiterhin jegliche gewerkschaftliche Vertretung ablehnt und keinen Tarifvertrag abschließen will. Das Unternehmen bietet dagegen eine betriebsinterne Regelung, die eine 38-Stunden Woche im Schichtbetrieb bei vollem Lohnausgleich, einen Mindestlohn von 8,50€ und eine Erhöhung der Zuschläge, des Urlaubsgeldes und der Urlaubstage bietet. Jedoch soll es keinen verlässlichen gewerkschaftlichen Tarifvertrag geben. Durch Streikbrecher soll der Firmenbetrieb aufrechterhalten werden und der Streik der Belegschaft geschwächt werden.\ Deshalb kommt zum Streikzelt nach Stellingen (Doerriesweg 15)\ Streikposten sind rund um die Uhr vor Ort!\ Infos im Internet:Solidaritätskreis und\ Blog der IG BCE
Solikonzert: 15 Jahre La Banda Vaga
26.11.2012
La Banda Vaga wird 15 Jahre alt. Aus diesem Anlass wollen wir euch alle zu unserem Geburtstagskonzert am 14.12.2012 in die KTS einladen! Los gehts ab 21:00 Uhr.
Die Verantwortung für den musikalischen Teil des Abends haben wir an Scheiße die Bullen (Fr), Don Karacho(Rv), Jimmy Satan\'s Shoe Shop (Fr) und unsere After-Show-DJ_anes übertragen.
Aus lauter Vorfreude haben wir für euch schon mal ein Gedicht geschrieben:
Lob der Party\ Der Einzelne hat zwei Augen?\ Die Party hat tausend Augen.?\ Der Einzelne hat seine Stunde, ?\ Aber die Party hat viele Stunden.\ Der Einzelne kann vernichtet werden,\ Aber die Party kann nicht vernichtet werden.\ Denn sie ist der Vortrupp der Massen ?\ Und führt ihren Kampf ?\ Mit den Methoden der Punkrock-Klassiker, welche geschöpft sind ?\ Aus der Kenntnis der Plattenkisten.
Vortrag: CrimethInc. Message in a bottle
23.11.2012
Am Sonntag, den 25. November 18 Uhr, halten Genoss_innen vom \"CrimethInc. Ex-Worker\'s Collective\" (USA) in der KTS Freiburg (Basler Str. 103) einen Vortrag im Rahmen ihrer europaweiten Vortragsreise.
Seit Mitte der 1990er ist CrimethInc. eines der produktivsten und ambitioniertesten anarchistischen Projekte in Nordamerika. Mitwirkende sind für unzählige Touren und Aktionen kreuz und quer über den Kontinent gereist. Sie produzierten Bücher, Zeitungen und weitere Literatur (inklusive 650.000 Exemplare des Grundlagenwerkes „Fighting for our Lives") und berichteten von den Fronten der Gipfelproteste, Riots, Anti-Repressions-Kampagnen und von anderen abenteuerlichen Experimenten.
Ständig umstritten, hat sich CrimethInc. den Zorn der traditionellen Linken und der Behörden verdient während sie die breite Öffentlichkeit stets herausgefordert haben.
In diesem Vortrag werden langjährige Mitwirkende diese Erfahrungen reflektieren, Material aus den verschiedenen Phasen der CrimethInc. Aktivitäten präsentieren und diskutieren wie sich der Kontext in den USA verschoben hat. Dabei wird versucht darzustellen, warum US-Anarchist_innen eine Entwicklung von der subkulturellen Rebellion hin zu einem generellen Aufstand durchzogen haben -- um schließlich Hypothesen aufzustellen, was die Zukunft bringen kann.
Wir freuen uns auf lebhafte Gespräche mit euch.
(Der Vortrag wird auf Englisch gehalten, es wird bei Bedarf eine Übersetzung geben)
Mehr Infos: www.ag-freiburg.org
Protest gegen Schließung des Ford Werk in Genk
11.11.2012
In Köln haben mehrere Hundert MitarbeiterInnen des Ford Werks aus Genk gegen die Schließung ihres Werks protestiert. Die Existenz gefährdet der rund 4300 Ford-ArbeiterInnen und 5000 Beschäftigten, die in der Zulieferindustrie arbeiten, ist gefährdet. Vor etwa fünf Wochen hieß es noch, dass der Standort Genk nicht zur Disposition stehe und ihnen wurde die Fertigung des neuen Ford Mondeo zugestanden. Nun soll die Produktion nach Spanien verlagert werden, um europaweite Einsparungen zu treffen. Am 7.11 wurde die Schließung des Genker Ford Werks in der Kölner Europazentrale in Niehl verhandelt. Die angereisten belgischen MitarbeiterInnen des Werks wollten dagegen protestieren. Das Entfachen eines kleinen Feuers und Zünden von Knallkörpern reichte aus, um einen Großeinsatz der Polizei auszulösen: Die ArbeiterInnen wurden eingekesselt, abfotografiert und Ihre Personalien wurden festgestellt. Außerdem wurden 10 Personen festgenommen. Das ist nicht das erste mal das sich Proteste beim Ford Werk Köln ausserhalb des gewerkschaftlichen Rahmens bewegen. So war dieses Werk z.B eines der Zentren der Welle von \"Wilden Streiks\" 1973. Wilden Streiks Am 11.11. wollen die ArbeiterInnen des Kölner Werks mit dem „Marsch für die Zukunft" Marsch für die Zukunft ihre Solidarität mit den KollegInnen kundtun.
Mit Marx gegen Lenin. Der Rätekommunismus Anton Pannekoeks
18.10.2012
Vortrag am Montag, dem 29.10.2012 um 20 Uhr im Strandcafe, Adlerstr. 12 (Grethergelände) mit Klaus Blees von der Aktion 3. Welt Saar.
Der Niederländer Anton Pannekoek (2.1.1873-28.4.1960), war einer der sozialistischen Theoretiker und Aktivisten, die weder im autoritären Sozialismus sowjetischer Prägung noch in der Sozialdemokratie Verbündete im Kampf gegen den Kapitalismus sahen. Grund genug für verschiedene politische Lager, ihn totzuschweigen. Von Beruf war Pannekoek Astronom, das astro-physikalische Institut der Universität Amsterdam ist nach ihm benannt. Politisch und publizistisch tätig war der Weggefährte Rosa Luxemburgs von Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 50er Jahre.
Er kritisierte gleichermaßen den westlichen Kapitalismus wie auch den sowjetischen Staatskapitalismus. Aus seiner Sicht war die Befreiung der ArbeiterInnen und der Aufbau einer nichtkapitalistischen Gesellschaft nur durch die ArbeiterInnen selbst möglich. Damit schloss Pannekoek jede Art führerorientierter Organisationsstruktur ebenso aus wie die Delegation des eigenen Denkens und Handelns an Stellvertreter.
Pannekoek skizzierte die Grundlagen und unhintergehbaren Kennzeichen einer nichthierarchischen, konsequent auf Selbstverwaltung ausgerichteten Ordnung in seiner Theorie der ArbeiterInnenräte. Diese Ordnung würde alle Ebenen der Arbeitsorganisation vom Betrieb bis zur Weltgesellschaft umfassen. Übergeordnete gesellschaftliche Strukturen lassen sich nur über ein Delegationssystem verwalten. Jedoch befinden sich diese Delegierten, die Räte, anders als im Parlamentarismus, in permanenter Rückkoppelung an diejenigen, welche sie beauftragt haben und sind strikt an deren Vorgaben gebunden.
Dabei beleuchtete Pannekoek sehr genau auch die Fallstricke und Hindernisse, die der Etablierung dieser neuen, freiheitlichen Ordnung entgegenstehen.
Ebenso untersuchte er, damit in engem Zusammenhang stehend, wie sich Ideen aus den gesellschaftlichen Verhältnissen heraus entwickeln und verändern. Das schloss für ihn auch die Frage nach den Entstehungsbedingungen von Religion, ihrer sozialen Funktion und ihrer Wandlung unter sich ändernden ökonomischen Voraussetzungen ein. In den Fokus seiner Kritik rückten außerdem die oft unhinterfragten und unangetasteten Methoden wissenschaftlicher Erkenntnis. Schließlich widmete er sich dem spezifischen Charakter der Evolution des Menschen als gesellschaftlichem Wesen und den Gründen, die ihn sich aus seiner tierischen Vergangenheit erheben ließen.
Klaus Blees von der Aktion 3. Welt Saar stellt Pannekoeks Theorie der Arbeiterräte vor und geht dabei auch auf andere Aspekte seines Werkes ein, die damit untrennbar verbunden sind. Er knüpft an einen Vortrag an, den er am 25. April 2010 anlässlich des 50. Todestages von Anton Pannekoek im saarländischen Merzig hielt.
Ebenfalls aus Anlass des 50. Todestages erschien in MIZ sowie im Humanistischen Pressedienst ein Artikel des Referenten zu Pannekoeks Religionskritik: „Religionskritik als Herrschaftskritik".
Sechste Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
08.10.2012
[{.image .image-_original width="175" height="250"}]{.inline .inline-left}\ Donnerstag, 18.10., um 20 Uhr in den Räumen des Informationszentrums Dritte Welt in der Kronenstr. 16a (Hinterhaus).
Mit dem Text Die zwei Seiten der Sparpolitik der englischen Gruppe endnotes wollen wir Euch zur nun sechsten Sitzung unseres Diskussionszyklus zur globalen Krise einladen. Der Text versucht, den Streit zwischen einer keynesianischen Ausgabenpolitik und einer neoliberalen Sparpolitik nicht bloß als Widerspruch zweier Theorie- oder Politikansätze oder von politischen Machtverhältnissen zu begreifen. Vielmehr wird versucht, in ihm einen unhintergehbaren Selbstwiderspruch der politischen Ökonomie selbst nachvollziehbar zu machen, durch den auch die gegenwärtige Krise als grundsätzliche Strukturkrise des Kapitalismus interpretiert werden kann. Dadurch lassen sich auch verschiedene politische Reformprojekte kritisch diskutieren. Der Text sollte von allen Teilnehmenden vorher gelesen werden, so dass wir gleich in die Diskussion einsteigen können.
Werkblockade bei Iveco in Weisweil
04.10.2012
Bei der Fiat-Tochter Iveco in Weisweil brodelt es seit einiger Zeit: Nach einer strategischen Entscheidung, das Werk in Weisweil zugunsten des Werkes in Ulm zu schließen hat sich der Konzern Verhandlungen mit der Gewerkschaft IG Metall entzogen, indem er klar gemacht hat, dass sein Entlassungsangebot nicht verhandelbar sei. Damit hat er möglichen Verhandlungen jede Grundlage entzogen. Konsequenterweise wollte die IG Metall auf diesen Angriff von oben reagieren und über einen Streik abstimmen lassen. Daraufhin ging Iveco einen Schritt weiter: Um den Streik nutzlos zu machen und den Beschäftigten ihr letztes Kampfmittel zu nehmen, hat Iveco am vergangenen Freitag, 28.9., versucht, sämtliche Maschinen des Werkes abzutransportieren. Die Iveco-Beschäftigten konnten dies jedoch durch eine spontane Blockadeaktion über das Wochenende verhindern und haben mittlerweile eine Wache am Werkstor eingerichtet. Während der Konzern vordergründig über die Presse Gesprächsbereitschaft und Einigungsgeist vorgaukelt, führt er verdeckt den Klassenkampf von oben.
We will Rise - Refugee Protestmarsch nach Berlin
25.09.2012
Seit einem halben Jahr protestieren in Würzburg Flüchtlinge aus dem Iran gegen die nicht hinnehmbaren Zustände unter denen sie in Deutschland zu leben gezwungen sind. Nun sind 15 von ihnen Anfang September aufgebrochen um nach Berlin zu marschieren und so ihren Protest auch außerhalb von Bayern eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Dabei riskieren die mittlerweile auf 19 Personen vergrößerte Gruppe von Flüchtlingen bewusst Repressalien, da sie gegen die Residenzpflicht verstoßen, die ihre Bewegungsfreiheit unerträglich einschränkt. Dementsprechend ist neben der Abschaffung der Flüchtlingslager und dem Ende der Abschiebungen auch die sofortige Aufhebung der Residenzpflicht eine ihre Hauptforderungen. Während der Staat den Flüchtlingen mit Gesetzen droht und drangsaliert, müssen sich diese auch noch mit Angriffen durch Nazis auseinandersetzen. Um den Marsch finanziell zu unterstützen gibt es einen Spendenaufruf.
Massaker an südafrikanischen Minenarbeitern
25.08.2012
Das Massaker an den streikenden Arbeitern_innen einer der größten Platinminen der Welt vom vergangen Freitag (17.08.2012) ist ein trauriger Höhepunkt in ihren Kämpfen um ein besseres Leben. Die südafrikanische Polizei erschoss mehr als 30 Arbeiter, die an den Protesten teilnahmen. Über 70 wurden verletzt. Bereits Anfang des Jahres kam es im Rahmen von Streiks an einer anderen Mine zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Arbeitskämpfe betreffen den kompletten Bergbausektor.
Die Minenarbeiter schuften unter Bedingungen die sie krank machen und sind zu großen Teilen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen wie Leiharbeit. Damit versuchen die Minenkonzerne gezielt die normalen Prozesse der Tarifverhandlungen zu unterlaufen.
Der Streit, der zwischen den beiden wichtigsten Gewerkschaften in den Platinminen, National Union of Mineworkers (NUM) und Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU), um die richtige Strategie im Arbeitskampf herrscht ist sicher nicht die Ursache für die Ausschreitungen, wie in manchen Massenmedien berichtet wurde. Beide Gewerkschaften sind sich einig, dass der Minenbetreiber Lonmin Absprachen nicht einhält und Strukturen der regulären Tarifverhandlungen unterläuft, in dem Sonderabsprachen mit einzelnen Arbeitergruppen getroffen werden und in dem Leiharbeit und andere unsichere Beschäftigungsverhältnisse etabliert werden.
Fünfte Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
18.08.2012
[{.image .image-_original width="175" height="250"}]{.inline .inline-left}\ Zu neuer Zeit (Donnerstag, den 13. September um 20 Uhr) und an neuem Ort (in den Räumen der iz3w) wollen wir Euch zur inzwischen fünften Sitzung unseres Diskussionszyklus zur globalen Krise einladen. Dieses mal werden wir ein Interview mit Paul Mattick Jr. zu seinem neuen Buch ?Business as Usual. Krise und Scheitern des Kapitalismus? diskutieren. In diesem Interview, das die Genossen John Clegg und Aaron Benanav von der Zeitschrift Endnotes im April 2011 führten, unternimmt Paul Mattick den Versuch die aktuelle Krise zu deuten und sie in die ökonomische Entwicklungen der vergangenen vierzig Jahre einzuordnen. Dabei widerspricht er gängigen, auch von vielen Linken geäußerten, Erklärungsmustern.\ Wie immer sollte der Text von allen Teilnehmenden vorher gelesen sein, so dass wir gleich in die Diskussion einsteigen können.
Achtung: Neuer Ort und neue Zeit: Diesmal Donnerstags um 20 Uhr in den Räumen des Informationszentrums Dritte Welt in der Kronenstr. 16a (Hinterhaus)
Massive Klassenkämpfe in der indischen Autoindustrie
11.08.2012
Kurz nach Ausbruch der aktuellen Phase der Krise 2007 konnte „der führende Sektor des Weltkapitalismus" (Beverly Silver), die Autoindustrie, nur durch massive staatliche Subventionierungen (Stichwort Abwrackprämie) vor dem Absturz bewahrt werden. Doch nun erreicht die Krise erneut den Motor der Bestie. Frankreichs gesamte Autoproduktion gerät ins Trudeln, was schon zu ersten Protesten führte und wieder ist es in Deutschland v.a. Opel, dessen Zukunft ungewiss erscheint. In Indien, inzwischen eines der Zentren der globalen Autoindustrie, kommt es seit Jahren zu massiven Kämpfen in diesem Sektor. Diese haben nun einen neuen Höhepunkt erlebt, als randalierende ArbeiterInnen von Maruti Suzuki in Manesar Mitte Juli den Verwaltungstrakt der Fabrik verwüsteten und über 100 ManagerInnen verletzten und einen tödlich verwundeten. Aktuell läuft eine massive Repressionswelle gegen die ArbeiterInnen, bei der schon mehr als 100 Personen festgenommen wurden, aber auch eine Solidaritätskampagne dagegen.
Spanien: Kämpfe im Zentrum der Krise
22.07.2012
Nach Griechenland rückt allmählich Spanien in das Zentrum der globalen Krise und auch die Kämpfe nehmen zu. Nach der Bewegung der Empörten, gewerkschaftlichen Massenprotesten, Bildungsstreiks und die Verhinderungen von Häuserräumungen sind nun die BergarbeiterInnen in den Kampf getreten. Diese streiken seit dem 31.Mai 2012 um gegen die geplante Kürzung der Subventionen im Kohlebergbau zu protestieren. Dies würde einen Streichung von knapp 8000 Stellen bedeuten in einer Region deren Arbeitslosigkeit bei 25% liegt. Bei ihren Protesten griffen die Bergleute zu teils sehr militanten Mitteln. So blockierten sie Straßen und Zufahrten, beschossen die anrückende Polizei mit Raketen und Zwillen. Siebzehn von ihnen verbarrikadierten sich in Schächten. Am 21. Juni.2012 begann dann der schwarze Marsch auf Madrid. Ca. 200 BergarbeiterInnen machten sich zu Fuß durch die asturische Provinz auf den Weg in die Hauptstadt. Dort angekommen wurden sie von Zehntausenden begeistert empfangen.
Flüchtlinge in Würzburg wehren sich gegen rassistische Gesetzgebung
14.07.2012
Seit März protestieren mehrere iranische Flüchtlinge in Würzburg gegen die unzumutbaren Umstände unter denen sie in Deutschland zu leiden haben. Teilweise sind sie dazu in einen Hungerstreik getreten, den die meisten aber mittlerweile wieder beendet haben. Eine ihrer Hauptforderungen, nämlich die offizielle Anerkennung als politische Flüchtlinge, konnten sie zumindest für Einige von Ihnen mittlerweile erkämpfen. Weitere noch nicht erfüllte Forderungen sind unter anderem Abschaffung der Residenzpflicht und der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Mittlerweile haben sich die Proteste von Flüchtlingen gegen die rassistische Sonderbehandlung auf mehrere Städte in Bayern ausgeweitet. Die selbstorganisierten Proteste werden sicherlich auch ein Thema des diesjährigen No border Camps in Köln/Düsseldorf sein.
Vierte Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
06.07.2012
[{.image .image-_original width="175" height="250"}]{.inline .inline-right}\ Am Sonntag den 15. Juli laden wir Euch um 15 Uhr erneut in die KTS ein um mit Euch im Rahmen unseres Diskussionszyklus zur Krise zu debattieren.
Auch wenn Politik und Presse seit inzwischen einigen Jahren schon versuchen die Krise für beendet zu erklären, hält sich die Ökonomie einfach nicht an diese Beschwörungen. Stattdessen weitet sich die Krise einfach immer weiter aus und hat nach der Finanzsphäre nun die Staatsfinanzen fest im Griff. Aus diesem Grund wollen wir noch einmal die \"Thesen zur Krise\" der Freundinnen und Freunde des klassenlosen Gesellschaft aus Berlin lesen, die 2008 im Kosmoprolet erschienen sind.
Wie immer soll der Text von allen bereits gelesen sein, so dass wir gleich in die Diskussion einsteigen können. Wir freuen uns auf Eurer zahlreiches Erscheinen.
Globale Bildungsproteste
16.06.2012
Wie schon bei den Protesten in Chile, Brasilien, Kolumbien und anderen südamerikanischen Staaten, weiten sich nun auch die als Studierendendemonstrationen Mitte Februar 2012 gestarteten Proteste in der kanadischen Provinz Québec immer weiter aus. Anteil hatte daran auch die Verabschiedung eines neuen Gesetzes, das sich gegen die Demonstrierenden richtet und u.a. drakonische Strafen schon bei geringfügigen Vergehen, wie dem Blockieren eines Zugangs zu einer Universität, vorsieht. Dadurch zogen die Proteste auch Menschen an, die nicht Angehörige des Bildungssektors sind und die Demonstrationen dehnten sich auf Vancouver, die Hauptstadt der Provinz British Columbia, aus. Schon jetzt sind diese Proteste die stärksten die Québec je erlebt hat. Es bleibt zu hoffen, dass die Gleichzeitigkeit von Protesten, die ursprünglich als Bildungsproteste starteten, in u.a. Südamerika, Kanada und Spanien nicht bei einem zufälligem Nebeneinander verharren.
Europäischer Marsch der Sans Papiers und der Migrant.inn.en in Freiburg
16.06.2012
Am Mittwoch, den 20. Juni erreicht der Europäischer Marsch der Sans Papiers und der Migrant.inn.en 2012 Freiburg.\ Der Marsch soll Sans-Papiers und Migrant_innen der EU und des Schengenraums zusammenbringen und vor das Europäische Parlament in Strassburg führen. Die Teilnehmenden fordern die globale Regularisierung aller Sans-Papiers, Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit für alle, Bürgerschaftsrechte am Aufenthaltsort, Schutz und Respekt für Asylsuchende, für Sinti und Romas etc. Wir bewegen uns alle nach Strassburg, der Hauptstadt vieler europäischer Institutionen, um die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und/oder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu ermahnen, die Europäische Konvention der Menschenrechte im Migrations- und Asylbereich umzusetzen.\ In Freiburg wird es ab 18 Uhr eine Kundgebung auf dem Rathausplatz und eine anschließende Demonstration geben. Dabei wird es auch um die Situation der in Freiburg lebenden Roma gehen, die aktuell von der Abschiebung bedroht sind.
Dritte Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
25.05.2012
[{.image .image-_original width="175" height="250"}]{.inline .inline-left}\ Am Sonntag den 17. Juni laden wir Euch um 15 Uhr erneut in die KTS ein um mit Euch im Rahmen unseres Diskussionszyklus zur Krise zu debattieren.
Dass Revolution und Krise untrennbar zusammenhängen, stand für die historische ArbeiterInnenbewegung außer Frage. Doch wird der Kapitalismus von alleine zusammenbrechen und dann der Sozialismus hereinbrechen, so dass die RevolutionärInnen nur abzuwarten brauchen oder bedarf es der bewussten Tat der Massen um das System zu stürzen und das Reich der Freiheit zu errichten? Der holländische Rätekommunist Anton Pannekoek untersucht in seinem erstmals 1934 erschienen Text - Anton Pannekoek - Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus
- die verschiedenen Revolutionstheorien, die nach der großen Krise 1929 innerhalb der RevolutionärInnen diskutiert wurden. Vor allem Rosa Luxemburg, Otto Bauer und Henryk Grossmann werden dabei behandelt.
Wir wollen an diesem Sonntagnachmittag, bei Café und Kuchen, Pannekoeks Text diskutieren und schauen, ob er uns auch nach der großen Krise 2008 noch etwas zu sagen hat. Wie immer soll der Text von allen bereits gelesen sein, so dass wir gleich in die Diskussion einsteigen können. Wir freuen uns auf Eurer zahlreiches Erscheinen.
Zweite Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
21.04.2012
[{.image .image-img_assist_custom-175x220 width="175" height="220"}]{.inline .inline-right} Am 20. Mai 2012 laden wir Euch zum zweiten Treffen des Diskussionszyklus zur Krise ein. In entspannter Kaffee- und Kuchen-Atmosphäre wollen wir diesmal den Text „Kapitalismus, Krise und Kritik. Zum analytischen Potential der Marxschen Theorie" von Michael Heinrich mit Euch besprechen. In diesem 2010 entstandenen Aufsatz setzt sich Heinrich mit der Aktualität der Marxschen Krisenanalyse auseinander. Dabei kritisiert er angeblich linke Reformprogramme im Gefolge John Maynard Keynes gleichermaßen wie Neoklassische Interpretationen der Krise.\ Wie immer treffen wir uns um 15 Uhr in der KTS, Baslerstr. 103 in Freiburg. Und wie immer sollten alle TeilnehmerInnen den Text zum Treffen gelesen haben, so dass wir direkt in die Diskussion einsteigen können.
Buchvorstellung: Frühschicht - linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren
21.04.2012
[{.image .image-img_assist_custom-141x182 width="141" height="182"}]{.inline .inline-right}\ Am Dienstag den 22.05.2012 präsentieren der Rosa Luxemburg Club Freiburg und La Banda Vaga die Buchvorstellung von Jan Ole Arps Frühschicht - Linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren. Diese findet um 19:00 Uhr im Hörsaal 1098 im Kollegiengebäude I der Universität Freiburg am Platz der Universität 3 statt.
Klaus Franz hat es getan, Berthold Huber hat es getan, Joschka Fischer hat es getan.
«Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Aber ohne die Arbeiterklasse hatten wir keine Chance, die Welt zu verändern, so viel war klar.» Das schreibt Harry Oberländer 1977, einige Jahre nachdem er als revolutionärer Aktivist bei Opel in Rüsselsheim angeheuert hatte. Vom Studenten zum Arbeiter.
Was heute kaum vorstellbar klingt, war Anfang der 70er Jahre weit verbreitet. Auf die antiautoritäre Revolte von 1968 folgte für viele der Schritt in die Produktion; einige Tausend junge Linke tauschten den Seminarstuhl gegen die Werkbank ein, um die Arbeiterklasse für Revolution und Kommunismus zu begeistern.
Inzwischen ist Klaus Franz (ehemals Mitglied der maoistischen KPD/AO) Betriebsratsvorsitzender bei Opel, Berthold Huber (ehemals Mitglied in der Vorgängerorganisation der MLPD) Vorsitzender der IG Metall, und Joschka Fischer (ehemals Revolutionärer Kampf, Frankfurt) war der erste grüne Außenminister und berät nun deutsche Unternehmen aller Sparten.
Über die bunte Vielfalt der linken «Betriebsintervention» ist hingegen kaum noch etwas bekannt. Ebenso fast vergessen: Auch in bundesdeutschen Fabriken herrschten in jenen Jahren keineswegs nur Ordnung, Fleiß und Disziplin. Zwar ließen sich die westdeutschen ArbeiterInnen anders als in Frankreich oder Italien nicht von der revolutionären Begeisterung mitreißen, die die Universitäten erfasst hatte, doch wilde Streiks waren häufig und hohe Lohnabschlüsse die Regel.
Der Vortrag geht der Faszination nach, die diese Ereignisse auf die rebellischen StudentInnen hatte. Es behandelt die K-Gruppen, die sich an Lenins Modell der Kaderpartei orientierten, ebenso wie die Spontis, deren Schlachtruf «Wir wollen alles» lautete und die die These von der Autonomie der Arbeiterkämpfe in der Fabrik erproben wollten. Es zeichnet den Weg junger Linker in die Betriebe nach und schildert, welche Erfahrungen sie dort machten. Damit handelt es vom Konflikt zwischen revolutionären Wünschen und den Mühen des Alltags, von Begeisterung und Ernüchterung über die Arbeiterklasse und von der Krise der autoritären Disziplin, die zur Krise der Großfabrik und der an ihr orientierten politischen Ansätze beitrug.
Jan Ole Arps, Jahrgang 1978, hat Politikwissenschaft studiert. Er lebt in Berlin, ist Redakteur bei «ak -- analyse & kritik», in der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) und dem Euromayday Netzwerk aktiv und arbeitet -- wenn möglich -- als freier Autor.
Erste Sitzung des Diskussionszyklus zur Krise
30.03.2012
[{.image .image-_original width="175" height="200"}]{.inline .inline-left}\ Am Sonntag, den 15. April 2012 treffen wir uns bei Kaffee und Kuchen um 15 Uhr in der KTS Freiburg, Baslerstr. 103 zum ersten Treffen des Diskussionszyklus zur Krise.
Eingeladen sind alle die gerne mit uns über die Ursachen, den Verlauf, die Zukunft und Reaktionen auf die globale Krise diskutieren wollen.
Beim ersten Treffen lesen wir einen Text von Karl Heinz Roth Globale Krise Globale Proletarisierung Gegenperspektiven\ Erschienen ist der Text bereits 2008, nachdem klar war, dass sich eine schwere, andauernde und weltweite Wirtschaftskrise Bahn gebrochen hat. Zum Einstieg in den Diskussionszyklus werden wir damit einen Abriss vergangener Krisen bekommen. Spannend wird sein zu sehen welche Prognosen der Autor trifft und inwieweit sich diese in den Entwicklungen seit Veröffentlichung des Texts widerspiegeln.
Den Text sollten Teilnehmenden gelesen haben, so dass wir gleich in die Diskussion einsteigen können.
Die zwei Seiten der Sparpolitik
16.03.2012
Von Bar-Yuchnei
Wir haben folgenden Text der Gruppe endnotes ins Deutsche übersetzt, da wir denken, dass er wichtige Denkanstöße zur Diskussion über die globale Krise liefern kann. Den englischen Original-Text findet Ihr hier.
Wie sollen wir die aktuelle Runde der Sparpolitik deuten? Sollen wir Keynesianern wie Paul Krugman glauben, wenn sie behaupten, dass die Kapitalisten mit der Forderung nach Einschnitten gegen ihre eigenen Interessen handeln? Sind die Staatsfinanzen wirklich unter Druck oder ist das alles nur ein Trick, um die letzten verbliebenen Errungenschaften aus den Arbeitskämpfen zu untergraben? Einige Mitglieder von Endnotes nehmen sich dieser Fragen an...
Eine Krise ist zuallererst eine Krise für die Arbeiter_innen. Aber sie ist eine Krise für die Arbeiter_innen, weil sie eine Krise des Kapitals ist. Dass es sich so verhält, ist nicht immer offensichtlich. Wann immer das BIP sinkt, rufen die Vertreter des Kapitals ausnahmslos nach \"gemeinsamen Opfern\" -- also nach Opfern, die gemeinsam von den Lohnabhängigen erbracht werden sollen. Es wäre eine Sache, wenn das nur Entlassungen im öffentlichen Dienst und Kürzungen der Sozialprogramme -- genau dann, wenn sie am meisten gebraucht werden -- bedeuten würde. Schließlich macht es die Struktur der kapitalistischen Produktionsweise unausweichlich, dass im Verlauf einer Krise Staatsausgaben eingespart werden. Denn im Gegensatz zu dem, was Keynesianer sagen, sind staatliche Maßnahmen letzten Endes durch die Wachstumsrate der Privatwirtschaft beschränkt -- und nicht anders herum.
Aber in Wirklichkeit sind Sparmaßnahmen nie nur eine temporäre Reaktion auf die Krise. Sozialprogramme sind nicht nur gekürzt, sondern dauerhaft ausgesetzt oder komplett gestrichen worden. In vielen Ländern wird die Krise genutzt, um lange bestehende Rechte und Ansprüche zu zerstören, wie etwa das Recht sich zu organisieren. Diese Angriffe scheinen nicht nur zyklische Anpassungen in der sich entfaltenden Logik der kapitalistischen Produktionsweise zu sein. Im Gegenteil, sie scheinen Kernpunkte des Klassenkampfs des Kapitals darzustellen. Auf dieser Grundlage zieht man leicht den Schluss, dass Sparprogramme nur die Umverteilung des Reichtums von Löhnen zu Profiten kaschieren sollen.
Beließen wir unsere Analyse aber hierbei, kämen wir einer keynesianischen Position gefährlich nahe. Denn auch sie erkennt in den Manövern des Kapitals Bemühungen, den Reichtum zugunsten von Profiten umzuverteilen. Doch die Keynesianer gehen in ihrer Argumentation weiter und unterscheiden zwischen den kurzfristigen Interessen des Kapitals (dem Kampf um ein größeres Stück des kleiner werdenden Kuchens) und seinen langfristigen Interessen (gemeinsam mit den Arbeitern den Kuchen vergrößern). Handelten beide Klassen strategisch, würden sie, den Keynesianern zufolge, ihren Kampf um die Verteilung des Reichtums beenden. Mit anderen Worten: Es gäbe keinen Klassenkampf. Das Kapital würde sich bereit erklären, in die Ausdehnung der Produktion zu investieren, und die Arbeiter wären damit einverstanden, dass sich nur ein Teil des daraus resultierenden Produktivitätszuwachses in den Löhnen niederschlägt. Der Staat würde diese Übereinkunft in einer neutralen Art und Weise regulieren: Wann immer die Wirtschaft stagniert und die Parteien zu zanken beginnen, würde er die Zinsen senken und Kredite aufnehmen, um die Nachfrage anzukurbeln, und somit beiden Klassen etwas anzubieten haben. Sobald das Wachstum wieder einsetzt, würde er die Zinsen wieder anheben und seine Schulden zurückzahlen.
Zurzeit passiert natürlich etwas vollkommen anderes. Haben die Vertreter des Kapitals den Staat für ein kurzfristiges Umverteilungsprojekt übernommen -- und so die Fähigkeit verloren, entsprechend ihren langfristigen strategischen Interessen zu handeln? Selbst wenn der sogenannte grüne Kapitalismus die ökologische Katastrophe nicht abwenden würde, wäre er mit Sicherheit immer noch eine phantastische PR-Kampagne für das Kapital. Trotzdem kommt er nicht richtig in Fahrt. Würde die Krise zu einem Ende kommen, wenn der Staat, wie Keynesianer verlangen, die Rufe nach Einsparungen ignorieren und stattdessen versuchen würde, mittels riesiger Investitionen in die Infrastruktur das Kapital zu einer Erneuerung seiner Übereinkunft mit den Arbeitern zu bewegen?
Auf diese Weise lässt sich die momentane Situation unseres Erachtens nicht begreifen. Der Kapitalismus ist inmitten einer tiefen Krise, welche beiden Klassen die objektiven Grenzen dieser Produktionsweise vor Augen führt. Diese Grenzen sind weder im Interesse einer der beiden Klassen -- noch können sie durch Maßnahmen eines starken Staates überwunden werden. Im Gegenteil, es ist die Schwäche des Staates, die uns in den kommenden Monaten, mit einer so gut wie sicheren \"double-dip\"-Rezession, schmerzhaft bewusst werden wird. Christine Lagarde, die neue Chefin des IWF, bekundete kürzlich in der Financial Times ihre Beunruhigung über diese Entwicklung:
\"Die heutige Situation ist eine andere als 2008. Damals war der schlechte Zustand der Finanzinstitutionen der Grund für die Unsicherheit. Heute sind es Zweifel am Zustand der Staaten (...) Damals bestand die Antwort in einer beispiellosen Lockerung der Geldpolitik, direkter Unterstützung des Finanzsektors und moderaten Konjunkturanreizen. Heute ist die Geldmarktpolitik eingeschränkter, die Probleme der Banken müssen erneut angegangen werden und die Krise hat eine Altlast an Staatsschulden hinterlassen - in den entwickelten Ländern sind sie durchschnittlich etwa 30% des BIP höher als vorher.\" (FT, 16. August 2011)
Was Lagarde nicht erwähnt, ist, dass die Staatsschuldenquote in den \'entwickelten Ländern\' bereits vor 2008, als sie sich in Reaktion auf die Krise aufblähte, hoch war (siehe Tabelle). Am Vorabend der Großen Depression von 1929 lag die Staatsverschuldung der USA bei nur 16% des BIP; zehn Jahre später, 1939, war sie auf 44% gestiegen.1{#footnoteref1_7eqdsbj .see-footnote} Im Gegensatz dazu lag sie 2007 am Vorabend der aktuellen Krise bereits bei 62% und erreichte nur vier Jahre später den Stand von 99%. Die Ursache ist einfach auszumachen: Seit beinahe vier Jahrzehnten ist die Staatsschuldenquote in den einkommensstarken Ländern während der Krisen meist angestiegen (wie es die keynesianischen Rezepte vorsehen), in Boomphasen aber nicht wieder gesunken oder sogar weiter gestiegen. Liegt das an der schlechten Planung seitens der Eliten? Im Gegenteil, es liegt daran, dass die Boomphasen selbst, von Zyklus zu Zyklus, immer schwächer geworden sind. Im Ergebnis war der Staat nicht in der Lage, Zinssätze zu erhöhen oder seine Schulden abzuzahlen (allenfalls mit Unterbrechungen), denn jeder ernsthafte Versuch dazu hätte die immer zerbrechlicheren Wachstumsphasen gefährdet.2{#footnoteref2_ms4zd9n .see-footnote} Das stellt die Keynesianer vor ein Problem, da es auf eine strukturelle Schwäche der kapitalistischen Wirtschaft verweist -- die der Staat nicht beheben kann.
Diese Schwäche setzt den Staat doppelt unter Druck. Erstens befindet er sich aufgrund der Fragilität der Wirtschaft in genau der Situation, die Keynes während der Großen Depression vor Augen hatte. In den letzten vier Jahren hat die US-Notenbank gemeinsam mit anderen Zentralbanken die Zinssätze für kurzfristige Anleihen bei ungefähr null Prozent gehalten. Trotzdem hat sich die Wirtschaft bislang nicht erholt. Das sollte eigentlich unmöglich sein: Die Wirtschaft sollte dieses kostenlose Geld für Investitionen nutzen, private Haushalte sollten damit Immobilien kaufen. Wenn heutzutage niemand mehr Geld leihen möchte, dann deswegen, weil alle bereits hoch verschuldet sind. Diese Schulden stammen natürlich aus den Jahren der „Finanzblase"(1998-2001 und 2003-2007), als sowohl Firmen wie wohlhabendere Familien den Wert ihrer Anlagen steigen sahen. Sie beliehen ihre steigenden Anlagewerte, um zu investieren oder große Anschaffungen zu machen -- selbst als die Profite und Gehälter stagnierten.3{#footnoteref3_4pufzhg .see-footnote} Jetzt, wo diese Anlagewerte dramatisch gefallen sind, versucht jeder Geld zu sparen und seine Schulden zu tilgen. Allerdings hat diese Sparorgie die Wirtschaft in Gefahr gebracht. Unter normalen Umständen bringen Firmen und Privatpersonen gespartes Geld auf die Bank, die es an andere Firmen und Privatpersonen verleiht, die das Geld wiederum ausgeben. So gesehen sinken die Ausgaben nicht. Sparen aber alle gleichzeitig, ist genau das der Fall und die Wirtschaft schrumpft. Der Unterschied zwischen der Großen Depression und heute besteht darin, dass die Regierungen diesmal eingesprungen sind, um diese Lücke durch Staatsausgaben auszugleichen -- also durch fiskalische Anreize (auch wenn diese hauptsächlich in Erhöhungen bereits existierender Arbeitslosen- und Sozialleistungen bestehen). Während der ersten Jahre der Großen Depression tat die US-Regierung dies nicht und die Wirtschaft schrumpfte um 46 Prozent. Die fiskalischen Anreize haben heute somit eine andere Funktion als im Laufe eines normalen Wirtschaftszyklus. Ihr Zweck ist es nicht, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln -- dazu müssten die Leute das zusätzliche Geld auch tatsächlich ausgeben. Stattdessen nutzen sie es hauptsächlich, um ihre Schulden abzuzahlen. In der jetzigen Krise dienen die Staatsausgaben nur dem Zweck, Zeit zu gewinnen, um allen die Möglichkeit zur Schuldentilgung zu geben, ohne eine Deflation auszulösen -- die die Anlagewerte drücken und die Schuldenlast folglich noch erhöhen würde. Aus diesen Gründen sind fiskalische Anreize heute die einzige Möglichkeit, die Wirtschaft vor dem Schrumpfen zu bewahren.[4](#footnote4_258c2hg "Letzten Endes kann die Regierung mit Geldmarktpolitik Wirtschaft und Haushalte nur zum Geldausgeben ermutigen; sie kann sie nicht dazu zwingen (in der Finanzpolitik gibt sie dagegen ihr eigenes Geld aus – oder zumindest soviel, wie sie sich leihen kann). Diese Grenze der Geldmarktpolitik wurde kürzlich durch das Scheitern der "Quantitativen Lockerung" demonstriert. Die US-Notenbank (FED) und andere Zentralbanken, besonders die britische, erwarben große Mengen der langfristigen Anleihen ihrer eigenen Regierung und drückten so Geld in den Bankensektor. Diese Maßnahme hätte inflationär wirken müssen. Sie tat es aber nicht, da sich niemand das zusätzliche Geld lieh, das die Banken nun hatten. In der Tat war die quantitative Lockerung nie dazu gedacht, eine Inflation zu verursachen – selbst wenn die FED regelmäßig des "Gelddruckens" beschuldigt wurde. Durch das Aufkaufen der Anleihen versuchten die Zentralbanken Investoren aus dem Anleihemarkt zu drängen, hinein in riskantere Anlagenformen. Der Erfolg dieser Maßnahme zeigte sich, als im ersten Halbjahr 2011 die Aktienpreise stiegen und Wirtschaft sowie wohlhabendere Haushalte plötzlich um einiges wohlhabender aussahen als noch wenige Monate zuvor. Die Hoffnung war, dass die steigenden Aktienpreise die Bilanzen aller Beteiligten richten würden. Aber die Auswirkung der quantitativen Lockerung hielt nur so lange wie die Lockerung selbst. Letzten Endes stiegen die Aktienpreise nicht etwa deshalb, weil sich die Wirtschaft tatsächlich erholt hätte; sie stiegen, weil die Zentralbanken sie steigen ließen. Eine Flut schlechter Nachrichten über die Wirtschaft – die schlechteste war die über das Ende der quantitativen Lockerung durch die FED – ließen die Mini-Börsenblase platzen. In Wahrheit wurde jeder positive Effekt, den die quantitative Lockerung auf die Bilanzen von Investoren hatte, durch die Tatsache mehr als aufgehoben, dass sie auch die Preise für Waren (z.B. Nahrungsmittel und Treibstoff) ansteigen ließ und so die laue Markterholung gefährdete."){#footnoteref4_258c2hg .see-footnote}
Neben dem Druck, Geld auszugeben, lastet ein weiterer, ebenso starker, aber entgegengesetzter Druck auf dem Staat -- der Druck zur Schuldensenkung. Entgegen den Behauptungen von Keynesianern haben die Staaten sehr wohl seit dem Ausbruch der Krise viel Geld ausgegeben. In den letzten vier Jahren hat die US-Regierung Schulden in einer Höhe aufgenommen, die nur knapp unter der gesamten nationalen Wirtschaftsleistung von 1990 lag -- und das nur, um das Abgleiten in die Rezession zu verlangsamen. Das Problem ist, dass der Staat diese gewaltigen Schulden in einem historischen Kontext anhäuft, in dem er, wie die Unternehmen und Haushalte selber, bereits hochverschuldet ist.5{#footnoteref5_6ns3s07 .see-footnote} Dieser historische Kontext fehlt in den Betrachtungen der Keynesianer: Sie übersehen, dass die Schwäche der Wirtschaft in den letzten vier Jahrzehnten -- die Tatsache, dass die Wirtschaft bereits vor der gegenwärtigen Krise immer langsamer gewachsen ist -- heute die Möglichkeiten des Staates zur Verschuldung begrenzt. Das ist es, was Lagarde solche Sorgen bereitet. Die Staatsverschuldung ist bereits so hoch, dass es riskant ist, noch mehr Geld zur Stimulation der Wirtschaft auszugeben. Ausgaben in der jetzigen Situation verringern nur die ohnehin schwindende Fähigkeit des Staates, sich im Falle zukünftiger finanzieller Notsituationen zu verschulden. Sie könnten die Krise sogar beschleunigen, da die schnelle Zunahme der Staatsverschuldung das Gespenst des Staatsbankrotts wecken könnte.6{#footnoteref6_bbgnu0c .see-footnote} Unter diesen Umständen hat der Staat die Pflicht, sein Pulver trocken zu halten -- also solange wie möglich seinen Zugang zu billigen Krediten aufrechtzuerhalten. Er wird diese Kredite nämlich für seine Versuche brauchen, die kommenden Wellen finanzieller Turbulenzen zu überstehen (etwa für weitere Bankenrettungen). In diesem Sinne sind Sparmaßnahmen absolut vernünftig. Dass sie gleichzeitig Deflation verursachen werden und so die Stabilität dessen, was sie stützen sollten, gefährden, ist ein realer Widerspruch, dem der Staat in dieser Phase ausgesetzt ist. Diese zwei Dringlichkeiten -- Geld auszugeben, um Deflation abzuwenden, und Geld einzusparen, um eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden -- sind in gleichem Maße unerbittlich. In der Tat offenbart sich die Krise gerade in den Bilanzbüchern unzähliger Staaten. So wie 2008 die Solvenz der Privatwirtschaft dadurch erhalten wurde, dass ihre Schulden in die öffentlichen Haushalte verschoben wurden, so gefährden die aktuellen Maßnahmen der Staaten zur Rettung ihrer eigenen Solvenz wiederum den privaten Sektor. Frei nach Marx: All dieses Jonglieren mit Schulden dient nur der Verschiebung der Insolvenzkrise auf ausgedehntere Sphäre, eröffnet ihr größren Spielkreis.
Gleichwohl müssen wir uns davor hüten, die Schwäche der kapitalistischen Produktionsweise für eine Schwäche des Kapitals in seinem Kampf mit den Arbeiter_innen zu halten. Krisen haben die Position des Kapitals im Klassenkampf noch immer gestärkt --- und die keynesianische Vorstellung, dass der Staat das Kapital dazu bringen könnte, seinen Vorteil nicht auszunutzen, ist nichts als eine technokratische Phantasie. In einer Krise fällt die Nachfrage nach Arbeit genau dann, wenn ihr Angebot aufgrund von Entlassungen zunimmt. Schon das schwächt die Verhandlungsposition der Arbeiter_innen. Außerdem stimmt es zwar, dass das Kapital im Laufe eines Abschwungs Verluste macht, aber die einzelnen Kapitalisten geraten selten in die Art von existenzieller Not, mit der sich entlassene Arbeiter_innen konfrontiert sehen. Kapitalisten haben viel größere Reserven als Arbeiter_innen, so dass sie eine Krise normalerweise aussitzen können, gerade wenn die Nachfrage nach ihren Produkten gesunken ist. Aus all diesen Gründen müssen wir erkennen, dass die Krise die Position der Arbeiter_innen gegenüber dem Kapital geschwächt hat. Es ist also keine Überraschung, dass dessen Vertreter die Krise zu ihrem Vorteil nutzen und behaupten, dass diese oder jene Maßnahme notwendig sei, um die Profite wieder zu steigern. Die Profitrate wieder anzuheben, ist tatsächlich der einzige Weg zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Und solange die Arbeiterklasse nicht die Existenz der Klassengesellschaft schlechthin angreift, haben Arbeiter_innen kein anderes Interesse als einen Arbeitsplatz zu finden oder ihn zu behalten. Das sind die Schwierigkeiten, die sich in der kapitalistische Krise darstellen. Die Schwäche des Systems als Ganzes ist zugleich die Schwäche der Arbeiter_innen in ihrem täglichen Kampf mit dem Kapital -- und nicht, wie man erwarten möchte, ihre Stärke. Wenn wir diese zwei Momente nicht auseinanderhalten, laufen wir Gefahr, die widersprüchliche Natur der Sparmaßnahmen in der momentanen Krise misszuverstehen.
Gesamtschulden in Prozent des BIP, ausgewählte Länder, 2007-2011
Land 2007 2008 2009 2010 2011 Änderung Island 29 72 100 116 108 +79 Irland 25 44 66 94 102 +77 Japan 188 195 218 226 234 +46 Griechenland 96 99 115 130 139 +44 Großbritannien 44 52 68 77 82 +38 USA 62 71 84 93 99 +37 Spanien 36 40 53 63 70 +34 Portugal 63 65 76 83 87 +24 Niederlande 45 58 62 66 69 +24 Frankreich 64 67 78 84 88 +24 Belgien 83 90 97 100 103 +20 Finnland 35 35 44 50 52 +17 Italien 103 106 116 118 120 +16 Tschechische Republik 29 30 35 40 44 +15 Kanada 65 70 82 82 80 +15 Neuseeland 17 20 26 31 33 +15 Australien 9 12 18 22 24 +14 Österreich 59 62 67 70 72 +13 Dänemark 34 42 41 44 47 +13 Deutschland 65 66 74 75 77 +12 Taiwan 33 36 40 39 38 +5 Schweden 40 38 42 42 41 +1 Korea 30 29 33 32 31 +1 Israel 78 75 78 76 74 -3 Norwegen 59 57 54 54 54 -4 Schweiz 44 41 39 39 38 -6
Quelle: http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2010/02/weodata/index.aspx
- [1. Es stimmt, dass die Staatsverschuldung der USA 1946, am Ende des Zweiten Weltkrieges, auf 121% des BIP nach oben schnellte - also 17 Jahre nach dem Beginn der Depression. Das war allerdings während des Krieges und die aufgehäuften Schulden wurden beinahe vollständig über Anleihen finanziert, die US-Bürger gekauft hatten. In den 1940ern waren die USA ein internationaler Gläubiger, der sich im eigenen Land verschuldete. Heute sind sie ein internationaler Schuldner, der im Ausland Kredite aufnimmt.]{#footnote1_7eqdsbj}
- [2. In der Phase starken Wachstums nach dem Zweiten Weltkrieg fiel die Staatsverschuldung der USA von 121% des BIP im Jahre 1946 auf 32% 1974. Die einzige Phase, in der dieses Verhältnis seitdem sank (von 70% auf 55%), war auch die einzige, in der die Wirtschaft schnell wuchs, nämlich die Jahre 1995-2000.]{#footnote2_ms4zd9n}
- [3. Siehe Robert Brenner, 'What's Good for Goldman Sachs is Good for America'. Andere Texte, die wir für diese Abhandlung nützlich fanden, sind Richard Koos Memo 'QE2 has transformed commodity markets into liquidity-driven markets' und Paul Matticks neues Buch Business as Usual.]{#footnote3_4pufzhg}
- [4. Letzten Endes kann die Regierung mit Geldmarktpolitik Wirtschaft und Haushalte nur zum Geldausgeben ermutigen; sie kann sie nicht dazu zwingen (in der Finanzpolitik gibt sie dagegen ihr eigenes Geld aus -- oder zumindest soviel, wie sie sich leihen kann). Diese Grenze der Geldmarktpolitik wurde kürzlich durch das Scheitern der \"Quantitativen Lockerung\" demonstriert. Die US-Notenbank (FED) und andere Zentralbanken, besonders die britische, erwarben große Mengen der langfristigen Anleihen ihrer eigenen Regierung und drückten so Geld in den Bankensektor. Diese Maßnahme hätte inflationär wirken müssen. Sie tat es aber nicht, da sich niemand das zusätzliche Geld lieh, das die Banken nun hatten. In der Tat war die quantitative Lockerung nie dazu gedacht, eine Inflation zu verursachen -- selbst wenn die FED regelmäßig des \"Gelddruckens\" beschuldigt wurde. Durch das Aufkaufen der Anleihen versuchten die Zentralbanken Investoren aus dem Anleihemarkt zu drängen, hinein in riskantere Anlagenformen. Der Erfolg dieser Maßnahme zeigte sich, als im ersten Halbjahr 2011 die Aktienpreise stiegen und Wirtschaft sowie wohlhabendere Haushalte plötzlich um einiges wohlhabender aussahen als noch wenige Monate zuvor. Die Hoffnung war, dass die steigenden Aktienpreise die Bilanzen aller Beteiligten richten würden. Aber die Auswirkung der quantitativen Lockerung hielt nur so lange wie die Lockerung selbst. Letzten Endes stiegen die Aktienpreise nicht etwa deshalb, weil sich die Wirtschaft tatsächlich erholt hätte; sie stiegen, weil die Zentralbanken sie steigen ließen. Eine Flut schlechter Nachrichten über die Wirtschaft -- die schlechteste war die über das Ende der quantitativen Lockerung durch die FED -- ließen die Mini-Börsenblase platzen. In Wahrheit wurde jeder positive Effekt, den die quantitative Lockerung auf die Bilanzen von Investoren hatte, durch die Tatsache mehr als aufgehoben, dass sie auch die Preise für Waren (z.B. Nahrungsmittel und Treibstoff) ansteigen ließ und so die laue Markterholung gefährdete.]{#footnote4_258c2hg}
- [5. Die Gesamtverschuldung der USA -- Staat, Unternehmen und Privathaushalte zusammen -- betrug 2010 etwa 350% des BIP. In anderen Ländern wie Großbritannien, Japan, Spanien, Südkorea und Frankreich war sie noch höher und reichte bis zu 500%. Der Schuldenabbau hat erst begonnen.]{#footnote5_6ns3s07}
- [6. Eine Staatsschuldenkrise entsteht, wenn die Schuldenquote so hoch ist (historisch um die 100 Prozent), dass die staatliche Fähigkeit zur Kredittilgung tatsächlich gefährdet wird -- weil die Zinslast relativ zu den Staatseinkünften wächst und die Zinsraten auf verlängerte Kredite zudem meist schnell steigen (wie wir gerade an der gesamten Nordküste des Mittelmeeres und Irland sehen können). Dass Staaten selten Bankrott gehen und, falls sie es doch tun, nach einer Weile an die internationalen Kreditmärkte zurückkehren können, ist dabei nicht wirklich von Belang. Schließlich kann man auch nicht leugnen, dass jeder entlassen werden kann, nur weil die meisten Leute nicht entlassen werden; allein die Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu verlieren, bestimmt das Verhalten desjenigen, der einen hat. Ebenso bestimmt allein die Möglichkeit, den Zugang zu den internationalen Kreditmärkten zu verlieren, die Handlungen der staatlichen Kreditnehmer, wie selten ein Staatsbankrott auch tatsächlich eintreten mag. Wie Reinhard und Rogoff in This Time It's Different zeigen, ist dies zudem -- weltweit betrachtet -- gar nicht so selten der Fall. Staatsbankrotts treten in Wellen auf und spielen eine bedeutende Rolle in der weltweiten Entfaltung der Krise. Ist es denkbar, dass sich die Staaten in der aktuellen Phase irgendwie dem Wertgesetz entziehen können, indem sie ihre Schulden massiv erhöhen, ohne dass ein entsprechendes Wachstum ihres BIP zu erwarten ist? Wer dies glaubt, wird seine Annahme demnächst auf dem Prüfstand sehen (und ausschließen können wir diese Möglichkeit nicht, wenn wir bedenken, dass die gewaltigen Schuldenberge, die Unternehmen, Haushalten und Staaten in stets neuer Weise aufgehäuft haben, bereits seit vierzig Jahren das Einsetzen einer neuen Depression immer wieder hinausgeschoben haben).]{#footnote6_bbgnu0c}
Quo vadis, Krise?
02.03.2012
Einladung zu einem Diskussionszyklus zur Krise
Update: Die Gruppe CONNESSIONI per la lotta di classe hat eine italienische Übersetzung des Textes veröffentlicht.
Von Krise scheint heute in Deutschland niemand mehr sprechen zu wollen. Die Wirtschaftsleistung wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Unternehmen beklagen, dass das größte Problem sei ausreichend ausgebildetes Personal zu bekommen. Herrscht also wieder business as usual? Kapitalistischer Normalbetrieb?\ Weltweit sieht es dagegen ganz anders aus: Reihenweise stehen selbst Staaten des globalen Nordens vor dem finanziellen Zusammenbruch, immer neue Sparprogramme stürzen die Bevölkerungen ins Elend und (Jugend-)Arbeitslosenquoten von 50 % sind keine Seltenheit mehr. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?\ Als die globale Krise durch das Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase in ihre nächste Phase eintrat, ging alles ganz schnell. Da immer mehr HausbesitzerInnen ihren Kredit nicht mehr zurückzahlen konnten, gerieten die Immobilienfinanzierer in die Krise und da diese die Immobilienkredite zu „Finanzpaketen" gebündelt hatten und diese wiederum weiterverkauft hatten, wackelten alle diejenigen Unternehmen, die mit solchen Finanzprodukten gehandelt hatten ? also die gesamte Finanzbranche. Der Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems ließ sich nur verhindert, indem die Staaten mit Unmengen von Geld die Banken, Versicherungen usw. vor dem Ruin retteten. Doch die Krise hatte sich längst ausgeweitet: Da die Banken keine Kredite mehr vergaben, gerieten auch die Industriebetriebe in Schwierigkeiten. So konnten zwei der sog. „big three" der amerikanischen Autoindustrie, dies ist deshalb so bedeutend, da die Automobilindustrie immer noch „der führende Sektor des Weltkapitalismus" ist (Beverly Silver), nämlich General Motors und Chrysler nur durch eine quasi-Verstaatlichung vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Die Staaten begannen nun weltweit Konjunkturprogramme anzuwerfen um so die Wirtschaft vor dem Ruin zu retten und dabei besonders die Autoindustrie durch „Abwrackpämien", „Cash for Clunkers" oder ähnlich betitelte Programme zu fördern. Vor allem in den USA und China wurden dabei gigantische Summen eingesetzt.\ Doch die Bankenrettung und staatliche Konjunkturprogramme überforderten viele nationale Ökonomien und so standen bereits 2008/2009 Staaten wie Island, Lettland, Ungarn oder Pakistan vor dem Bankrott.\ Gleichzeit passierte etwas, was in Krisenzeiten immer passiert: Das Kapital wendet sich scheinbar sicheren Anlagen, wie Gold oder allgemein Rohstoffen zu. Da darunter auch Lebensmittel fallen stiegen mit Beginn der globalen Krise die Nahrungsmittelpreise exorbitant. Dies führte zu „Ernährungsunruhen" in zahlreichen Regionen der Welt, mit hunderten von Toten, wobei hier v.a. auf die Proteste in Ägypten, Tunesien und den Jemen verwiesen werden soll, die schon ein Vorzeichen der kommenden „Arabellion" 2011ff. waren.\ Der Einsatz gigantischer Geldmengen durch die Staaten konnten zwar den unmittelbaren Zusammenbruch des kapitalistischen Weltsystems verhindern, aber das Problem wurde damit natürlich nur zeitlich verschoben. Immer mehr Staaten gerieten in der Folge von Bankenrettungen, und allgemein Firmenrettungen, Konjunkturprogrammen und Wirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten. Dies betrifft inzwischen nicht mehr nur Länder der Peripherie, sondern auch das Zentrum wird von Überschuldungs- und Staatsschuldenkrisen erschüttert. Selbst die führenden Wirtschaftsmächte wie die USA oder Japan sind völlig Überschuldet und stehen immer wieder vor einem drohenden Staatsbankrott. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht aber die Eurozone, wo mit Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Belgien und demnächst vielleicht sogar schon Frankreich ein Staat nach dem anderen in den Abwärtssog gerissen wird.
Krisengewinner BRD?
Ein Land scheint dagegen der große Gewinner der Krise zu sein, Deutschland. Die Bundesrepublik ist inzwischen unangefochten die hegemoniale Kraft innerhalb der EU, die den anderen Mitgliedern scheinbar widerstandslos ihre Rezepte zur Krisenlösung diktieren kann. Dabei werden selbst elementare Prinzipien der parlamentarischen Regierungsform über den Haufen geworfen. So wird etwa das als „Königsrecht des Parlaments" bezeichnete Budgetrecht, also die Frage was mit den Staatseinnahmen geschehen soll, den sog. „Schuldensündern" einfach entzogen. Wer unter den europäischen „Rettungsschirm" schlüpft, muss die fiskalischen Vorgaben der EU strikt umsetzen und hat faktisch keinerlei politischen Spielraum mehr. Und wer im Verdacht steht die Sparvorhaben nicht konsequent genug umzusetzen, wie etwa Griechenland, dem drohen deutsche Politiker schon mal mit der Einsetzung von Sparkommissaren, deutschen Beamten, die ins Land geschickt werden sollen um dort Steuern einzuziehen und ähnliche neokoloniale Vorschläge. Der Chef der sog. Eurogruppe Jean-Claude Junker kann deshalb auch stolz verkünden: \"Es ist wahr, die Souveränität der Griechen wird massiv eingeschränkt\". Dies geht sogar soweit das selbst die eigene Grundrechtecharta der EU außer Kraft gesetzt wird, wenn etwa das griechische Parlament auf Druck der EU Tarifverhandlungen verbietet, weil diese zu höheren Löhnen führen könnten. Auch setzen die EU, bzw. die sie bestimmenden Kräfte Regierungen, die ihre Vorgaben nicht erfüllen inzwischen auch einfach ab, wie dies mit der sozialdemokratischen PASOK-Regierung in Griechenland oder der Berlusconi-Regierung in Italien geschehen ist. Stattdessen werden dann sog. technokratische Regierungen eingesetzt, die Politik nur nach „objektiv (wirtschafts-)wissenschaftlicher" Basis umsetzen.\ Doch wie war es möglich, dass Deutschland scheinbar unbeschadet aus der Krise kommt und seine politische Macht so stark vergrößern konnte?\ Zum Einen profitiert Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht der Union am meisten von einer gemeinsamen Währung. Der Euro ist gegenüber der D-Mark um ein vielfaches niedriger bewertet, was zu einem immensen Wettbewerbsvorteil Deutschlands führt. Würde die DM wieder eingeführt rechnet etwa Michael Burda, Ökonom an der Berliner Humboldt-Universität, mit einer Aufwertung „innerhalb weniger Monate um 50 Prozent". Dies würde bedeuten deutsche Exporte würden um 50 Prozent teurer. Die Folgen kann sich jeder ausmalen, aber auch wie stark der Vorteil des Euros für die deutsche Industrie ist.\ Zum Anderen hat Deutschland seine sozialen Kahlschlagsprogramme, die andere Staaten unter dem Druck des Bankrotts gegen massive Gegenwehr der Bevölkerungen durchsetzen schon hinter sich. Mit der sog. Agenda 2010 der rotgrünen Regierung Schröder/Fischer wurde eine in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Verarmungspolitik gegenüber den abhängig Beschäftigten und eine ebenso beispiellose Umverteilung zugunsten der Wirtschaft und den Reichen durchgesetzt. Deutschland hat inzwischen den größten Niedriglohnsektor in Europa und Beschäftigungsverhältnisse, die früher als „atypisch" bezeichnet wurden, wie Leiharbeit, geringfügige und befristete Beschäftigung sind inzwischen die typischen Arbeitsverhältnisse. Mit diesen Wettbewerbsvorteilen, unterbewertete Währung, Niedriglohn bei gleichzeitig hoher Produktivität konkurriert Deutschland alle anderen EU-Staaten nieder. Die Krise der Einen ist also zugleich auch der Aufschwung der Anderen.
Doch wie lange wird dies gut gehen?
Wenn der größte Teil der Welt in der Krise versinkt, können auch die Exportweltmeister kaum noch Waren absetzen. Und auch innerhalb der wenigen Gewinnerstaaten drohen Gefahren, wie etwa die riesige Immobilienblase in China, die die Welt in den Abgrund ziehen könnte.\ Es besteht also immer noch die Gefahr des Zusammenbruchs des weltweiten Finanzsystems, erst im Dezember 2011 mussten die größten Notenbanken der Welt in einer noch nie dagewesenen Aktion das Weltfinanzsystem mit Unsummen vor dem Kollaps retten. Die Agenturmeldungen sprachen damals davon, dass die Zentralbanken die Welt mit Geld überschwemmt hätten. Das kapitalistische Weltsystem balanciert also immer noch am Abgrund. Und was macht die Klasse, die den Kapitalismus nicht nur in diesen Abgrund stürzen könnte, sondern auch noch ein gutes Leben für die gesamte Menschheit erkämpfen könnte?\ Einerseits gibt es ermutigende Anzeichen. In der arabischen Welt kommt zu Massenaufständen und weltweit protestieren Menschen gegen die Auswirkungen der Krise, entweder gegen konkrete Sparprogramme, gegen die Macht der Finanzinstitutionen oder für eine „wirkliche Demokratie".\ Doch andererseits stürzte der arabische Frühling zwar reihenweise üble Diktatoren. Doch momentan sieht dort die Perspektive nicht gerade rosig aus, die Revolution droht zwischen den Kräften der alten Regime, etwa dem ägyptischen Militär, einerseits und erstarkenden konterrevolutionären, in erster Linie islamistischen Kräften zerrieben zu werden. Die Abwehrkämpfe gegen die Verelendungspolitik in den europäischen Krisenstaaten, wie Griechenland, Portugal, Spanien etc. verbleiben dagegen noch viel zu oft in den geordneten Bahnen, die ihnen von Gewerkschaften und „linken" Gruppen vorgegeben werden. Und große Teile der sog. „Occupy-Bewegung" verwechseln einmal mehr die Wallstreet mit dem Kapitalismus und geraden dadurch mitunter in gefährliches Fahrwasser. Und auch die Forderungen der sog. „Empörten" nach wirklicher Demokratie verbleiben meist in der Hoffnung nach einer besseren Politik, statt deren Aufhebung zu fordern.
Es gibt es also viel zu diskutieren:
Wie es weitergeht, was wir tun können, was die Ursachen der Krisen sind und vieles mehr. Und dazu wollen wir Euch einladen. Einmal im Monat wollen wir mit Euch gemeinsam einen Text lesen und versuchen diese Fragen zu lösen. Der erste Termin wird am Sonntag, dem 15. April um 15 Uhr in der KTS, Baslerstr. 103 in Freiburg stattfinden. Fortgesetzt werden soll der Diskussionszyklus dann an jedem dritten Sonntag im Monat. Die jeweils zu lesenden Texte finden sich unserer Diskussionsseite.
La Banda Vaga, Februar 2012
Den syrischen Frühling unterstützen!
02.03.2012
Das syrische Baath-Regime geht weiter gnadenlos gegen die Protestbewegung und selbst gegen alle Menschen, die auch nur in Regionen leben die als \"Protesthochburgen\" gelten vor. Städte wie Homs liegen unter dem Dauerfeuer der Armee. Inzwischen sind tausende Menschen getötet worden, noch Viele mehr wurden verhaften, gefoltert oder mussten aus Syrien fliehen. Wer die Proteste in Syrien aktiv unterstützen will, kann dies unter adoptrevolution tun. Einfach ein Komitee aussuchen und Spenden!
Kein Blut für Öl!
23.12.2011
Seit Mai diesen Jahres streiken in der kasachischen Stadt Szanaozen die ÖlarbeiterInnen für höhere Löhne und „gleichen Lohn für gleiche Arbeit", da ausländische Spezialisten mehr verdienen. Zudem verlangen sie, dass über 900 ihrer KollegInnen wiedereingestellt werden und ihre Anwältin Natalia Sokolova aus der Haft entlassen wird. Jene war zusammen mit dem Gewerkschaftsaktivisten Akzhanat Aminov auf Bestreben der Geschäftsführung hin verhaftet worden und zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der Gewerkschafter Zhaksylyk Turbaev wurde im August von unbekannten Tätern ermordet. Mitterweile ist Szanaozen laut einem Bericht von der Außenwelt komplett abgeschnitten. Gegen eine Demonstration am Nationalfeiertag wurde von der Polizei scharfe Munition eingesetzt, wobei nach variierenden Schätzungen 50 bis 150 Menschen getötet wurden. Ein ausführlicher Pressespiegel findet sich hier. Eine Online-Petition gegen das brutale Vorgehen des kasachischen Staates kann unterschrieben werden.
Tea-Party in Frankreich
16.12.2011
Nachdem im August allen ArbeiterInnen der Teebeutelfabrik Fralib in Gemenos in der Nähe von Marseille gekündigt wurde, besetzten diese das Werk und planen die Produktion selbstorganisiert weiterzuführen. Das diese Selbstverwaltung in kapitalistischen Verhältnissen nicht zu befreiten Zuständen führen kann, ist den ArbiterInnen laut einer Reportage der Jungle World bewusst. Dennoch versuchen sie so gegen die drohende Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse anzukämpfen. Statt der bisher umweltschädlichen Produktion mit chemischen Zusatzstoffen, wollen die BesetzerInnen auf biologisch hergestellte Pflanzen aus der Provence und auf Fair-Trade setzen um so „bewusste KonsumentInnen" zu gewinnen.
Kosmoprolet \#3 erschienen
09.12.2011
[{.image .image-thumbnail width="141" height="200"}]{.inline .inline-left}Zusammen mit den Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft aus Berlin und der Gruppe Eiszeit aus Zürich präsentieren wir nun nach gut 2 Jahren die dritte Ausgabe von Kosmoprolet. Wie schon in der zweiten Ausgabe dreht sich inhaltlich vieles um die Krise, ihren aktuellen Stand, ihre Auswirkungen und mögliche Perspektiven.
Aus dem Editorial:\ »Indem sie sich bis über beide Ohren verschuldeten, konnten Regierungen in aller Welt die sogenannte Finanzkrise eindämmen; dann präsentierten die Ratingagenturen ihnen die Rechung ... Das Resultat dieses Manövers ist kein neuer Aufschwung sondern eine noch bedrohlichere Krise der Staatsfinanzen ... Die entschlossenen Versuche der Krise Herr zu werden, waren jedoch vergeblich; [...] die Bankenkrise hat sich zu jener Staatsschuldenkrise gemausert, die mittlerweile die Eurozone zu sprengen droht.«
In Freiburg ist die Ausgabe in der Jos Fritz Buchhandlung zu erwerben. Mehr Infos zur aktuellen Ausgabe sowie die Texte von Kosmoprolet Nummer 1 und 2 gibt es auf www.kosmoprolet.org.
Kosmoprolet: Fragebogen zur Leiharbeit
21.11.2011
Der folgende Text, der in der dritten Ausgabe des Kosmoprolets erschienen ist, stellt einen ersten Versuch dar, unsere Intentionen einen Fragebogen zur Leiharbeit zu erstellen und zu verteilen, zu reflektieren. Außerdem enthält er bereits eine erste vorläufige Auswertung der bis zu diesem Zeitpunkt ausgefüllten Bögen.\ Der Fragebogen zur Leiharbeit kann noch immer online ausgefüllt werden.
1\ Anfang 2011 gab es circa eine Million Leiharbeiterinnen1{#footnoteref1_y8qrncx .see-footnote} in Deutschland. Dies ist der bisherige Höhepunkt der vierzigjährigen Entwicklung der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung. Erstmals wurde diese 1972 gesetzlich geregelt, seit Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer mehrstufigen Ausdehnung der »Überlassungsdauer«, das heißt der Zeitspanne, die Leiharbeiterinnen am Stück an einen Betrieb ausgeliehen werden dürfen. Blieb die Leiharbeit bis in die 1990er Jahre -- mit »nur« circa 140.000 Betroffenen im Jahr 19942{#footnoteref2_cj55d28 .see-footnote} -- noch ein Randphänomen innerhalb der Arbeitsverhältnisse, in das hauptsächlich besonders schlecht gestellte Gruppen, wie zum Beispiel unqualifizierte Arbeiterinnen und Migrantinnen, gezwungen werden, so kam es im Zuge der Reformen der rot-grünen Bundesregierung zu einer enormen Ausdehnung dieses Sektors. Die Höchstgrenze der Überlassungsdauer wurde, ebenso wie das Wiedereinstellungsverbot, völlig abgeschafft. Diese Liberalisierung führte zu einem regelrechten Boom der Leiharbeit. Von 2002 bis 2007 verdoppelte sich die Anzahl der Leiharbeiterinnen, die der Entleihbetriebe verdreifachte sich sogar.3{#footnoteref3_50d1mxs .see-footnote} Dass Unsicherheit nicht, wie die Gewerkschaften propagieren, aus dem Missbrauch der Leiharbeit resultiert, sondern deren Normalität und Zweck darstellt, zeigte sich deutlich beim Ausbruch der Krise 2008, als kurzerhand fast 180.000 Leiharbeiterinnen entlassen wurden.4{#footnoteref4_7xo8yul .see-footnote}
Die Liberalisierung und Ausdehnung der Leiharbeit ist aber keine singuläre Erscheinung, sondern Ausdruck der allgemeinen Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse, die sich seit den 1970er Jahren beobachten lässt. Jobs ohne Aussicht auf längere Beschäftigung, ständiger Wechsel des Wohnorts aufgrund ständig wechselnder Arbeitsplätze und Löhne, die nicht zum Überleben reichen, sind auch in den Metropolen des kapitalistischen Weltsystems keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern werden zum Normalzustand. Im Jahr 2010 waren hierzulande im Schnitt 1,383 Millionen Menschen wegen ihres niedrigen Einkommens zusätzlich auf Hartz IV angewiesen5{#footnoteref5_ito8r7o .see-footnote} und ungefähr zwei Prozent aller Lohnabhängigen befinden sich derzeit in Leiharbeit.6{#footnoteref6_79b9h64 .see-footnote}
Diese Flexibilisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse ist und war aber nicht primär das Werk bösartiger neoliberaler Think Tanks -- auch wenn es diese durchaus gibt -- die den guten, arbeiterinnenfreundlich gesonnenen Keynesianismus mutwillig zerstörten, sondern sind ebenso ein Produkt der Krise des Kapitals, die Anfang der 1970er einsetzte, wie auch eine Reaktion auf die Arbeitskämpfe seit Ende der 1960er Jahre.
2\ Das Ende des Keynesianismus hatte mehrere Gründe, die im Folgenden kurz angerissen werden sollen.7{#footnoteref7_lx1gw47 .see-footnote} Einerseits endete in den 1970ern die Boomphase des kapitalistischen Nachkriegszyklus, die, jedenfalls in den Metropolen, durch eine niedrige Arbeitslosigkeit, relativ stabile Arbeitsverhältnisse und eine starke Ausdehnung des Massenkonsums gekennzeichnet war. Dies galt aber auch in den westlichen Ländern nur für die Stammbelegschaften, nicht für die schon damals prekär lebenden »Ränder« der Arbeiterinnenklasse wie die besonders schlecht gestellten sogenannten Gastarbeiterinnen. Die immer weiter voranschreitende Ausdehnung der Kapitalisierung durch den Massenkonsum gelangte in den 1970er Jahren aber zu ihrem vorläufigen Ende. Gleichzeitig kam es in der Produktion durch die Nutzung neuer Technologien, vor allem des Mikrochips, zu einer außergewöhnlichen Produktivitätssteigerung. Die Folge daraus war, dass immer mehr Waren immer billiger und schneller produziert werden konnten, ohne dass der Markt schnell genug wachsen konnte, um diese Flut an Produkten abnehmen zu können. Die dem Kapitalismus inhärente Tendenz zur Überproduktion wurde dadurch krisenhaft. Neben die ständige Tendenz zur Überproduktion trat auch noch die durch die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalen hervorgerufene Neigung, einen immer größeren Anteil ihres Kapitals in Maschinen zu investieren. Dies führte zwar zu einer höheren Produktivität, aber auch zur Abnahme der Möglichkeit, den Mehrwert auch zu realisieren. Besonders durch die Einführung des Mikrochips kam es zu einer sprunghaften Verschiebung innerhalb des Verhältnisses zwischen konstantem Kapital (beispielsweise Maschinen) und variablem Kapital (Lohnkosten), das Marx als organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet.8{#footnoteref8_0qp6d54 .see-footnote} Da Maschinen aber keinen Mehrwert produzieren können, wird der Anteil des realisierbaren Mehrwerts pro Ware geringer. Zum Ausgleich müsste mehr verkauft werden; unmöglich, wenn eine weitere Ausdehnung des Marktes nicht mehr möglich ist.
Andererseits kam es im selben Zeitraum weltweit zu massiven Arbeitskämpfen, die eine Zeit lang verhinderten, dass das Kapital seine Verwertungsschwierigkeiten durch eine Erhöhung der Ausbeutungsrate auf die Arbeiterinnen abwälzen konnte. In Frankreich konnte 1968 eine Steigerung des Mindestlohns SMIC um 35 Prozent (!) erkämpft werden, und auch in Sektoren, in denen der Mindestlohn nicht galt, wurden die Löhne aufgrund der Kämpfe um mindestens zehn Prozent erhöht. Parallel zu den Lohnerhöhungen schafften es die Arbeiterinnen, in den fünf darauf folgenden Jahren eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung von über sechs Stunden zu erkämpfen.9{#footnoteref9_2ofa0t8 .see-footnote} Obwohl die Lohnerhöhungen in Frankreich bald darauf von der steigenden Inflation aufgefressen wurden, bedeuteten die weltweiten Kämpfe für höhere Lohne und bessere Arbeitsbedingungen, dass die Verwertungskrise nicht sofort durch eine Intensivierung der Ausbeutung gelöst werden konnte; stattdessen führten sie zu einer Verschärfung der Krise.
3\ Das Kapital sah sich also aus zwei Gründen gezwungen, seine bisherige Produktionsweise zu ändern. Einerseits, um wieder profitabel produzieren zu können und einen Weg aus der Verwertungskrise zu finden; andererseits, um die Arbeiterinnenmacht zu brechen und die bisherigen Widerstandsformen des Proletariats unmöglich zu machen. Die Lösung war letztlich recht simpel, sie war in ähnlicher Form bereits zuvor praktiziert worden. Die Produktion wurde in einzelne Zweige aufgespalten und an weitere Standorte, zumeist in der Peripherie, verlagert. Es blieb eine nur relativ kleine Kernbelegschaft in den Zentren zurück.
Hier wurden zum Teil auch Forderungen der Arbeiterinnenkämpfe aufgenommen und auf eine für das Kapital produktive Weise umgesetzt. So ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiten durchaus Ausdruck der Arbeitskämpfe der 1960er und 1970er Jahre, die unter anderem gegen die »9 to 5 world« (The Ramones) gerichtet waren; auch flache Hierarchien mögen auf den ersten Blick den Arbeitenden entgegenkommen. Der gewünschte Effekt war jedoch ein anderer: Die Arbeitsbelastung verschärfte sich und das Arbeitspensum stieg. Gleichzeitig kontrollierten sich die Belegschaften selbst und wurden letztlich vielfach Managerin in eigener Sache. Die Internalisierung der kapitalistischen Verhältnisse durch das Individuum ist eines der wesentlichen Ergebnisse des sogenannten Neoliberalismus. Jedes Individuum ist seine eigene Ich-AG und muss sein Leben lang daran arbeiten, seine Arbeitskraft für den Markt in Form zu halten. Dies geht bei der frühkindlichen Förderung los, setzt sich über den Fitness-Kult bis hin zum sogenannten lebenslangen Lernen fort. Nichts wird heute mehr einfach so gemacht, alles dient der Verwertung des eigenen Ichs. Zeitgleich gab es eine Zunahme sogenannter Sweatshops in der Peripherie, in denen unter miesesten Arbeitsbedingungen »just in time« produziert wird. Dieser sowohl technologische als auch räumliche Fix10{#footnoteref10_qplmonl .see-footnote} ermöglichte es dem Kapital, rentabler zu produzieren und gleichzeitig die Arbeiterinnenmacht, jedenfalls fürs Erste, zu brechen.
4\ Dennoch blieben die grundsätzlichen Krisentendenzen der kapitalistischen Produktion bestehen, wie nicht zuletzt die Finanzialisierung des Kapitals, das heißt die Verlagerung des Kapitals von der nicht mehr lukrativen Produktionssphäre in die Finanzwirtschaft, belegt. So stand der Dow-Jones-Index Mitte der 1970er noch deutlich unter der Marke von 1000 Punkten und erhöhte sich um das circa 14-fache auf über 12.000 Punkte im Jahr 2001 und stand 2007 sogar schon über 14.000 Punkten.11{#footnoteref11_wie875d .see-footnote} Während sich die Arbeiterinnen der Peripherie aber in den letzten Jahrzehnten nicht ohne gewisse Teilerfolge wehrten, wie die Klagen der Unternehmer über die Lohnsteigerungen der chinesischen und indischen Arbeiterinnen in letzter Zeit zeigen,12{#footnoteref12_ryaqepm .see-footnote} gelang dies den Arbeiterinnen in den alten Zentren kaum.
5\ Die stetigen Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse in den Metropolen, die etwa in England und den USA schon in den 1980er Jahren mitunter gegen große Gegenwehr durchgedrückt wurden (Stichworte Reaganomics und Thatcherism), konnten in Deutschland erst mit der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder endgültig durchgesetzt werden und fanden ihren Ausdruck in erster Linie in der sogenannten Agenda 2010. Diese beinhaltete neben den berüchtigten Hartz- Gesetzen auch die bereits beschriebene massive Ausweitung der Leiharbeit. Daneben wurden aber auch befristete und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wie Mini- oder Midijobs und prekäre Formen der Selbständigkeit (etwa die Ich-AGs) sowie staatliche Zwangsarbeitsverhältnisse wie Ein-Euro-Jobs durchgedrückt. Wie erfolgreich die rot-grüne Bundesregierung war, analysiert eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung,13{#footnoteref13_hkf0zk0 .see-footnote} die zeigt, dass sich der Anteil der jungen Erwachsenen in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen von 1997 bis 2007 mehr als verdoppelt hat. 2007 arbeiten knapp 40 Prozent der Berufseinsteiger in Leiharbeit, als Teilzeitkraft oder in einer befristeten Stelle. Die seit knapp zehn Jahren betriebene Ausdehnung und Liberalisierung der Leiharbeit in Deutschland ist also ein Ausdruck einer allgemeinen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den alten kapitalistischen Zentren mit dem Zweck, die Arbeitskraft besser zu verwerten. Sie ist für das Kapital notwendig, da die stetig sinkende Profitrate eine Erhöhung der Ausbeutungsrate erfordert.
Anhand der Leiharbeit können mehrere Merkmale dieser Welle beispielhaft aufgezeigt werden. Die Arbeitskraft soll möglichst flexibel und zu einem möglichst geringen Preis ausgebeutet werden. Zusätzlich wird durch das Nebeneinander einer immer kleiner werdenden Kernbelegschaft -- mit relativ sicheren Arbeitsbedingungen und vergleichsweise höheren Löhnen -- und Leiharbeiterinnen, die teilweise wöchentlich ihre Arbeitsstelle wechseln, die Belegschaft gespalten. Auf die Festangestellten dürfte die alltägliche Begegnung mit den schlechter gestellten Leiharbeiterinnen disziplinierend wirken, wenn deren Los als eigene Perspektive im Falle einer Kündigung oder Standortschließung erscheint.
6\ Aus der Analyse der Leiharbeit als Beispiel für die neuen unsicheren, flexiblen und noch schlechter bezahlten Arbeitsverhältnisse können sich daher wichtige Informationen über die veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnenklasse und deren Kampfbedingungen ergeben. Als Gruppe beschäftigen wir uns daher seit Längerem mit dem Thema Leiharbeit. Neben der Diskussion von Erfahrungen und Texten engagierten wir uns im »Bündnis gegen Leiharbeit«, das mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen in Freiburg versuchte, die Problematik der Leiharbeit an konkreten Beispielen aufzuzeigen. Es wurden mehrere Stadtspaziergänge durch die Freiburger Innenstadt, eine Filmreihe und Informationsveranstaltungen im örtlichen Autonomen Zentrum, in (nicht szenetypischen) Kneipen und in einem Stadtteilzentrum organisiert. Dazu wurden mehrere Flugblätter zum Thema geschrieben und verteilt.
Der Organisationsaufwand und der Papierausstoß waren also groß, jedoch blieb die erhoffte Resonanz seitens der Leiharbeiterinnen aus. Stattdessen fand sich auf Veranstaltungen eine zwar wohl gelittene, aber altbekannte Klientel ein. Diese Form der politischen Arbeit schien am Interesse der Arbeiterinnen vorbei zu gehen. Offenbar war es nötig, mit ihnen in einen Dialog zu treten, anstatt ihnen unsere »fertigen« Analysen ihrer Situation in Form von Flugblättern oder Redebeiträgen vorzusetzen. Aus dieser Überlegung heraus versuchten wir, angelehnt an frühere Versuche, wie sie unter anderem von Marx bis hin zu den Operaisten unternommen worden waren, einen Fragebogen zu entwickeln, der sich speziell an Leiharbeiterinnen richtet; einerseits um in Kontakt mit Leiharbeiterinnen außerhalb unseres eigenen sozialen Netzes zu treten und so einen Einblick in deren Lebens- und Arbeitsrealitäten zu gewinnen. Andererseits wollten wir jedoch nicht unsere kritische Position aufgeben und nur passiv Informationen sammeln, sondern durch bestimmte Fragen zur Bewusstseinsbildung beitragen; wir wollten uns nicht als Analytiker der heutigen Klassenstruktur auf Grundlage einer wissenschaftlich »neutralen« Position darstellen, sondern strebten einen Austausch »auf Augenhöhe« an.
Besonders zwei Intentionen unterscheiden dabei unsere Herangehensweise von der einer soziologischen Untersuchung. Erstens wollen wir keine Untersuchung von außen betreiben. Wir sind nicht nur nach unserer Stellung im Produktionsprozess als Festangestellte, Leiharbeiterinnen, Auszubildende, Studierende und Arbeitslose Teil der selben Klasse, sondern auch unseren Anliegen nach. Wir wollen eben nicht objektive Studien über die heutige Realität von Arbeiterinnen betreiben, sondern den gemeinsamen Kampf stärken: Nicht für die Klasse, sondern als Teil von ihr. Zweitens wollen wir -- und das ergibt sich aus unserem oben dargestellten Verhältnis zur Klasse -- nicht innerhalb der Produktionsverhältnisse Probleme aufdecken, um sie zu lösen; wir wollen die Widersprüche also nicht glätten, sondern sie zuspitzen. Dieser Anspruch, ohne den eine solche Untersuchung sinnlos wäre, ist theoretisch leicht formuliert und wird kaum Widerspruch von Seiten emanzipatorisch eingestellter Menschen ernten. In der Realität ist diese Abgrenzung zur Soziologie bei weitem schwieriger. Wie können wir die gewonnenen Erkenntnisse auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen oder gar eine Anleitung zu einem Handeln daraus ableiten, das nicht auf eine kosmetische Besserung der Verhältnisse zielt, sondern auf deren Aufhebung? Der vorliegende Fragebogen ist somit eher als ein Instrument zu sehen, mit dem Menschen zum Nachdenken über ihre Situation angeregt werden sollen. Sicherlich wäre es auch wünschenswert, einen kontinuierlicheren Austausch herzustellen, um daraus eine gemeinsame Praxis abzuleiten.
7\ Der Fragebogen wurde in Freiburg an verschiedenen Stellen ausgelegt, an denen er auch ausgefüllt zurückgegeben werden konnte, zusätzlich wurde er an verschiedene Portale und Foren im Internet verschickt und steht auf unserer Homepage bereit. Dort wurde der Bogen dann auch von einer Reihe Menschen ausgefüllt. Hier ein erster kurzer Überblick über die beantworteten Fragebögen. Als erstes Ergebnis lässt sich festhalten, dass es »die Leiharbeit« nicht gibt, sondern dass die beschriebenen Arbeitsverhältnisse sich deutlich unterscheiden. Auch innerhalb der Leiharbeit gibt es bessere und schlechtere Jobs. Die Leiharbeiterinnen, die unseren Bogen ausgefüllt haben, arbeiten alle in verschiedenen Firmen, und zwar sowohl in Hinblick auf die Entleih- als auch auf die Verleihfirmen, so dass wir einen relativ breiten Überblick über die Arbeitsfelder erhielten. Diese erstreckten sich vom Produktionsbereich (etwa in einer Fahrradfabrik) über den Einzelhandel bis hin zu Bürotätigkeiten in der Verwaltung. Keine und keiner derjenigen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, wird ihrer/seiner Ausbildung entsprechend bezahlt. Der Stundenlohn bewegte sich bei allen im Niedriglohnbereich zwischen 5,00 und 7,90 Euro. Die Beschäftigungsdauer variierte hingegen stark: von zwei Monaten bis zu vier Jahren. Ebenso unterschiedlich war das Verhältnis der Leiharbeiterinnen zu den Festangestellten in den Betrieben, es lag zwischen 30 : 1 und 40 : 700. Auch das Zahlenverhältnis zwischen Frauen und Männern und Menschen mit und ohne deutschen Pass variierte je nach Branche erheblich. Der lange Teil des Fragebogens, der Streiks, Organisierung und Gewerkschaften betrifft, wurde mangels Kämpfen nur sehr sporadisch ausgefüllt. Auffällig war, dass sich keiner der Ausfüllenden von den Gewerkschaften vertreten fühlt und kaum Hoffnung in politische Organisationen, wie Parteien oder außerparlamentarische Gruppen, besteht. Lediglich die Linkspartei und die radikale Linke wurden vereinzelt genannt. Dies ist eine erste Gemeinsamkeit der Antworten, die insgesamt ein zwar illusionsloser, aber resignierter Ton durchzieht. Obwohl man mehr schlecht als recht über die Runden kommt, hat kaum jemand Hoffnung, dass die eigene Lebenssituation besser werden könnte.
Die Chancen, einen »regulären« Job zu bekommen oder frühzeitig in Rente gehen zu können, werden pessimistisch gesehen, ebenso herrscht Pessimismus im Hinblick auf mögliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit. Somit ergibt sich aus den ausgefüllten Fragebögen zusammenfassend, dass die Leiharbeit die Menschen noch mehr fertig macht als die »normale« Lohnarbeit. Das Kapital stört sich daran sicherlich zuletzt.
Ob sich daraus auch Chancen ergeben? Erhöht beispielsweise die Tatsache, dass man sich von Parteien und Gewerkschaften -- die sonst dafür zuständig sind, Kämpfe in geordnete Bahnen zu lenken -- nichts erhofft, die Wahrscheinlichkeit, dass zu selbst bestimmten Kampfformen gegriffen wird? Das lässt sich aus den Antworten nicht ableiten. Zumindest verhindern die ständigen Wechsel von einem Betrieb zum anderen, aber auch von einer Tätigkeit zur anderen es weitgehend, dass sich in der Leiharbeit der reaktionäre »Produzentenstolz« entwickelt. Und dieser hat sich noch immer als Hemmnis für den Kampf gegen die Lohnarbeit erwiesen.
- [1. Im folgenden Text wird ausschließlich der weibliche Genus verwendet.]{#footnote1_y8qrncx}
- [2. http://www.bpb.de/wissen/5ZCX6D]{#footnote2_cj55d28}
- [3. http://www.bpb.de/files/OM11VQ.pdf]{#footnote3_50d1mxs}
- [4. Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Zeitarbeit - aktuelle Entwicklungen, www.arbeitagentur.de]{#footnote4_7xo8yul}
- [5. http://m.zdf.de/h/1/0,6741,8238957,00.html]{#footnote5_ito8r7o}
- [6. http://www.bza.de/fileadmin/bilder/2011/Zeitarbeitsstatistik.pdf]{#footnote6_79b9h64}
- [7. Eine genauere Auseinandersetzung mit diesen Gründen findet sich in: Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft, Thesen zur Krise, Kosmoprolet 2 (2009), 16-49.]{#footnote7_lx1gw47}
- [8. Karl Marx, Das Kapital. Erster Band, Marx Engels Werke, Bd. 23, 640ff.]{#footnote8_0qp6d54}
- [9. Mouvement Communiste, Der Mai/Juni 1968. Eine verpasste Gelegenheit der Arbeiterautonomie, Beilage zur Wildcat 81 (2008).]{#footnote9_2ofa0t8}
- [10. Beverly Silver, Forces of Labor. Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870, Berlin, Hamburg 2005.]{#footnote10_qplmonl}
- [11. Samuel H. Williamson, Daily Closing Value of the Dow Jones Average, 1885 to Present, MeasuringWorth, 2011, www.measuringworth.com/DJA/]{#footnote11_wie875d}
- [12. Vgl. China verabschiedet sich von Billigproduktion, Wirtschaftswoche, 16.6.2010; Turnschuhfertigung in China ist Adidas zu teuer, Die Welt, 26.7.2008.]{#footnote12_ryaqepm}
- [13. Berufseinsteiger bekommen kaum noch feste Stellen, Die Welt, 13.9.2010.]{#footnote13_hkf0zk0}
\"Frühschicht\"-Vortrag fällt leider aus!
14.11.2011
Der für den 15.11.2011 geplante Vortrag zu \"Frühschicht - Linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\" muss aufgrund einer Erkrankung des Referenten leider ausfallen. Der Vortrag wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Buchvorstellung \"Frühschicht - linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\"
30.10.2011
Am 15.11.2011 präsentieren der Rosa Luxemburg Club Freiburg und La Banda Vaga die Buchvorstellung von Jan Ole Arps \"Frühschicht - Linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\". Diese findet um 19:00 Uhr im Hörsaal 3043 im Kollegiengebäude III der Universität Freiburg am Platz der Universität 3 statt.
Klaus Franz hat es getan, Berthold Huber hat es getan, Joschka Fischer hat es getan.
«Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Aber ohne die Arbeiterklasse hatten wir keine Chance, die Welt zu verändern, so viel war klar.» Das schreibt Harry Oberländer 1977, einige Jahre nachdem er als revolutionärer Aktivist bei Opel in Rüsselsheim angeheuert hatte. Vom Studenten zum Arbeiter.
Was heute kaum vorstellbar klingt, war Anfang der 70er Jahre weit verbreitet. Auf die antiautoritäre Revolte von 1968 folgte für viele der Schritt in die Produktion; einige Tausend junge Linke tauschten den Seminarstuhl gegen die Werkbank ein, um die Arbeiterklasse für Revolution und Kommunismus zu begeistern.
Inzwischen ist Klaus Franz (ehemals Mitglied der maoistischen KPD/AO) Betriebsratsvorsitzender bei Opel, Berthold Huber (ehemals Mitglied in der Vorgängerorganisation der MLPD) Vorsitzender der IG Metall, und Joschka Fischer (ehemals Revolutionärer Kampf, Frankfurt) war der erste grüne Außenminister und berät nun deutsche Unternehmen aller Sparten.
Über die bunte Vielfalt der linken «Betriebsintervention» ist hingegen kaum noch etwas bekannt. Ebenso fast vergessen: Auch in bundesdeutschen Fabriken herrschten in jenen Jahren keineswegs nur Ordnung, Fleiß und Disziplin. Zwar ließen sich die westdeutschen ArbeiterInnen anders als in Frankreich oder Italien nicht von der revolutionären Begeisterung mitreißen, die die Universitäten erfasst hatte, doch wilde Streiks waren häufig und hohe Lohnabschlüsse die Regel.
Der Vortrag geht der Faszination nach, die diese Ereignisse auf die rebellischen StudentInnen hatte. Es behandelt die K-Gruppen, die sich an Lenins Modell der Kaderpartei orientierten, ebenso wie die Spontis, deren Schlachtruf «Wir wollen alles» lautete und die die These von der Autonomie der Arbeiterkämpfe in der Fabrik erproben wollten. Es zeichnet den Weg junger Linker in die Betriebe nach und schildert, welche Erfahrungen sie dort machten. Damit handelt es vom Konflikt zwischen revolutionären Wünschen und den Mühen des Alltags, von Begeisterung und Ernüchterung über die Arbeiterklasse und von der Krise der autoritären Disziplin, die zur Krise der Großfabrik und der an ihr orientierten politischen Ansätze beitrug.
Jan Ole Arps, Jahrgang 1978, hat Politikwissenschaft studiert. Er lebt in Berlin, ist Redakteur bei «ak -- analyse & kritik» in der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) und dem Euromayday Netzwerk aktiv und arbeitet -- wenn möglich -- als freier Autor., in der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) und dem Euromayday Netzwerk aktiv und arbeitet -- wenn möglich -- als freier Autor.
Wem gehört die Stadt?
07.10.2011
Am 29.10.2011 findet um 14 Uhr ab Bertholdsbrunnen eine Demonstration unter dem Motto: \"Wem gehört die Stadt? Gegen Verdrängung. Mieten stoppen. Eine Stadt für Alle\" statt.\ Die Wohnungsfrage ist in Freiburg schon seit einigen Jahren die bedeutendste soziale Auseinandersetzung. Von MieterInnenprotesten gegen immer weiter steigende Mieten, über den verhinderten Versuch die städtischen Wohnungen zu privatisieren bis hin zu Kämpfen um Wagenplätze und \"autonome Freiräume\" reichte das Spektrum der Konflikte. Mit der Demonstration sollen diese Kämpfe nun zusammengebracht werden. Denn wessen Welt ist die Welt?
Jetzt also die USA!
07.10.2011
Junge Menschen, die von der Krise besonders hart durch Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und überhaupt durch eine fehlende Zukunftsperspektive betroffen sind, besetzen öffentliche Plätze, demonstrieren für ein anderes Leben und werden von der Polizei verprügelt und verhaftet. Diese Bilder kannten wir bisher nur aus Tunesien, Ägypten, Israel, Spanien, Griechenland und und und... Doch jetzt hat die globale Protestwelle auch die USA erreicht. Nach den massiven Protesten in Wisconsin und den Gefangenstreiks und --kämpfen nehmen sich Protestierenden nun die globalen Krisenproteste zum Vorbild. Nachdem die Proteste erst auf New York beschränkt waren, breiten sie sich nun über das ganze Land aus und immer größere Teile der Bevölkerung beteiligen sich. Die Krisenproteste haben jetzt also die Zentren des kapitalistischen Weltsystems erreicht.
Soziale Bildungsproteste in Chile
20.08.2011
In Chile protestieren SchülerInnen, LehrerInnen und Studierende seit Monaten für kostenlose Ausbildung an Schulen und Universitäten. Seit der massiven Privatisierungswelle, während der Pinochet-Diktatur, kostet das Studieren an den Universitäten und einen Großteil der Schulen so viel Geld, dass deren Besuch für die Mehrheit der Bevölkerung nicht möglich ist und für die meisten Anderen eine unerträgliche finanzielle Belastung darstellt. Nach mehreren Protesten mit über 100.000 TeilnehmerInnen, geriet der chilenische Staat so unter Druck, dass er in den letzten Wochen mehrere Demonstration verbot, daraufhin ging die Polizei brutal gegen die DemonstrantInnen vor und verhaftete fast 900 Protestierende.
Stoppt das Massaker in Syrien!
10.08.2011
Seit Beginn der „syrischen Revolution" vor einigen Monaten geht die Assad-Diktatur mit brutaler Gewalt gegen die Protestierenden vor. Demonstrationen werden von Scharfschützen zusammengeschossen, tausende Menschen verschleppt, Städte die im Verdacht stehen oppositionelle Hochburgen zu sein von Panzern beschossen usw. Doch trotz dieser unfassbaren Brutalität gehen die Menschen in Syrien immer noch zu hunderttausenden auf die Straßen in der Hoffnung die Diktatur zu stürzen. Mögen sie erfolgreich sein.
Arabische Zustände in Spanien?
22.05.2011
Schwappt die arabische Revolution jetzt nach Europa? Zumindest in Spanien demonstrieren Zehntausende gegen die etablierten Parteien. Sie besetzen nach ägyptischen Vorbild öffentliche Plätze und fordern eine umfassende Umwälzung des politischen Systems. Spanien ist von der globalen Krise des kapitalistischen Weltsystems besonders schwer getroffen. Selbst nach offiziellen Zahlen beträgt die Arbeitslosigkeit 21,3%, unter Jugendlichen sogar 43,5 %. Noch hat sich die Kritik nicht zu einer umfassenden Infragestellung von Ökonomie und Politik radikalisiert. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Eine paar Bemerkungen zum Wandel der arabischen Welt
20.05.2011
Im Folgenden dokumentieren wir einen Text der Gruppe \"Lichtstrahlen\", den diese uns als Diskussionsbeitrag zu unserem Text »Walk like an Egyptian« geschickt haben. Wir bedanken uns ausdrücklich für die Zusendung bei den GenossInnen. Nur durch gegenseitige Kritik und Diskussion kann es zu einem revolutionären Prozess kommen.
Ein paar Bemerkungen zum Wandel der arabischen Welt
Die arabische Welt ist im Wandel. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat sich eine Revolution so schnell ausgebreitet, wie es in diesen Tagen der Fall ist. Was als einfacher Protest gegen miserable Zustände in Tunesien und Algerien begann, hat sich ausgebreitet über Libyen nach Saudi Arabien, bis an die Ölstaaten und sogar bis nach China. In Tunesien und Ägypten wurden die Autokraten bereits verjagt, in Libyen stehen die Zeichen auf Bürgerkrieg. Ägypten, politisch wie militärisch stärkstes Land der Region, wird zum Zentrum des Aufstands.
1.\ Obwohl die BerichterstatterInnen der bürgerlichen Presse anderer Meinung sind, handelt es sich hierbei nicht um eine spontane Wut über die Missstände, oder eine plötzliche Welle von Unmut. Revolutionen geschehen niemals „einfach so aus dem Nichts heraus". Die eigentlichen Ursachen für die Vorfälle sind schon viel früher zu beobachten. Als Mubarak 1981 in Ägypten die Macht ergriff, betrieb er eine Politik der Westöffnung, die den modernen Kapitalismus in das bis dahin rückständige Land brachte. Die InvestorInnen waren fast ausschließlich ausländisch, was nicht nur die unteren, sondern auch die oberen Schichten aufbrachte, die mit den neuen KonkurrentInnen nicht mithalten konnten, und schnell ins Hintertreffen gerieten. Da das Kapital auf die ägyptischen Arbeitskräfte nicht angewiesen war, da es über eigene besser ausgebildete verfügte, stieg die Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Armut des neuen Prekariats rapide an. Erste Unruhen gab es bereits 1984, als der Brotpreis erhöht werden sollte. Des Weiteren bewirkte die Westöffnung, dass der bis dahin geächtete Großgrundbesitz wieder ins Land kam und die KleinbäuerInnen in die Städte getrieben wurden. Dieser der „ursprünglichen Akkumulation" ähnelnde Prozess schuf eine neue Klasse, die es bis dato in Ägypten nicht -- oder nur vereinzelt -- gegeben hatte: das moderne Proletariat. Die immer noch hohe Erwerbslosigkeit führte auch zum sinken der Wirtschaftshilfe aus den USA, die vorher bei über einer Milliarde US-Dollar lag. Diese Arbeitslosigkeit traf nicht nur die unteren Schichten, sondern auch und vor allem die gebildeten ArbeiterInnen, AkademikerInnen und Co. Seit 2004 gab es deswegen in Ägypten mehr oder weniger starke Proteste und Unruhen, die schließlich zur Gründung der Graswurzelbewegung „Kifaja" führten, die sich aus allen Teilen der Bevölkerung zusammensetzt. Kifaja ist aber nicht der alleinige Träger der Proteste: nachdem Einbruch der Wirtschaftskrise, die Ägypten besonders schwer traf, bildeten sich illegale Gewerkschaften, da die einzige legale Gewerkschaft systemkonform war und noch nie in der ägyptischen Geschichte einen Streik unterstützt hat. Diese illegalen Gewerkschaften traten aggressiv auf und organisierten Streiks im ganzen Land, sobald es zu Angriffen des Kapitals kam. So erschütterte in den Jahren 2009 und 2010 eine Welle von Massenstreiks das Land. Die Ursachen für die Unzufriedenheit der Menschen liegen also viel weiter zurück, als ein oberflächlicher Blick vermuten lässt.
2.\ Nach dem Mord an einem systemkritischen Blogger auf offener Straße am 6. Juni 2010, gründete sich im sozialen Netzwerk Facebook die Gruppe „We are all Khaled Said", die heute über 100.000 Anhänger zählt. Nach dem Wahlbetrug im November 2010 gab es neuerliche Streiks und Proteste, die Wut stieg kontinuierlich an. Dieses schon lange brodelnde Fass wurde durch den Suizid eines armen Gemüsehändlers, der eigentlich ausgebildeter Informatiker war und wie viele Menschen in der Region aufgrund von Arbeitslosigkeit sein Gewerbe ändern musste, zur Explosion gebracht. Die grauenvolle Situation dieses Mannes steht hierbei sinnbildlich für die allgemein schlechten Lebensbedingungen im internationalen Krisenkapitalismus. Von Tunesien schwappte die Welle der Aufstände auch nach Ägypten über. Die Revolte bediente sich dabei einem Medium, über das der Staat keine, oder nur beschränkte Kontrolle hatte. Über das Internet gab es Aufrufe für Demonstrationen, auf Facebook und auf vielen Blogs, die eilig ins Netz gestellt wurden. Hunderttausende folgten diesen Aufrufen. Allerdings ist hierbei auch zu sagen, dass die Proteste nicht so friedlich Verliefen, wie manche Medien denken ließen. Es kam zu Straßenkämpfen mit der verhassten und korrupten Polizei, auf die die zum Großteil jugendlichen DemonstrantInnen allerdings bestens vorbereitet waren. Zu erwähnen wären hier auch die Kairoer Ultras, die Barrikaden errichteten, bestens organisiert auftraten und sogar die Logistik übernahmen. Mubarak versuchte Chaos auszulösen und die Proteste zu diskredieren, in dem er die Polizei zurück pfiff, was jedoch fehlschlug. Die Forderungen der Bewegung bezogen sich vorerst freie Wahlen, die Einhaltung der Menschenrechte, Mubaraks Rücktritt und die Reform der Verfassung.
3.\ Zu Beginn kamen die Auslöser und Hauptakteure des Aufstands aus der jungen Mittelschicht und aus den Reihen die schon genannten gut ausgebildeten arbeitslosen AkademikerInnen. Das lässt sich schon daran erklären, dass nur 16% der Ägypter über einen Zugang zum Internet verfügen, welches ja maßgebliche für die Revolte verantwortlich war. Zu diesem Spektrum zählt z.B. auch die „Jugendbewegung des 6. April", die sich als Unterstützungskomitee zu einem der bedeutendsten Streiks der letzten Jahre gegründet hatte, und zu der sich heute etwa 100.000 Leute zugehörig fühlen. Auf die Mittelschicht folgten die Armen und Proletarisierten aus den Vorstädten und Slums, die eigentlich den ersten Schritt hätten machen können, allerdings nicht über die nötige Vernetzung verfügten. Das die Unterschicht auf die Straße ging, hatte zur Folge, dass sich die Polizei stark verunsichert zurückzog, da sie ihre Leute zum Großteil aus eben jener Schicht rekrutiert. Dadurch wurde die Bewegung zu einem Massenaufstand. Auch die illegalen Gewerkschaften, die schon vorher Arbeitskämpfe geführt hatten, schalteten sich jetzt ein und nahmen auch politisch Stellung. Der schiere Pluralismus des Aufstands ist in dieser Angelegenheit seine größte Stärke. Die Bewegung lässt sich nicht einfach als Unzufriedenheit einzelner Gruppen darstellen, schon gar nicht nach dem sich auch noch ältere Generationen eingeschaltet haben. Allerdings ist der schnelle Umsturz im Land nicht allein Verdienst des Volkes. Wichtige Unterstützung erhielten sie vom Militär, das die Forderungen der Demonstranten für legitim erklärte, und auch Teilen der alten Regierung, die mit der bisherigen Politik Mubaraks unzufrieden waren. Hauptgrund dafür ist die Kapitalvergabe an ausländische Investoren, die die einheimischen Eliten viel Macht und Geld gekostet hat. Ebenfalls wichtiger Akteur ist die islamistische Moslembruderschaft, die sich hauptsächlich aus der Mittelschicht und Unternehmern zusammensetzt. In der Vergangenheit richtete sie ihre Taktik auf eine Art Entrismus, mit dem sie Staat und Wirtschaft unterwandern wollte, war jedoch bis jetzt wenig erfolgreich.
4.\ Die momentane Lage stellt sich als sehr schwierig und komplex dar und obwohl die großen Probleme jetzt erst noch kommen, so ist doch zumindest schon mal eine Forderung der Demonstranten erfüllt: Mubarak ist weg. Am autokratischen Regime hat sich allerdings wenig geändert. Die Übergangsregierung besteht quasi komplett aus den alten Mächten, und das beim Volk sehr beliebte Militär, dass schon seit der 1952 alle Fäden in der Hand hat, hat neue Wahlen erst in sechs Monaten angekündigt. Ob das Militär dies auch einhalten wird, ist nicht gewiss. Durch die gegebene Entwicklung hat es seine alte Macht wiedererlangt, wodurch sich von selbst erklärt, dass es die Revolte zumindest passiv unterstützte. Durch neue Wahlen würde der ganze Einfluss wieder zunichte gemacht, schlimmer noch: ein neuer Präsident könnte dem Militär noch mehr Macht wegnehmen, als es jemals vorher besaß. Denn ob eine demokratische gewählte Regierung eine Armee toleriert, die über solch immense Macht besitzt, wie die ägyptische, was sich schon daran zeigt, dass sie über eigenes Kapital verfügt, ist sehr fraglich. Zwar kündigte die Militärregierung Reformen an und manche davon wurden auch schon durchgesetzt, aber das gewaltsame Vorgehen der Soldaten gegen friedliche DemonstrantInnen am 8. März zeigt sehr deutlich, welche Machtansprüche das Militär besitzt. Noch schwammiger wird es beim Thema internationale Beziehungen, vor allem beim Verhältnis zu Israel. Zwar kündigte die Übergangsregierung an, den Friedensvertrag unangetastet zu lassen, doch Antisemitismus und Antizionismus sind in den arabischen Ländern leider keine Seltenheit. Inwiefern diese Strömungen -- vor allem die Moslembruderschaft - also Einfluss auf den außenpolitischen Kurs Ägyptens bekommen, wird wohl fürs erste offen bleiben. Die alte Polizei, die jetzt nicht mehr in Uniform auf den Straßen zu sehen ist, scheint sich in Auflösung zu befinden. Teile ihrer Mitgliederschaft demonstrierten vor diversen Staatseinrichtungen für höhere Löhne und Immunität für vergangene Verbrechen, andere Teile schlossen sich gar den Aufständischen an.
5.\ Nach der Flucht Mubaraks scheinen sich nun auch Risse in der vorher einigen Oppositionsbewegung aufzutun. Beim weiteren Vorgehen nach dem Sturz des Diktators gehen Ziele und Meinungen weit auseinander. Während die bürgerliche Protestbewegung auf eine neue und bessere Herrschaft, bloß diesmal durch eine demokratische Regierung aus ist, und sich schon teilweise von den Straßen zurückgezogen hat, gehen die Streiks der illegalen Gewerkschaften weiter. Die Moslembruderschaft, die sich bis jetzt im Hintergrund hielt, kündigte neuerdings auf ihrer Internetseite an, mehr Einfluss auf das Militär nehmen zu wollen. Sie besitzt einiges an Macht im Land, und sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Die bis dahin relativ einige Oppositionsbewegung wird wahrscheinlich an den unterschiedlichen Ansichten auseinander brechen -- es sei denn, das Militär oder jemand anderes richtet eine neue Diktatur ein, die die Massen in ihrem Hass (auf diese Diktatur) wieder einen würde. Die Konflikte traten nicht nur theoretisch, sondern auch offen auf auf. Am 8. März kam es sogar schon zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems mit mehreren Toten. Wichtig ist jetzt in erster Linie, dass die Bewegung zwar einerseits einheitlich genug bleibt, wenn sich nicht von den alten Mächten zerschlagen werden will, und damit sie genug Kraft auf die Straßen bringt, aber andererseits, dass sich die emanzipatorischen Kräfte von den reaktionären und bürgerlichen Protesten abspalten. Es ist ein sehr schwieriges Unterfangen, das es zu meistern gilt.
6.\ Obwohl so mancher Blödmann aus irgendeiner geschichtlichen Logik ableitet, dass es sich bei der Revolte nur um einen bürgerlichen Schritt in der Weltgeschichte handelt, so ist sie doch weit mehr als das. Zwar mögen die Auslöser der Revolution die Mittelschicht und die jungen, gebildeten Menschen gewesen sein, doch der eigentliche Antrieb der Revolte kam von der Wut des ägyptischen Prekariats, eine Wut über die miserablen Lebensumstände und die eigene Unbrauchbarkeit für das Kapital. Diese Wut wird auch nicht dadurch zum ersticken gebracht, dass einfach eine neue Regierung gewählt wird. Der Staat steht diesen Menschen die er selbst aus ihren Fabriken getrieben hat, vollkommen ratlos gegenüber. „Den Wütenden kann nichts mehr angeboten werden, sie eignen sich nur noch als Schreckgespenst für andere: An ihnen wird entweder das Elend der Armut oder das Gewaltmonopol des Staates zur Schau getragen." (Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft, 28 Thesen zur Klassengesellschaft) In diesem Sinne reihen sich die Proteste auch ein in die Aufstände in den Pariser Banlieues 2005, Griechenland 2008, sowie im Iran 2009. Die Forderung der ProletarierInnen und Prekarisierten -- ein besseres Leben -- ist nicht innerhalb der Verwertungszwänge des Kapitals zu haben, und es gibt absolut keinen Grund, warum sich dies bei einer bürgerlichen Regierung ändern sollte. Die Aufstände und Streiks der ArbeiterInnen und Arbeitslosen gehen weiter, und zwar unabhängig von den anderen Protesten. Genau wie im Iran übt man sich auch schon teilweise in Selbstorganisation, und mancher Orts wurden bereits ArbeiterInnenkomitees gebildet. Wenn die Proletarisierten Erfolg haben wollen -- in welcher Weise auch immer -- geht das nur durch die Eigenständigkeit ihrer Proteste, und durch Organisationsformen, die nicht wieder in die Bürokratie westlicher Gewerkschaften verfallen. Doch selbst wenn ihre Aktionen dieses Mal unterdrückt werden sollten -- ganz abzuwenden sind sie nicht mehr.
Gruppe »Lichtstrahlen«\ am 10. März 2011
Zeitarbeitsgewerkschaft nicht tariffähig
31.03.2011
[{.image .image-_original width="142" height="200"}]{.inline .inline-left} In seiner Entscheidung vom 14.12.2010 hat das Bundesarbeitsgericht der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit aberkannt. Die CGZP hatte 2003 den ersten bundesweiten Flächentarifvertrag für Zeitarbeitsunternehmen abgeschlossen, doch bereits ab Ende 2007 wurde ihre Tariffähigkeit bezweifelt.
Das Schöne daran: wenn Du in den letzten Jahren einen Arbeitsvertrag bei einer Zeitarbeitsfirma hattest, der auf den Tarifvertrag der CGZP beruhte, hast Du Anspruch auf Lohnnachzahlung. Mehr Hintergründe gibt es in der Jan/Feb 2011-Ausgabe der »Direkte Aktion« sowie online auf www.direkteaktion.org.
Neue Emailadresse
28.03.2011
Nachdem wir schon seit geraumer Zeit eine neue Homepage haben, läuft\ Ende März auch unsere alte Emailadresse aus. Ab April sind wir nur noch über die Adresse info ät labandavaga.org oder das Kontaktformular zu erreichen.
Class war in the USA
25.03.2011
Mitte Februar kündigte der mithilfe der rechten Tea-Party-Bewegung an die Macht gekommene Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, einerseits Steuergeschenke an Reiche und Konzerne und andererseits ein massives Sparprogramm im Sozialbereich an. Dies segneten zuerst auch die Gewerkschaften ab, doch als der Gouverneur auch noch die Gewerkschaftsrechte beschneiden wollte, kam es zu den größten sozialen Protesten in den USA seit vielen Jahren. DemonstrantInnen besetzten das Kapitol in Madison und täglich demonstrierten tausende auf den Straßen. Inzwischen ist es dem Gouverneur mithilfe eines Tricks gelungen das Gesetz durchzudrücken, doch die Proteste gehen inzwischen landesweit, weiter.
»Walk like an Egyptian«
16.03.2011
Warum eigentlich nicht!
[{.image .image-_original width="219" height="60"}]{.inline .inline-right}Im Dezember 2010 kommt es in Algerien zu massiven Protesten gegen horrende Preissteigerungen von Grundnahrungsmitteln. Gleichzeitig eskalieren auch in Tunesien, in der Stadt Sidi Bouzid, Protestaktionen der Bevölkerung, nachdem sich dort der junge arbeitslose Informatiker Mohamed Bouazizi aus Verzweiflung selbst mit Benzin übergossen und angezündet hat. Die Unruhen weiten sich schnell aus und ergreifen bald die gesamte arabische Welt1{#footnoteref1_wrhp15u .see-footnote}. Ob in Ägypten, Libyen, Jordanien, dem Jemen oder sogar den Ölemiraten am Golf: überall die gleichen Bilder von Massendemonstrationen und Straßenschlachten mit der Polizei. Und die Proteste sind sogar, im Gegensatz zu den bisherigen Anti-Krisenprotesten wie etwa gegen die Rentenreform in Frankreich, relativ erfolgreich. Neben späten Eingeständnissen der Machthaber -- die Erhöhung von Löhnen, die Senkung von Lebensmittelpreisen oder die Freilassung von politischen Gefangenen -- gelingt es den Demonstrierenden in Tunesien und Ägypten ihre Potentaten zu vertreiben. Am 14. Januar 2011 verlässt der tunesische Diktator Zine el-Abidine Ben Ali nach 13 Jahren an der Macht fluchtartig das Land. Nur einem Monat später folgt ihm der ägyptische Staatschef Muhammad Husni Mubarak. Und weitere arabische Gewaltherrscher könnten noch folgen. So konnte sich etwa vor einigen Wochen noch niemand vorstellen, dass die Macht des sog. Revolutionsführer Muammmar al-Gaddafi ins Wanken geraten würde. Doch noch hält sich dieser mit brutaler Gewalt an der Macht und stürzt das Land in den Bürgerkrieg. Ausgang ungewiss.
Der arabische Aufstand und die Weltwirtschaftskrise
Woher kommt dieser plötzliche Aufstand, der anscheinend die ganze Welt überrascht hat? Schließlich zeigten uns die Medien bis dato aus der arabischen Welt immer nur aufgepeitschte Menschenmengen, die Israel- oder Amerikafahnen verbrannten und als bedrohliche Masse den Westen in Angst und Schrecken versetzten. Und nun organisieren sich diese Menschen kollektiv, fordern ihre Freiheit und vertreiben Despoten. Kommt das alles quasi aus dem nichts? Wohl kaum. Bereits kurz nach dem Ausbruch der aktuellen Phase der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 kam es zu weltweiten Nahrungsmittelunruhen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ein Zentrum der Unruhen war bereits Nordafrika gewesen. Ausgelöst wurden die Unruhen damals durch den dramatischen Anstieg der Rohstoffpreise, so daß sich die Grundnahrungsmittel massiv verteuerten. Eine Ursache für die höheren Preise war und ist die Tatsache, dass das Kapital aufgrund seiner Verwertungskrise in den »sicheren Hafen« der Rohstoffe investiert. Bisherige Anlagemöglichkeiten, wie etwa Immobilien und Finanzprodukte sind durch die Krise ausgefallen und da das Kapital bei Strafe des eigenen Untergangs gezwungen ist, sich zu verwerten, bieten sich -- wie in jeder Krise -- Rohstoffe an. Doch dies hat für Milliarden Menschen existenzbedrohende Folgen, die sich bereits 2007/2008 in sog. Food-Riots entluden. Bei den damaligen Protesten wurden die Grundlagen für den jetzigen Erfolg der Aufstände, etwa in Ägypten und Tunesien gelegt. Große Streiks in der ägyptischen Textil- und der tunesischen Schwerindustrie und das Entstehen von Solidaritätskomitees bildeten die Basisstrukturen, auf denen die heutigen Revolten aufbauen konnten. In Ägypten war dies etwa die Facebook-Gruppe »6.April«, die von UnterstützerInnen der streikenden TextilarbeiterInnen gegründet wurde und bei der Organisierung der jetzigen Proteste wieder eine bedeutende Rolle spielte.
Was hat der arabische Aufstand mit uns zu tun?
[{.image .image-thumbnail width="185" height="136"}]{.inline .inline-right}Die Menschen in der arabischen Welt haben die ersten Meldungen über Unruhen in Tunesien und Algerien sofort verstanden und konnten sich darin wiederfinden. Ob in Mauretanien oder im Jemen, die Menschen kämpfen für die gleichen Ziele und erkennen darin einen Kampf. Doch eine globale Ausweitung der Aufstände ist bisher unterblieben. Nur im Iran blitzen die Proteste, die die Regierung nach den gefälschten Wahlen 2009 brutal niedergeschlagen hatte, wieder auf und in China kommt es zu virtuellen Protesten gegen die Machthaber. Aber warum bleibt es in Europa so ruhig? Ist die Situation der Jugend hier so anders als in der arabischen Welt? Einerseits natürlich ja, politische Freiheiten werden anderswo brutaler unterdrückt und der Lebensstandard ist deutlich elender als in Europa. Aber andererseits wird auch in Europa die Situation gerade für die junge Generation immer unerträglicher. Massive Angriffe auf Arbeiterinnen und Arbeiter folgten der Krise auf den Fuß. Dabei werden unsere Arbeits- und Lebensverhältnisse schon seit Jahren immer unsicherer. Ob Leiharbeit, befristete Jobs, die »Generation Praktikum« oder Rentenkürzungen. Jede und jeder muss nur noch schauen wie sie oder er über die Runden kommt2{#footnoteref2_0l4cd23 .see-footnote}. Laut der »Hans-Böckler-Stiftung« sind 2007 bereits 40% der jungen Erwachsenen gezwungen, bei ihrem Berufseinstieg in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Und seitdem wurde es nicht besser! Einzelne Aufstände in den letzten Jahren, etwa in den französischen Vorstädten oder der Dezemberaufstand 2008 in Griechenland zeigten schon, daß auch hier die Wut auf die Verhältnisse groß ist. Doch blieben sie vereinzelt und konnten deshalb nicht erfolgreich sein.
Nehmen wir uns ein Beispiel an den Menschen in Tunesien, in Ägypten, im Iran und erkämpfen wir endlich eine Gesellschaft, in der ein gutes Leben für uns alle möglich ist. In der niemand mehr gezwungen sein wird zu hungern oder sich ausbeuten zu lassen. In der die Freiheit der anderen die Notwendigkeit unserer eigenen Freiheit ist.
La Banda Vaga, März 2011
- [1. Eine Übersichtskarte gibt es bspw. in der Le monde diplomatique vom 13.03.2011: http://mondediplo.com/IMG/arton5902.jpg]{#footnote1_wrhp15u}
- [2. Wir verweisen hier auf unsere Texte, Flugschriften und Redebeiträge zum Thema]{#footnote2_0l4cd23}
Solidarität mit den AktivistInnen von Ssangyong!
13.03.2011
Nach der Betriebsbesetzung von Ssangyong Motors 2009 in Südkorea folgt nun eine erhebliche Repressionswelle die insbesondere langjährige AktivistInnen treffen soll. Acht Mitglieder der der revolutionär-sozialistischen Gruppe \"Socialist Workers\' Alliance of Korea\" (SWLK) standen vor Gericht und wurden nach dem Gesetz für nationale Sicherheit angeklagt, welches theoretisch noch immer die Todestrafe für \"pro-nördliche\" Aktivitäten vorsieht und vor der demokratischen Wende Südkoreas als \"Gummiparagrah\" diente, um die politische Opposition zu unterdrücken. Die Staatsanwaltschaft forderte 5-7 Jahre Haft für die Mitglieder der SWLK, wobei vor allem Flugblätter als Beweismaterial dienten, welche während des Streiks an Ssangyong-MitarbeiterInnen verteilt wurden. Mittlerweile wurde ein Urteil gesprochen, dieses sieht Haftstrafen von ein bis anderthalb Jahren zur Bewährung ausgesetzt und Geldstrafen (ca. 500\$) vor. Mehr Infos gibt es hier und hier
Papiere für Alle!
13.03.2011
Seit dem 25. Januar befanden sich 300 Flüchtlinge in Griechenland in einem Hungerstreik, um die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus zu erreichen. In einer Vollversammlung am 23. Januar 2011 forderten sie: \"Wir kamen hierher, vertrieben von Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegen, Diktaturen. (...) Der Westen, der unsere Länder ausplündert, mit seinem unvergleichlich höheren Lebensstandard ist für uns die einzige Hoffnung, wie Menschen zu leben. (...) Wir befinden uns in unwürdigen Zuständen und im Dunkel der Illegalität, damit die Arbeitgeber und die staatlichen Institutionen von der brutalen Ausbeutung unserer Arbeit profitieren. Wir leben von unserem Schweiß und mit dem Traum, eines Tages gleiche Rechte mit unseren griechischen Kollegen zu bekommen.\" Am 9. März beendeten sie den Hungerstreik, nachdem es umfangreiche Zugeständnisse seitens der Regierung gab.
Soli! Party!
07.11.2010
Am Samstag, den 13.11., laden wir euch zu der ultimativen Punkrock vs. 90er Soli-Party in die KTS ein. Nach über einem Jahr Partyabstinenz hat La Banda Vaga in ihren alten Plattenkisten gekramt und aus dem weitläufigen Archiv von Bravo Hits und The Dome CDs für euch die besten Songs der 90er ausgegraben. Im großen Floor seht ihr euch wieder zurück in die 90er versetzt und fühlt euch wie auf euren ersten Teenie-Konzerten der Backstreet Boys, Mr. President oder Tic Tac Toe. Weil uns euer Wohl besonders am Herzen liegt, gibt es für die ersten 90 Leute im passenden 90er Outfit (das ist mehr als nur ne passende Kopfbedeckung) ein Dosenbier oben drauf. Für alle, die entweder zu alt oder zu jung für die 90er sind oder einfach einen zu guten Musikgeschmack haben, gibt es im kleinen Floor die creme de la creme des Punk und Hardcore der 70er, 80er, 90er und 2000er. Von Black Flag bis Kaput Krauts ist alles dabei, alles was eure Punkrockherzen höher schlagen lässt.
We'll never break your heart and Punk`s not dead!
Wir sind wieder online!
29.10.2010
Nach langer Zeit haben wir es geschafft, unsere Seite wieder online zustellen. Bitte passt eure Links und Lesezeichen an und achtet auch auf die neue Emailadresse. Leider haben wir, unserem Namen entsprechend, zu selten Backups erstellt, so dass mehr oder weniger alles, was wir 2010 online stellten, irgendwo in /dev/null liegt. Sorry dafür.\ An dieser Stelle möchten wir auch antifa.net für die vielen Jahre danken, die wir dort unser virtuelles Zuhause hatten, der Wegzug ist uns nicht leicht gefallen.
Fragebogen zur Leiharbeit
28.10.2010
[{.image .image-_original width="300" height="137"}]{.inline .inline-right}Die ständige Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen hat durch die massive Ausweitung der Leiharbeit noch einmal eine neue Qualität bekommen. Unsere Arbeitskraft wird dabei von zwei Unternehmen ausgebeutet, wir müssen ständig abrufbereit sein und die Löhne liegen deutlich unter denen derer, die noch festangestellt sind. Wir, eine Gruppe von Arbeitenden, Azubis, Arbeitslosen und Studierenden, die sich unter dem Namen La Banda Vaga zusammengeschlossen haben, wollen uns gegen diese miesen Verhältnisse wehren. Deshalb engagieren wir uns u.a im Freiburger Aktionsbündnis »Leiharbeit abschaffen«.\ Mit Hilfe dieses Fragebogens versuchen wir mehr über die Situation von Menschen in Leiharbeit herauszufinden, um dadurch geeignete Widerstandsmaßnahmen zu entwickeln. Dies ist also keine \"wissenschaftliche\" Untersuchung, bei der es darum geht aus einer scheinbar neutralen Beobachterposition heraus Fakten anzuhäufen. Uns geht es darum, wie wir gemeinsam mit Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern für die Verbesserung unserer Lebensverhältnisse kämpfen können.\ Wir wollen mit Dir in einen Dialog treten. Entweder über diesen Fragebogen oder wenn Du lieber direkten Kontakt mit uns haben willst per Email oder das Kontaktformular. Wir würden uns freuen mit Dir ins Gespräch zukommen und erhoffen uns viele Anregungen von Deiner Seite.
Natürlich sind alle Angaben freiwillig. Fragen, die Du nicht beantworten willst, lässt Du einfach offen. Du kannst uns aber auch andere Dinge, die Dir auf der Seele brennen mitteilen. Selbstverständlich geben wir die Daten an niemanden weiter.
Fragebogen zur Leiharbeit
28.10.2010
[{.image .image-_original width="300" height="137"}]{.inline .inline-right}Die ständige Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen hat durch die massive Ausweitung der Leiharbeit noch einmal eine neue Qualität bekommen. Unsere Arbeitskraft wird dabei von zwei Unternehmen ausgebeutet, wir müssen ständig abrufbereit sein und die Löhne liegen deutlich unter denen derer, die noch festangestellt sind. Wir, eine Gruppe von Arbeitenden, Azubis, Arbeitslosen und Studierenden, die sich unter dem Namen La Banda Vaga zusammengeschlossen haben, wollen uns gegen diese miesen Verhältnisse wehren. Deshalb engagieren wir uns u.a im Freiburger Aktionsbündnis »Leiharbeit abschaffen«.\ Mit Hilfe dieses Fragebogens versuchen wir mehr über die Situation von Menschen in Leiharbeit herauszufinden, um dadurch geeignete Widerstandsmaßnahmen zu entwickeln. Dies ist also keine \"wissenschaftliche\" Untersuchung, bei der es darum geht aus einer scheinbar neutralen Beobachterposition heraus Fakten anzuhäufen. Uns geht es darum, wie wir gemeinsam mit Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern für die Verbesserung unserer Lebensverhältnisse kämpfen können.\ Wir wollen mit Dir in einen Dialog treten. Entweder über diesen Fragebogen oder wenn Du lieber direkten Kontakt mit uns haben willst per Email oder das Kontaktformular. Wir würden uns freuen mit Dir ins Gespräch zukommen und erhoffen uns viele Anregungen von Deiner Seite.
Natürlich sind alle Angaben freiwillig. Fragen, die Du nicht beantworten willst, lässt Du einfach offen. Du kannst uns aber auch andere Dinge, die Dir auf der Seele brennen mitteilen. Selbstverständlich geben wir die Daten an niemanden weiter.
»Giù le mani - Hände weg«
13.07.2010
Film- und Diskussionsveranstaltung
Im März und April des Jahres 2008 streikten die ArbeiterInnen der SBB Cargo in den Eisenbahnreparaturstätten Bellinzonas. Sie forderten den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und erhielten Solidarität aus grossen Teilen der Bevölkerung. Während des Streiks traten die ArbeiterInnen erstmals in einen Dialog über ihre gemeinsame Lage und überwanden so ihre Isolierung. Sie artikulierten ihre Bedürfnisse und Interessen kompromisslos und bildeten ein Streikkomitee, welches teilweise aus UNIA- und SEV-GewerkschaftlerInnen bestand. Obwohl ihr Kampf defensiv\ war, fehlte es ihm nicht an einer gewissen Radikalität.
Der Film zeigt den vierwöchigen Streik, der mit dem Erhalt aller\ Arbeitsplätze endete, sowie die Selbstverwaltung, Selbstorganisation und Diskussion innerhalb der Streikenden dokumentiert.
La Banda Vaga lädt herzlich ein zu Film & anschliessender Diskussion am 13.07.2010 - 20:00 in der KTS Freiburg.
»Es geht nicht nur um unsere Haut«
29.06.2010
Film- und Diskussionsveranstaltung in der KTS Freiburg
Der Film \"Es geht nicht nur um unsere Haut\" schildert den ArbeiterInnenkampf des Berliner BSH-Werkes (Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH) in Berlin-Spandau. Am 6. September 2006 findet sich die Belegschaft dort zu einer 16-tägigen Betriebsversammlung zusammen, nachdem sich die Konzernleitung für die Schließung des Werkes entschieden hat. Dort stimmt die überwältigende Mehrheit der Beschäftigten für einen Streik, mit dem Ziel, des vollständigen Arbeitsplatzerhalts und ausbleibender Lohnkürzungen. Angesichts womöglich drohender Arbeitslosigkeit knüpft die Belegschaft auch Verbindungen zu dem Kampf von Erwerbslosen gegen Hartz IV. Um über diesen Kampf zu informieren und um für gegenseitige Solidarität zu werben, besuchen Teile der Belegschaft in einem \"Marsch der Solidarität\" Schwesterbetriebe und Zulieferer. Zunächst wird diese sehr kämpferisch-solidarische Stimmung der ArbeiterInnen durch die Gewerkschaft IG-Metall noch mitgetragen. Der IG-Metall vertrauen die Beschäftigten daher auch die Verteidigung ihrer Interessen gegenüber der
- für die ArbeiterInnen unerreichbare - Betriebsleitung an. Allerdings entpuppt sich die IG-Metall nach den geführten Verhandlungsgesprächen als Sprachrohr des Kapitals: die Verhandlungsergebnisse der IG Metall mit der Betriebsleitung unterlaufen sämtliche Ziele der streikenden ArbeiterInnen.
Zudem müssen nach Satzung der IG Metall diese Ergebnisse angenommen werden und damit die Fortsetzung des Streiks ausbleiben, obwohl die große Mehrheit der Beschäftigten gegen die Verhandlungsergebnisse der IG Metall stimmt. Hat hier die Gewerkschaft nun das in den Grenzen des Möglichen Machbare gegen die vielleicht realitätsfernen Illusionen der ArbeiterInnen durchgesetzt und einen Großteil der Beschäftigten so erfolgreich vor der Arbeitslosigkeit gerettet? Oder erweist sich eine Gewerkschaft wieder einmal mehr als Bändiger proletarischer Renitenz und Spontaneität?
Am 29.6.2010 um 20 Uhr in der KTS Freiburg.
»Ende der Vertretung - Emmely und der Streik im Einzelhandel«
15.06.2010
Film- und Diskussionsveranstaltung in der KTS Freiburg
Die Agenda 2010 der rotgrünen Bundesregierung hat ihr Ziel erreicht: Die Vergrößerung des Niedriglohnsektors und die Ausweitung ungesicherter Beschäftigungsverhältnisse. Mit der Einführung der sog. Arbeitsmarktreformen Hartz I-IV wurden Leiharbeit, Mini-, Midi- und Teilzeitjobs, befristete Arbeitsverhältnisse und ähnliches für immer größere Teile der Lohnabhängigen zur Normalität. Die Beschäftigten des Einzelhandels sind von diesen prekären Arbeitsbedingungen besonders betroffen. In diesem Sektor gibt es kaum noch reguläre Arbeitsverhältnisse.
Doch diese Entwicklung ging nicht ohne Proteste vonstatten. Als Ende 2006 auch noch die Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit gekürzt werden sollten, begann der längste Streik in der Geschichte des deutschen Einzelhandels. Aber die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft führte den Streik, der teilweise bis zu anderthalb Jahren dauerte, so defensiv, dass viele Streikende sich enttäuscht abwandten. Und auch die Unternehmen gingen mit allen Mitteln gegen die Streikenden vor. So wurde die KaiserŽs Kassiererin Emmely, die noch als einzige in ihrer Filiale streikte fristlos entlassen, da sie angeblich einen Pfandbon einer Kundin für sich einlöste. All dies zeigt der Dokumentarfilm \"Ende der Vertretung. Emmely und der Streik im Einzelhandel\", den wir am 15.06. um 20:00 in der KTS Freiburg mit Euch schauen wollen und der der Anlass sein soll um zu überlegen, wie wir den fortschreitenden Verschlechterungen unserer Arbeits- und Lebensbedingungen etwas entgegensetzten können.
»Strike Bike! Eine Belegschaft wird rebellisch«
01.06.2010
Film- und Diskussionsveranstaltung
In der heutigen Veranstaltung am 1.6.2010 im Rahmen der La Banda Vaga Film- und Diskussionsreihe -Strike- wird der Film \"Strike Bike! Eine Belegschaft wird rebellisch\" gezeigt.
Im Juli 2007 besetzten die ArbeiterInnen der Fahrradfabrik -Bike-System- aus Nordhausen in Tühringen ihren Betrieb für 115 Tage, nachdem ihnen allen gekündigt wurde und ihre ausstehenden Löhne nicht bezahlt wurden. Während der Besetzung setzten die 126 ArbeiterInnen die Produktion eigenständig fort und produzierten insgesamt 1850 sogenannte \"Strike Bikes\". Besonders innerhalb linker Kreise fand dieses \"Stück Sozialgeschichte\" (Neues Deutschland) breites Echo.
Der für Deutschland in den letzten Jahren einzigartige Arbeitskampf wurde teilweise enthusiastisch gefeiert, er soll deshalb als Diskussionsgrundlage am heutigen Abend dienen. Aber ist die Fabrikbesetzung im 21. Jahrhundert noch ein adäquates Kampfmittel der ArbeiterInnen oder nur noch nostalgisches Überbleibsel aus dem vorigen Jahrhundert? Ist die Übernahme der Produktionsmittel in westlichen Ländern, die durch Dienstleistung und Produktionsteilung geprägt sind, überhaupt noch möglich? Oder endeten solche Besetzungen nicht schon immer in Selbstausbeutung?
Griechische Krankheit, deutsche Misere
01.05.2010
»...wenn die Demokraten die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den Staatsbankrott.«\ Karl Marx / Friedrich Engels
Der drohende Bankrott Griechenlands hat die Lohnabhängigen ins Zentrum des Geschehens gerückt. Er blamiert nicht nur die seit Monaten beschworene Stabilisierung der Weltwirtschaft als eine vorschnelle Diagnose, sondern führt vor allem in aller Drastik vor Augen, dass sie von der weiteren Opferbereitschaft der Ausgebeuteten abhängt und auf diese nicht überall gezählt werden kann. Das ist es, was den Fall Griechenland zum Menetekel macht und hierzulande eine aufgeregte Kampagne gegen die „Pleite-Griechen" (Bild) auslöste, die „über ihre Verhältnisse gelebt" und damit nicht nur den eigenen Staat, sondern auch den Euro in Gefahr gebracht hätten -- und die sich zu allem Überfluss nun, in der Stunde der größten Not, nicht etwa willig in ihr Schicksal staatlich verordneter Verarmung fügen, sondern lieber auf die Barrikaden gehen. Denn beim großen Gerangel um die Zukunft des griechischen Staates, das unter den Staatslenkern und Wirtschaftsführern Europas ausgebrochen ist, steht eines nicht zur Debatte: die Notwendigkeit harter Einschnitte in die Existenzmittel der lohnabhängigen Bevölkerung, ein Programm, das der britische Economist kürzlich mit der Nüchternheit der aufgeklärten Bourgeoisie in vier Worte fasste: Now comes the pain.
Nicht nur in Griechenland schlagen nun die Kosten der staatlichen Kriseneindämmung, mit der in den letzten anderthalb Jahren ein System-Crash verhindert werden konnte, voll zu Buche. Sie war nur um den Preis einer aberwitzigen Staatsverschuldung zu haben, die sich immer unübersehbarer selbst zum nächsten Krisenherd entwickelt und neben Griechenland auch Portugal, Spanien und andere Länder mit einem Bankrott bedroht. Es erinnert an den Rettungsschwimmer, der so weit ins Meer hinausschwimmen muss, dass er selbst abzusaufen droht; so zerplatzt das links wie rechts gehegte Traumbild des souveränen Staates, der mit sachkundigem Blick fürs Ganze die wild gewordene Ökonomie zähmen könne. Die keynesianischen Maßnahmen seit Beginn der Krise -- die Konjunktur-programme, die Stützung des Massenkonsums durch Abwrackprämien und dergleichen, der Beschäftigung durch Kurzarbeit -- bedeuten nur eine Verschiebung, nicht aber eine Lösung der Krise. Sie gehen mit einem Protektionismus und Nationalismus einher, der gegenwärtig immer bedrohlichere Formen annimmt. Diese zeigen sich im Kampf zwischen dem deutsch-französisch dominierten EADS-Konzern und dem US-Unternehmen Boeing um einen Milliardenauftrag des Pentagon, ebenso im Streit um die deutschen Exportüberschüsse oder die chinesische Politik, den Kurs der eigenen Währung niedrig zu halten. Durch keynesianische Maßnahmen haben sich Staatsdefizite aufgetürmt, die früher oder später, wenn kein Konjunkturwunder geschieht, nur auf Kosten der Lohnabhängigen wieder abgebaut werden können. Einerseits verdeutlicht diese Situation, dass die Marktökonomie nicht in der Lage war, alleine einen Crash zu vermeiden; andererseits, dass die Eingriffe des Staates die alten Probleme nicht gelöst, sondern nur durch neue ersetzt haben: Weder der liberale Glaube an die selbstheilenden Kräfte des Marktes noch das keynesianische Vertrauen auf staatliche Eingriffe bieten einen dauerhaften Ausweg aus der Krise.\ \ Enthielten die Vorschläge der reformistischen Linken, die Krise des Kapitals durch „Umverteilung von oben nach unten", durch eine Renaissance der alten Sozialdemokratie und etwas Finanzmarktregulierung zu überwinden, auch nur einen Funken Sachverstand, so würde die griechische Regierung keine Sekunde zögern, sie in die Tat umzusetzen, um der Konfrontation mit dem einheimischen Proletariat aus dem Weg zu gehen. In der Tat gibt sie sich alle Mühe, auch die steuerhinterziehenden Besserverdienenden zur Kasse zu bitten. Aber es geht nicht nur darum, Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Die Krise der griechischen Staatsfinanzen verweist auf die Schwäche der griechischen Wirtschaft, und eben dies zwingt den Staat, den Bluthund zu spielen. Was die Athener Regierung derzeit herbe Risikoaufschläge kostet, wenn sie ihre Haushaltslöcher durch Anleihen zu stopfen versucht, ist das geringe Vertrauen der Finanzwelt in die griechische Wirtschaft, aus der die Mittel zur Kredittilgung letztlich abgeschöpft werden müssen. Mit Bankgewerbe, Tourismus und Handelsschifffahrt hat die Krise mit voller Wucht eben die Sektoren erwischt, die Griechenland in den letzten Jahren ein bescheidenes Wirtschaftswachstum bescherten; eine weltmarktfähige Industrie existiert praktisch nicht und der tatsächlich aufgeblähte Staatsapparat, der einen Teil der überschüssigen Arbeitskraft absorbiert, ist unproduktiv, nicht Erzeuger, sondern Konsument von Mehrwert.\ \ Schon lange vor der Krise waren Staat und Bourgeoisie nach Kräften darum bemüht, die Konkurrenzfähigkeit ihres Landes durch Privatisierungen und die Forcierung prekärer Arbeitsverhältnisse zu verbessern -- und erhielten mit der Revolte vom Dezember 2008 eine erste Antwort der Proletarisierten. Der griechische Dezember, ausgelöst von tödlichen Polizeikugeln auf einen Jugendlichen, war die Sache der jungen Prekären, von Jobbern, Studentinnen, Schülern, Migrantinnen. Um Tausende zu Straßenkämpfen und Besetzungen zu bewegen, brauchte es nicht erst einen Absturz der Konjunktur; für einen wachsenden Teil des Proletariats bestanden die Aussichten ohnehin nur darin, sich lebenslänglich mit ungesicherten Drecksjobs durchzuschlagen. Während die Revolte auf diesen Teil begrenzt blieb, verfinstern sich nun mit der anlaufenden Sparpolitik die Aussichten auch der anderen, vergleichsweise besser gestellten Teile der lohnabhängigen Klasse: die Löhne im öffentlichen Sektor werden um zehn Prozent gekürzt, die ohnehin spärlichen Renten eingefroren, die Mehrwertsteuer erhöht; Pläne zur Lockerung des Kündigungsschutzes und zur Erhöhung des Renteneintrittsalters liegen bereits auf dem Tisch. Zu bedenken ist dabei, dass das Überleben in Athen nicht billiger ist als in Frankfurt, die tristen Löhne dort jedoch schon heute etliche Staatsangestellte dazu zwingen, nach Dienstschluss einem Zweitjob nachzugehen.\ \ Der griechische Staat findet sich so eingekeilt zwischen einem Vertrauensverlust der Finanzmärkte und einem Legitimitätsverlust bei den Lohnabhängigen: Ist er bei seinen Sparprogrammen nachgiebig, droht ihm die Zahlungsunfähigkeit; treibt er sie voran, riskiert er Streiks und Straßenschlachten. Griechische Genossinnen berichten von einem spürbaren Einfluss der Revolte vom Dezember 2008 auf die gegenwärtigen Proteste: Gewerkschaftsdemonstrationen gehen in Plünderungen über, Straßenkämpfe bleiben nicht auf das antiautoritär-anarchistische Milieu beschränkt und der Gewerkschaftsverband der stalinoiden Kommunistischen Partei (KKE), die den Dezember-Aufstand seinerzeit als Werk ausländischer Aufrührer denunzierte, besetzt plötzlich öffentliche Gebäude und Fernsehsender. Gleichzeitig schlägt sich die Hegemonie von KKE und regierungsnahen Gewerkschaften darin nieder, dass Streiks zeitlich begrenzt bleiben und die Antwort auf die Verarmungspolitik des Staates insgesamt viel zu schwach ausfällt. Die KKE wittert in den Protesten eine günstige Gelegenheit, ihren nationalistischen Anti-EU-Kurs zu propagieren, während SYRIZA, eine Art griechische Linkspartei, europäische Staatsanleihen und „gerechtere" Krisenbewältigung fordert.\ \ Kurz, die Gewerkschaften und die etatistische Linke in Griechenland sind so unbrauchbar wie überall, doch wie überall gilt, dass sie nicht als äußerlicher Hemmschuh der Klassenkämpfe denunziert werden können, sondern deren wirkliche Grenzen ausdrücken. Es sind von der griechischen Arbeiterinnenklasse keine Wunder zu erwarten; die Bedeutung der Zusammenstöße in Griechenland liegt darin, dass sie überhaupt den Klassengehalt der Krisenbewältigung offen legen, ihr Steine in den Weg rollen und das Chaos auf den Finanzmärkten und im Staatengefüge verschärfen.\ \ \ ... weit mehr als Griechenland
Bei dem medial inszenierten Spektakel, das sich gegen „die Betrüger", „die Trickser vom Mittelmeer" (Focus) richtet, geht es um weit mehr als Griechenland. Vorsorglich soll über alle Klassenschranken hinweg das verantwortungsvolle staatsbürgerliche Subjekt mobilisiert werden, das sich widerspruchslos in die Maschinerie von Kapital und Staat einpasst. Ein schöneres Gegenbild zum deutschen Steuerzahler als das von den faulen Griechen und ihrem morschen Staat hätte sich auch die PR-Abteilung der Bundesregierung kaum ausdenken können.\ \ Im Sinne effektiven Krisenmanagements hat sich das korporatistische Modell der deutschen Sozialpartnerschaft, entgegen der landläufigen Meinung von dessen Ableben, das die Kritikerinnen des sogenannten Neoliberalismus glauben beweinen zu müssen, bislang noch einmal vollkommen bewährt. Zu keinem Zeitpunkt hatte es eine andere Funktion, als die institutionalisierte Arbeiterbewegung in Gestalt der Gewerkschaften produktiv zu integrieren, um den Laden aufrechtzuerhalten. Als Co-Moderatorinnen der Krisenbewältigung haben die Gewerkschaften bisher ihre Funktion pflichtgemäß erfüllt. So schwadronierte IG-Metall-Chef Huber, sich den Kopf des Kapitals zerbrechend, dass die Branche „über die Krise hinweg müsse". Er verbrämte den jämmerlichen Abschluss der letzten Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, in welche die Gewerkschaften erstmalig ohne jegliche Lohnforderungen traten, als „faire Lastenverteilung". Gesamtmetall-Chef Kannegießer weiß solches Engagement zu schätzen und sprach seinerseits von einem eindrucksvollen „Zeichen gemeinsamen Krisenmanagements".\ \ Damit setzt sich fort, was Deutschland in den letzten Jahren ein Exportwunder bescherte und zugleich einer der Gründe für die „griechische Tragödie" ist. Durch die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften und die Flexibilisierung der Arbeit konnte Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen europäischen Staaten deutlich voran bringen; so sind Länder wie Griechenland unter verstärkten Druck geraten, während hierzulande von Krisenauswirkungen noch verhältnismäßig wenig zu spüren ist. Von vornherein ging es bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Währungsraumes darum, durch die Verlagerung der Geldpolitik auf eine supranationale Ebene wirtschaftlich schwächeren Staaten die Möglichkeit zu nehmen, durch eine Abwertung ihrer Währung die Position ihres nationalen Kapitals auf dem Weltmarkt zu verbessern. Statt dessen sollten die Staaten gezwungen werden, sich durch verschärfte Ausbeutung dem Produktivitäts-niveau ökonomisch stärkerer Staaten anzugleichen. Dabei war immer klar, dass dies in Ländern wie Griechenland nicht ohne einen radikalen Angriff auf die direkten wie indirekten Löhne möglich ist. Dieser Angriff wird nun in Griechenland mustergültig vorexerziert, und die Wirtschaftspresse spricht unverblümt aus, dass auch in Italien, Spanien, Portugal harte Einschnitte anstehen. Eben deshalb richten die Herrschenden Europas ihren Blick gebannt auf Athen: Wie weit kann man gehen, bis es knallt?\ \ ... über nationale Schranken hinweg
Für Deutschland scheint diese Frage weit hergeholt. Doch nicht von ungefähr sind neben den „Pleite-Griechen" auch die einheimischen Arbeitslosen wieder ins Visier geraten. Im Staatshaushalt für 2010 ist eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro vorgesehen. Hinzu kommen weitere 80 Milliarden für die beiden Konjunkturpakete und gleichzeitig verliert der Fiskus 8,5 Milliarden qua Steuerreform. Der Staat muss diese Verschuldung abbauen. Noch liegen die konkreten Pläne in der Schublade, aber das ganze ideologische Geplärre von „spätrömischer Dekadenz" seitens Westerwelle und Konsorten lässt erahnen, wohin die Reise gehen soll. Als Kombi-Packung wird die Hetze gegen griechisches „Parasitentum" und die „Trägheit" von Hartz-IV-Beziehern von der Charaktermaske Thilo Sarrazin (SPD), seines Zeichens Vorstandsmitglied der Bundesbank, feilgeboten. Er empfiehlt Griechenland den Gang in die Insolvenz und Arbeitslosen einen dicken Pullover, um die Heizkosten zu senken.\ \ Tatsächlich besteht die Ironie der jüngeren Arbeitsmarktreformen darin, dass sich Arbeit, wie Westerwelle ganz richtig bemerkt hat, für immer mehr Leute nicht mehr lohnt. Schon 2008 waren 1,4 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen -- Tendenz steigend. Der Hamburger Langzeitarbeitslose Arno Dübel wurde kürzlich als asoziale Hassfigur durch die deutschen Talkshows gereicht, weil er diese schlichte Wahrheit ausgesprochen hatte: Das Leben von ALG II ist alles andere als üppig, aber besser als stupide Schufterei, bei der am Ende auch nicht mehr herauskommt, ist es allemal. Damit hat der bekennende Arbeitsverweigerer Dübel die Krux benannt, die hinter der aufgeregten Sozialstaatsdebatte steckt: die Arbeitsverhältnisse wurden so erfolgreich umgepflügt -- es genügt ein Blick auf die mittlerweile rund 675.000 Menschen, die von Leiharbeit leben und zwischen 30 und 50 Prozent weniger verdienen als die Fest-angestellten --, dass selbst das magere ALG II als Alternative erscheinen kann. Da eine Anhebung der Niedriglöhne nicht in Frage kommt, bleiben nur weitere Schikanen auf den Ämtern; erst im April wurde beschlossen, künftig die Daumenschrauben bei jungen Arbeitslosen anzuziehen.\ \ Entgegen aller anders lautenden Beteuerungen ist die Krise noch längst nicht zu Ende. Die Lage der Lohnabhängigen wird sich weiter verschärfen, nicht verbessern, denn Staat und Kapital stehen unter immensem Druck. In Griechenland hilft nur noch eine Radikalkur, in Deutschland dürfte es auf einen zähen Stellungskrieg hinauslaufen. Die links-reformerische Verteidigung des Sozialstaates, die das heilige Kriterium der Finanzierbarkeit überhaupt nicht in Frage stellt, erweist sich in dieser Situation als genauso untauglich wie ein verbalradikaler Maximalismus, der sich völlig abgekoppelt vom Alltagsleben als reine Aufklärungsbewegung in Demonstrationen „für den Kommunismus" ergeht. Nicht die Verteidigung des Sozialstaates oder leere Worthülsen, sondern Kämpfe für unsere Interessen und Ansprüche legen der Krisenbewältigung Steine in den Weg. Sofern sie auf ökonomische Gesetzmäßigkeiten pfeifen, die Sorge um Staatshaushalt und Standortsicherung lässig zurückweisen und entsprechend rigide geführt werden, verweisen sie im Kleinen schon auf die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft.\ \ Nur solche Kämpfe eröffnen überhaupt die Chance, eine Klassensolidarität über nationale Schranken hinweg endlich praktisch werden zu lassen. So könnte eine internationale Situation entstehen, in der sich die Aufhebung der herrschenden Produktionsweise als praktisches Erfordernis geltend macht, der Kampf für Forderungen umschlägt in eine Bewegung der Besetzungen und direkten Aneignung.\ \ Kosmoprolet, Mai 2010
Eiszeit (Zürich)\ k-21 (Frankfurt/Main)\ La Banda Vaga (Freiburg)\ Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (Berlin)\ www.kosmoprolet.org · www.eis-zeit.net · www.labandavaga.org · www.klassenlos.tk
Soziale Kämpfe im Iran
07.12.2009
In den vergangenen Wochen und Monaten ist es im Iran zu einer ganzen Reihe von sozialen Kämpfen gekommen. Die Auslöser sind dabei oft ausstehende Löhne, aber auch die Privatisierungspolitik der Regierung Ahmadinedschad. Diese Politik steht in offenem Widerspruch zu seiner angeblichen Rolle als \"Anwalt der Armen\". Sollten die Klassenkämpfe mit der Protestbewegung gegen den Wahlbetrug zusammenkommen, könnte dies für das geschwächte islamistische Regime den Todesstoss bedeuten.\ Deshalb: Solidarität mit den kämpfenden ArbeiterInnen im Iran und nieder mit der Diktatur!
Zum Elend des Studierenden-Protestes
02.12.2009
Wieder einmal streiken und besetzen die Studierenden. Unsere aktuelle Kritik an den aktuellen Protesten findet ihr hier in ungekürzter Fassung, die als Flugblatt verteilte Version findet sich dort auch.\ Wem das nicht ausreicht, der darf gerne in unserer alten, aber denoch aktuellen Broschüre Studiproteste 2005: business as usual? schmökern.
30 Semester Minimum - Für Deutschland keinen Finger krumm!
Das Elend der Studierenden-Proteste - Zur Kritik am Bildungsstreik
01.12.2009
Dies ist die ungekürzte Version unseres Textes zu den aktuellen Studierenden-Protesten. Die gekürzte und als Flugblatt verteilte Version findet ihr als pdf am Ende der Seite.
I. Prolog
Ein Onlineartikel der „Bild"-Zeitung widmet sich der Frage, „ob die Proteste (der Studierenden) berechtigt sind." Anhand eines kurzen und oberflächlichen Frage-Antwortkataloges werden in dem Artikel die zentralen Forderungen der Studierenden erläutert und die Gründe für und gegen die Reformen abgewogen. Der Duktus des Artikels ist bildtypisch der eines deutschen Spießbürgers und passt sich dadurch dem Gebärden seiner Leserschaft an. Die „Bild" ist dafür bekannt, gegen „Sozialschmarotzer", „Chaoten" und sonstige „Asoziale" zu hetzen. Wie gewohnt wägt die „Bild" auch diesmal stellvertretend für ihre Leserschaft ab, ob sie ihr ressentimentgeladenes und enges Weltbild mit den Studienprotesten vereinbaren kann, oder den Studierenden mit der geballten Wut des Spießers gegen „Unruhestifter" antworten soll. Diese Abwägungen untersuchen, ob bei den Protesten „alles seine Ordnung hat", der Protest wird auf seine Konformität hin geprüft. Eine Kernfrage der Überlegung, ob die Proteste der Studierenden legitim seien, ist die Folgende -- mit entsprechender Antwort: „Sind die Studenten von heute so radikal wie die 68er? Nein. Damals gingen die Studenten auf die Straße, weil sie mit den politischen Verhältnissen im Allgemeinen unzufrieden waren -- etwa mit der mangelnden Aufarbeitung des Nazi-Regimes. Die heutigen Proteste richten sich nicht gegen die Gesellschaft insgesamt. Die Forderungen der Studenten beschränken sich auf die Bildungspolitik." Eine solche mediale Reaktion sollte Verdacht erregen. Die „Bild" kann Entwarnung geben: alles geht seinen gewohnten Gang und nichts weicht von seiner vorhergesehenen Funktion ab. Die
Proteste rufen keine Irritationen oder Wut bei denen hervor, die Hass gegen jegliche Abweichung von der Normalität verspüren und auch unumwunden ausdrücken. Vielmehr braucht sich niemand wegen der Proteste aufzuregen. Der konstruktive Charakter ihrer Forderungen drückt die prinzipielle Übereinstimmung mit den Bildungseinrichtungen aus. Die Forderungen der Protestierenden sind bloße Angelegenheit von Bildungspolitik und erklären ihr Einverständnis mit dem tagespolitischen Verhandlungsprocedere. Die Grundlagen auf denen ein konstruktives Miteinander von Studierenden und Land oder Hochschulleitung, das -- bei allem Verbalradikalismus -- letztlich von fast allen Protestierenden gewünscht wird, gelten unhinterfragt; die Studierenden stellen keine Unvereinbarkeit von ihren Interessen mit den bildungspolitischen Reformbemühungen der letzten Jahre fest -- sie versuchen sie größtenteils bloß zu verbessern. In der Angst vor jeglicher Konfrontation legen sich die Studierenden in fast vorauseilendem Gehorsam die Mäßigung und Beschränkung auf Bildungspolitik auf. Sie anerkennen damit die realpolitischen Grenzen und die normative Kraft des Faktischen. Deshalb bleibt eine Zeitung wie die „Bild" auch so entspannt angesichts von Großdemonstrationen und Besetzungen: hinter allem aktionistischen Bedeutungswirbel steckt der prinzipielle Wille zu Übereinstimmung und Konformität. Damit sind die Studienproteste bedeutungslos, ein bloßer Tagesordungspunkt auf der Liste politischen Geschehens.
II. Die Bedeutung der Besetzung: die gesellschaftliche Artikulation des Unmuts
Die Audimax Besetzung zeugt davon, dass wir uns mit den Ergebnissen der Restrukturierung des universitären Bildungswesens nicht abfinden wollen. Wir widersetzen uns einer Rationalisierung der Universität, die an ökonomischen Maßstäben orientiert ist. Stärker denn je sind die Studierenden in einen bürokratischen Kontrollapparat eingebunden, der uns dazu zwingt unsere individuellen Erkenntnisinteressen an Vorgaben, Fristen, Ordnungen anzupassen. Eine selbstbestimmte Auswahl von Themen, die uns interessieren und sich aus unserem Lernprozess für uns sinnvoll ergeben wird verhindert. Dazu passt auch die offensichtliche Warenwerdung von Bildung. Bildung ist nicht das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Lernens, sondern deutlich wie noch nie ein marktfähiges Produkt für das nun auch die entsprechende Bezahlung -- 500€ pro Semester -- fällig wird. Es ist richtig, wenn wir uns dieser drastischen Beschneidung eines bisher noch relativ freien Bildungsbetriebs wiedersetzen. Endlich verpufft der Ärger über die Zumutungen nicht mehr im alltäglichen Smalltalk - in dem ohnehin die Härten des Unialltags als individuelle Verfehlungen und Schwächen des und der Einzelnen erschienen: wer nicht gut mit den neuen Verordnungen und Festlegungen zurechtkommt ist eben selbst schuld. Diese brutale Ausrede wird den Sachverwaltern der Bildungsbeschneidung nun vermiest, denn der Unmut artikuliert sich seit der Besetzung politisch. Anstatt die Ursachen für unseren Unmut in uns selbst zu suchen, wird durch die Besetzung auch einer breiteren Öffentlichkeit die Problematik der universitären Strukturreformen vorgestellt. Durch die Ummodellierung des Studiums wird vielen Studierenden durch überfüllte Stundenpläne soviel Stress bereitet, dass sie kaum Zeit finden, sich in einem gesellschaftlich-politischen Raum kritisch mit ebendieser Überfüllung ihrer Zeit mit Veranstaltungen, dem gesteigerten Leistungs- und Konkurrenzdruck und den Studiengebühren zu widmen. Der Alltagszwang ist also mit Entpolitisierung verbunden, weil aus der isolierten Einzelperspektive nur noch die Hürden des eigenen Fortkommens registriert werden -- die Sicht auf eine strukturelle und damit alle betreffende Dimension geht dadurch aber verloren und damit auch der Blick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Die Besetzung repolitisiert teilweise und zerstört dadurch den blinden Fatalismus, zu dem jede/r neigt, deren/dessen Horizont sich in den engen Grenzen der eigenen Laufbahn, in der Reproduktion des ohnehin Bestehenden erschöpft. Es wird nun durch die Besetzung gesellschaftlich kommuniziert, dass das Problem nicht wir, sondern die Reformen sind, die uns Stress bereiten, Geld kosten und Bildung radikal in die Welt bloßer Marktvernunft entlassen.
III. Die falsche Beschränkung der Kritik auf den bildungspolitischen Rahmen
Wenn wir zu der Frage nach den Gründen von Uni-Reform und Studiengebühren nicht bloß ein instrumentelles Verhältnis einnehmen wollen, dann müssen wir auch unsere gesellschaftliche Position als Studierende hinterfragen. In den Protesten drückt sich häufig eine Kritik an den Uni-Restrukturierungen aus, die nur noch aus der Einzelperspektive des besseren Fortkommens im Uni-Alltag heraus gestellt ist. Diese Perspektive ist freilich völlig legitim. Wir alle wollen studieren, ohne dabei von beengenden Abgabefristen, Anwesenheitspflichten usw. diszipliniert zu werden. Eine Kritik, die sich auch auf dieser alltagspraktischen Ebene bewegt ist unproblematisch. Problematisch wird diese Kritik allerdings dann, wenn sie neben dieser Alltagsperspektive keine weitere mehr kennt. Wenn neben der nötigen Kritik der konkreten Missstände der Grund für diese Missstände nicht begriffen und hinterfragt wird, dann nimmt sich auch die konkrete Kritik, die etwas Erreichbares anstrebt, ihre Kraft. Die Gründe für die Restrukturierung des universitären Alltags sind nicht aus ihm selbst, sondern nur aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive heraus erklärbar. Wenn die derzeitigen Proteste sich einer solchen Perspektive verweigern, verlaufen sie im Sand. Es sollte zu denken geben, wenn Politik und Hochschule, die die Bildungsreformen erst lanciert haben, in den Protest einzustimmen scheinen. An ihrem Applaus lässt sich Wichtiges ablesen. Es lässt sich ablesen, dass viele Forderungen der Studierenden verhältnismäßig gut mit der Vorstellung von Universität übereinstimmen, wie sie vom politischen Establishment gehegt werden. Das sollte zu denken geben. Keineswegs haben die Befürworter der Bildungsreformen ein vergessenes Bildungsideal wiederentdeckt. Vielmehr überschreiten viele Forderungen der Studierenden den grundlegenden Geist der Reformen nicht und können ihn daher auch nicht wirksam bekämpfen. Das liegt zum einen an Forderungen, die letztlich nur dann Sinn machen, wenn mensch akzeptiert, dass die Bildungsreformen alternativlos sind -- etwa die Forderung nach gerechter Anerkennung von Studienleistungen oder die Forderung bezüglich eines besseren Lehramtsstudienganges. Zum anderen bleiben alle etwas weiterführenden Forderungen hilfloser Idealismus, wenn die Protestierenden nicht erkennen, dass es strukturelle Gründe für die Reformen gibt, die in der kapitalistischen Funktionslogik der herrschenden Ökonomie liegen.
IV. Die Bildungsreformen haben ihren Grund in der kapitalistischen Struktur dieser Gesellschaft
Die Bildungsreformen sind kein Irrweg des politischen Establishments, der sich durch gutes Zureden und beeindruckende und pressewirksame Forderungen seitens der Studierenden korrigieren ließe. Die Reformen verfolgen vielmehr den Weg, den der Kapitalismus aus innerer Notwendigkeit heraus vorgibt. Innerhalb des bestehenden Systems ist dieser Weg -- von leichten Nuancen abgesehen -- alternativlos und die frommen Wünsche nach Besserung der Uni innerhalb des Systems hoffnungslos. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass die Reformen der inneren Notwendigkeit des Kapitalismus entsprechen, immer billiger, rationaler, schneller, besser zu arbeiten, zu lernen, zu konkurrieren -- und zwar nicht mit dem Ergebnis weitreichender Bedürfnisbefriedigung, sondern zum Zwecke der Selbsterhaltung im anarchischen Marktkampf aller gegen alle. Eine solche Perspektive, die die Bildungsreformen im Kontext des Kapitalismus begreift und kritisiert scheint aber vielen zu weit zu führen. Es gehe ja schließlich um konkrete Forderungen an das Land und Rektorat, damit endlich etwas erreicht und geändert wird. Allerdings ist die Verwandlung von Bildung in die Warenform kein bloß baden-württembergisches Phänomen, nichteinmal ein rein bundesrepublikanisches. Die Bologna-Reform zielt vielmehr darauf ab, die EU in den weltweit größten wissensgestützten Markt zu verwandeln. Sie ist ein Instrument europäischer Selbstbehauptung in der internationalen Konkurrenz. Der Handel mit Wissenswaren ist schließlich seit dem „allgemeinen Übereinkommen über den Handeln mit Dienstleistungen" (GATS) ein globales Phänomen. Der Welthandel bedeutet globale Konkurrenz gemäß der nichtrationalen Marktlogik. Im globalen Konkurrenzkampf reproduziert sich grade nicht ein ständig und allgemein steigendes Wohlstandsniveau, sondern Unternehmen, Branchen und ganze Länder werden dauerhaft von der Produktion und Konsumtion ausgeschlossen, wenn sie in der globalen Konkurrenz nicht mehr mithalten können. Bedürfnisse werden dauerhaft von ihrer Befriedigung abgeschnitten -- und das, obwohl die technischen Produktionsmöglichkeiten reif sind wie noch nie (was nicht zuletzt daran merklich wird, dass beispielsweise in Deutschland unzählige Menschen ohne Arbeit sind, dennoch versorgt werden können, ja zusätzlich Branchen mit Absatzproblemen und Überproduktion zu kämpfen haben, durch Pleiten Produktionspotentiale brach liegen und die Kapazitäten im verarbeitenden Gewerbe nur zu 80% ausgelastet sind). Die Erfordernisse des Marktes verlangen nun von den Menschen absolute Anpassung und vorauseilenden Gehorsam um im Hauen und Stechen der Konkurrenz möglichst weit vorne zu stehen. Die industrielle Wertschöpfung ist angesichts des enormen Niveaus von Technisierung und Maschineneinsatzes heute kaum mehr lohnenswert; zumindest nach Maßstäben des kapitalistischen Profitmotivs -- im Jargon der Volkswirtschaftslehre: der „Grenzgewinn" ist zu gering. Außerdem ist Deutschland in vielen Bereichen nicht mehr -- wie es der mediale Kauderwelsch ausdrückt -- „konkurrenzfähig": im Ausland wird eben vieles billiger produziert. Daher konzentriert sich beispielsweise grade Deutschland (und neben Deutschland alle strukturähnlichen Inseln des Wohlstandes) auf das Wissen -- eine Ware mit der noch ordentliche Gewinne eingefahren werden können. Damit die Wissensträger -- nämlich die Studierenden mit Abschluss -- nicht Deutschlands Wettbewerbsvorteil im Dauerstudium vertrödeln, sollen ihnen die Studiengebühren Beine machen. Die harte Strukturierung des Lehr- und Lernbetriebs soll die „Produktion" der Ware Wissen zudem marktrationaler gestalten. Alle (Lern-)Bedürfnisse, die nicht den Anforderungen des Marktes entsprechen, werden systematisch ausgegrenzt -- daher die Marginalisierung der geisteswissenschaftlichen Fächer. Es wird Selbstverstümmelung betrieben, um nicht vollständig verstümmelt zu werden.
V. Die einzige Chance der Studienproteste liegt in einer gesellschaftskritischen Perspektive
Angesichts dieser Bedeutung, die die Produktion von Wissen im kapitalistischen Globalsystem hat ist es also keineswegs naiv diese Bedeutung in den Studienprotesten hervorzuheben und ein Bruch mit dem System zu fordern, dass dazu zwingt Wissen -- und alles andere auch -- zum bloßen Mittel in der Konkurrenz werden zu lassen. Vielmehr ist es naiv zu meinen, durch kleine Schritte -- also durch bescheidenere Forderungen -- etwas erreichen zu können. Sie berühren die Säulen der bestehenden Ordnung nicht einmal im Ansatz -- und sollten sie es doch tun, haben sie gegen den Konkurrenzdruck der kapitalistischen Wirtschaft keine Chance. Im Kapitalismus gibt es nämlich nur die Alternative zwischen devoter Anpassung an die Anforderungen des Marktes oder dem Untergang. Wenn also die polit-ökonomischen Gründe für Rationalisierung und Ökonomisierung der Bildung nicht betont werden, ist jede Chance auf Änderung der herrschenden Tendenzen im Bildungswesen, in deren Kritik sich viele Studierende einig sind, vertan. Bleibt es aus, zu erkennen, dass innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems Bildung niemals etwas anderes sein kann als Mittel zur Konkurrenz, dann wird mit den Forderungen der Studierenden folgendes passieren: Forderungen die mit dem herrschenden System nicht kompatibel sind -- etwa die Forderung nach selbstbestimmten und konkurrenzfreien Lernen -- bleiben bestenfalls als „gutes Gewissen" der Studierenden im Hinterkopf, aber werden niemals Wirklichkeit. Und die Forderungen, die ganz gut zum Charakter dieses Wirtschaftssystems passen werden von den Agenten dieser Ordnung dankbar als Ausdruck „konstruktiver" Betätigung der Studierenden integriert und der Protest erstickt -- in etwa so wie es der Prorektor vergangene Woche im Audimax vorgemacht hat. Dass er jeglichem Widerstand der Studierenden mit wenigen Worten die Zähne nehmen konnte ist nicht nur Verdienst seines polit-phraseologischen Geschicks, sondern auch eines Studierendenprotestes, der völlig bewusstlos idealistische Forderungen stellt und Blind für die Zwänge des kapitalistischen Normalbetriebes dieser Gesellschaft ist. Eine Änderung der Universität, die Chance auf Verwirklichung hätte, müsste die Einbettung von Uni und Bildung in die Gesamtheit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung begreifen. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur aus unserer Rolle als Studierende heraus mit den Bildungsreformen kritisch beschäftigen sollten, sondern grade diese studentische Beengung des Blickes aufsprengen müssen. Denn erst dann lässt sich der Blick -- neben Unialltag und mit diesem zusammenhängende Forderungen -- auf eine gesamtgesellschaftliche Dimension richten, durch die die Bildungsreformen erst verständlich werden. Das würde auch bedeuten, dass nicht mehr hilflos das Humboldtsche Bildungsideal gegen die Realverfasstheit der Bildung beschworen wird. Vielmehr müsste begriffen werden, dass das Humboldtsche Bildungsideal heute eine Ideologie ist, die darüber hinwegtäuscht, dass ein emphatischer Bildungsbegriff nicht mit der bestehenden Gesellschaft vereinbar ist.
VI. Konkrete Forderungen flankieren den Protest nicht, sondern sind ein Instrument seiner Normierung
Die Beschränkung des Protestes auf Forderungen, die bloß auf den Uni- oder Bildungsbereich bezogen sind, affirmiert die gesellschaftliche Konstruktion eines solchen angeblich isolierten Bereichs. Der Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge wird politisch-praktisch ohnehin schon unterlaufen. Durch die Aufspaltung des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhanges in verschiedene „Politikfelder" mit eigenen „Problembereichen" wird die Illusion erzeugt, die Gesellschaft lasse sich in Spezialgebiete mit eigener Dynamik und Logik aufteilen. Diese Bereiche seien unabhängig von einer Grundtendenz -- nämlich der des ökonomischen globalen Wettbewerbs und seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Die reale Interdependenz dieser Segmente und ihr unbedingter Zusammenhang werden verneint, wenn sich die Protestierenden in ihrem Protest auf „bildungspolitische" Forderungen und Fragen beschränken und dadurch die gesellschaftliche Parzellierung affirmativ nachzeichnen, anstatt eben solche Grenzziehungen zu hinterfragen. Durch eine solche Selbstbeschränkung sind die Studierenden in ihrem Protest hilflos auf das im Sonderbereich Bildung Machbare eingeschränkt. Dadurch werden aber die basalen Strukturen des Bildungsbereich, der Status von Bildung in dieser Gesellschaft überhaupt und die gesellschaftliche Rolle der Studentin/des Studenten einer kritischen Grundlagenreflexion entzogen. Die bloße Entscheidung zur Formulierung spezieller und realpolitischer Forderungen trägt also auch implizit eine Entscheidung über die inhaltliche Grundausrichtung des Protestes in sich. In den konkreten Forderungen steckt weiterhin eine Bejahung der verwalteten Kommunikationsmechanismen, die subversives Potential auf das Machbare und Realpolitische festlegen. Ein wichtiges Argument für die Formulierung konkreter Forderungen war nicht zuletzt die Erwartung der Medien, des Rektorats und des Landes. Wenn sich Protest aber unter dem Vorzeichnen gesellschaftlicher Erwartungen entwickelt, dann verliert er ein wesentliches Moment des Aufbegehrens. Er ist nämlich durch die Erwartungen präformiert und schneidet sich, um breit akzeptiert zu werden, auf die Bedingungen seiner Akzeptanz zu. Der Protest reproduziert dann das Erlaubte -- mit der Illusion eigener Wirkmächtigkeit. Die Absurdität der Forderungen besteht auch darin, dass sie einen unmittelbaren Einfluss auf die Politik suggerieren. Viel eher ist es aber plausibel, dass allgemein und grundlegende gehaltende Forderungen oder Gedanken zum wirklichen Gegenstand politischer aber auch gesellschaftlicher Debatten werden. Sie wären mit den Regeln politischer Artikulation nicht direkt vereinbar und widersetzten sich daher aus sich heraus den standardisierten und standardisierenden Regeln politischen Protests, sie böten eine tatsächliche Möglichkeit der Resistenz. Wie es derzeit aber ist, erscheinen die Forderungen eher wie an die gängigen Erwartungen und Regeln angepasste Bitten, die im besten Falle bloß eine erneute Verwaltungsreform von oben zur Folge haben, die aus der kapitalistischen Logik dieser Gesellschaft heraus keineswegs die Konkurrenz- und Anpassungsmechanismen unterlaufen wird. Selbstbestimmung und freie Bildung für alle sind auf einer solchen Ebene aber eine Sache der Unmöglichkeit.
VII. Zum Begriff der Bildung: von Bildung zu reden ist gegen die Bildung. Eine radikale und revolutionäre Perspektive
Kritik ihrem Namen gerecht wird und nicht in ein vorauseilendes Einverständnis mit den politischen Eliten verläuft, müsste die Einbettung des universitären Raumes in den kapitalistischen Zusammenhang dieser Gesellschaft reflektieren. Zudem sollte auch der Begriff der Bildung überdacht werden. Schon die Vorstellung universitärer Bildung ist gegen Bildung. Bildung, die in einem exklusiven Raum zum Besitztum weniger wird -- nämlich derer, die als GymnasiastInnen Zugang zu diesem universitären Raum haben -- schneidet sich von der Gestaltung der realen Lebensbedingungen ab. In einer Gesellschaft, in der jeder Mensch durch Verkauf seiner Arbeitskraft überleben muss, wird Bildung notwendigerweise zum Eigentum, zur Ware. Als Mittel zum beruflichen Zweck wird Bildung immer zum Eigentum -- egal wie sich die/der BildungsträgerInn diesen Zweck schönzureden vermag. Wirkliche Bildung, die Aufklärung ist, vermieft nicht in der geschlossenen Diskursgemeinschaft der Universität, sondern wird unmittelbar öffentlich und dialogisch: sie lebt von der Beteiligung aller und erstickt, wenn sie von wenigen ausgeübt wird. Sie hebt also Bildung als isolierten Sonderbereich auf und verwirklicht sie gesellschaftlich. Die Beschwörung von Bildung und ihren Idealen zeigt, dass das gesellschaftliche Leben -- von dem sich die Bildung als exklusive abschneidet -- von realer Unfreiheit, Ungleichheit und Unaufgeklärtheit geprägt ist. Da wo die Bildung und Selbstaufklärung des Einzelnen als Ziel vor Augen steht, geht es nicht mehr um die Bildung und Selbstaufklärung der Gesellschaft -- also aller. Bildung als Bereich abseits von gesellschaftlicher Praxis, ist Resultat einer elenden Gesellschaft, in der Freiheit und Gleichheit nur noch als Ideale der Bildung und nicht mehr als Ziele der Gesellschaft existieren können und somit der Praxis entzogen werden. Es gilt, diesen Bildungsbegriff zu zerstören, indem er gesellschaftlich verwirklicht wird und nicht mehr seine fade Existenz als Eigentum weniger Gebildeter führt. Es gilt insbesondere einen studentischen Elitarismus zu kritisieren; wenn sich einzelne Studierende noch etwas darauf einbilden, zu der gebildeten Elite zu gehören und womöglich auf die herabschauen, die nicht dazugehören, dann ist damit der progressive Gehalt der Bildung endgültig verloren. Sie ist in der Ideologie der Eliten ein Vorrecht der Intelligenz gegenüber der arbeitenden Klasse und nicht mehr potentiell eine Idee der Befreiung aller Menschen. Wirkliche Bildung hieße nämlich nicht, dass Bildung unbekümmert um das von ihr Getrennte sich selbst atmet, sondern bedeutete vielmehr die vernünftige Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens, der Lebensumstände aller. Sie richtet sich nämlich aufklärerisch gegen die Vormacht unbekannter Mächte und hat das Ziel, die Menschen von Herrschaft zu befreien. In Zeiten der Herrschaft des ökonomischen Profitmotivs, demgemäß alle Bereiche -- auch die Uni --, strukturiert werden, und die Bedürfnisse der Menschen dieser Profitlogik angepasst werden, bedeutet Aufklärung Kritik dieser Gesellschaft. Sie bedeutet Erkenntnis des Ganzen, und damit Kritik eines uneinsehbaren irrationalen Motivs, das als „invisible hand" ohne bewusste Beteiligung der gesellschaftlichen Akteure diese, gleichsam hinter ihrem Rücken, vor vollendete Tatsachen und unter anonyme Marktzwänge setzt. Bildung ist als Aufklärung Selbstzweck. Heute bedeutet Aufklärung aber nicht ein auswendiges Lernen von Fakten, das Pauken von Theorie. Gegen die Vorherrschaft der Marktmacht ist theoretisches Wissen machtlos und wird als Mittel -- nicht mehr Zweck -- in die Marktmechanismen integriert. Aufklärung bedeutet Kritik dieser Verhältnisse -- nicht nur theoretische, sondern auch praktische Kritik: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift." (Marx) Wird Bildung nicht mehr als Aufklärung der Gesellschaft verstanden, sondern demgegenüber expliziet die Selbstbeschränkung der Proteste auf Unipolitik gefordert, dann ist Bildung zurechtgestutzt auf die Perspektive der/s vereinzelten Studierende/n und ihrem/seinem Fortkommen im Wettbewerb. Sie harmoniert dann -- trotz der relativ harmlosen Einsprüche der Protestierenden -- mit den Zielen der Bologna Reform, die auch in diversen EU-Verträgen festgelegt sind: die Deregulierung sämtlicher Lebensbereiche -- eben auch aller Bildungseinrichtungen, in denen alle Studierende zu Marktsubjekten werden, die als Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands Position innerhalb der internationalen Staatenkonkurrenz verbessern sollen. Bildung ist dann ein partikularer Besitz von Wenigen, mit dem diese Wenigen sich elitär besser fühlen können als der „ungebildete Rest" und mit dem diese „gebildeten" Wenigen ihren Marktwert verbessern. Dieses Schicksal der Bildung im Kapitalismus ist prinzipieller Natur, von der Bologna & Co bloß Radikalisierungen sind. Bestehen die Protestierenden auf die Beschränkung des Protests auf die Universität verewigen sie den Zustand der Bildung, Mittel von Konkurrenzsubjekten auf dem Marktkampfplatz zu sein. Die Aufhebung dieses Zustandes bedeutet die Aufhebung von Bildung durch ihre Verwirklichung, sie bedeutet radikale Gesellschaftskritik -- theoretisch wie praktisch.
La Banda Vaga, Dezember 2009
Streik und Aussperrung bei der LNK
30.10.2009
Dass die sozialen Auseinandersetzungen auch in diesem Land immer härter werden, haben verschiedene lange und harte Streiks der letzten Jahre gezeigt (Gate-Gourmet, LokführerInnen etc.). Auch wenn es sich dabei fast immer nur um „normale" Tarifauseinandersetzungen unter gewerkschaftlicher Kontrolle gehandelt hat, also nie die kapitalistische Normalität in Frage gestellt worden ist, so haben doch die KapitalistInnen darauf mit ungewöhnlicher Härte reagiert. So auch im Fall der „Lippischen Nervenklinik Dr. Spernau", wo seit dem 30. April 2009 gestreikt wird. Am 30. Juli sperrte die Geschäftsleitung die Streikenden aus und ersetzte ihre Stellen mit LeiharbeiterInnen. Doch die Streikenden haben nicht aufgegeben und protestieren weiter vor der Klinik. Weitere Infos dazu finden sich hier
Diskussionsnachmittag zur Krise
28.10.2009
Sonntag, 8.11.2009 um 15 Uhr, KTS, Baslerstr. 103, Freiburg.
Die derzeitige Krise ist die schlimmste des kapitalistischen Weltsystems seit über 70 Jahren. Soweit sind sich noch fast alle einig. Doch was sind die systematischen Ursachen der Krise? Kann die Krise durch eine links-keynesianische Wirtschaftspolitik, wie es beispielsweise die reformistische Linke fordert, wirklich überwunden werden? Ergibt sich aus der Krise eine Chance für radikale emanzipatorische Ideen jenseits von Staat und Kapital oder doch nur die Gefahr eines wieder erstarkenden Faschismus?
Über diese und ähnliche Fragen soll an diesem Nachmittag nach einem kurzen Inputreferat gemeinsam diskutiert werden. Als Grundlage der Diskussion soll der Text »Thesen zur Krise« aus der neu erschienenen zweiten Ausgabe des Kosmoprolet dienen. Die Thesen sollten deshalb von allen Teilnehmenden vorher gelesen werden. Die Zeitschrift Kosmosprolet ist für 4€ in der Jos Fritz Buchhandlung, dem Infoladen in der KTS oder auf www.syndikat-a.de erhältlich. Auf Anfrage verschicken wir auch eine pdf-Version der Thesen.
Stadtrundgang im Rahmen der Kampagne \"Leiharbeit abschaffen\"
29.09.2009
Am 24.09.2009 organisierte das Aktionsbündnis \"Leiharbeit abschaffen\", dem sich neben der Gruppe \"Zuviel Arbeit\" und Einzelpersonen auch die FAU Freiburg und La Banda Vaga angeschlossen haben, im Rahmen der Kampagnenwoche für die Abschaffung von Zeitarbeit einen Stadtrundgang. Einen kurzen Bericht gibt es auf der Kampagnenseite, unseren Redebeitrag zur Leiharbeitsfirma Manpower haben wir hier dokumentiert.
Redebeitrag zu »Manpower«
29.09.2009
Diesen kurzen Redebeitrag hielten wir am 24.09.2009 im Rahmen der bundesweiten Kampagne \"Leiharbeit abschaffen\" vor der Freiburger Filiale der Leiharbeitsfirma Manpower.
Das US-Unternehmen Manpower erzielte 2005 einen Jahresumsatz von fast 16 Milliarden. Mit rund 4400 Niederlassungen in 72 Ländern verleiht Manpower jährlich über 4,4 Millionen Lohnabhängige und ist damit einer der drei größten Personaldienstleister weltweit. In Deutschland ist Manpower bereits seit 1965 aktiv und derzeit an über 250 Standorten vertreten. Die Homepage des Unternehmens verdeutlicht, wie sich Manpower ein funktionierendes Wirtschaftssystem vorstellt und welche Rolle dabei sein Verleihpersonal zu spielen hat. Im typischen Unternehmerjargon wird von Manpower die Unterwerfung unter die Marktmacht als lebenslange Aufgabe und zum Lebenssinn der Lohnabhängigen stilisiert. Als „Schrittmacher des Marktes" -- wie es auf der Homepage heißt -- ist Manpower bemüht, die zu vermittelnden Menschen ins passende Marktformat zu pressen. Diese so genannte Flexibilisierung des Arbeits- und Lebensalltags degradiert die Lohnabhängigen mehr denn je zum Kalkulationsobjekt der Kapitalanhäufung. Erkämpfte soziale Sicherungen bleiben so auf der Strecke, weil sie nicht mit dem Kapitalinteresse kompatibel sind. Wer nicht mehr gebraucht wird, wie etwa in Krisenzeiten, soll ohne komplizierte und kostspielige Zwischenschritte, wie etwa dem Kündigungsschutz, schnell von der Lohnliste eines Unternehmens verschwinden. Das Arbeiten auf Abruf unter ständigem Orts- und Zeitwechsel verhindert zudem auch, dass sich die so Ausgebeuteten zusammentun und stärkt die Verhandlungsmacht des leihenden Unternehmens. Viele Floskeln werden von Manpower bemüht, um Sicherheit der Leiharbeiter zu suggerieren. Vielmehr zeigen diese Floskeln aber eines: wer sich nicht selber immer wieder zum Marktanhängsel erniedrigt, für den oder die ist überhaupt nichts mehr sicher. Selbstverantwortlichkeit bedeutet für Manpower, dass im Endeffekt alle selbst schuld sind, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Das Unternehmen bietet laut eigenen Worten „einen sicheren Arbeitsplatz mit exzellenten Weiterbildungs- und Aufstiegschancen". So sollen sich die Lohnabhängigen in einem firmeneigenen „Training and Development Center" "weiterentwickeln, Neues lernen und Defizite beseitigen", wie es die Worte der Homepage beschreiben. Der Mensch wird so zur bloßen Überkreuzung von den Fähigkeiten, die der Markt grade von ihm will, um, wie es die Manpower-Homepage formuliert, mit "den Anforderungen des Marktes jederzeit Schritt (zu) halten." Die marktkonforme Unterordnung wird zum Sinnangebot aufbereitet. Nur die Lohnabhängigen, die die Marktimperative als Lebensphilosophie verinnerlichen, sind ideale, weil widerstandslose Angestellte. In diesem Sinne sollen sich die Lohnabhängigen immer wieder selbst qualifizieren, weiterbilden; sich also einer Disziplinierungsprozedur unterwerfen, um dem Unternehmen und dem Markt dienen zu können. Eine solche brutale Anpassung und Zurichtung wird von Manpower dann als Rezept für Sicherheit gepriesen. Das LeiharbeiterInnen nicht nur unsicherer, sondern auch fast immer für weniger Geld arbeiten als ihre festangestellten KollegInnen ist bewiesen und letztlich so gewollt. Einmal mehr lügt sich Manpower die Welt zurecht und behauptet dreist, dass in der Zeit der Überlassung an einen Kunden den Lohanhängigen die gleichen „wesentlichen Leistungen und Arbeitsbedingungen" gewährt werden, die einem vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb zugestanden werden. Mit einem so genannten „Equal Treatment Modell" wird vorgetäuscht, dass auf der Lohnebene „im Wesentlichen" die Lohnabhängigen nicht schlechter als Festangestellte behandelt würden. Außerdem besagt dieses Modell auch, dass sich die Entlohnung in Zeiten, in denen der Mitarbeiter nicht für einen Kunden von Manpower arbeitet auf „marktgerechtem Niveau" erfolgt -- auch eine recht wacklige Formulierung, die aber bei der Marktverehrung der Firma nichts Gutes vermuten lässt. Das Unternehmen arbeitet nicht nur als prekarisierender Vermittlungsbetrieb, sondern leistet zusätzlich die ideologischen Verneblung und Verherrlichung einer unerbittlichen marktadäquaten Selbstformierung des Einzelnen als zeitgemäßen Geschäftsgeist. Auf der Homepage der Firma lässt sich dazu noch Folgendes lesen: „In Deutschland kontrollieren wir bereits 40 Jahre den Puls des Arbeitsmarktes. Seine Frequenz begreifen wir nicht nur aus der Perspektive von Unternehmen und Mitarbeiter. In enger Zusammenarbeit mit führenden Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Industrie, Handwerk, Politik und Bildung analysieren wir ihn und entwickeln überall dort lösungsorientierte Modelle, wo zeitgemäße, originäre Dienstleistungen den Arbeitsmarkt stärken und dynamisch voranbringen." Die möglichst bruchlose Übersetzung der Marktforderungen in Bedürfnisse der Lohnabhängigen ist so praktisches und ideologisches Ziel des Unternehmens. Das Unternehmen ist also eine wesentliche Institution des neoliberalen Kapitalismus, dem der Markt alles und das menschliche Bedürfnis nichts ist.
La Banda Vaga, September 2009
Kosmoprolet \#2 erschienen
03.09.2009
Die zweite Ausgabe der Zeitschrift KOSMOPROLET ist erschienen. Sie enthält folgende Beiträge:
[{.image .image-thumbnail width="142" height="200"}]{.inline .inline-right}
Fragmente über die Tage, die Teheran erschüttern
Thesen zur Krise
Eine Krise des Werts (Ungekürzte Fassung)
Das Ende der Lähmung. Zum Aufstand in Griechenland. Mit einigen Dokumenten aus der griechischen Bewegung
Barrikaden. Der Aufstand in Oaxaca
Ein Schritt in die falsche Richtung. Zum Leninismus
Reaktionen auf die 28 Thesen zur Klassengesellschaft
Neues aus dem Reich des Caudillos
Ein Club für sich
200 Seiten Din A5, 4 €
Die Zeitschrift wird von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft (Berlin), Eiszeit (Zürich), Gruppe K-21 (Frankfurt/M.) sowie La Banda Vaga (Freiburg) herausgegeben.
In Freiburg ist die Kosmoprolet #2 in der jos fritz buchhandlung in der Wilhelmstr. 15 und dem Infoladen in der KTS erhältlich.
Zu Bestellen sind Einzelhefte vorerst ausschließlich über www.syndikat-a.de. WiederverkäuferInnen schicken ihre Bestellungen an freu.de.kla [AT] gmx.de
Die erste Ausgabe der Kosmoprolet gibt es auf kosmoprolet.org zum freien Download.
Neue Homepage
28.08.2009
Wir ihr bemerkt habt, haben wir eine neue Homepage. Noch fehlen ein paar der alten Inhalte, habt etwas Geduld mit uns.
Aufstand im Iran
01.08.2009
Der Aufstand im Iran nimmt auch zwei Monate nach der offen manipulierten Präsidentenwahl kein Ende. Trotz unzähligen Toten, Verletzten und \"Verschwundenen\" lässt sich die iranische Bevölkerung nicht mehr einschüchtern und kämpft weiter für ein Ende der islamischen Republik. Aktuelle Infos finden sich auf dem Blog der Arbeiterkommunistischen Partei des Irans. Am Mittwoch dem 12. August findet ein bundesweiter Aktionstag diverser Antifagruppen gegen die Unterstützung des iranischen Regimes durch deutsche Firmen statt. Den Aufruf dazu findet Ihr auf antifateheran.blogsport.de.
Vestas, Isle of Wight
31.07.2009
Dort hielten die ArbeiterInnen von Vestas seit dem 20.07.2009 ihre Fabrik besetzt. Ihnen droht die Entlassung und sie fordern den Erhalt ihrer Stellen oder die Verstaatlichung des Betriebs. Die Besetzung kam ohne gewerkschaftliche Vertretung zustande und kooperiert mit der Ökologiebewegung, da Vestas Turbinen für Windräder herstellt. Mehr Infos findet Ihr auf dem blog der Streikenden\' bzw. den deutschen Übersetzungen.
Ssangyong, Pyeongtaek/Südkorea
31.07.2009
Nach 77 Tagen Besetzung der Ssangyong-Autofabrik in Pyeongtaek/Südkorea ist es am 5. August 2009 tausenden Spezialkräften der Polizei gelungen die Fabrik gewaltsam zurück zu erobern. Mindestens 100 ArbeiterInnen wurden dabei verletzt. Daraufhin entschlossen sich die letzten BesetzerInnen die Fabrik zu verlassen. Neueste Infos dazu findet Ihr im (englischsprachigen) Themenschwerpunkt auf libcom.org.
Vortrag: Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?
06.07.2009
Die weltweite Krise der Kapitalakkumulation nimmt kein Ende. Und auch dem letzten Apologeten des herrschenden ökonomischen Wahnsinns sollte inzwischen klar geworden sein, dass es sich dabei nicht um einen alle paar Jahre wiederkehrenden üblichen Konjunktureinbruch handelt, sondern dass sich das Kapitalverhältnis in einer seiner schlimmsten Verwertungskrisen seit seiner Existenz befindet. Wir haben die Ursachen dieser Krise in einem Vortrag analysiert und kommen zu dem Ergebnis, dass es höchste Zeit ist, diese widersinnigen Verhältnisse umzuwerfen und endlich unsere Geschicke in die eigene Hand zu nehmen.
Alle Macht den Räten!!
Für die soziale Revolution!
Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?
06.07.2009
Diskussionsbeitrag zur Podiumsdiskussion über die globale Krise
Vorbemerkung:\ Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine erweiterte und überarbeitete Fassung eines Vortrags, den wir bei der Podiumsdiskussion „Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?" am 13. Mai 2009 im Rahmen des „jour fixe" der „Initiative Sozialistisches Forum" (ISF) in Freiburg gehalten haben. Neben unserer Gruppe nahmen noch Joachim Bruhn (ISF, Freiburg), Lothar Galow-Bergemann (Gruppe „Emanzipation und Frieden", Stuttgart) und als Moderator Christian Stock (Informationszentrum 3. Welt, Freiburg) daran teil.
Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?
In der Diskussion tauchen immer wieder folgende Erklärungsmuster als scheinbare Begründungen für die Krise auf:
• Die Krise sei eine Finanzkrise\ • Die Gier vorwiegend amerikanischer Banker und Spekulanten sei die Ursache der Krise\ • (sehr beliebt in linken Kreisen ist) Der Neoliberalismus sei die Ursache der Krise und nun augenscheinlich gescheitert\ • Die Krise sei letztes Jahr mit dem Platzen der US-Immobilienblase ausgelöst worden\ • Die Krise könne durch mehr staatliche Regulation überwunden werden
Im Folgenden soll kurz gezeigt werden, dass all diese Annahmen falsch sind.
Der Beginn der heutigen Krise liegt bereits in den siebziger Jahren, als der Nachkriegszyklus, der bestimmt war durch die drei Ismen: Fordismus, Keynesianismus und Taylorismus, endete. Dieser Boom der fünfziger bis siebziger Jahre, der auch das Ergebnis der auf die Krise der dreißiger Jahre folgenden Krisenlösung Weltkrieg war, basierte in erster Linie auf der Befriedigung des Massenkonsums der Bevölkerung in den Metropolen. Wirtschaftszweige wie die Haushaltsgeräteindustrie, die Unterhaltungselektronik (v. a. Fernseher) oder der Massentourismus, man denke nur an die ersten Italienurlaube der Deutschen führen dazu dass immer größere Bereiche der Gesellschaft für die Kapitalverwertung erschlossen werden. Im Zentrum dieses Massenkonsums steht als Symbol dieser Epoche die Massenmotorisierung. Das eigene Auto wird vom bizarren Hobby einiger Supereicher endgültig zum Konsumgut für Jedermann. Diese massenhafte Ausweitung der Produktion für den allgemeinen Konsum führt, trotz des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu Vollbeschäftigung bzw. sogar zu einem Arbeitskräftemangel der durch sog. Gastarbeiter ausgeglichen werden muss. Dieses „goldene Zeitalter", wie es der marxistische Historiker Eric Hobsbawn bezeichnet hat, endet Anfang/Mitte der siebziger Jahre in einer großen Weltwirtschaftskrise, die schon die Grundlagen für die heutigen Entwicklungen gelegt hat. Die Gründe für diese oft mit dem Lieferboykott der OPEC-Staaten in Verbindung gebrachten Krise der siebziger Jahre (Stichwort: Ölschock), sind einerseits die abgeschlossene Erschließung der inneren Märkte, inzwischen besitzt (fast) jeder in den Metropolen einen Fernseher, ein Auto, eine Waschmaschine usw., andererseits die rasante Produktivitätssteigerung. War es zwischen 1950 und 1970 noch möglich diese Produktivitätssteigerungen durch die Neuerschließung des Massenkonsums zu kompensieren und für Vollbeschäftigung zu sorgen, kehrt Mitte der Siebziger das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit auch ins Zentrum des kapitalistischen Weltsystems zurück. Und ist seitdem nicht mehr verschwunden! Hinzukommen seit Mitte der sechziger Jahre noch massive Kämpfe der Proletarisierten die sich einen zunehmenden Anteil am erwirtschafteten Mehrwert erstreiten. (Stichwort. 68er Revolte) Die Reaktionen auf diese Krise erstrecken sich auf verschiedene Bereiche der Gesellschaft und dauern bis heute an:
• Erstens kommt es zu massiven Angriffen auf den Lebensstandart der Proletarisierten; sinkende Löhne, Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, Abwälzung aller Risiken auf den Rücken der Lohnabhängigen usw. Am anschaulichsten ist diese Entwicklung in Großbritannien zu beobachten, wo die „Eiserne Lady" Margrete Thatcher die Macht der Gewerkschaften bricht und die „englische Krankheit", die ständigen Streiks, weitgehend beendet. Auch in den USA, begonnen unter der Präsidentschaft Ronald Reagans, verschlechtern sich die Lebens- und Arbeitsbedingung der Massen. Als Ergebnis dieser Entwicklung verdienen heute die Lohnabhängigen dort faktisch weniger als 1973. Mit dieser Strategie gelingt es zumindest zeitweise die sinkende Profitrate durch eine Erhöhung der Mehrwertsrate zu sanieren und damit die Krisenfolgen auf den Rücken der Lohnabhängigen abzuwälzen.
• Zweitens werden fast alle Bereiche der unmittelbaren Verwertung des Marktes unterworfen. Bisher staatlich regulierte Sektoren der Ökonomie, die unter anderem der Aufrechterhaltung des (momentan vieldiskutierten) sozialen Friedens dienten werden privatisiert. Der Neoliberalismus ist also selber schon als Krisenlösungsstrategie zu verstehen und nicht als Grund der Krise, wie uns dies die staatsgläubige Linke weismachen will.
• Drittens weitet das nach Verwertung suchende Kapital, dass sich in der Produktion nicht mehr optimal verwerten kann, den Finanzsektor massiv aus, es kommt zur sog. Finanzialisierung der Kapitals.
Warum sich das Kapital in der Produktion nicht mehr optimal verwerten kann, wurde bereits oben angedeutet: Einerseits sind die inneren Märkte erschöpft und andererseits führt die Nutzung neuer Technologien (vor allem Computertechnologie) und die damit verbundenen immensen Produktivitätssteigerungen dazu, dass immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt werden können. Als Beispiel sei hier ein Zitat aus der „Zeit" vom 16.10.2008 angeführt, dass diese Entwicklung anhand der Leitindustrie Fahrzeugbau veranschaulicht: „Die Crux an der Situation: Selbst wenn die deutschen Hersteller die Verkäufe ihrer Fahrzeuge konstant halten können, wächst mit jedem neuen Modell der Druck auf die Arbeitsplätze. Die Produktivität beim Wechsel von Golf V auf Golf VI sei in Wolfsburg um mehr als 10 Prozent und in Zwickau sogar um mehr als 15 Prozent gestiegen, verriet ein stolzer VW-Chef Winterkorn bei der Präsentation der Neuauflage des wichtigsten Konzernfahrzeugs. Das bedeutet, dass für die Montage der gleichen Zahl von Autos 15 Prozent weniger Leute nötig sind. Wenn also vom Golf VI nicht entsprechend mehr abgesetzt wird, sind Jobs in Gefahr. Genauso läuft es bei den neuen Modellen von BMW, Mercedes oder Opel. Teilweise werden dort Produktivitätssprünge von 20 Prozent erzielt." Nach Angaben des bürgerlichen Ökonomen Jeremy Rifkin gingen zwischen 1995 und 2002 in den 20 größten Volkswirtschaften der Welt über 35 Millionen Jobs verloren und das obwohl gleichzeitig die Industrieproduktion der Welt um 30 Prozent anstieg. Das bedeutet, dass die Krise des kapitalistischen Systems eine Krise des Überflusses ist. Weil diese Produktionsweise in der Lage ist, immer mehr Güter (die in der kapitalistischen Form als Waren produziert werden) mit immer weniger menschlichem Arbeitsaufwand herzustellen, stürzt die gesamte Gesellschaft in die Krise. Dies führt die Irrationalität der herrschenden Wirtschaftsweise handgreiflich vor Augen: Nicht weil zu wenig Lebensmittel, Gebrauchs- und Luxusgüter hergestellt werden können, wie in früheren Gesellschaftsformationen, droht das System in den Abgrund zu stürzen, sondern das genaue Gegenteil ist die Ursache. Doch durch diese Entwicklung entzieht sich das Kapital selbst seiner eigenen Grundlage. Denn die Quelle des Mehrwerts bildet auch weiterhin nur die im Produktionsprozess verausgabte Lohnarbeit, doch diese wird tendenziell durch die Entwicklung der Produktivkräfte immer überflüssiger. Es bestätigt sich also was Marx im dritten Band des Kapitals geschrieben hat: „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapitals selbst." Das Kapital versucht nun diese Entwicklung durch die bereits erwähnte Finanzialisierung, also die Flucht in die Finanzmärkte und damit die Generierung fiktiven Kapitals zu umgehen. Dies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als das wichtigste Mittel gegen die Stagnation in der Produktion und der Investitionstätigkeit erwiesen. Statistisch belegen lässt sich dies unter anderem anhand der Entwicklung des Verhältnisses von Gesamtumsatz der US-Finanzmärkte zum Bruttonationaleinkommen der Vereinigten Staaten. Entsprach das amerikanische BSP 1960 noch 66,2 Prozent aller Umsätze der US-Finanzmärkte, so waren es im Jahr 2000 nur noch 1,9 Prozent! Dies verdeutlicht die enorme Ausweitung des Finanzsektors als Folge der Krise der Produktion. Doch damit lässt die Krise nur aufschieben und nicht beheben. Denn trotz der massiven Ausweitung dieser „Bubble-Ökonomie" bleibt die Entwicklung krisenhaft. Alle paar Jahre erschüttern Krisen die Weltwirtschaft:
• 1987 Börsenkrach\ • 1990 Zusammenbruch der Junk Bonds und Krise der US-Sparkassen\ • 1994 Verfall der US-Staatsobligationen\ • 1995 Tequilakrise\ • 1997 Asienkrise\ • 1998 Rubel-Krise und Brasilien-Krise\ • 2001 Platzen der „New-Economy-Blase".
Doch all diese Krisen bleiben regional oder sektoral begrenzt. Dies ist der Unterschied zum jetzigen Krisenverlauf. Nun hat es weltweit alle Bereiche der Kapitalakkumulation getroffen. Die Krise der Produktion ist nun also auch im Finanzsektor angekommen, und dies synchron auf der ganzen Welt. Aufgrund dieser Dramatik ist es momentan reine Spekulation, ob es den staatlichen Krisenmanagern mit ihren Billionen-Beträgen gelingen wird eine neue Blase zu generieren und damit die eigentlich auf der Tagesordnung stehende Zusammenbruchskrise des Kapitals erneut aufzuschieben. Doch eines wissen wir sicher: Von alleine wird sich nichts zum Besseren wenden. Ohne die bewusste Tat der übergroßen Mehrheit der Menschheit wird ein Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise eher zur globalen Barbarei als zu einer emanzipatorischen Gesellschaft führen. Es bedarf der „selbständigen Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl um dieses Ziel zu erreichen. Dies formulierte der holländische Rätekommunist Anton Pannekoek 1934, in der damals heftigsten Weltwirtschaftskrise, folgendermaßen:
Die Selbstbefreiung des Proletariats ist der Zusammenbruch des Kapitalismus!
Stadtrundgang: Leiharbeit nicht verbessern - sondern abschaffen! \| 1. Juli \| 15 Uhr
25.06.2009
Am 1. Juli wollen wir - \"Leiharbeit nicht verbessern - sondern abschaffen!\" - mit einen Stadtrundgang auf das Thema Leiharbeit aufmerksam machen. Beim Rundgang werden wir neben den für die unsäglichen Tarifverträge verantwortlichen DGB, auch ein paar Zeitarbeitsfirmen einen Besuch abstatten.
WANN: 1. Juli 15 Uhr
WO: Hebelstr. 10 DGB-Haus
Bereits Anfang Juni wurde ein \"Offener Brief\" an den DGB verschickt mit der Forderung, dieser solle die Tarifverträge im Leiharbeitssektor kündigen und damit endlich das Prinzip \"gleicher Lohn für gleiche Arbeit\" durchsetzen.
Aktionsbündnis «Leiharbeit abschaffen»
A better life for you and me!
29.03.2009
Die große Krise führt es den Proletarisierten in aller Herren Länder eindringlich vor Augen: Sie produzieren eine Welt, die nicht die ihre ist und sich ihrer Kontrolle vollständig entzieht, im Aufschwung wie in der Krise. In den vergangenen Jahren hieß es: mehr Verzicht für bessere Zeiten. Jetzt heißt es: mehr Verzicht für weniger schlechte Zeiten. Auf den großen Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main gegen die Abwälzung der Krisenfolgen auf dem Rücken der Proletarisierten, haben wir deshalb gemeinsam mit den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft und der Gruppe K-21 ein Statement verteilt, in dem wir zu dem Ergebnis kommen, dass Hoffnung alleine in der Selbsttätigkeit der Ausgebeuteten liegt.
Leben für den totalen Markt?
15.03.2009
Gegen Leiharbeit und die fortschreitende Verschlechterung unserer Lebensbedingungen
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind die ersten Opfer der Wirtschaftskrise. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft sind seit Ende des vergangenen Jahres bis zu 150.000 von ihnen entlassen worden. Damit endete der jahrelange Boom der Leih- bzw. Zeitarbeit, der im Juni 2008 mit 794.363 bei den Arbeitsagenturen gemeldeten LeiharbeiterInnen den Höhepunkt erreicht hatte. Für die Unternehmen war genau das der Sinn der Leiharbeit: In Zeiten des Aufschwungs wird die „Flexibilität" der Lohnabhängigen genutzt, um billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen; in Zeiten des Abschwungs dient sie dazu, diese Arbeitskräfte möglichst problemlos wieder entlassen zu können, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
Mit der Deregulierung der Beschäftigungsverhältnisse im Zuge von Leiharbeit und anderer Angriffe auf den Lebensstandard der Beschäftigten in den letzten Jahren wurde zunehmend zum frühkapitalistischen System von „Heuern und Feuern" zurückgekehrt. Gerade in der aktuellen Weltwirtschaftskrise erweist sich die Institution Leiharbeit als außerordentlich nützlich für die Unternehmen. Aber von Anfang an diente sie dazu, die sozialen Errungenschaften, Sicherheiten und Tarifverträge der Beschäftigten auszuhöhlen und aufzuweichen; diese Aufgabe hat die Leiharbeit in großem Umfang erfüllt.
Für die Beschäftigten bedeutet Leiharbeit eine nahezu völlige Abhängigkeit von den Schwankungen des Marktes. Die Leiharbeitsfirma „Manpower", die auch in Freiburg eine Filiale hat, spricht das ganz offen aus, wenn sie auf ihrer Homepage davon schreibt, dass es für Leiharbeiter vor allem darum gehe, mit „den Anforderungen des Marktes jederzeit Schritt [zu] halten." Der Mensch, reduziert auf die Verwertungsbedürfnisse des kapitalistischen Marktes, soll seine Existenz „jederzeit", das heißt einzig und allein, zum Nutzen der Unternehmen führen, die von seiner Ausbeutung profitieren. Die zynische, menschenverachtende Marktlogik wird in diesem Zitat auch durch den verharmlosenden Managementjargon, an den wir uns durch die bürgerlichen Medien schon fast gewöhnt haben, nur notdürftig verdeckt.
Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat in Deutschland besonders die rot-grüne Regierung forciert. Hierfür steht unter anderem die sogenannte Agenda 2010 und das darin enthaltene „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz", mit dem die Gesetzgebung zur Leiharbeit liberalisiert wurde. Aber auch die Gewerkschaften haben ihren Segen für diese „Überausbeutungsverhältnisse" gegeben, indem sie Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche abschlossen und damit diese flächendeckenden Lohnsenkungen grundsätzlich anerkannten. Wenn Sozialdemokratie und Gewerkschaften heute die Massenentlassungen von LeiharbeiterInnen beklagen, dann beklagen sie nur die Auswirkungen der von ihnen selbst geförderten Entwicklung. Jetzt, in der Wirtschaftskrise, zeigt sich, wie fatal es war, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter die Angriffe der letzten Jahre nicht erfolgreich abwehren konnten. Auf dem Boden des deregulierten Arbeitsmarkts werden Beschäftigte noch stärker ausgebeutet als vorher und müssen sich immer schlechteren Arbeitsbedingungen anpassen, um nicht ganz arbeitslos zu werden.
Leiharbeit ist allerdings nur ein Beispiel für die seit Jahren immer weiter voranschreitende Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse. Während auf der einen Seite unsere Arbeitsverhältnisse immer unsicherer werden, etwa durch befristete Verträge, Mini- oder Midi-Jobs, ausufernde, oft unbezahlte Praktika und ähnlichem, werden gleichzeitig die sozialen Absicherungen immer weiter abgebaut. Die staatliche Rente reicht nur noch für eine Basissicherung auf Sozialhilfeniveau, wenn wir nicht „privat vorsorgen". Die Arbeitslosenversicherung führt nach einem Jahr direkt zu den verarmenden ALG-II-Sätzen. Die Unis verlangen jedes Semester Studiengebühren, und auch in der Gesundheitsversorgung werden Leistungen immer weiter abgebaut. Der Gang zum Zahnarzt kann heute schon ruinöse Folgen haben.
Aber warum werden unsere Lebensbedingungen immer schlechter, wenn auf der anderen Seite die Gesellschaft immer mehr Güter in immer kürzerer Zeit produzieren kann? Warum wird nicht für unsere Bedürfnisse produziert, damit alle ein gutes Leben haben können? Die Ursache dieses Missstands liegt in der Logik der kapitalistischen Gesellschaft begründet. Der Konkurrenzkampf zwingt die Unternehmen dazu, die Ausbeutung immer weiter zu verschärfen, um auf dem Rücken der Beschäftigten die Profite stabil zu halten. In Zeiten der Krise wird dieser Zwang noch einmal massiv verstärkt. In einer Gesellschaft, in der sich alles nur um die Verwertung des Kapitals dreht und ökonomische Effizienz das wichtigste Prinzip überhaupt ist, ist das Gedeihen der Kapitalverwertung wichtiger als die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen. Darin sind sich von den politischen Parteien über die Medien bis hin zur Justiz so gut wie alle sozialen Kräfte und Institutionen einig. Sogar die scheinbaren Kritiker des Systems, die reformistischen Linken und die Gewerkschaften, stützen das System, solange sie die Grundprinzipien des kapitalistischen Regimes nicht in Frage stellen. Wer sich auf die Logik des Kapitalismus einlässt, lässt sich immer schon auf eine Logik der Ausbeutung, der Entfremdung, der Unterdrückung und der politischen Entmündigung ein. Auch der Staat, von dem sich viele jetzt die Rettung der kapitalistischen Wirtschaft erhoffen, ist ein fester Bestandteil dieser Logik.
Die einzigen gesellschaftlichen Kräfte, die eine Alternative zu den neoliberalen Deregulierungen einerseits und den halbherzigen Reformen der Staatslinken andererseits darstellen, sind die Opfer der Verhältnisse selbst, also wir alle. Niemand kann uns die Aufgabe abnehmen, diese Verhältnisse endlich zu überwinden. Keine Stellvertreterinstitution, kein Staat, keine Partei und keine Gewerkschaft kann das für uns erledigen. Und selbst da, wo es zunächst einmal nur darum geht, konkrete Angriffe auf unseren Lebensstandard abzuwehren, sind wir selbst die einzigen, auf die wir uns verlassen können. Nicht einmal für die kleinsten Reformen ist der Reformismus brauchbar. Denn auch wenn er manchmal kleine Erfolge erzielt, kann er diese Erfolge aufgrund seiner Einbindung ins System im Zweifelsfall doch nicht dauerhaft verteidigen. Sobald er sich nämlich auf die Regeln der bürgerlichen Gesellschaft, auf Parlamentarismus, Lobbyismus und die Anerkennung durch das System einlässt, muss auch er sich den Grundregeln der Gesellschaft, dem Kapitalprinzip, unterwerfen. In der Krise bedeutet das zwangsläufig, dass zuallererst das bedrohte Kapital gerettet werden muss, bevor man die kleinen Leute rettet, deren Bedürfnisse in der Krisensituation doch nicht ganz so wichtig sind. Wer das System nicht abschaffen will, kann es nur noch verwalten.
Wir können diese Verhältnisse nur dann überwinden, wenn wir unsere Stimme nicht abgeben, sondern selber aktiv werden. Während Leiharbeit als extreme Form kapitalistischer Lohnarbeit uns als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt gegeneinander ausspielt und voneinander isoliert, sollte es stattdessen darum gehen, uns solidarisch zusammenzuschließen und gemeinsam gegen die Angriffe auf unseren Lebensstandard und für die Verbesserung unserer Existenz zu kämpfen. Und weil unsere Existenz innerhalb des kapitalistischen Systems grundsätzlich nicht unseren Bedürfnissen nach Freiheit, Selbstbestimmung und Solidarität entsprechen kann, bedeutet der Kampf um bessere Lebensbedingungen am Ende immer auch den Kampf gegen die Bedingungen des Kapitalismus selbst.
La Banda Vaga, März 2009
A better life for you and me!
10.03.2009
Die große Krise führt es den Proletarisierten in aller Herren Länder eindringlich vor Augen: Sie produzieren eine Welt, die nicht die ihre ist und sich ihrer Kontrolle vollständig entzieht, im Aufschwung wie in der Krise. In den vergangenen Jahren hieß es: mehr Verzicht für bessere Zeiten. Jetzt heißt es: mehr Verzicht für weniger schlechte Zeiten.
»Wir zahlen nicht für eure Krise!«
Wie wahr: Wir wollen nicht mehr verzichten. Und wie illusorisch: Natürlich werden wir zahlen. Es gibt keine Krise des Kapitals, die nicht zuerst die Lohnabhängigen treffen würde. Es geht nicht nur um ein paar Milliarden, die »verzockt« wurden und für die nun »die Zocker« zahlen sollten:
Diese Krise ist keine Finanzkrise
Sie ist eine Krise der kapitalistischen Produktion selbst. Nicht verwertbare Überkapazitäten, die in einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft im Interesse aller genutzt werden könnten, lassen seit langem die Profite der Industrie dahinschmelzen. Die Autoindustrie ist nur das drastischste Beispiel. Und weil diese übersättigte Produktion immer weniger Profite abwirft, rettete sich das Kapital in immer mehr Kredit und Spekulation. Bis plötzlich alles laut zusammenkrachte.
Als Retter in der Not erscheint der Staat. Wenn er aberwitzige Summen in die Banken pumpt, dann nicht, um die Reichen zu retten, sondern weil ein Zusammenbruch des Kreditsystems sofort zum Systemcrash führen würde. Der Staat handelt nicht im Interesse einzelner Kapitalisten, sondern als Staat des Kapitals: als Hüter einer Produktionsweise, die in der Krise offen zeigt, wie verrückt sie ist. Anders kann er und wird er nicht handeln.
Der Staat ist nicht die Caritas
Deshalb sorgt der Aufruf für diese Demonstration nur für zusätzlichen Nebel: Er appelliert an die Politik, einen »Systemwechsel« hin zu einer »solidarischen Gesellschaft« einzuleiten. »Wir überlassen den Herrschenden nicht das Feld!«, heißt es -- wirklich nicht? Alle Forderungen sind an den Staat gerichtet, der mit einem Handstreich die Krise bewältigen und zugleich alles verwirklichen soll, was sich ein Sozialdemokrat schon immer gewünscht hat: »umfangreiche Investitionsprogramme«, »sozialer Schutz schirm«, die »demokratische Ausrichtung von Wirtschaft und Banken«. Mehr Ökologie! Mehr Entwicklungshilfe!
Derselbe Staat, der auf die schleichende Krise der letzten Jahre mit Sozialkürzungen und dem repressiven Hartz-Regime reagiert hat, soll sich nun inmitten der schwersten Krise seit Jahrzehnten als Mutter Theresa aufführen.
Aber der Staat kann nicht unbegrenzt Geld in die Wirtschaft pumpen. Schon jetzt sind die schwächeren Staaten selbst in die Krise geschlittert: Zuerst war vom drohenden Staatsbankrott Islands die Rede, mittlerweile gelten Griechenland, Italien, Spanien, und die osteuropäischen Staaten als Wackelkandidaten, zuletzt gefolgt von Schleswig-Holstein. Schon ist die weitere Existenz der Eurozone in Gefahr.
Rette sich, wer kann
In der Krise ist sich jeder selbst der Nächste. Der Nationalismus hat Hochkonjunktur: Jeder Staat versucht, seine Industrie und damit sich selbst auf Kosten der rivalisierenden Industrien und Staaten zu retten. Die größte Gefahr besteht darin, dass die Ausgebeuteten dabei mitspielen. Hierzulande, wo es nicht einmal zur Solidarität im Betrieb reicht und die Leiharbeiter ohne jeden Widerstand auf die Straße gesetzt werden konnten, ist von grenzüberschreitendem Widerstand erst recht keine Spur zu sehen. Schlimmer noch: Die Gewerkschaften mobilisieren für die Loslösung der GM-Standorte vom amerikanischen Mutterkonzern -- und die Belegschaften trotten ihnen hinterher. So wie sie der Kapitalistin Schaeffler hinterher getrottet sind, als sie aus Angst um ihre Milliarden in die Fernsehkameras flennte. Jetzt Opfer bringen, damit es wieder besser wird -- diese Hoffnung übersieht, dass mit dem Aufschwung nur das Warten auf die nächste Krise beginnt.
Sozialdemokratische Wunschzettel für die bessere Lösung der Krise helfen auch nicht weiter. Mit Forderungen nach mehr Konjunkturprogrammen, härterem Durchgreifen gegen Steueroasen und ähnlichem Plunder wird nur der Staat gestärkt, von dem die Arbeiter nichts zu erwarten haben außer autoritärem Krisenmanagement und Nationalismus. Hoffnung liegt allein in der
Selbsttätigkeit der Ausgebeuteten:
In Chicago haben die gefeuerten Arbeiterinnen einer Fensterfabrik im Herbst den Betrieb besetzt, um die Auszahlung ausstehender Löhne zu erzwingen.
In Bordeaux haben die Beschäftigen einer Sony-Fabrik kürzlich Manager als Geiseln genommen, um höhere Abfindungen bei der anstehenden Werksschließung durchzusetzen.
Auf Guadeloupe hat eine autonome Bewegung mit Generalstreiks und Barrikaden höhere Löhne erstritten; das Beispiel macht Schule, auf den französischen Antillen herrscht seit Monaten sozialer Aufruhr.
In Griechenland haben zig Tausende Schüler und Studentinnen, prekäre Arbeiter und Immigrantinnen über Wochen hinweg eine Massenrevolte veranstaltet, deren Rückgrat autonome Versammlungen in besetzten Gebäuden war.
Wenn die Proletarisierten in der Krise für ihre Interessen kämpfen, sollten sie dies ohne Illusionen tun:
Es gibt keine »soziale« Krisenlösung
Jeder erfolgreiche Kampf von Arbeiterinnen wird die Krise zuspitzen: Wer Entlassungen verhindert, torpediert die Sanierung gebeutelter Unternehmen; wer der staatlichen Armutsverwaltung mehr Geld abpresst, verschärft die Finanzkrise des Staates.
In der globalen Gleichzeitigkeit der Krise liegt eine gewaltige Chance. Die ersten Betriebsbesetzungen, die autonomen Versammlungen in Griechenland, die Revolte auf den Antillen könnten der Vorschein einer Bewegung sein, die weiß, dass sie selbst ihre Tageskämpfe nur dann entschlossen führen kann, wenn sie sich nicht an ein zusammenbrechendes System und seine staatlichen und gewerkschaftlichen Verwalter kettet; die weiß, dass die ungeheuren Produktivkräfte, an denen der Kapitalismus erstickt, zum ersten Mal in der Geschichte ein Leben ohne Schinderei und ohne Mangel für alle möglich machen; und die weiß, dass es allein an ihr ist, diese Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen.
Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (Berlin)\ www.klassenlos.tk
Gruppe K-21 (Frankfurt/Main)
La Banda Vaga (Freiburg)\ www.labandavaga.org
März 2009
Arbeitsplätze verteidigen, Lohnarbeit abschaffen!
03.09.2008
Die Deutsche Telekom plant, ihre Call-Center drastisch zu reduzieren und dadurch zahlreiche Menschen in Arbeitslosigkeit zu stürzen. Auch in anderen Bereichen soll gespart werden: Die bundesweit 6000 Beschäftigten der Technikzentren sollen nach einer Auslagerung anstatt wie bisher 34 ganze 38 Stunden schuften --- und dafür sogar noch weniger Geld bekommen.
Widerstand ist dringend nötig: Nur durch entschlossene, solidarische Streiks und andere Formen des Widerstands kann die Konzernleitung gezwungen werden, ihre Pläne zurückzunehmen. Gerade in einer Zeit, in der Arbeitslosigkeit dank Hartz-IV mit gesellschaftlichem Ausschluss und Diskriminierung einhergeht, ist die Verteidigung aller Arbeitsplätze lebenswichtig!
[]{.inline .inline-right}Aber es geht nicht nur darum, den Status Quo der Lohnarbeit zu erhalten. Die tägliche Maloche selbst ist unerträglich genug. Nur der Druck, ohne Lohn unsere Mieten nicht mehr zahlen zu können, treibt uns Tag für Tag an die Arbeitsplätze. Der Betrieb ist der Ort, an dem sich die menschenverachtende Zwangslogik des Kapitalismus jeden Tag neu zeigt. Die Lohnarbeit gehört abgeschafft wie die ganze Gesellschaftsform, die sie hervorbringt und die auch den Stellenabbau überhaupt erst lohnenswert macht. Hinter dem Kampf gegen Massenentlassung steht der gemeinsame Kampf für eine andere Gesellschaft jenseits des Kapitalismus.
Kämpfen wir gemeinsam für eine Gesellschaft, in der menschliche Tätigkeit sich jenseits kapitalistischer Verwertungsinteressen freiwillig und solidarisch verwirklichen kann, anstatt durch Zwang und subtile Gewalt durchgesetzt werden zu müssen; eine Gesellschaft, in der auf der Grundlage des kollektiven Eigentums an den gesellschaftlichen Gütern die Lebensbedürfnisse aller Menschen bedingungslos gesichert sind; eine Gesellschaft, in der nicht mehr gilt: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", sondern in der es heißt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"
La Banda Vaga, September 2008
Gegen Homophobie und Faschismus!
26.07.2008
Nachdem im letztem Jahr die Queerparade in der bulgarischen Hauptstadt Sofia von Faschisten angegriffen wurde, unter anderem mit Molotovcocktails, mobilisiert dieses Jahr ein noch breiteres Bündnis der Rechten gegen die Demonstration. Der derzeitige Chef des \"Bulgarischen Nationalbundes\", Boyan Rasate, drohte den Demonstrierenden unverhohlen: "Wir würden alles Mögliches tun um den Demonstrationszug anzuhalten... und ich meine auch wirklich alles." Diese offene Morddrohung findet in einer von Homophobie geprägten gesellschaftlichen Atmosphäre statt, die weite Teile der Bevölkerung, bis hin zu Mitgliedern des Parlaments, erfasst hat.
Doch diese erschreckenden Tendenzen in Bulgarien sind kein isolierter Einzelfall. Auch in vielen anderen Gesellschaften Ost-Europas sind homophobe Ressentiments bis hin zu offenen Gewaltanwendungen ein großes Problem. Zur Lage in Rußland gibt es einen Artikel aus der Jungle World, noch mehr Informationen gibt es hier.
Angesichts dieser unerträglichen Situation solidarisieren wir uns mit der bulgarischen Queer-Bewegung!
Es reicht!
30.04.2008
Machen wir endlich Schluss mit diesen irrationalen Verhältnissen!
Der Aufschwung ist da, können wir in den Zeitungen lesen, und im Fernsehen verkünden uns die Politiker, dass die Reformen wirken und die Arbeitslosigkeit sinkt. Doch bei uns kommt davon nichts an, denn für uns wird das Leben immer unerträglicher: Mehr Stress auf der Arbeit für immer weniger Lohn, Weihnachtsgeld gestrichen, Urlaubsgeld gestrichen, Zulagen weg, für immer mehr Menschen reicht ein Job nicht mehr zum Überleben. Viele schleppen sich krank zur Arbeit --- aus Angst um den Job, oder weil niemand anderes mehr da ist, der die Arbeit machen könnte, da alle wegrationalisiert wurden. Das „Burn-out-Syndrom" wird zur neuen Volkskrankheit.
Doch nicht nur in der Arbeitswelt wird alles immer schlimmer, auch die Schul- und Studiumszeit, die früher wenigsten teilweise einen gewissen Freiraum boten, sind längst in diese Entwicklung einbezogen: Die GymnasiastInnen, die den selben Stoff wie einst jetzt in acht Jahren reinpauken müssen und die Studis, die für nur 500 Euro pro Semester das Bachelor-Schmalspurstudium in sechs Semestern durchziehen müssen, füllen die Warteräume der PsychologInnen genauso wie die ausgebrannten JobberInnen. Aber selbst in der Freizeit können wir uns vom Stress der Arbeit, der Schule, der Uni nicht erholen. Denn da müssen wir ins Fitnessstudio trainieren oder in den Wald joggen, schließlich ist unser Körper unser Kapital. Neben unserem Geist, den wir durch Weiterbildung auf dem neuesten Stand halten, schließlich wollen wir nicht den Anschluss verlieren und zum abgehängten Prekariat gehören. Lebenslanges Lernen heißt das, aber wir lernen nicht, was uns interessiert, sondern nur für den Markt. Das beginnt heute schon im Vorschulalter und geht bereits in der Grundschule mit Fremdsprachen weiter. Der Marktlage entsprechend ist Chinesisch momentan sehr angesagt.
[]{.inline .inline-right}Unsere Lebenszeit wird von den kapitalistischen Verhältnissen inzwischen vollständig ausgefüllt. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeit mehr, die Verwertungslogik ist überall präsent. Eben diese Verwertungslogik aber ist die Ursache dafür, dass technischer Fortschritt nicht zu mehr Wohlstand und kürzerer Arbeitszeit führt, sondern zu mehr Arbeit für die einen und Entlassungen für die anderen; dass es sich eher lohnt, Lebensmittel zu vernichten anstatt sie Hungernden zukommen zu lassen; und dass Häuser leerstehen, während Leute auf der Straße leben.
Dabei ginge es längst völlig anders, wenn wir den Kapitalismus nur endlich abschaffen würden. Wenn die reichlich produzierten Lebensmittel bedürfnisgerecht verteilt würden, könnte der Hunger auf der gesamten Welt beseitigt werden. Wenn wir endlich für unsere Bedürfnisse produzieren würden anstatt für einen Markt, der als Zweck nur die Verwertung des Werts kennt, würde die Arbeit aufhören, entfremdete Plackerei zu sein, und wir könnten anfangen, uns in unseren Tätigkeiten endlich selbst zu verwirklichen. Die technischen Voraussetzungen dafür --- sowie für eine radikale Verkürzung des Arbeitstages --- sind längst gegeben.
Wenn wir in ProduzentInnenversammlungen gemeinsam entscheiden würden, was wir produzieren wollen und v. a. wie wir es produzieren wollen, wenn wir in Stadtteilversammlungen gemeinsam die Belange des Wohnquartiers bestimmen würden, wenn die SchülerInnen und LehrerInnen in den Schulen und die Studis und die Lehrenden in den Unis gemeinsam den Lehrplan ausarbeiten würden, dabnn könnten wir unser eigenes Leben endlich selbst in die Hand nehmen.
Wenn wir uns zusammen organisieren und anfangen, uns gegen die irrationalen und unmenschlichen Verhältnisse zu wehren, könnte all dies Wirklichkeit werden.
Zusammen kämpfen!
Her mit dem schönen Leben für alle!
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!
La Banda Vaga, April 2008
„Es kann die Befreiung der Arbeiterklasse nur das Werk der Arbeiter sein" - Warum die Gewerkschaften Teil des Problems sind, nicht Teil der Lösung
17.10.2007
„Die Reallöhne in Deutschland sind so niedrig wie seit 18 Jahren nicht mehr", melden die Zeitungen. Seltsam eigentlich, denn die Gewinne der Unternehmen sind die ganzen Jahre über auf Rekordmarken gestiegen. An der Wirtschaftslage liegt es also, auch wenn das gerne behauptet wird, im Grunde nicht. Auch die Produktivitätssteigerung der Firmen müsste eigentlich dazu führen, dass immer mehr Menschen immer weniger arbeiten müssen --- während tatsächlich immer weniger Menschen immer mehr arbeiten müssen. Streiks gegen den Abbau von Arbeitsplätzen oder gegen massive Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen gingen in den letzten Jahren fast ausnahmlos als Niederlagen zu Ende. Anscheinend waren die Beschäftigten zu schwach oder zu schlecht organisiert, um höhere Löhne durchzusetzen und einmal errungene Sozialstandards erfolgreich zu verteidigen. Aber ist die deutsche Gesellschaft nicht eine fortschrittliche Industrienation mit einem hohen Grad an gewerkschaftlicher Organisierung? Ist nicht die Aufgabe der Gewerkschaften die Organisation der Arbeiterinnen und Arbeiter im tagtäglichen Klassenkampf?
[]{.inline .inline-left}Mit Gewerkschaften sind die entsprechenden Interessenskonflikte offensichtlich nicht zu gewinnen. Vor lauter Realpolitik und Anbiederung an Wirtschaft und Staat haben sie die eigentlichen gesellschaftlichen Verhältnisse immer mehr aus dem Blick verloren. Wirtschaftliche Krisen, ob nun gesamtgesellschaftlich oder nur einen Betrieb betreffend, schreiben sie der schlechten Politik der regierenden Parteien oder dem Missmanagement der Unternehmensführungen zu. Dass Krisen aber der kapitalistischen Produktionsweise ihrem Wesen nach innewohnen kommt den Gewerkschaften nicht in den Sinn.
Indem Gewerkschaften sich auf die institutionalisierten Spielregeln der Sozialpartnerschaft und damit der ganzen herrschenden Ordnung einlassen, haben sie jeden Kampf im Grunde schon im Vorhinein verloren. Innerhalb der Spielregeln des Kapitals sind offene Kämpfe eben nicht vorgesehen. Ohne offene Kämpfe aber, ohne die Erzeugung wirtschaftlichen Schadens und handfesten materiellen Drucks auf die Gegenseite, kann eine Auseinandersetzung von Seiten der ArbeiterInnen nicht gewonnen werden. Um die Interessen der Belegschaften erfolgreich durchzusetzen, müssen Klassenkämpfe offensiv und nicht nur als leeres, handzahmes Ritual geführt werden.
[]{.inline .inline-right}Die Gewerkschaftsbürokratie aber steht für das genaue Gegenteil solcher Kämpfe. Im Streben um Anerkennung und „Gesprächsbereitschaft" ersticken die Regeln der Stellvertretungspolitik jeden Ansatz einer selbständigen Durchsetzung der eigenen Interessen. Entschlossene Kämpfe um bessere Lebensbedingungen oder die kämpferische Abwehr bevorstehender Verschlechterungen werden durch das deutsche Tarifrecht systematisch sabotiert. Das geltende Tarifrecht nämlich sieht Streiks nur in genau geregelten Ausnahmefällen, und auch dann nur in exakt vorgegebenen, eng umgrenzten Formen vor. So braucht es etwa, um einen Streik zu organisieren, eine förmliche Urabstimmung, bei der mindestens 3/4 der betroffenen Gewerkschaftsmitglieder für den Streik stimmen müssen. Umgekehrt reichen zur Beendigung desselben Streiks schon 1/4 der Stimmen.
Der Streik als ein um jeden Preis zu vermeidender Ausnahmefall, den es schleunigst zu beenden gilt --- die rückläufige Lohnentwicklung der Beschäftigten verwundert da kaum. Und „wilde Streiks", als spontane Aktionen der Basis, sind im Gewerkschaftsapparat noch weniger gern gesehen. Auch das verwundert nicht: Würden die Belegschaften anfangen, sich selbst zu organisieren, wäre die Gewerkschaft als Institution blitzschnell überflüssig. Vor nichts graut es der Stellvertretung daher so sehr wie vor dem selbstbewussten und autonomen Handeln derer, die sie vertritt.
[]{.inline .inline-left}Überhaupt bleibt der Blick der Gewerkschaften strukturell beschränkt --- die Ausblendung des Schicksals der zahlreichen Arbeitslosen ist nur das augenfälligste Beispiel dafür. Auch ideologisch haben die Gewerkschaften längst den Sinn für die soziale Realität verloren. Immer noch hängen sie dem Prinzip der angeblichen „Sozialpartnerschaft" an, nach dem die Interessen der ArbeiterInnen und die Interessen des Kapitals nicht entgegengesetzt, sondern identisch seien: „Wir sitzen ja alle im selben Boot." Das war schon bei der Einführung der Sozialgesetzgebung durch Bismarck, über den Burgfrieden im Ersten Weltkrieg und die Volksgemeinschaft im Dritten Reichs bis hin zur Sozialpartnerschaft der Nachkriegszeit der Fall: Derartige Konzeptionen konnten den sozialen Frieden stets nur dadurch gewährleisten, dass sie die entsprechenden Konflikte ins gesellschaftliche Unbewusste verdrängt hatten. Die Klassenkämpfe sind dadurch nie ganz verschwunden, sie konnten nur schlechter geführt werden.
Wo der Klassengegensatz derart verschwiegen wird, erschöpft sich die Aufgabe der Gewerkschaften darin, den Preis der Ware Arbeitskraft wenigstens halbwegs stabil zu halten. Der Kapitalismus selbst, das Prinzip der Ausbeutung und Entfremdung als Ganzes, wird so nicht in Frage gestellt, sondern als scheinbar natürliche Ordnung akzeptiert. Nicht nur sind die Gewerkschaften also schlechte Freunde des Proletariats. Sie sind vielmehr ihre Feinde, die es nicht weniger zu bekämpfen gilt als das Kapital selbst, dessen Herrschaft sie aktiv reproduzieren.
[]{.inline .inline-right}Meist rechtfertigt die Gewerkschaftsführung die für die Gewerkschaftsbasis enttäuschenden Verhandlungsergebnisse der Tarifauseinandersetzungen mit Sachzwängen wie den ökonomischen Rahmenbedingungen im Betrieb, im Land oder neuerdings in der Welt. Kaschiert wird dadurch jedoch die Tatsache, dass der faule Kompromiss von der aktiven Zustimmung der FunktionärInnen lebt, ohne die er nicht abgeschlossen werden kann. Richtig ist dennoch, dass durch ein Auswechseln der FunktionärInnen keine grundlegende Änderung der Situation erreichbar ist. Das Problem liegt in der Institution Gewerkschaft selbst --- ihrem Stellvertretungsanspruch, ihrer Einbindung ins System, nicht zuletzt auch in der hierarchisch-bürokratischen Struktur, auf der sie basiert. Sie gibt sich als Anwort auf die Organisationsfrage der ArbeiterInnenklasse aus und verhindert gerade dadurch deren Selbstorganisation. Wie der Staat, der die Subjekte auf ähnliche Weise „vertritt" und damit zugleich entmündigt, sind die Gewerkschaften das Problem, als dessen Lösung sie sich ausgeben.
Immerhin regt sich immer wieder auch Widerstand gegen die Stellvertretung durch die Gewerkschaften, oder werden Kämpfe einfach an deren Institutionen vorbei geführt --- erfreuliche Zeichen der Bewusstwerdung der Arbeitenden als Klasse, die ihr Schicksal eben nur selbsttätig in die Hand nehmen kann. Als etwa im Juni 2007 bei der Berliner S-Bahn ein neues Dienstplansystem eingeführt werden sollte, das die Arbeitsbedingungen für die FahrzeugführerInnen massiv verschlechtert hätte, meldeten sich am Freitagabend spontan 50-60 FahrerInnen krank, was am Wochenende zu völligem Chaos im S-Bahnverkehr führte. Bereits am Dienstag galten wieder die alten Dienstpläne.
[]{.inline .inline-left}Auch in anderen Kämpfen der letzten Jahre blitzte hin und wieder so etwas wie eine subversive Spontaneität und Kampfkraft des Proletariats auf. In Bochum streikte im Oktober 2004 die Belegschaft der Firma Opel sechs Tage lang „wild" gegen die Kürzungspläne des Konzerns, aber auch gegen die Verhandlungstaktik der Gewerkschaften. Beim Bosch-Siemens-Haushaltsgerätewerk (BSH) in Berlin organisierten 2006 die ArbeiterInnen eigenständig das Zusammenkommen mit anderen Belegschaften und versuchten einen Austausch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen auf die Beine zu stellen --- bis die Gewerkschaften diese Aktivitäten schließlich erfolgreich unterbanden.
Derart unabhängige Kampfformen --- hierzulande noch in den Kinderschuhen --- sind in anderen Ländern bereits sehr viel weiter verbreitet. Vor allem in Frankreich kam es in den vergangenen Jahren zu einigen spektakulären Aktivitäten, etwa bei den vielbeachteten Protesten gegen einen umstrittenen Ersteinstellungsvertrag (CPE), der schließlich zurückgenommen werden musste, oder bei den Kämpfen der Arbeitslosen-, Obdachlosen- und Papierlosenbewegung. Spektakulär waren auch die Aktionen der ChemiearbeiterInnen bei Cellatex in Givet, die zur Verhinderung der geplanten Betriebsschließung drohten, Chemikalien in einen nahe gelegenen Fluss einzuleiten, bzw. die ganze Fabrik mitsamt der darin befindlichen Chemikalien in die Luft zu sprengen. Als ein Ultimatum der ArbeiterInnen abgelaufen war, leiteten sie dann tatsächlich eine rote (aber unschädliche) Flüssigkeit in den Fluss, womit sie tatsächlich eine Wiederaufnahme der Verhandlungen erreichten.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs --- die meisten Kämpfe finden untergründig statt, jenseits medialer Aufmerksamkeit. So kam es etwa im Vorfeld des Streiks im AEG-Werk in Nürnberg 2006 zu massenhaften Krankmeldungen und Sabotageakten, die die Arbeit in der gesamten Fabrik immer wieder lahm legten. Und gerade solche Aktionsformen führen meist um einiges schneller zu Reaktionen und erzeugen um einiges mehr Druck als die tarifrechtskonformen Verhandlungstaktiken der Gewerkschaften.
[]{.inline .inline-right}Die Gewerkschaften sind, gemeinsam mit dem Rest an Vertrauen, der der Sozialdemokratie noch immer von manchen entgegengebracht wird --- sei es in Form der alten SPD oder in Form der neuen Linkspartei --- ein zentrales Hindernis erfolgreicher Klassenkämpfe. Wirkliche Verbesserungen der eigenen Lage sind mit Hilfe des institutionalisierten Spektakels der Gewerkschaften und der Parteien nicht zu haben. Um ihre Interessen wirklich durchzusetzen, müssen die Arbeitenden deshalb das Spiel der Institutionen rechts liegen lassen und stattdessen anfangen, sich radikal selbst zu organisieren.
La Banda Vaga, Oktober 2007
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21.05.2007
Seit Freitag dem 11. Mai wird bei der Deutschen Telekom, dem größten Anbieter für Telekommunikation in Europa, gestreikt. Bisher beteiligten sich bis zu 16.000 ArbeiterInnen pro Tag an den bundesweiten Streikaktionen. Zuvor hatten 96,5% der bei der Telekom Beschäftigten Verdi-Mitglieder bei der Urabstimmung für den Streik gestimmt. Doch was sind die Gründe für diesen ersten Streik seit der Privatisierung des Konzerns vor 12 Jahren?
Die Deutsche Telekom will die Servicebeschäftigten und MonteurInnen aus den Sparten Call Center, Technische Infrastruktur und Technischer Kundendienst ausgliedern. Das würde für 50.000 Beschäftigte ca. 4 Stunden mehr Arbeitszeit in der Woche und 9% weniger Lohn bedeuten. Bei den Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der Gewerkschaft vor der Urabstimmung zeigte sich, dass die schlechtere Bezahlung und die längeren Arbeitszeiten nicht einmal zu einer relativen Sicherheit des Arbeitsplatzes beigetragen hätten, denn das beste Angebot der Telekom war ein Kündigungsschutz von nur drei Jahren und ein genauso langer Verzicht auf den Verkauf dieser Sparten.
Es handelt sich demnach bei diesen Streiks nicht primär um einen Kampf gegen den Verlust von Arbeitsplätzen, wie bei den meisten anderen Streiks der vergangenen Jahre, sondern um einen Abwehrkampf gegen die drohende Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse. Solche Abwehrkämpfe sind auch dringend geboten, denn im Windschatten der Diskussionen über Arbeitsplatzverluste und Massenarbeitslosigkeit wurden in den vergangen Jahren die Arbeitsbedingungen massiv verschlechtert. Die 345 Euro Arbeitslosengeld 2 erweisen sich als wirkungsvolle Drohung jeden noch so schlecht bezahlten Job oder auch unbezahlten Parktikumsplatz anzunehmen, für weniger Geld mehr zu arbeiten, oder auf sonstige Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld zu verzichten. Kein Wunder dass „unsere" Wirtschaft brummt, wenn wir zu immer schlechteren Bedingungen und für immer weniger Geld immer länger Schuften müssen.
Dass die Telekom, trotz Millionengewinne, ihre Angestellten bei niedrigerem Lohn länger arbeiten lassen will, zeigt deutlich, was ArbeiterInnen für das Kapital darstellen. Die Ideologie der Sozialen Marktwirtschaft behauptet, dass sich die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer und das Wohl der Lohnabhängigen nicht gegenüberstehen. Aber es ist anders, in Wirklichkeit ist der Lohn der ArbeiterInnen ein Kostenfaktor, der der Gewinnmaximierung des Unternehmens im Weg steht. So ist also der Lohn für die Lohnabhängigen der Lebensunterhalt mit dem sie zurecht kommen müssen, aber gleichzeitig für das Unternehmen eine Profitschmälerung. Denn der Zweck eines Unternehmens ist nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen, wie es uns jeden Tag aus den Medien entgegenschallt, sondern die Erzielung möglichst hohen Profits.
Die einzelnen Unternehmen befinden sich im permanenten Konkurrenzkampf miteinander, deswegen müssen sie versuchen ihre jeweiligen Waren billiger als ihre Konkurrenz herzustellen und dabei Kosten zu senken. Die Unternehmen können die anderen Kostenfaktoren wie den Ölpreis oder die Höhe der Steuern nicht direkt bestimmen und so wird meistens das flexible Kapital, also der Lohn, gesenkt. Die Telekom versucht also nicht aus bösem Willen oder aufgrund der Unfähigkeit des Management die angedrohten Kürzungen durchzuziehen, sondern sie ist gezwungen, wenn sie nicht im allgemeinen Konkurrenzkampf untergehen will, die Kosten zu drücken. Diese Gesetzmäßigkeiten und deren soziale Folgen sind dem Kapitalismus immanent und keine Auswüchse à la „Raubtier- oder Turbokapitalismus". Aus diesem Grunde ist ein menschenwürdiges Leben für alle auch nur jenseits der kapitalistischen Profitlogik möglich und wir sollten endlich beginnen über eine Welt nachzudenken, in der die Bedürfnisse des Menschen an oberster Stelle stehen und nicht die geradezu zwanghaften Verwertung des Werts.
Der einzig sinnvolle Weg die angedrohten Verschlechterungen zu verhindern ist, den Machtkampf mit dem Unternehmen aufzunehmen und klar zu machen, dass der Widerstand der ArbeiterInnen soviel Kosten verursacht, dass es sich für das Unternehmen nicht mehr lohnt die Kürzungen aufrechtzuerhalten. Die Telekom hat dies erkannt und versucht den Streik durch Illegalisierung, StreikbrecherInnenprämien und dem Anwerben von LeiharbeiterInnen zu beenden. Die Versuche der Telekom den Streik zu brechen verdeutlichen allerdings nur, dass die ArbeiterInnen mit diesem auf dem richtigen Weg sind.
Nicht nur die Angestellten der Telekom sehen sich mit den Bedrohungen ihrer Lebensverhältnisse konfrontiert, auch in anderen Telekommunikationsunternehmen wie Siemens/Nokia und Arcor kämpfen die ArbeiterInnen gegen die Absichten der jeweiligen KapitalistInnen. Diese Kämpfe, die von den selben Interessen getragen sind, doch zum jetzigen Zeitpunkt noch vereinzelt und isoliert geführt werden, wären weitaus kräftiger, wenn sie solidarisch miteinander geführt würden. Nur durch praktisch gelebte Solidarität können die Auseinandersetzungen der einzelnen Gruppen die Kraft bekommen, die sie benötigen, um diese zu gewinnen. Und nur in solchen Kämpfen und in den darin ablaufenden Prozessen kann eine Vorstellung davon entstehen, wie eine Welt ohne Ausbeutung, Entfremdung und Vereinzelung möglich ist.
Schlagen wir die sozialen Angriffe zurück!
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!
Aktuelle Infos zum Streik finden sich auf: ag-anti-cc.blogspot.com
Für einen revolutionären 1. Mai!
02.05.2007
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,\ werden die Beherrschten sprechen.\ (Bertolt Brecht, Lob der Dialektik)
Spätestens seit die Gewerkschaften ihn zum konformistischen Würstchenfest verkommen ließen, ist der 1. Mai als historischer „Kampftag der ArbeiterInnenklasse" etwas aus der Mode gekommen. Er ist bestenfalls ein Symbol, eine Erinnerung an eine scheinbar längst vergangene Tradition der Kämpfe gegen kapitalistische Unterdrückung, Ausbeutung und soziales Elend - eine Erinnerung, die mit dem Verschwinden dieser Kämpfe hierzulande immer schwerer aufrechtzuerhalten ist. Aber mehr denn je ist es wichtig, diesen symbolischen Tag mit Leben zu füllen.
Noch immer leben wir im Elend des Kapitalismus, einer Gesellschaft, die darauf beruht, dass sich wenige auf Kosten vieler bereichern. Ein fast über den gesamten Globus ausgebreitetes Weltsystem, in dem wirtschaftliche Interessen über menschliche Bedürfnisse regieren, und in dem Menschen einander als Konkurrenten und Feinde gegenübertreten. Eine Gesellschaft, die von Entfremdung und sozialer Kälte beherrscht wird, in der Menschen über andere Menschen regieren, und in der die politische Ohnmacht der Individuen durch das Spektakel des Konsums und der medialen Verdummung erstickt wird. Eine Gesellschaft des materiellen Überflusses, die Tag für Tag Menschen in materielles Elend stürzt, auf die Straße setzt, ausgrenzt, abschiebt und in Gefängnisse steckt.
[]{.inline .inline-right}Der Kampf gegen diese Gesellschaft ist aktueller denn je zuvor, und er wird umso dringender, je stärker die Angriffe auf einmal erkämpfte soziale Errungenschaften zunehmen; je stärker Sozialabbau, Privatisierung und der Abbau von Freiheitsrechten fortschreiten und immer weiter auf eine totalitäre Gesellschaft der Überwachung und Barbarei hinsteuern. Immer deutlicher zeigt sich, dass diese Gesellschaft nur noch mit Gewalt und Zwang zusammengehalten werden kann, mit zunehmender Repression und polizeistaatlicher Disziplinierung.
Immer offensichtlicher wird, dass der Kapitalismus uns vor die entscheidende Wahl stellt, die Rosa Luxemburg bereits vor über 90 Jahren formuliert hatte: „Sozialismus oder Barbarei". Entweder, wir schaffen diese überkommene, 200 Jahre alte Gesellschaft endlich ab und ersetzen sie durch eine neue, bessere - oder wir werden mit ihr gemeinsam in der Barbarei des Polizeistaats, des sozialen Elends und des Krieges aller gegen alle untergehen. Doch so wie das Mittelalter eines Tages dem Siegeszug der Französischen Revolution weichen musste, so wird irgendwann auch der Kapitalismus eines Tages einer neuen Gesellschaft weichen müssen und Platz machen für eine weitere, hoffentlich bessere Epoche der Menschheitsgeschichte.
Ob diese neue Gesellschaft sich als „Sozialismus" bezeichnen wird, als „Kommunismus" oder „Anarchismus", oder ob sie einen ganz anderen Namen tragen wird, ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie es schafft, anstelle des Kampfes aller gegen aller ein solidarisches Miteinander zu setzen. Dass sie es schafft, das Privateigentum an Produktionsmitteln durch die Vergesellschaftung der sozialen Prozesse zu ersetzen, und anstelle der Regierung der Mehrheit durch eine Minderheit die autonome Selbstverwaltung der Menschen zu verwirklichen. Eine Gesellschaft, in der die wichtigen Güter allen gemeinsam gehören, und in der alle gemeinsam über alle wichtigen Angelegenheiten entscheiden können; eine Gesellschaft der Freiheit und der Emanzipation, in der niemand mehr das Recht hat, andere zu unterdrücken, zu regieren oder für sich arbeiten zu lassen; eine Gesellschaft der Gleichberechtigung und der Solidarität. Eine Gesellschaft, in der es heißt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen".
Diese Gesellschaft mag heute noch eine bloße Utopie sein, aber gerade angesichts des ungeheuren technischen Fortschritts der letzten Jahrhunderte ist ihre Verwirklichung realistischer als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Und es waren immer die Utopien, die Kämpfe angetrieben und Auswege aus dem Elend der Gegenwart aufgezeigt haben. Auch deshalb soll die Tradition des 1. Mai nicht untergehen, denn sie erinnert uns daran, dass der Kampf um eine bessere Welt bereits geführt wurde, dass er Niederlagen erlitten hat, aber auch Fortschritte gemacht hat, so klein und zeitlich begrenzt diese angesichts der politischen und militärischen Übermacht des alten Regimes auch waren.
Vor allem aber zeigt uns die Tradition des 1. Mai - und die Tatsache, dass auch heute noch Menschen an diesem Tag nicht nur zum Würstchenessen auf die Straße gehen -, dass dieser Kampf noch immer nicht endgültig entschieden ist. Sorgen wir deshalb dafür, dass der Kampf diesmal nicht von den Unterdrückenden gewonnen wird, sondern von den Unterdrückten: Sorgen wir dafür, dass der Kapitalismus möglichst bald der Vergangenheit angehört.
FÜR DIE SOZIALE REVOLUTION!
FÜR DEN KOMMUNISMUS!
FÜR DIE ANARCHIE!
Häuserkämpfe sind typisch für Freiburgs südlichen Lebensstil
21.02.2007
Die Pläne des grünen Oberbürgermeisters Salomon, fast alle der rund 9000 städtischen Wohnungen Freiburgs zu privatisieren, sind vorerst am deutlichen Votum der Bevölkerung gescheitert. Bei einem durch eine Bürgerinitiative ins Leben gerufenen Bürgerentscheid sprachen sich die WählerInnen mit überwältigender Mehrheit gegen den Verkauf der Stadtbau-Wohnungen aus. Obwohl die meisten derer, die sich am Bürgerentscheid beteiligt haben, von den Verkäufen gar nicht unmittelbar betroffen gewesen wären, haben sie für die Position der Mieterinnen und Mieter der Stadtbau-Wohnungen gestimmt. Sie haben erkannt, dass sie nur gemeinsam die fortschreitende Privatisierung städtischen Eigentums auf Kosten der unteren Schichten stoppen können.
[[Leerstehender Güterbahnhof in der Neunlindenstraße]{.caption style="width: -2px;"}]{.inline .inline-right}
Mit diesem kleinen Erfolg der „Straße" gegen die etablierte Politik ist jedoch der eigentliche Konflikt nicht gewonnen. Das strukturelle Defizit der Stadt soll weiterhin zu Lasten der Armen reduziert werden. So werden die Mieten der Stadtbauwohnungen weiter steigen und die sozialen Kürzungen in nächster Zeit einen Höhepunkt erreichen. „Erwerbslose Hilfebedürftige" werden heute schon darauf hingewiesen, dass ihre Wohnung zu teuer sei und sie sich um Kostensenkung bemühen sollten. Gemeint ist damit die Aufforderung, ein Zimmer unterzuvermieten oder gleich eine andere Wohnung zu suchen, die den in Freiburg kommunal festgesetzten „Kosten der Unterkunft", also den knapp bemessenen Hartz-IV-Sätzen, entspricht.
Auch die Stadtbau-Gesellschaft, für deren Erhalt beim Bürgerentscheid gekämpft wurde, ist letztlich ein ganz gewöhnliches kapitalistisches Unternehmen, das entsprechenden Zwängen unterliegt. Bezeichnenderweise war eben sie es, die im Januar 2007 in Freiburg-Spittelacker mehrere Häuser einer Arbeitersiedlung mit Sozialwohnungen abreißen ließ, um stattdessen Eigentumswohnungen an ihre Stelle zu setzen. Es gab einen Selbstmord aus Verzweiflung, der zugehörige Abschiedsbrief war auf die Rückseite der Räumungsklage der Stadtbau geschrieben.
Doch wie sich gegen den Verkauf der Stadtbauwohnungen Widerstand regte, so regte sich auch gegen diese unsinnige Leerstands- und Abrisspolitik Widerstand, obgleich zahlenmäßig schwächer. Autonome versuchten, die Häuser zu besetzen und vor dem Abriss zu bewahren. Der Staat reagierte mit harter Repression auf diese Besetzungen. So wurden nicht nur dutzende Verfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet, sondern AktivistInnen auch brutal von der Polizei zusammengetreten. Derartige Hausbesetzungen sind keine Einzelfälle, vielmehr besitzen sie in Freiburg eine lange Tradition. Immer wieder wurde versucht --- oft mit Erfolg --- leerstehende Häuser zu besetzen und für den eigenen Gebrauch nutzbar zu machen. Oft waren Besetzungen aus der Not geboren, denn Freiburg war schon immer ein teures Pflaster.
HauseigentümerInnen erhöhen ihre Mieten immer weiter und kündigen renitenten MieterInnen kurzerhand die Wohnung. So hat beispielsweise die Südwestdeutsche Bau-Union die Mieten ihrer --- 2005 von der Stadtbau gekauften --- Wohnungen einen Monat nach dem Bürgerentscheid um teilweise bis zu 20% erhöht. Wohngruppen für psychisch Kranke, Strafentlassene, Alleinerziehende --- alles, was nicht passt, wird gekündigt und herausgedrängt. Als sich die betroffenen MieterInnen in einer „Mieterinitiative Bau-Union" zusammentaten und Beratungen im Quartierszentrum organisierten, wurden auch diese Räume von der Bau-Union gekündigt. Die Bewertungskriterien des neuen Freiburger Mietspiegels zur Berechnung der Miethöhe bieten VermieterInnen zukünftig nun auch noch weitere rechtliche Möglichkeiten zu Mieterhöhungen. Und wer letztendlich die von den Grünen anvisierte Erhöhung der Grundsteuer zahlen muss, ist auch kein Geheimnis.
Die hohen Mieten in Freiburg sind umso verwunderlicher, als es an Wohnraum in Freiburg eigentlich gar nicht fehlt. Immer wieder werden leerstehende Wohnhäuser einfach abgerissen, um die so entstehenden Grundstücke gewinnbringend verkaufen zu können. Auf dem Vaubangelände standen bis vor zwei Jahren gleich mehrere ehemalige Kasernengebäude frei, die mit wenig Aufwand in Wohnhäuser hätten umgebaut werden können. Stattdessen wurden sie --- gegen den Widerstand zahlreicher HausbesetzerInnen, die sich in einem der Häuser verbarrikadiert hatten --- abgerissen. Wie ist diese groteske Verschwendung zu erklären?
[[Leerstehendes Haus im Werderring 14]{.caption style="width: -2px;"}]{.inline .inline-left}
Die kapitalistische Verwertungslogik, die diese Gesellschaft regiert, richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, die unter ihrem Diktat leben. Der „Gebrauchswert" von Häusern --- das heißt die Tatsache, dass man in ihnen wohnen kann --- ist letztlich irrelevant, wenn er nicht mit einem hohen „Tauschwert" einhergeht --- das heißt, wenn er nicht zugleich Profit abwirft. Nur wer sich rentiert, darf wohnen, und wer sich die hohen Freiburger Mieten nicht leisten kann, bleibt eben auf der Straße. Die allgegenwärtige Verwertungslogik des kapitalistischen Systems macht auch vor den Grundbedürfnissen der Menschen nicht Halt.
Die Besetzenden dagegen nehmen sich die leerstehenden Häuser, ohne die juristischen EigentümerInnen --- oder gar den Staat --- um Erlaubnis zu fragen. Diese direkte Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums ist für viele die einzige Form, sich zu nehmen, was sie sich in einem System, in dem alles Geld kostet, nicht leisten können. „Die Häuser denen, die sie brauchen", lautete eine Parole der HausbesetzerInnenbewegung der 80er Jahre, die diesen Anspruch auf den Punkt bringt.
Doch hinter den Besetzungen steckt noch mehr als nur die unmittelbare Befriedigung unerfüllter Lebensbedürfnisse. Sie sind immer auch ein Angriff gegen die herrschende Logik des kapitalistischen Systems selbst. Sie ersetzen die Logik des Kapitals durch die Logik der eigenen Bedürfnisse, die Zwänge und Entsagungen der am Profit orientierten Warenwirtschaft durch eine unmittelbare Aneignung der gesellschaftlichen Produkte durch die Menschen selbst. Wenn das alle machen würden, wäre das ein mächtiger Schritt in Richtung einer längst überfälligen Überwindung des Kapitalismus und seiner menschenverachtenden Logik. Ein Schritt in Richtung einer solidarischen Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen zur Richtschnur politischer Entscheidungen werden, und nicht die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals. Auch darum muss es heißen: Besetzt mehr Häuser!
Für die soziale Revolution!
Für den Kommunismus!
Für die Anarchie!
Solidarität mit den Schattenparkern
31.08.2006
Ende August 2006 sollen die Schattenparker ihren Übergangsplatz auf der Haid verlassen. Die Stadt will die Schattenparker zwingen, auf zwei Gelände neben dem Eselswinkel zu ziehen. Dagegen haben die Schattenparker begründete Einwände, denn zwei getrennte Flächen machen noch keinen Wagenplatz. Außerdem wurden erst kürzlich die Straßenpunx von diesem Ort vertrieben.
Wir solidarisieren uns mit den Schattenparkern, denn linke Wagenburgen können Freiräume darstellen, die im kleinen Rahmen die Möglichkeit geben, mit anderen Formen des Zusammenleben zu experimentieren und aus gesellschaftlichen Normen und Zwängen auszubrechen. Dass diese Freiräume nur enge Perspektiven eröffnen und gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung wenig ausrichten können, ist uns klar. Wir finden es jedoch wichtig festzuhalten, dass Freiräume eine der Grundlagen für die Entstehung von subversiven Gedanken und Bewegungen sein können.
Desweiteren sehen wir die angedrohte Räumung der Schattenparker im gesellschaftlichen Zusammenhang des erhöhten sozialen Drucks der letzten Jahre. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich fanden massive Angriffe auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen statt, so zum Beispiel der Sozialabbau in Deutschland oder die Rentenreform in Frankreich. In den letzten Jahren wurde das kapitalistische Elend für die meisten noch schlimmer.
Gegen diese Angriffe können wir nur gemeinsam kämpfen. Deshalb solidarisieren wir uns nicht nur als radikale Linke, sondern auch als StudentInnen, ArbeiterInnen, SchülerInnen und Arbeitslose mit den Schattenparkern. Unsere Solidarität wird sich nicht nur auf diese Erklärung beschränken, wir werden unsere Solidarität mit dem Kampf der Schattenparker gegebenenfalls auch durch direkte Aktionen zeigen.
La Banda Vaga, August 2006
La répression comme solution aux crises
20.08.2006
Réflexions sur les violences policières contre le DIY-festival qui s'est déroulé à Fribourg en 2006
Nos camarades de Strasbourg de la «Fédération Anarchiste» ont traduit notre texte et ils ont écrit d'autres textes sur le DIY. Merci beaucoup !
Fribourg est connue pour être une ville alternative et tolérante. Cette situation est généralement liée à l'histoire de la ville qui a été marquée par le mouvement anti-nucléaire et le mouvement squat. Le fait que l'actuel maire soit membre du parti des Verts entre également en compte. Pourtant, les participants à la convention anarchiste « Do it yourself - Against the State » qui a eu lieu du 27 au 30 juillet à Fribourg quitteront certainement la ville avec une opinion différente.
Dans un premier temps, la convention anarchiste se déroula de façon créative et pacifique. Le 27 juillet au soir des groupes de punk et autre hardcore jouaient au KTS, le centre autonome de Fribourg. Au même moment, un présumé tagueur a été arrêté [ndt à proximité du KTS]. Lors d'une tentative de la part du public venu assister aux concerts pour libérer le présumé tagueur, des incidents ont éclaté. Un policier a été grièvement blessé à l'œil (apparemment par un jet de bouteille). Ce malheureux incident a dès lors servi comme prétexte à l'utilisation d'une répression massive à l'encontre du DIY ainsi que contre l'ensemble de la gauche radicale de Fribourg dans les jours qui ont suivi.
Deux heures après, la police boucla le KTS à l'aide d'un dispositif important. Le lendemain, le camp a été expulsé et toutes les personnes présentes qui n'étaient pas de Fribourg se sont vu notifier l'expulsion de la ville. Le samedi 29 juillet devait avoir lieu une manifestation « Reclaim the Streets » prévue de longue date. Celle-ci devient finalement une épreuve de force entre la police et la gauche radicale. Dans un premier temps la situation sembla défavorable aux 400 manifestants dispersés dans toute la ville. Mais les nombreuses actions créatives (pacifiques) mises en place grâce à un Pink-Silver-Block, allié aux agissements stratégiques de la « Clown-Army », a permis d'imposer la manifestation contre la volonté de la police. De plus, elle s'est rendue impopulaire auprès de la population qui a été déconcertée par l'attitude martiale des policiers cagoulés, en tenu anti-émeute utilisant des serflex ainsi que par leur attitude particulièrement agressive. Les « Clowns » ont été particulièrement la cible des violences policière. Sortis du cortège, mis à terre, sous les protestations des passants, on les a menottés avec des serflex qui ont été resserrés à chaque mouvement, ce qui peut laisser des séquelles physiques.
Finalement la police réussit à encercler une grande partie de la manifestation. Après plusieurs heures d'attente les forces de « l'ordre » ont interpellé de manière violente un à un les militants soit pour procéder à un contrôle d'identité ou encore pour les arrêter définitivement.Contre cette manifestation pacifique, la police n'hésita pas à frapper au visage et à la tête à coups de matraque ceux qui étaient assis par terre. On n'avait plus vu de telles scènes à Fribourg depuis des années. Conformément aux circonstances, l'indignation de l'opinion publique fut importante dans les jours qui suivirent. La « Badische Zeitung » évoqua les nombreux témoignages critiques qui lui étaient parvenus. Les reportages des journaux locaux étaient divers (mention du policier blessé), mais en général plutôt critiques à l'égard de l'intervention de la police jugée disproportionnée et exagérée. L'abandon de la « ligne de Fribourg » c'est-à-dire la « désescalade » pour laquelle la police a été connue durant de longues années à également fait l'objet de critiques. C'est seulement durant ces deux dernières années qu'un éloignement progressif de cette tactique a été ressenti ; processus qui a atteint pour le moment son paroxysme durant la manif RTS.
La nouvelle stratégie de la confrontation ne peut être expliquée par la personnalité du nouveau chef de la Police Heiner Amann. Ceci est évident en jetant un coup d'œil sur les développements similaires que connaissent tout le Bade-Wurtemberg, toute l'Allemagne et même plus largement tous les pays occidentaux. Partout les centres autonomes sont fermés et les espaces libres de la gauche radicale restreints. De plus en plus, la violence et la répression, même l'état d'urgence comme lors des récentes émeutes en banlieue en France, sont utilisés contre ceux qui protestent. Des perquisitions, des confiscations ainsi que des plaintes motivées par des croix gammée détruites servant à illustrer des tracts antifas semblent depuis peu faire partie de la liste des priorités pour protéger l'Etat. Il semble que le capitalisme soit encore moins à même de supporter des plaisanteries ces derniers temps quand il s'agit de ses ennemis.
Cette évolution ne concerne pas seulement la gauche radicale : les lois anti-terroristes, la vidéosurveillance des centres-villes, les passeports biométriques, la multiplication des tests ADN et d'innombrables autres mesures touchent toute la population. Un exemple en est l'ASBO (« Anti-Social Behaviour Order ») en Grande-Bretagne. Avec ces lois le gouvernement britannique essaye de lutter contre les comportements « asociaux » ; mais en suivant cette logique on est déjà asocial quand on fait un peu trop de bruit le soir. Et on ne combat pas seulement les soi-disant individus dangereux mais aussi les fainéants. En Allemagne les chômeurs sont réduits de fait au travail forcé par la mise place d'emplois rémunérés à 1 euro de l'heure. Plus généralement les harcèlements de toute sorte contre les chômeurs ne cessent d'augmenter depuis des années.
Cette augmentation du contrôle sociale et des mesures répressives à l'encontre de la population ne peut être comprise que si on la considère comme faisant partie d'une politique globale de l'Etat pour résoudre un problème précis. Il est bien connu que répression et contrôle sociale ne sont pas nécessaires lorsque la population ne se révolte pas et qu'elle ne semble pas prête à le faire. L'Etat aurait-il donc peur des insurrections ? Cela n'est certainement pas impensable en Allemagne au vu des récents évènements qui se sont déroulés en France. Il est possible que les luttes sociales et les grèves qui ont marqué l'année dernière traduisent un mécontentement grandissant des gens envers un système qui réussit de moins en moins à assurer leurs besoins quotidiens, un système qui les marginalise économiquement et socialement, entre autres par le travail forcé. Il semble donc intéressant pour l'Etat d'anticiper les choses en étendant autant que possible son champ d'intervention.
Ainsi, par sa volonté répressive et son obsession de la discipline, l'Etat tente en dernier lieu de permettre à l'exploitation capitaliste de suivre son cours sans heurts, en usant de la violence lorsque les circonstances ne lui laissent plus d'autre alternative. Sans la contrainte, l'oppression et la violence, la société capitaliste de ce début de XXIème siècle ne pourrait pas continuer d'exister. C'est par sa propre logique de profit - comme Marx l'avait prédit - qu'elle s'effondrera d'elle-même. L'exploitation économique, le pouvoir d'achat de la population et la stabilité sociale ne font pas bon ménage ensemble dans la durée surtout en ces temps où la croissance fait défaut.
Cette désintégration de la société amène les individus à prendre conscience de certaines réalités - prise de conscience qui peut être grandement accélérée par la répression étatique - et c'est évidemment une chance pour les idées révolutionnaires et l'espoir d'une société libérée de l'exploitation et de l'oppression capitalistes. Il est tout aussi évident que nous ne pouvons pas accepter sans réagir la répression, c'est-à-dire la lutte de l'Etat contre l'existence d'une action révolutionnaire et d'espaces collectifs libres. Comme le dit si bien Tocotronic : « Il faut rendre ses coups au malheur. »
La Banda Vaga
Repression als Krisenlösung - Überlegungen zur Polizeigewalt gegen das DIY-Festival in Freiburg 2006
11.08.2006
Unsere Genossen von der «Fédération Anarchiste» aus Strasbourg haben diesen Text ins Französische übersetzt. Merci beaucoup ! Freiburg steht im Ruf, eine alternative und tolerante Stadt zu sein. Dies wird meistens an der durch die Anti-Atomkraft-Bewegung und durch Häuserkämpfe geprägten Geschichte der Stadt sowie am derzeitigen grünen Oberbürgermeister festgemacht. Die Besucher des anarchistischen „Do it yourself --- Against the State"-Festivals (DIY), das vom 27. bis zum 30. Juli in Freiburg stattfand, werden diese Stadt jedoch mit einem etwas anderen Eindruck verlassen haben. Zunächst verlief die „Anarchist Convention" produktiv und friedlich. Am Abend des 27. Juli spielten einige Punk und Hardcore Bands in der KTS, dem Autonomen Zentrum Freiburgs. Zur gleichen Zeit wurde in der Nähe ein mutmaßlicher Graffiti-Sprayer festgenommen. Als es beim Versuch einiger KonzertbesucherInnen, den Festgenommenen aus dem Polizeiwagen zu befreien, zu Rangeleien kam, wurde ein Polizist (vermutlich durch einen Flaschenwurf) schwer am Auge verletzt. Dieser unglückliche Vorfall diente fortan zur allumfassenden Begründung für die massiven Repressionen, denen sich das Festival und die gesamte Freiburger Linke in den nächsten Tage ausgesetzt sah. Zwei Stunden später umstellte ein Großaufgebot der Polizei die KTS und riegelte das gesamte Gelände ab. Bereits am nächsten Tag wurde das Camp der auswärtigen FestivalbesucherInnen geräumt, und alle Anwesenden, die nicht aus Freiburg stammten, erhielten Stadtverweise. Am darauffolgenden Tag, dem 29. Juli, sollte eine bereits länger geplante „Reclaim the Streets"-Demonstration stattfinden, die sich nun zum Machtkampf zwischen Polizei und linker Szene entwickelte. Zunächst sah es nach einer überlegenen Situation für die etwa 400 über die Stadt hinweg verteilten DemonstrantInnen aus, die mit zahlreichen kreativen, aber durchweg friedlichen Aktionen sowie insbesondere dank eines mit Klobürsten ausgerüsteten Pink-Silver-Blocks und einer strategisch gekonnt agierenden Clown-Army die Demonstration gegen den Willen der Polizei durchsetzte. Diese machte sich bei einer verdutzten Bevölkerung durch den Einsatz von Sturm-Masken, martialischer schwarzer Ganzkörpermontur, Kabelbindern als Fesseln sowie allgemein einem sehr aggressiven Auftreten zunehmend unbeliebt. Insbesondere die Clowns wurden zur Zielscheibe der Polizeigewalt, wurden immer wieder aus der Menge herausgezogen, auf den Boden geworfen und, gegen den oftmals lautstarken Protest von PassantInnen, mit Plastik-Kabelbindern gefesselt --- die sich bei jeder Bewegung immer fester zuziehen und nicht unbedeutende gesundheitliche Schäden hinterlassen können. Schließlich gelang es der Polizei, einen Großteil der DemonstrantInnen einzukesseln. Nach stundenlangem Ausharren in der Sonne begann die Polizei dann, einzelne DemonstrantInnen mit Gewalt aus dem Kessel zu ziehen und festzunehmen oder zur Feststellung von Personalien abzuführen. Gegen die zu jeder Zeit friedlichen DemonstrantInnen kamen dabei auch Schlagstöcke zum Einsatz, mit denen auf die Köpfe und Gesichter der Sitzenden eingeschlagen wurden. Bilder einer Polizeigewalt, die man in Freiburg so seit Jahren nicht mehr sehen konnte. Entsprechend groß war die Empörung der Öffentlichkeit in den nächsten Tagen. Die Badische Zeitung erwähnte zahlreiche kritische Augenzeugenberichte, die bei ihr eingingen. Die Berichterstattung in den Lokalzeitungen selbst war gemischt (unter anderem mit Hinweis auf den verletzten Polizisten), jedoch tendenziell kritisch gegenüber der Unverhältnismäßigkeit des überdimensionierten Polizeieinsatzes sowie gegenüber dem Verlassen der „Freiburger Linie" durch die Polizei, welche lange Zeit für ihre Deeskalationstaktik bekannt war. Erst in den letzten zwei Jahren zeichnete sich langsam aber spürbar ein Abrücken von dieser Taktik ab --- ein Prozess, der bei der RTS-Demo seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Dass die neue Taktik der Konfrontation nicht aus der Charakterstruktur des neuen Polizeichefs Heiner Amann erklärbar ist, zeigt ein Blick auf ähnliche Entwicklungen in ganz Baden-Württemberg, in ganz Deutschland sowie in den westlichen Ländern überhaupt. Überall werden Autonome Zentren geschlossen, linke Freiräume eingeebnet, wird zunehmend mit Gewalt und Repression, bisweilen sogar mit der Verhängung des Ausnahmezustands wie bei den Banlieue-Aufständen in Frankreich, gegen Protestierende vorgegangen. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Strafanzeigen gegen die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze auf Antifa-Flugblättern stehen neuerdings weit oben auf der Prioritätenliste des Staatsschutzes. Der Kapitalismus, so scheint es, ist neuerdings noch weniger als sonst zu Scherzen aufgelegt, wenn es um seine GegnerInnen geht. Von dieser Entwicklung ist freilich nicht nur die Linke betroffen: Anti-Terror-Gesetze, Videoüberwachung von Innenstädten, biometrische Pässe, Massen-Gentests und zahlreiche andere Maßnahmen treffen die gesamte Bevölkerung. Ein Beispiel aus Großbritannien ist das sogenannte ASBO („Anti-Social Behaviour Order"). Mit diesem Gesetz versucht die britische Regierung, gegen „asoziales" Verhalten vorzugehen --- wobei asozial schon ist, wer abends genug Lärm macht. Und nicht nur die Gefährlichen, auch die Faulen werden bekämpft. In Deutschland werden Arbeitslose durch 1-Euro-Jobs de facto zu Zwangsarbeit gezwungen; überhaupt nehmen Schikanen aller Art gegen Arbeitslose seit Jahren unvermindert zu. Diese zunehmende Disziplinierung und Repression der Bevölkerung kann nur verstanden werden, wenn sie als Teil einer staatlichen Lösung für ein bestimmtes Problem erkannt wird. Repression und Disziplinierung sind bekanntlich nicht notwendig gegenüber einer Bevölkerung, die nicht aufbegehrt oder aufzubegehren vorhat. Hat der Staat also Angst vor Aufständen? Undenkbar ist das, blickt man auf die jüngsten Ereignisse in Frankreich, ganz sicher nicht --- auch hierzulande. Womöglich sind die scharfen Arbeitskämpfe und Streiks des letzten Jahres tatsächlich die Vorboten einer kommenden Unzufriedenheit der Menschen mit einem System, das ihre alltäglichen Lebensbedürfnisse immer weniger zu sichern vermag; mit einem System, das sie ökonomisch und sozial marginalisiert und unter anderem zur Zwangsarbeit zwingt. Keine schlechte Idee scheint es da, bereits im Vorfeld die Handlungsspielräume des Staates möglichst weit auszudehnen. Aber das Problem reicht noch tiefer. Denn auch ohne manifeste Aufstände wie in Frankreich ist der europäische Alltag von den Erscheinungen einer gesellschaftlichen Krise geprägt. Die Massenarbeitslosigkeit will und will nicht abnehmen, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, und immer mehr Menschen sind von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben dauerhaft ausgeschlossen --- MigrantInnen, Flüchtlinge und Illegale ebenso wie die einheimische Unterschicht, die zunehmend größer wird. Wer aber vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen ist, wer Schwarzarbeit verrichtet, sich nicht um Leitkultur und Gesetze schert, wer Fußgängerzonen und Einkaufspassagen mit der Zurschaustellung seiner Armut „verunreinigt" und dadurch das Geschäft stört, und wer womöglich gar, wie Teile der Linken, ein Leben jenseits des Kommerzes und geordneter Mietverhältnisse zu führen versucht --- der oder die ist nicht gerade ein Beitrag zum Wirtschaftsaufschwung. Ganz abgesehen davon, dass die Zunahme non-konformer Lebenspraxen immer auch gesellschaftlichen Sprengstoff darstellt, der die Integration der Bevölkerung in das kapitalistische System gefährdet und soziale Spaltungen provozieren kann. So stellt die Repressions- und Disziplinierungswut des Staates zuletzt wohl auch einen Versuch dar, den reibungslosen Ablaufs des kapitalistischen Verwertungszusammenhangs mit Gewalt zu gewährleisten, wo er anders nicht mehr gewährleistet werden kann. Anders als mit Zwang, Unterdrückung und Gewalt kann die kapitalistische Gesellschaft des frühen 21. Jahrhunderts wohl nicht mehr zusammengehalten werden. Durch ihre eigene Verwertungslogik wird sie --- Marx lässt grüßen --- zugleich ihrem eigenen Zusammenbruch entgegen getrieben. Ökonomische Ausbeutung, Kaufkraft der Bevölkerung und soziale Stabilität passen eben auf Dauer und bei Abwesenheit wirtschaftlichen Wachstums nicht gut zusammen. Es liegt auf der Hand, dass die Folgen dieser sozialen Desintegration für das Bewusstsein der Menschen --- das durch staatliche Repression ja durchaus noch gefördert werden kann --- auch eine Chance sind für die Ideen der Revolution und einer Gesellschaft jenseits von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Dass wir die Repression, das heißt den staatlichen Kampf gegen die Möglichkeit revolutionärer Arbeit und gesellschaftlicher Freiräume, deshalb nicht ohnmächtig hinnehmen dürfen, liegt ebenfalls auf der Hand. Wie heißt es bei Tocotronic so schön: „Das Unglück muss zurückgeschlagen werden." La Banda Vaga
Die Häuser denen, die sie brauchen!
03.06.2006
Diese Parole der HausbesetzerInnenbewegung der 80er Jahre könnte auch in Freiburg wieder in Mode kommen, denn Oberbürgermeister Dieter Salomon plant aufgrund der finanziellen Situation der Stadt den Verkauf der städtischen Wohnungen an private InvestorInnen. Nun befürchten die MieterInnen dieser Wohnungen sowie die Angestellten der Stadtbau, dass neue private InvestorInnen die Mieten erhöhen, MitarbeiterInnen entlassen und Mitbestimmungsrechte abbauen könnten. Erfahrungen mit Privatisierungsprojekten in anderen Städten bestätigen diese Befürchtungen.
Verschiedene politische und soziale Organisationen wenden sich gegen den Verkauf, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet und ein Bürgerentscheid soll eingeleitet werden. Teilweise entstehen in den Nachbarschaften basisdemokratische Prozesse, und die Menschen fangen an, sich gemeinsam mit ihren NachbarInnen gegen die unsoziale Politik zu wehren. Dieser Widerstand ist richtig und notwendig - auch und gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es hier um den Wohnraum tausender Menschen geht.
[[Leerstehendes Haus im Werderring 11]{.caption style="width: -2px;"}]{.inline .inline-right}
Zum Symbol dieses Widerstands wurde eine durchgestrichene Heuschrecke gewählt. Damit wird auf eine Rede des damaligen SPD-Generalsekretärs und jetzigen Bundesarbeitsministers Franz Müntefering angespielt, die dieser am 22. November 2004 hielt. In dieser von den Medien als „Kapitalismuskritik" bezeichneten Rede warnte Müntefering, der noch kurze Zeit vorher mit den Hartz-Reformen das größte Massenverarmungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik mit durchgesetzt hatte, vor so genannten \"Private Equity Unternehmen\". Diese Investmentfirmen, die mit dem Geld ihrer AnlegerInnen andere Unternehmen aufkaufen und sie dann so schnell wie möglich wieder gewinnbringend verkaufen, wurden von Müntefering mit Heuschrecken verglichen. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag" führte er im April 2005 noch einmal aus, wie er sich die kapitalistische Vergesellschaftung vorstellt: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten, sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir."
Dieser Diskurs wurde von der IG-Metall aufgegriffen, die im Mai 2005 einen Artikel mit dem Titel „US-Firmen in Deutschland - Die Aussauger" in ihrer Mitgliederzeitung „metall" veröffentlichte. Als Illustration wählte die Gewerkschaft Moskitos mit Stars-and-Stripes-Zylindern, die deutsche Fabriken aussaugen und mit prall gefüllten Geldkoffern wieder nach Amerika verschwinden - ganz so, als kämen die guten KapitalistInnen alle aus Deutschland, die bösen alle aus dem Ausland. Diese Art von „Kritik" unterscheidet also zwischen einer vermeintlich „sozialen Marktwirtschaft" in der Bundesrepublik und einem „skrupellosen Raubtierkapitalismus" in den USA. Im globalen Konkurrenzkampf dient sie dazu, die von Deutschland dominierte EU als angeblich soziale Alternative zu den USA darzustellen.
[[Leerstehendes Haus in der Kartäuserstraße 51]{.caption style="width: -2px;"}]{.inline .inline-left}
Aber wo ist der qualitative Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Billiglohnjobs, zwischen amerikanischer Privatisierung und deutscher Privatisierung, deutscher Demütigung von Arbeitslosen und amerikanischer? Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen der kapitalistischen Gesellschaft in den USA und der kapitalistischen Gesellschaft der Bundesrepublik. Es bestehen zwischen ihnen höchstens quantitative Unterschiede, keine Wesensunterschiede. In beiden Modellen von Kapitalismus zählt gleichermaßen der Profit, in beiden geht es gleichermaßen um Kaufen und Verkaufen, nichts anderes.
Doch nicht nur deshalb ist das Feindbild der Heuschrecken ein falsches Signal. Münterfering greift mit diesem Bild nämlich, ob bewusst oder unbewusst, eine Form von Kapitalismuskritik auf, die es bereits einmal gab. Es war der Chefideologe der NSDAP, Alfred Rosenberg, der 1922 von den Juden schrieb als „Heuschreckenschwarm, der seit Jahrhunderten am Marke Europas frisst." Dass Müntefering und Rosenberg hier dasselbe Bild verwenden, ist kein Zufall. Denn wer wie Müntefering das Gesamtsystem Kapitalismus aufteilt in einen anonymen, menschenverachtenden und nur auf Profit orientierten Kapitalismus einerseits, und in einen sozial verantwortlichen Kapitalismus andererseits, der verwendet genau dieselbe Logik wie einst die NationalsozialistInnen, als sie zwischen unproduktivem „jüdischem" Finanzkapital einerseits, produktivem deutschem Kapital andererseits unterschieden. Zum Kapitalismus gehört aber immer beides, und für die Menschen, die vom Kapital ausgebeutet werden, macht es keinen Unterschied, ob sie von Deutschen, Amerikanern, Juden, Christen oder Brillenträgern ausgebeutet werden.
Das Problem ist der Kapitalismus, nicht der Charakter einzelner KapitalistInnen. Der geplante Häuserverkauf in Freiburg ist nur zu verstehen als Teil der weltweiten Durchkapitalisierung aller Lebensverhältnisse - er ist kein isoliertes Phänomen und lässt sich deshalb auch nur als Teil dieses Gesamtprozesses kritisieren.
Dass überhaupt privatisiert werden „muss", ohne dass die Menschen, die hier einfach so mitverkauft werden, nach ihrer Meinung gefragt werden, ist schon Skandal genug. Schuld an diesem Skandal sind aber keine bösen Heuschrecken, sondern ein System, in dem es sich überhaupt lohnt und in dem es überhaupt erlaubt ist, Wohnungen einfach so zu verkaufen - obwohl Menschen darin wohnen, die diese Wohnungen brauchen.
Noch ist über den Verkauf der Wohnungen nicht entschieden. Wir solidarisieren uns mit dem Kampf der Protestierenden und begrüßen ihren Versuch, selbst über ihre eigenen Lebensverhältnisse zu bestimmen.
Für die generalisierte Selbstverwaltung!
Für den Kommunismus!
Für die Anarchie!
Solidarität ist eine Waffe!
08.04.2006
Streik bei Gate Gourmet nach sechs Monaten beendet
Am 7. April 2006 wurde einer der längsten Streiks der deutschen Geschichte beendet. Genau sechs Monate befanden sich die ArbeiterInnen der Firma Gate Gourmet in Düsseldorf im Streik. Gate Gourmet ist für die Verpflegung bei Flügen zuständig und wurde vor drei Jahren von der Texas Pacific Group aufgekauft. Die Texas Pacific Group ist eine Firma, die sich darauf spezialisiert hat, andere Firmen aufzukaufen, die Kosten in diesen Firmen mit allen erdenklichen Mitteln zu senken und sie dann zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen.
Im Endeffekt bedeutet das für die Menschen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft bei Gate Gourmet zu verkaufen, auf Lohnerhöhungen und Weihnachtsgeld zu verzichten und einen insgesamt noch stressigeren Arbeitsablauf zu akzeptieren. Dies nahmen die ArbeiterInnen von Gate Gourmet hin, doch dann wollte die Firmenleitung noch weitergehende Verschlechterungen durchsetzen: eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden, Kürzung des Jahresurlaubs von 30 auf 25 Tage, eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit und eine Reduzierung der Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Im Gegenzug forderte die Gewerkschaft eine Lohnerhöhung um 4,5 Prozent.
Nachdem die Verhandlungen geplatzt waren, stimmten 90 Prozent der ArbeiterInnen für Streik und erfuhren dafür sehr viel Solidarität. Es gab immer wieder Blockaden des Firmenlagers durch SympathisantInnen und Aktionen gegen Streikbrecherfirmen. Doch am Ende konnte sich die Firma Gate Gourmet mit ihren Kürzungsplänen weitestgehend durchsetzen.
Die Entwicklung bei Gate Gourmet steht nur beispielhaft für die fortschreitende Verschlechterung unserer Arbeits- und Lebensverhältnisse. Denn egal ob wir dank Hartz IV auf Armutsniveau leben müssen und dazu eventuell noch für einen Euro pro Stunde zu meist sinnlosen Arbeiten verdonnert werden, ob wir nach einem teuren Studium von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten eilen, ob wir als Ich-AG alle Risiken unserer materiellen Existenz selber tragen müssen, ob wir in befristeten unsicheren Arbeitsverhältnissen Vollzeit arbeiten müssen, um doch wieder nur gerade so über die Runden zu kommen, oder ob wir „noch das Glück haben", in einem regulären Job immer länger für immer weniger Geld arbeiten zu dürfen, immer mit der Angst im Nacken, bei der nächsten Rationalisierungsmaßnahme auf die Straße gesetzt zu werden ? der allgemeine Trend zur Prekarisierung betrifft uns alle. Gleichzeitig produziert diese Gesellschaft einen stetig wachsenden Reichtum.
Dies liegt daran, dass es in diesem System nicht um die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse geht, sondern allein um die Erzielung von Profit, von Mehrwert, der den Arbeitenden abgepresst wird. Die Entwicklung der Produktivkräfte schreitet dabei immer weiter voran und benötigt immer weniger ArbeiterInnen um das System am Laufen zu halten. So ist zum Beispiel der jährliche Umsatz pro IndustriearbeiterIn in Deutschland von 167.820 Euro im Jahr 1991 auf 355.441 Euro im Jahr 2003 gestiegen. Für dieselbe Produktion, für die 1991 noch 1.000 Arbeitende benötigt wurden, wurden 2003 nur noch 472 Menschen gebraucht.
In vernünftig eingerichteten Verhältnissen wäre dies ein Grund zur Freude, da zur Produktion der benötigten Güter immer weniger Arbeit nötig ist und damit für alle mehr freie Zeit anfallen würde, in der mensch sich selbst verwirklichen könnte. In der kapitalistischen Produktionsweise dagegen führt dies nur dazu, dass immer mehr Menschen aus der Arbeitswelt herausfallen, da sie nicht mehr benötigt werden. Diese, im kapitalistischen Sinne, „Überschussbevölkerung" übt aber auf die noch arbeitenden Menschen dergestalt einen Druck aus, dass sie wieder in das Arbeitssystem integriert werden will und somit zum Drücken von Löhnen und Arbeitsbedingungen eingesetzt werden kann. „Wenn Du nicht für weniger Geld länger arbeiten willst gibt es ja noch genug Arbeitslose, die dies sicher gerne tun würden!" So führt die Arbeitslosigkeit auch bei den noch Arbeitenden zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen.
Diese „Überschussbevölkerung" wird durch die rasante technische Entwicklung aber immer größer. Weltweit, aber auch in Deutschland, wo es real bis zu neun Millionen Arbeitslose gibt. Die Aufstände der Jugendlichen in den französischen Vorstädten oder die Ereignisse in Berliner Hauptschulen sind Reaktionen dieser zur Überflüssigkeit verurteilten Menschen, die erkannt haben, dass sie dauerhaft vom Reichtum der Gesellschaft ausgeschlossen sein werden.
Deshalb lasst uns gemeinsam für eine Gesellschaft kämpfen, in der die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse das Maß aller Dinge ist. In der alle Menschen ohne Hunger, Ausbeutung und Entfremdung leben können. Diese Gesellschaft wird sich allerdings nicht durch die Abgabe einer Wählerstimme alle vier Jahre und erst recht nicht durch ein Gesetz von oben erreichen lassen. Sie kann nur in den konkreten Kämpfen der Menschen, wie bei Gate Gourmet, aufscheinen. Deshalb gilt ihnen unsere Solidarität.
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
Vorwort zu Herbert Marcuse - Zur Situation der Neuen Linken
25.03.2006
Zur Situation der Neuen Linken ist das Manuskript eines am 4. Dezember 1968 in New York von Herbert Marcuse gehaltenen Festvortrages. Anlass war das 20jährige Jubiläum der amerikanischen Zeitschrift The Guardian, deren letzte Ausgabe 1992 erschien und die somit die langlebigste linke Wochenzeitschrift der USA war. Wir haben diesen Vortrag zur Veröffentlichung ausgewählt, weil er für uns noch heute wenig an Aktualität eingebüßt hat und einige der zentralen Probleme und Perspektiven linksradikaler Politik auf den Punkt bringt. Zugleich hat er in unserer Gruppe interessante Diskussionsprozesse angestoßen, deren Stand wir mit dieser Broschüre gerne weitergeben möchten.
Zunächst geht es Marcuse um eine Lagebestimmung der Neuen Linken, die 1968 den Höhepunkt ihrer Wirkungsmacht erreichte. Diese Neue Linke, der sich Marcuse selbst zurechnete und die er nach Kräften unterstützte, verstand sich als undogmatische und antiautoritäre Bewegung, die sich vom Realsozialismus wie auch von den etablierten linken und linksbürgerlichen Parteien gleichermaßen scharf abgrenzte und stattdessen eine Rätedemokratie propagierte. In ihrem Festhalten an der Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft und in der Kreativität ihrer Aktionen stellt sie auch heute noch einen wichtigen Bezugspunkt für linksradikale Politik dar. Anstatt in einer zentralistischen Partei fanden sich die Neuen Linken in \"kleinen, hochgradig fexiblen und autonomen Gruppen\" oder als aktive Einzelpersonen \"mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielsetzungen\" zusammen. Bis heute organisieren sich viele revolutionäre Linke nach diesem Vorbild, und auch wir selbst sehen uns in dieser libertären Tradition. Und wie Marcuse wollen auch wir nicht die Avantgarde der sozialrevolutionären Linken sein, sondern ein Teil dieser Bewegung.
Marcuse nennt die Neue Linke eine \"Art von politische Guerillabewegung im Frieden oder im sogenannten Frieden\". In der Tat ist sozialer Frieden im Kapitalismus eine Illusion, die notwendigerweise nicht Wirklichke\" sein kann. Aber zur gleichen Zeit stellt Marcuse die zur damaligen Zeit unter MarxistInnen recht unorthodoxe These auf, die Arbeiterklasse sei nahezu vollständig in das Gesellschaftssystem des \"korporativen Kapitalismus\" integriert - \"und das auf einer ziemlich soliden Basis und nicht nur oberflächlich\". Das einstmals revolutionäre Proletariat des alten Marx war in der florierenden Nachkriegszeit durch ein komplexes Beziehungsgefüge aus Tarifpartnerschaft, Sozialstaat, bürokratischer Verwaltung, allgemeiner Hebung des Lebensstandards, allgegenwärtiger Konsumpraxis und kommerzieller, konformistischer Unterhaltungskultur auf vielfältige Weise in die bestehenden Verhältnisse eingebunden. An dieser tiefsitzenden Bindung der Individuen an das Kapital hat sich bis heute wenig geändert. Andererseits aber scheint zumindest die materielle Integration im Zuge eines immer offener geführten Klassenkampfes von oben und den Abbau sozialer Sicherungssysteme heute wieder abzunehmen. Bezeichnenderweise besteht jedoch die Forderung Protestierender allzu oft in nichts anderem als dem konformistischen Wunsch, wieder in das Verwertungssystem reintegriert zu werden: \"Arbeit für alle, und zwar umsonst!\"
Das Vorantreiben ideologischer Desintegration sieht Marcuse konsequenterweise als primäre Aufgabe der radikalen Linken. Dabei müssen jedoch, denken wir, bewusstseinsmäßige und soziale Desintegration gleichzeitig statt nden und neue, revolutionär-kollektive Integrationsmöglichkeiten als Ersatz für traditionelle Bindungen angeboten werden. Zu akut erscheint uns nicht nur hierzulande die Gefahr eines Abgleitens in die reaktionäre Barbarei, als dass wir die zunehmende Verelendung und soziale Deklassierung weiter Teile der Bevölkerung als sicheren Schritt hin zu einem neuen revolutionären Bewusstsein begreifen könnten. Die Linke ist darum stärker gefordert denn je, der herrschenden Ideologie eine radikale Alternative im Diskurs entgegenzustellen und diese zu verbreiten.
Bei diesem Versuch jedoch stößt die Linke erfahrungsgemäß schnell \"an die Grenzen demokratischer Überzeugungsarbeit\". Nach Marcuses Analyse werden die Massenmedien durch eine konservative Mehrheit kontrolliert. Sie bestimmt die öffentliche Meinung, indem sie auf vielfältige Weise Ein uss auf Personalpolitik, Budgetverteilung und inhaltliche Gestaltung nimmt. Auch daran hat sich bis heute wenig geändert, im Gegenteil hat die Kapitalkonzentration auf dem Medienmarkt noch zugenommen. Gleichzeitig aber haben sich neue und alternative Formen öffentlicher Kommunikation herausgebildet, die zumindest theoretisch das Potential haben könnten, das Meinungsmonopol der bürgerlichen Presse zu unterwandern. Fraglich bleibt jedoch, ob revolutionäres Gedankengut überhaupt über Medien wirkungsvoll verbreitet werden kann, oder ob nicht vielmehr - the medium is the message - die einseitige Sender-Empfänger-Struktur der Massenmedien ein wirklich emanzipatorisches Potential von vornherein ausschließt. In jedem Fall sollte das aber nicht bedeuten, den bürgerlichen Medien das Feld der öffentlichen Meinung kampflos zu überlassen. Alternative Informationen können vielleicht kein alternatives Handeln ersetzen oder für sich schon die autoritäre Charakterstruktur der Menschen aufbrechen. Aber sie können doch ein wichtiger Faktor für eine Bewusstseinsveränderung sein, der dann zusammen mit anderen Faktoren zu einer Veränderung der sozialen Verhältnisse führen könnte.
Eine wichtige Rolle in Marcuses Rede spielt die Frage nach der Alternative zum gegenwärtigen Gesellschaftssystem. Können wir heute schon denken, wie die Gesellschaft von Morgen aussehen soll? Konkrete Utopie versus bloße Negation des Bestehenden sind die beiden Extrempositionen, die bis heute dazu eingenommen wurden. Auch wir sind in dieser Frage gespalten.
Einige von uns sehen eine positive Utopie als notwendig an, da die Umsetzung der Theorie in die Praxis sonst wenig politische Anziehungskraft besitzt, und weil wir außerdem schon im Hier und Jetzt diese Utopie umsetzen wollen - soweit das eben möglich ist. Zumindest dem Anspruch nach haben bei- spielsweise Rassismus, Sexismus und autoritäres Mackertum in linken Gruppen nichts verloren. Es wäre fatal, falsche Verhaltensweisen nur deshalb zu dulden, weil es, wie Adorno schreibt, noch kein \"richtiges Leben im falschen\" geben kann.
Andere von uns vertreten ein \"Bilderverbot\", da die Zukunft einer revolutionären Gesellschaft nur negativ denkbar sein kann, solange die Umstände, die unser Denken bestimmen, kapitalistische sind. Wir werden nicht wissen, wie der \"neue Mensch\" aussehen soll, solange wir in einem System leben, dass nur kapitalistische Charaktere und Denkformen hervorbringen kann. Und alle Vorgaben für eine neue Gesellschaftsordnung bergen stets die Gefahr einer Bevormundung der Massen durch eine allwissende Führung und somit die Gefahr eines autoritären, dogmatischen Sozialismus.
Marcuse seinerseits steht irgendwo zwischen diesen beiden Positionen. Eindringlich fordert er die Entwicklung einer neuen politischen Sprache und die Entfaltung radikaler Aktionen außerhalb des gewohnten politischen Verhaltensrepertoires. Direkte Aktionen als Ausdruck organisierter Spontaneität sind genauso unsere politischen Mittel wie die Herausgabe von Broschüren im Sinne klassischer Aufklärung. Letztlich, so denken auch wir, führt kein Weg daran vorbei, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Nur durch das konkrete Infragestellen und praktische überwinden gesellschaftlicher Herrschaftsmechanismen - etwa der bestehenden Eigentumsverhältnisse und des staatlichen Gewaltmonopols
- können Auswege aus der kapitalistischen Gesellschaftsform aufgezeigt und initiiert werden. Dabei kann es nicht ein Patentrezept geben, mit dem die Gesellschaft wie durch magische Kraft aus den Angeln zu heben wäre. Wie die französischen SituationistInnen der 60er Jahre müssen auch wir die Revolution immer wieder neu er nden - denn sie \"kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit, sondern nur aus der Zukunft entnehmen\". Dabei können wir kein fertiges Modell vor Augen haben, sondern nur Wege im Kopf, die aus dem Bestehenden ins Ungewisse hinausführen. Eben diese Wege ins Ungewisse aber sind für uns die Revolution: der \"Sprung vom Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.\" (Marx)
Für Marcuse war das Ziel seiner und aller linken Aktivität, kritisches Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft zu wecken und zu verstärken. Eine radikale Veränderung der Gesellschaft war für ihn und ist auch für uns nur als breite Massenbewegung möglich. \"Der Kommunismus ist die Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl\", heißt es bereits bei Marx und Engels, doch im Gegensatz zu vielen Alten Linken hat Marcuse diesen Satz ernst genommen. Er wollte nicht nur den Kapitalismus, sondern überhaupt jede Form von Bevormundung, Unterdrückung und Unfreiheit überwinden, selbst jene, die im Namen der Befreiung selbst geschieht. Sein Vortrag ist ein Plädoyer für den libertären Sozialismus. Er ist ein Aufruf zur sozialen Revolution.
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
La Banda Vaga
Siehe auch: Zur Situation der neuen Linken von Herbert Marcuse.
\...solange wir weiterkämpfen!
20.03.2006
Redebeitrag auf der Antirepressionsdemonstration am 18. März 2006 in Potsdam.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich sende euch solidarische Grüße von La Banda Vaga aus dem --- oft als links und liberal wahrgenommen --- Freiburg. Doch unter der Oberfläche gibt es die gleiche Repression wie andernorts auch, nur wird sie im Breisgau subtiler angewandt. Vor zwei Jahren wurde der KTS gekündigt. Nur massiver Protest konnte das Autonome Zentrum retten. Vor einem Jahr wurde meine gesamte WG durchsucht. Unter dem Vorwand, ein Flugblatt zu einer Umsonstaktion beschlagnahmen zu wollen, wurden alle Computer mitgenommen. Es gab und gibt massive Vertreibungen von Punks, Obdachlosen und WäglerInnen. Aktuell sind Massenabschiebungen von hunderten Roma ins Kosovo geplant.
Doch verstärkte Repression gibt es an vielen Orten im Südwesten. So wurde im Dezember 2003 eine Genossin in Basel zu vier Monaten Knast verurteilt --- wegen einer Rede auf einer Antikriegsdemo. Ende 2003 in Mannheim, Anfang 2004 in Heidelberg und Mitte 2005 in Stuttgart wurden besetzte Häuser durch Sondereinsatzkommandos der Polizei geräumt. In Pforzheim kostete im Februar 2005 die Anmeldung einer Antifademo 150 Euro. Im März 2005 wurde in Stuttgart ein Genosse zu drei Monaten Knast verurteilt --- wegen des Verteilens eines Antifaflyers. Während der Novemberunruhen 2005 war im Elsaß jegliche Demonstration verboten. Und in Karlsruhe steht das Autonome Zentrum Ex-Steffi kurz vor der Räumung.
Unsere Kämpfe und ihre Unterdrückung sind weitere Kapitel der linken Geschichte. Wir erinnern am heutigen 18. März an die Berliner Märzrevolution 1848, an die Pariser Commune 1871 und an die Ausrufung des internationalen Tages der politischen Gefangenen 1923. Genau wie unsere Genossinnen und Genossen in den Knästen wird unsere Geschichte nicht in Vergessenheit geraten, solange wir weiterkämpfen.
Mit flammenden Herzen gegen die soziale Kälte!
Mit erhobenen Fäusten für die soziale Revolution!
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
Solidarität mit dem Kampf der Teheraner BusfahrerInnen!
10.03.2006
Während einerseits der Iran aufgrund seines aggressiven Versuchs in den Besitz von Atomwaffen zu kommen und aufgrund der antisemitischen Drohungen von Präsident Ahmadinedschads zurecht die Medienöffentlichkeit bestimmt, werden andererseits Meldungen über soziale Proteste im Land verschwiegen. Es wird der Eindruck erweckt als gäbe es nur auf der einen Seite die herrschenden Mullahs und auf der anderen die sogenannten Reformer um den ehemaligen Präsidenten Khatami, die es zu stärken gelte. Doch handelt es sich in Wirklichkeit bei diesen \"beiden Lagern\" nur um zwei Seiten einer Medaille, zwei unterschiedlichen Strategien der islamistischen Herrschaftsausübung. Diese lässt sich aber nicht reformieren, sondern kann nur gestürzt werden!
Es kommt in der islamischen Diktatur auch immmer wieder zu Revolten durch Minderheiten, StudentInnen und anderen Gruppen, die vom Regime unterdrückt werden. Auch die ArbeiterInnen protestieren regelmässig gegen ihre miserablen Lebensbedingungen. Aktuell sind es Teheraner BusfahrerInnen, die mit der Gründung einer Gewerkschaft (was im Iran selbstredend verboten ist) und einem Streik ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern wollen. Die Reaktion des Regimes darauf ist eine unvorstellbare Repression:
* Mehr als 1.200 Menschen werden festgenommen, darunter auch Familienangehörige der FahrerInnen und sogar deren Kinder.\ * Der Vorsitzende der Gewerkschaft wird schwer verletzt, als islamistische Kommandos versuchen, ihm die Zunge herauszuschneiden.\ * Das Militär wird eingesetzt, um den Streik zu verhindern.
Auch wenn inzwischen die meisten der Festgenommenen wieder frei gelassen wurden, brauchen die Betroffenen der Repression schnell unserer Hilfe. Die \"Freie ArbeiterInnen Union\" (FAU) hat ein Spendenkonto eingerichtet:
Spendenkonto: FAU\ Geschäftskommission\ Kto. 96 15 22 01\ BLZ 200 100 20\ Verwendungszweck \"Vahed\" nicht vergessen!
Für weitere Informationen:\ Materialiensammlung bei Labournet\ Die Seiten der Arbeiterkommunistischen Partei des Irans
Nieder mit der Diktatur der Mullahs!
Gegen jede Religion!
Für die soziale Revolution!
50 Jahre Bundeswehr sind 50 Jahre zuviel!
17.10.2005
50 Jahre nach der \"Wiederbewaffnung\" Deutschlands erweist sich die Bundeswehr für die Herrschenden als beispiellose Erfolgsgeschichte. Während die Gründung der westdeutschen Armee 1950 sowohl im In- wie auch im Ausland noch sehr umstritten war, unter anderem entwickelte sich gegen die Remilitarisierung eine der größten sozialen Bewegungen in Nachkriegsdeutschland, ist die Kritik heute weitgehend verstummt: Die deutsche Friedensbewegung schafft es nur noch dann, Tausende Menschen auf die Straße zu bringen, wenn die USA Krieg führen; diverse politische Parteien, die die Abschaffung der Bundeswehr in ihrem Programm hatten, wie etwa die Grünen oder die Linkspartei/PDS, haben sich längst mit dem Militär arrangiert, und die radikale Linke protestiert nur noch routiniert-gelangweilt, wenn mal wieder ein öffentliches Gelöbnis ansteht.
[]{.inline .inline-left}Dieser öffentliche Erfolg ist vor allem der rot-grünen Regierung anzulasten. Und dies, obwohl sie die \"Schritt für Schritt Politik\" der Vorgängerregierungen mit dem Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und damit mit dem ersten deutschen Waffengang nach dem Zweiten Weltkrieg, zu ihrem Abschluss brachte. Trotzdem ist es ihr gelungen, das Image der Bundeswehr in das einer Friedenstruppe zu verwandeln, in eine \"robuste NGO\", wie die \"Die Zeit\" schreibt (29.09.2005). Vergessen scheint, das es Hitlers Wehrmachtsgeneräle waren, die die Bundeswehr aufbauten, dass es in den zum Teil immer noch nach Wehrmachtsgenerälen benannten Kasernen immer noch sogenannte Traditionsräume gibt, in denen an die Tradition der Wehrmacht angeknüpft wird, dass sich die Bundeswehr jedes Jahr etwa in Mittenwald an Gedenkfeiern von Kriegsverbrechern beteiligt, und dass die rechtsradikalen \"Vorfälle\" in der Truppe keinesfalls \"Einzelfälle\" sind, wie die Politik gebetsmühlenartig betont.
Doch währenddessen wird die deutsche Freiheit nicht nur am Hindukusch verteidigt: Deutsche Soldaten sind in Bosnien-Herzegowina, in der serbischen Provinz Kosovo, in Mazedonien, in Georgien, in Usbekistan, im Mittelmeer, am Horn von Afrika, in Dschibuti, in Kenia, in Kuwait, in Äthiopien bzw. Eritrea, in Indonesien und demnächst wahrscheinlich auch im Sudan stationiert. Bundeswehrpanzer mit Totenkopf Für Afghanistan hat der Bundestag gerade eine Aufstockung der deutschen ISAF-Truppen auf 3.000 Personen beschlossen. Aber während in der Öffentlichkeit jeder Militäreinsatz der USA als \"imperialistischer Raubzug\" angeprangert wird, bei dem es nur um den Zugriff auf Rohstoffe geht, werden die deutschen Einsätze als \"humanitäre Friedenseinsätze\" verklärt. Niemand, außer der Bundeswehr selbst, kommt auf die Idee, die Verteidigungspolitischen Richtlinien, die die Grundsätze der Truppe beinhalten, ernst zu nehmen. Denn dort sind als Einsatzgründe der Bundeswehr u.a. die Aufrechterhaltung des freien Welthandels, d.h. der kapitalistischen Ausbeutungsordnung und der Zugriff auf strategische Rohstoffe genannt. (Auch die Flüchtlingsabwehr wird als Einsatzgebiet der Bundeswehr diskutiert. Was das konkret bedeutet lässt sich momentan sehr gut im Einsatz der spanischen Armee in den Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika begutachten.) Und so begründet das deutsche Außenministerium den geplanten Militäreinsatz im Sudan auch mit vitalen deutschen Interessen und überlässt das idealistische Neusprech der liberalen Presse. Nicht umsonst sollen die deutschen \"Militärbeobachter\" im ölreichen Süden des Sudans stationiert werden, in dem auch zufällig gerade deutsche Konzerne eine Eisenbahnlinie zum Transport des wertvollen Rohstoffes bauen.
Die Bundeswehr ist also trotz aller rot-grünen Auslegungen immer noch ein Instrument zur Durchsetzung deutscher Interessen und Weltmachtsambitionen und sollte deshalb auch wieder verstärkt in die Kritik derjenigen Kräfte geraten, die eine revolutionäre Umgestaltung der Verhältnisse anstreben. Dies wird umso notwendiger, da der internationale Verteilungskampf zwischen den kapitalistischen Blöcken sich weiter verschärfen wird. Besonders wichtig wird dabei die Kritik der Europäisierung des Militärs werden, da die europäischen Staaten zunehmend versuchen, in europäischer Kooperation ihre Interessen durchzusetzen. Erste Schritte dazu sind bereits getan, wie der momentane Aufbau der EU-Armee, die Vereinigung der europäischen Rüstungsindustrie (EADS), erste gemeinsame europäische Einsätze (Kongo, Bosnien) und die Aufrüstungsverpflichtung in der europäischen Verfassung zeigen. Daneben gilt es die Diskussionen um einen Bundeswehreinsatz im Inneren zu kritisieren, wie er im Rahmen des \"Krieges gegen den Terror\" von immer mehr PolitikerInnen gefordert wird. Auch hier sind die technischen Voraussetzungen für diese Einsätze bereits gegeben, da die Bundeswehr im Ausland zunehmend Polizeiaufgaben übernimmt und damit auch für einen eventuellen Ernstfall in Deutschland geübt ist. Ob dieser Ernstfall dann einen Terroranschlag oder die Niederschlagung eines Streiks bedeutet: die Bundeswehr ist vorbereitet.
Für die Wiederentwaffnung Deutschlands!
Den Aufbau der EU-Armee verhindern!
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!
Studiproteste 2005: business as usual? - Eine linksradikale Kritik am \"Freiburger Frühling\"
09.07.2005
Inhaltsverzeichnis\ 1 Praktische Kritik an den Protesten\ 1.1 Überzeugen und Aufklären?\ 1.2 Die Polizei - unser Freund und Helfer?\ 1.3 Rektoratsbesetzung & Co\ 1.4 Formen der Entscheidungsfindung\ 2 Politik und Macht\ 2.1 Politik: Macht und Gegenmacht\ 2.2 Der klassische ArbeiterInnenstreik: some kind of Erpressung\ 2.3 \"Schaden erzeugen\": Studentisches Äquivalent zum klassischen Streik\ 3 Bildung und Kapitalismus\ 3.1 Arbeitskraft und Humankapital: Studierende als Ressource der Nation\ 3.2 Studiengebühren\ 3.3 Die Institution Universität: Freiraum für Denken, Selbstentfaltung, Forschung und Lehre\ 3.4 Kapitalismus und Universität\ 3.5 \"Die Wurzel für den Menschen ist der Mensch selbst\"\ 3.6 Solidarität ist eine Waffe!\ 4 Für eine andere Uni! Für eine andere Gesellschaft!\ Anhang: Die Broschüren als Lese- und Druckversion.
Wieder einmal streikten in diesem Frühling in Freiburg Studierende, um für eine bessere Bildung zu protestieren. Was zunächst nach dem üblichen Ringelpietz mit Anfassen aussah - die Bildung symbolisch baden gehen lassen, Menschenketten bilden und \"die Öffentlichkeit für unser Anliegen sensibilisieren\" - hielt gleichwohl auch Überraschungen bereit. Bereits am zweiten Tag der Proteste besetzten mehrere hundert Studierende das Rektorat der Universität, und hielten diese Besetzung fast zwei Wochen lang aufrecht. Am Donnerstag, den 12. Mai, erlebte Freiburg dann eine der größten Demonstrationen der letzten Jahre: 5000 Studierende, SchülerInnen und sonstige Menschen zogen an der CDU-Geschäftsstelle vorbei durch die Freiburger Innenstadt, um sich schließlich vor dem besetzten Rektorat zur Abschlusskundgebung einzufinden. So viele Studierende kamen in Freiburg das letzte Mal beim \"Lucky Streik\" 1997 zusammen.
Auch wenn bei alledem noch immer Medienwirksamkeit, Symbolik und ein betont braver, dialogbereiter Umgangston im Vordergrund standen, fand bei Teilen der Protestierenden doch eine spürbare Politisierung und Radikalisierung statt. Deutlich tauchte etwa bei den RektoratsbesetzerInnen die Frage auf, welche Mittel eigentlich nötig sind, um politische Forderungen durchzusetzen; und ebenso fragten sich viele Studierende, für welche politischen Inhalte der Streik überhaupt steht oder stehen sollte.
In unserem Beitrag sollen diese Fragen aufgegriffen und weitergetrieben werden. Trotz der Freude über die spürbare Politisierung haben wir jedoch auch Kritik vorzubringen - Kritik an einzelnen Aktionsformen, Inhalten, vor allem aber am Selbstverständnis der Proteste. Naturgemäß wird das zu Kritisierende hier im Vordergrund stehen. Um es aber von Anfang an klarzustellen:\ wir wollen den Streik der Studierenden keineswegs vernichtend kritisieren, sondern im Gegenteil Perspektiven aufzeigen, in deren Richtung unserer Meinung nach einmal weitergedacht werden könnte.
[1 Praktische Kritik an den Protesten]{#1}\ [1.1 Überzeugen und Aufklären?]{#1.1}\ Was sich während der Protesttage immer wieder bemerkbar machte, war ein Verständnis von Protesten als \"Überzeugungsarbeit\", \"Aufklärung\" usw. - am deutlichsten zeigte sich dies bei der müden Diskussionsveranstaltung mit Wissenschaftsminister Peter Frankenberg. Zu kritisieren ist an diesem Politikkonzept vor allem die Vorstellung, dass es 1.) in der Politik um Argumente gehen würde, und 2.) dass Frankenberg unsere Argumente noch nicht kennen würde und also nur noch richtig überzeugt werden müsste.
Mit diesem Verständnis von Politik als Diskussionsveranstaltung hängt auch die immer wieder wiederholte Idee zusammen, man wolle \"endlich\" und unbedingt \"ernst\" genommen werden - vom Rektor der Universität Freiburg, von seinem Prorektor oder auch einfach überhaupt. Und damit man ernst genommen wird, darf man natürlich sein Gegenüber nicht vor den Kopf stoßen.
Was wir an diesem Konzept kritisieren, ist nicht nur die falsche Einschätzung, wann und warum Protestierende ernst genommen werden - nämlich nicht dann, wenn sie besonders brav sind, sondern dann, wenn der soziale Frieden in Gefahr ist. Worum es uns ebenfalls nicht primär geht, ist die Tatsache, dass der Adressat dieses Ernst-Genommen-Werden-Wollens denkbar falsch gewählt ist - denn nicht der Rektor, sondern die Landesregierung hat über Studiengebühren zu entscheiden. Auch nicht weiter empören muss die implizite Ansicht, ein anderer Rektor würde mit den Studierenden zusammen Studiengebühren verhindern - ganz so, als wären es nur die falschen Meinungen einiger Leute, aufgrund derer Studiengebühren eingeführt werden. Auch dass man dazu aufruft, die CDU \"abzuwählen\", wie auf der Großdemo am 12. Mai skandiert wurde, und dass also allen Ernstes geglaubt wird, eine SPD, die Hartz-IV-Gesetze einführt und Otto Schily als Innenminister beschäftigt, würde nach der nächsten Wahl eine grundlegend andere Bildungspolitik machen - auch dieses völlig unrealistische Vertrauen in die Politik soll hier nur andeutungsweise kritisiert werden.
Was noch schwerer wiegt, ist die peinliche Unterwerfungsgeste, die in diesem Ernst-Genommen-Werden-Wollen mitschwingt: dort oben die Könige, die entscheiden; hier unten die Untertanen, die sich nicht im Ton vergreifen dürfen, sondern betteln. Dieses Selbstverständnis der Proteste ist es, dass wir primär kritisieren wollen: Protest nicht als Anfang von Befreiung und eigener emanzipierter Tätigkeit, sondern als Appell an die Obrigkeit, besser für uns zu sorgen. Politik selbst soll weiterhin von anderen gemacht werden - das eigentliche Machtverhältnis bleibt unangetastet.
Dieses Selbstverständnis war keineswegs nur, aber vor allem beim u-asta, der \"Führungsschicht\" der Proteste, sehr verbreitet. So kam es denn auch, dass der u-asta, der zu den Protesttagen aufgerufen hat, schon am ersten Tag des Streiks von der Dynamik der Proteste geradezu überrollt wurde. Die fittesten Leute, die besten Flugblätter, aller inhaltliche Input kam plötzlich nicht mehr vom u-asta, sondern aus dem besetzten Rektorat. Einem u-asta-Vorsitzenden fiel auf dem BesetzerInnen-Plenum denn auch nichts Besseres ein als: \"Ich find die Besetzung ja gut - aber wann hört Ihr eigentlich wieder auf?\" Derartige Reaktionen sind nur erklärbar vor dem Hintergrund eines allzu bürgerlichen Politikverständnisses, dem es nicht darum geht Druck aufzubauen, sondern darum, mit der baden-württembergischen CDU in Dialog und Kooperation treten zu dürfen.
[1.2 Die Polizei - unser Freund und Helfer?]{#1.2}\ Wer derart PolitikerInnen und Studierende nicht als Gegner, sondern als Verbündete ansieht, die gemeinsam das Beste für die Nation wollen, wird naturgemäß auch nicht auf die Idee kommen, dass die Polizei, als verlängerter Arm der Politik, auf einem BesetzerInnen-Plenum nichts verloren hat. Der Wunsch, es sich mit ja niemandem zu verscherzen und möglichst niemandem weh zu tun, treibt im Endeffekt gar solche Blüten, dass erst noch lange diskutiert werden muss, ob man bewaffnete Burschenschaftler - also Leute, die mit Neonazis zusammenarbeiten und zum Teil selbst solche sind - bei sich mitmachen lässt.
Überhaupt ist es verwunderlich, dass wie selbstverständlich mit der Polizei zusammengearbeitet wird - dass etwa während illegalen Besetzungen Plena vor den Augen von PolizeibeamtInnen abgehalten werden, damit diese um so genauer herausfinden können, wer bei der Besetzung welche Rolle spielt, wer nur mal eben so dabei ist, und wer als \"RädelsführerIn\" gespeichert wird. Eine der Haupttätigkeiten der Polizei ist bekanntlich die Verfolgung von Gesetzesbrüchen - und im Kontext politischer, und erst recht illegaler Aktionen heißt das: Verfolgung von politischen AktivistInnen. Die Polizei dient dazu, Menschen zu kriminalisieren - dabei sollte man ihr nicht auch noch helfen.
[1.3 Rektoratsbesetzung & Co]{#1.3}\ Freilich ist Kriminalisierung nicht immer vonnöten, damit die Polizei ihre tieferliegende gesellschaftliche Rolle - die Verhinderung von Verstößen gegen die herrschende Ordnung - erfolgreich ausüben kann. Im besetzten Rektorat spielte die Polizei diese Rolle gänzlich friedlich - und gerade deshalb durchaus im Sinne Peter Frankenbergs: Die Studierenden konnten sich im Foyer des Rektorats austoben und das Gefühl genießen, radikal zu sein; die Polizei aber hatte das Geschehen jederzeit unter Kontrolle, führte Dialoge mit den BesetzerInnen und war über alles informiert.
Die objektive Funktion der Polizei in dieser Situation war wie immer die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit genau das Gegenteil dessen, was die BesetzerInnen ihrem Ziel, politischen Druck zu erzeugen, näher gebracht hätte. Daran kann man die PolizistInnen wohl nicht immer hindern; ihnen aber noch Waffeln zu schenken dafür, dass sie so sympathisch Dienst für die CDU-Landesregierung machen, ist schlechterdings absurd und verkennt völlig die eigentliche Situation. Dass die Polizei das Rektorat nicht räumte, heißt im Übrigen nichts anderes, als dass sie es nicht räumen musste, bzw. dass eine Räumung taktisch unklug gewesen wäre - etwa weil durch staatliche Gewaltanwendung weitere Radikalisierung zu befürchten sein konnte; eben die aber gilt es zu vermeiden.
Weniger dialogbereit war die Polizei, als nach der Großdemo am 12. Mai ca. 200 Studierende die Kronenbrücke, einen Verkehrsknotenpunkt in Freiburg, an dem sich verschiedene Autobahnzubringer kreuzen, blockierten. Schon nach 20 Minuten wurde die Brücke von ziemlich vielen PolizistInnen geräumt. Warum plötzlich dieser Umschwung in der Polizeistrategie? Zum einen, weil an dieser Aktion nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Demonstration beteiligt war und die Lage also vergleichsweise gut kontrollierbar. Zum andern aber wohl auch deshalb, weil aus irgendeinem Grund diese Straßenblockade weniger akzeptabel war als die Rektoratsbesetzung. Die Blockade der Autobahnzubringer erzeugte schließlich einen längeren Stau in mehrere Richtungen - LKW stauten sich, Geschäfte wurden zu spät beliefert, wichtige Geschäfts- und sonstige Termine mussten warten und drohten zu platzen. What a catastrophe! Wenn eine Stunde Blockade der Kronenbrücke schon nicht mehr akzeptabel ist und polizeilich beendet werden muss, dann scheint diese Aktionsform wohl vergleichsweise effektiv zu sein...\ Im Grunde kann man sämtliche Aktionen der Streiktage danach beurteilen, ob sie auf ähnliche oder andere Weise politischen Druck erzeugt haben. Und politischen Druck erzeugen heißt immer: in irgendeiner Form der Politik handfesten Schaden bereiten. Die unter diesem Aspekt effektivste Aktionsform war demnach also - so seltsam das klingt - nicht die Rektoratsbesetzung, sondern der Proteststau auf der Kronenbrücke. Das Rektorat war wiederum die zweifellos öffentlichkeitswirksamste Aktion und hat mittlerweile bereits in mindestens sechs Städten NachahmerInnen gefunden - während man sich in Freiburg schon wieder in u-asta-Arbeitskreise zurückgezogen hat. In diesem symbolischen Sinne hat selbstverständlich auch die Rektoratsbesetzung Schaden erzeugt und war effektiv - denn ist die Hemmschwelle bei den Studierenden erst einmal überschritten, besteht ab sofort permanent die Gefahr, dass so etwas - oder Schlimmeres - wieder passieren könnte. Die Aussicht, dass derartige Störungen der öffentlichen Ordnung Überhand nehmen könnten, ist für PolitikerInnen durchaus unangenehm - und eben darauf kommt es an. Unterschriften sammeln oder auf die Straße malen, die Bildung baden gehen lassen, öffentliche Vorlesungen halten, überhaupt jene Aktionen, mit denen versucht wird, \"auf sich aufmerksam zu machen\" oder \"die Öffentlichkeit\" zu \"sensibilisieren\", dürften Peter Frankenberg dagegen genauso wenig beeindruckt haben wie das ominöse \"Gehirne basteln\", das auf einem Protest-Flyer als Aktionsform angekündigt wurde.
[1.4 Formen der Entscheidungsfindung]{#1.4}\ Die Anwesenheit der Polizei im Rektorat führte im Endeffekt auch dazu, dass einige Protestierende an den Plena gar nicht teilnehmen konnten beziehungsweise, um sich selbst vor der Polizei zu schützen, nicht teilnehmen wollten. Im Grunde wurde dieser Teil der Protestierenden unterdrückt - von einer Mehrheit, die sich per Mehrheitsprinzip auf Kosten einer Minderheit durchgesetzt hat, indem sie das Plenum eben doch vor den Augen der Polizei abgehalten hat. Nicht einmal die Diskussion über den Umgang mit der Polizei konnte geschützt geführt werden - die Mehrheit weigerte sich schon für diesen Punkt, ihr Plenum nach draußen zu verlegen.
Dieses Mehrheitsprinzip ist schon an sich problematisch, denn es impliziert fast immer auch, dass Minderheiten unterdrückt werden. Eine andere Form der Entscheidungsfindung ist beispielsweise das Konsensprinzip, das in linken Strukturen seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Konsensprinzip bedeutet, dass nur Entscheidungen getroffen werden, mit denen alle einverstanden sind, und dass Minderheiten, auch Einzelpersonen, Vetorecht haben. Gegen dieses Prinzip lassen sich allerlei absurde theoretische Situationen konstruieren, die zeigen, dass es eigentlich nicht funktionieren dürfte. In der Praxis aber, unter halbwegs vernünftigen Menschen, funktioniert es in linken Zusammenhängen seit Jahren außerordentlich gut.
Das Vetorecht hätte im Rektorat dazu geführt, dass eine Minderheit darauf bestanden hätte, ein Plenum unter Ausschluss der Polizei abzuhalten. Dazu ist es leider erst nach einigen Tagen gekommen, und auch das nur auf massiven Druck einzelner Personen - das bürgerliche Verständnis parlamentarischer Demokratie wurde zunächst unhinterfragt übernommen und als selbstverständlich vorausgesetzt. Wie gesagt wurden hierdurch alle Personen, die sich vor Polizeiobservation schützen wollten, de facto von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen.
So viel zunächst an einzelnen Punkten, die uns während der letzten Wochen aufgefallen sind. Einige der genannten Kritikpunkte verstehen sich wahrscheinlich von selbst - andere dagegen werden vielleicht erst klar nach einem grundsätzlichen Blick auf die Funktionsweise von Politik und sozialen Protesten.\ [2 Politik und Macht]{#2}\ [2.1 Politik: Macht und Gegenmacht]{#2.1}\ Wir denken, dass es ein bürgerlicher Mythos ist zu behaupten, in der bürgerlichen Gesellschaft ginge es um Demokratie, Konsens und den Willen der Bevölkerung. Tatsächlich geht es um Macht. Der Code, das Funktionsprinzip, die Logik des Systems Politik heißt Macht - \"Macht oder Ohnmacht\". Die Logik der Wirtschaft heißt \"Gewinn oder Verlust\", die Logik der Wissenschaft \"wahr oder falsch\", die Logik der menschlichen Psyche \"Bedürfnisbefriedigung oder Verzicht\", und die Logik der Politik heißt eben \"Macht oder Ohnmacht\". Macht bedeutet: \"machen können\" . Macht heißt für Peter Frankenberg, dass er sein Studiengebührenkonzept verwirklichen kann, weil er einen Verwaltungsapparat hat, der seine Beschlüsse in bürokratische Konzepte umsetzt, und weil er einen Polizeiapparat hat, der seine Interessen vertritt. Das einzige, was man dieser Macht entgegensetzen kann, ist Gegenmacht. Wenn Macht so viel heißt wie \"machen können\", dann heißt Gegenmacht so viel wie: \"nicht machen lassen.\"
[2.2 Der klassische ArbeiterInnenstreik: some kind of Erpressung]{#2.2}
Die klassische Waffe, um Macht bzw. Gegenmacht auszuüben, ohne selbst zu regieren, sind Streiks. Mit nur drei Tagen Generalstreik wurde 1923 in der Weimarer Republik der rechte Kapp-Putsch abgewehrt, und mithilfe von Streiks setzen die Gewerkschaften auch heute noch, wenn sie nur wollen, ihre Lohnforderungen durch.
Die Waffe der Streikenden ist ökonomischer Schaden: Ein Tag Streik bedeutet Verluste für die jeweiligen Unternehmen - und vier Wochen Generalstreik wie in Frankreich 1968 legen eine Gesellschaft fast vollständig lahm. Der Streik ist also deshalb so mächtig, weil er die Wirtschaft dort angreift, wo sie am empfindlichsten ist: Beim Profit. Im Grunde ist die Rechnung einfach: Sobald der Schaden durch den Streik größer zu werden droht als der (materielle und/oder immaterielle) Schaden, der durch die Forderungen der Streikenden entstehen würde, lohnt es sich, den Forderungen nachzugeben.
Leider aber können Studierende in diesem Sinne nicht streiken. Wenn Studierende streiken, fügen sie niemandem Schaden zu außer sich selbst. Wenn die Universität ein ganzes Jahr außer Betrieb gesetzt wird, ist das (auch wenn es durchaus einigen Druck erzeugt) noch immer nicht halb so effektiv wie eine einzige Woche Arbeitsausfall bei Daimler-Chrysler. Uni-Streiks sind immer, per definitionem, symbolische Streiks. Auch die Besetzung des Rektorats war letztlich eine symbolische Besetzung - eigentlich mehr eine Belagerung, denn der Betrieb im Rektorat ging ja vollständig weiter; es wurde also kaum materieller Schaden erzeugt, von den Überstunden der MitarbeiterInnen und PolizistInnen abgesehen.
[2.3 \"Schaden erzeugen\": Studentisches Äquivalent zum klassischen Streik]{#2.3}\ Weil sie nicht streiken können, müssen Studierende einen Ersatz für die Funktionsweise des klassischen Streiks finden - indem sie anderweitig Schaden erzeugen. Aber wie? Die kapitalistische Gesellschaft funktioniert, solange die Wirtschaft Gewinne macht, solange das parlamentarische und bürokratische System reibungslos abläuft und solange die öffentliche Ordnung so weit stabil ist, als keine zentralen Funktionen der Gesellschaft, zum Beispiel eben Unternehmensgewinne, beeinträchtigt werden. Letztlich wird die Politik dafür verantwortlich gemacht, wenn eine Funktion der Gesellschaft nicht mehr funktioniert - sogar für das Sinken der Geburtenrate ist die Regierung indirekt verantwortlich. Deshalb sind auch die anderen Bereiche der Gesellschaft Punkte, an denen die politischen EntscheidungsträgerInnen angreifbar sind, solange handfester Schaden für die Politik erzeugt wird.
Sollten Protestierende tatsächlich einmal ernsthaft den sozialen Frieden bedrohen und sich nicht auf faule Kompromisse (wie z.B. den \"Marsch durch die Institutionen\") einlassen, dann wird man sich wundern - und hat sich in der Geschichte auch immer wieder gewundert -, zu welchen Zugeständnissen Regierung und Unternehmen plötzlich bereit sind, um das Heiligtum der kapitalistischen Gesellschaft - das Privateigentum - vor dem Untergang zu bewahren.
[3 Bildung und Kapitalismus]{#3}\ Soviel zur Kritik an Aktionsformen und dem Verständnis politischer Prozesse. Aber unser Hauptanliegen ist nicht so sehr die formale Kritik an Protestformen, sondern auch und vor allem die inhaltliche Kritik am Selbstverständnis der Studierenden und an ihren Forderungen - die Kritik an der Rolle, die Studierende in dieser Gesellschaft spielen und die sie, auch wenn sie protestieren, weiterhin zu spielen bereit sind.
Um die Rolle der Studierenden in der Gesellschaft zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die gegenwärtige bildungspolitische Situation. Diese stellt sich an der Oberfläche zunächst folgendermaßen dar: Bildung wird hauptsächlich als Ausbildung verstanden und dient zur Heranzüchtung hochqualifizierter Arbeitskräfte; wirtschaftlich verwertbare Fächer werden gefördert, nicht verwertbare Fächer marginalisiert; Universitäten werden in Unternehmen mit \"Aufsichtsräten\" und \"Vorstandsvorsitzenden\" umstrukturiert; Studiengebühren sollen demnächst eingeführt werden beziehungsweise sind für länger Studierende bereits eingeführt; es herrscht der Zwang, schnell und effizient zu studieren.
'Studieren als Investition in das eigene Humankapital', so ließe sich die aktuelle bildungspolitische Situation zusammenfassen. Ungeklärt ist noch, was diese Entwicklung genau zu bedeuten hat, was sie antreibt und ob es Alternativen zu ihr gibt; und ebenfalls unklar ist, mit welchem Konzept - ob eher mit einer wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, moralischen oder eher einer existenziell-materialistischen Logik - diese Entwicklung betrachtet gehört.
Auf den ersten Blick kann man vor allem feststellen, wie allzu Viele, die gegen Studiengebühren demonstriert haben, die Logik der GebührenbefürworterInnen bereits übernommen und verinnerlicht haben. Diese Verinnerlichung wird etwa deutlich, wenn immer wieder gefordert wird, dass das Geld aus den Studiengebühren wenigstens den Universitäten zugute kommen soll, anstatt in Haushaltslöchern zu versickern. Aber abgesehen davon, dass es nach der Einführung von Studiengebühren keinen Unterschied mehr macht, ob der Staat seinen Bildungsetat aus Gebühren oder aus Steuereinnahmen finanziert - denn erhöhen wird er ihn ganz sicher nicht -, abgesehen davon ist sich solche Argumentation im Prinzip mit der CDU einig darin, dass Studierende für ihr Studium selbst zahlen sollen, und ebenso einig darin, dass Bildung eine Ware ist, die man kaufen kann. Die einzige Kritik bezieht sich auf das schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis bei diesem Geschäft.
Ein anderes Beispiel ist die ebenfalls verbreitete Argumentation, dass Studierende die Zukunft der Gesellschaft seien und deshalb besser behandelt werden müssten als andere Bevölkerungsgruppen. Dieser Gedankengang führte auf Vollversammlungen vor einem Jahr unter anderem dazu, dass sich einige RednerInnen vor allem darum bemühten, sich von weniger angesehenen Bevölkerungsschichten wie BummelstudentInnen, RentnerInnen und SozialhilfeempfängerInnen und abzugrenzen - mit dem Hinweis, dass Studierende im Gegensatz zu diesen Gruppen nicht faulenzen würden und auch \"nicht der Abschaum der Gesellschaft\" seien. Die Logik, mit der hier argumentiert wird, ist eine durch und durch elitäre Logik: dass wir eine Elite brauchen, dass wir diese Elite sein wollen, und dass man diese Elite gefälligst gut behandeln soll. Derartige Argumentationen werfen die Frage auf, wie sich Studierende selbst in dieser Gesellschaft platzieren beziehungsweise platziert sehen wollen, und welche Vorstellung von Gesellschaft hier zum Vorschein kommt.
[3.1 Arbeitskraft und Humankapital: Studierende als Ressource der Nation]{#3.1}\ Studierende, so heißt es, sind die Zukunft der Nation - ihre Ressource, Produktivkraft, der Quell ihres Reichtums. Stimmt das? Wenn Studierende mit dem Studium fertig sind, gibt es im Grunde drei Möglichkeiten: sie verrichten Lohnarbeit, machen sich selbständig oder bleiben arbeitslos.\ Die meisten Studierenden treten nach dem Studium wahrscheinlich in Lohnarbeit ein und arbeiten in Unternehmen oder im öffentlichen Dienst. Für diese lohnarbeitende Mehrheit heißt das: sie verkaufen ihre Arbeitskraft an einen sogenannten \"Arbeitgeber\", und weil diese Arbeitskraft hochqualifiziert ist, erhalten sie dafür relativ hohe Löhne. Im Prinzip aber tun sie nichts anderes als jeder andere Angestellte und jede Arbeiterin auch: sie verkaufen ihre Arbeitskraft, und jemand anderes macht mit dieser Arbeitskraft Gewinn. Insofern sind sie in der Tat eine Ressource, die zum Reichtum der Gesamtgesellschaft beiträgt.
Der einzige Irrtum - und dies gilt ebenso für die arbeitslosen wie für die selbständigen AbsolventInnen - besteht in der Annahme, dass die Gesellschaft diese Ressource besonders gut behandeln müsste. Genauso wenig wie ArbeiterInnen, nur weil sie zur Profitmaximierung ihres Arbeitgebers beziehungsweise ihrer Arbeitgeberin beitragen, besonders hohe Löhne erhalten oder sonstige Privilegien, genauso wenig werden Studierende besonders bevorzugt behandelt. Sondern gerade umgekehrt: weil Studierende, wie jede andere Bevölkerungsgruppe, nichts anderes sind als Futter für kapitalistische Verwertung, werden sie entsprechend behandelt. Das heißt konkret: sie haben zu funktionieren, sie haben zur Verfügung zu stehen, und sie haben billig zu sein. Das bedeutet freilich nicht, dass Studierende nicht immer noch und auch weiterhin Privilegien gegenüber anderen Bevölkerungsschichten genießen. Aber innerhalb und trotz dieser Privilegien macht das Verwertungs-, Leistungs- und Effizienzprinzip auch bei Studierenden nicht Halt.
[3.2 Studiengebühren]{#3.2}\ Damit die Produktivkraft StudentIn möglichst effektiv eingesetzt wird, soll sie also möglichst wenig kosten. Da wiederum der Spitzensteuersatz aus bekannten Gründen nicht erhöht, sondern gesenkt wird, und unter anderem deshalb die staatlichen Kassen ziemlich leer sind, ist es mehr als naheliegend, dass Studierende für ihre Ausbildung bald auch zahlen müssen. Für den Staat stellt sich die Lage tatsächlich so dar, dass Studierende lange Zeit unnötige Privilegien genossen haben, die jetzt endlich abgeschafft gehören. Studiengebühren sind also keineswegs ein unbegreiflicher Angriff von einzelnen bösen Menschen rechtsaußen, sondern ein logischer und aus Sicht des Systems völlig legitimer Schritt.
Umso besser passt es da natürlich, dass durch Studiengebühren so manche Haushaltslöcher gestopft werden können und der staatliche Bildungsetat gesenkt werden kann. Und dann haben Studiengebühren zudem äußerst erwünschte gesellschaftspolitische Steuerungseffekte: einerseits die sogenannte \"soziale Selektion\", und andererseits einen ziemlich wirksamen Selbstdisziplinierungseffekt bei den betroffenen Studierenden.
Soziale Selektion\ Zur sozialen Selektion muss nicht viel gesagt werden - dieser Aspekt wurde in den vergangenen Wochen oft genug und selbstverständlich zu recht betont. Nur zwei Dinge vielleicht: 1.) dass soziale Selektion nicht erst im Studium anfängt, sondern von Geburt an und erst recht in der Schule; und 2.) dass die Landesregierung mit großer Wahrscheinlichkeit weiß, was Studiengebühren mit sozialer Selektion zu tun haben, und dass die soziale Selektion folglich kein unerwünschter Nebeneffekt ist, sondern vielleicht gar erwünscht. Denn wenn Studieren schon Geld kostet, dann sind zahlungsunfähige BAföG-EmpfängerInnen natürlich noch weniger willkommen als bisher schon - eben weil sie kein Geld in die Kassen bringen.
Selbstdisziplinierung
Der zweite Effekt von Studiengebühren ist die Selbstdisziplinierung der Studierenden. Denn: wer Studiengebühren zahlt, wird ganz sicher effizient und ziemlich schnell studieren und gar nicht anders können, als sein Studium als Investition zu betrachten.
Diese Disziplinierung hat bereits jetzt, also vor der Einführung allgemeiner Studiengebühren, Erfolg. Badische Zeitung vom 01.04.2005: \"In den vergangenen 10 Jahren hat die durchschnittliche Studiendauer kontinuierlich abgenommen. 1991 wurde im Schnitt noch 11,2 Semester studiert, 2003 waren es nur noch 9,5 Semester.\" Peter Frankenberg meint dazu auch ganz offen: \"Das ist ein Beleg für den Erfolg der vielfältigen Maßnahmen, die wir gezielt zur Verkürzung der Studienzeiten ergriffen haben.\" Und die Einführung der Bachelor-Studiengänge wird diesen Trend natürlich weiter verstärken. \"Für Frankenberg ist aber das Durchschnittsalter der Universitätsabsolventen mit 27,8 Jahren immer noch zu hoch.\"
Gibt es einen Kapitalismus ohne Studiengebühren?
Trotzdem wäre es wohl zu einseitig zu sagen, dass Studiengebühren im Kapitalismus unausweichlich sind. Es sprechen schließlich auch innerhalb des Systems Gründe gegen Studiengebühren:
- Etwa, dass soziale Selektion nicht unbedingt im Interesse der Unternehmen liegt, weil durch sie nicht mehr die talentiertesten, sondern nur noch die wohlhabenden Menschen studieren können, was sicher nicht zur Innovationssteigerung führen wird.
- Gegen Studiengebühren spricht auch, dass eine Uni als bloße Verwertungsfabrik gar nicht unbedingt im Interesse der Unternehmen sein muss. Im Gegenteil werden gerade in Spitzenberufen Individuen gesucht, die frei und unkonventionell denken können, und sich an der Uni also geistig austoben konnten, anstatt nur für ihren späteren Beruf zu büffeln.
- Gegen Studiengebühren und Bildungsabbau spricht außerdem, dass gute Universitäten durchaus auch ein Standortfaktor sind;
- und schließlich ist soziale Gerechtigkeit, an der Uni wie anderswo, ein Faktor, der die gesamte Gesellschaft stabilisiert - Bildungs- und Sozialabbau werden die Lebensdauer des Kapitalismus wohl eher vermindern als erhöhen, da sie Unzufriedenheit mit dem bestehenden System erzeugen beziehungsweise verstärken.
Aber es sprechen eben auch Gründe für Studiengebühren:
- Studiengebühren entsprechen der Verwertungslogik und sind zumindest kurzfristig im Interesse der Unternehmen, die möglichst schnell an gut getrimmte Arbeitskräfte gelangen;
- für Studiengebühren spricht außerdem, dass sie in anderen Staaten längst eingeführt sind, ohne dass durch sie der soziale Frieden soweit gestört wäre, dass Revolutionen zu befürchten wären;
- und ebenso spricht für Studiengebühren, dass sie ja nicht isoliert eingeführt werden, sondern in einem großen Kontext von Sozialabbau und Privatisierung stehen; es gibt wie gesagt keinen Grund, warum diese Entwicklung gerade vor der Universität halt machen sollte.
- Und das Hauptargument für Studiengebühren ist natürlich, dass sie kurzfristig Geld in die Kassen bringen und Haushaltslöcher stopfen - aus dieser Motivation macht die Regierung bekanntlich kein Geheimnis.
Es ist schwierig zu entscheiden, ob Studiengebühren dem Kapitalismus letztendlich nützen, oder langfristig nicht doch eher schaden. Jedenfalls sind die Gründe für Studiengebühren wohl die schwerwiegenderen, sonst würden sie nicht eingeführt werden. Was gesagt werden kann ist, dass die für das System negativen Aspekte von Studiengebühren eher indirekt und langfristig, die positiven Aspekte eher kurzfristig wirken. Und was zum Kapitalismus in jedem Fall dazugehört, ist die Dominanz einer wirtschaftlichen Logik, die eher auf kurzfristige finanzielle Gewinne abzielt als auf langfristige Gesellschaftspolitik. Gerade in Krisenzeiten steigt der Druck, dieser wirtschaftlichen Logik Zugeständnisse zu machen.
Arbeitskräfte heranzubilden, nicht etwa freie Forschung zu ermöglichen oder gar Raum bereitzustellen, um einen kritischen und distanzierten Blick auf sich selbst und die eigene Gesellschaft zu ermöglichen - das ist in dieser wirtschaftlichen Logik also die primäre Aufgabe der Universität. Vom kurzfristigen Standpunkt der Wirtschaftslogik aus gesehen sind Studiengebühren genauso logisch und sinnvoll wie niedrige Löhne und Arbeitszeitverlängerungen bei ArbeiterInnen. Studierende sind Produktivkräfte und werden entsprechend ausgebeutet - eben auf dieser Ausbeutung von Arbeitskraft beruht die ganze bestehende Gesellschaft. Bildung ist nicht \"frei\" - und ist es wohlgemerkt auch nie gewesen. Dass Bildung mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen verknüpft ist, war im Grunde immer schon so - aber es war immerhin nicht zu jeder Zeit so ausgeprägt wie heute.
[3.3 Die Institution Universität: Freiraum für Denken, Selbstentfaltung, Forschung und Lehre]{#3.3}\ Universitäten waren zwar einerseits immer schon Teil des großen Ganzen, sie haben im Kaiserreich kaisertreue MilitaristInnen und ImperialistInnen, im Dritten Reich AntisemitInnen und brave ParteisoldatInnen hervorgebracht, im Nachkriegsdeutschland liberale Spießer wie Sir Ralf Dahrendorf oder Friedrich Hayek auf Lehrstühle gehievt und heute züchten sie egoistisches Verwertungsfutter heran - das ist sogar vergleichsweise harmlos. Trotzdem waren Universitäten immer auch relativ autonome Räume, in denen halbwegs frei geforscht werden konnte und in denen wenigstens zeitweise auch Menschen wie Theodor Adorno oder Ernst Bloch lehren durften.
Und nicht nur für den kritischen Geist der Studierenden waren Universitäten lange Zeit Freiräume, in denen es sich gut leben ließ - auch für andere Bereiche der menschlichen Existenz bot die Universität Entfaltungsmöglichkeiten - eine billige Mensa, zahlreiche finanzielle Ermäßigungen und ein funktionierendes soziales Umfeld von Menschen mit ähnlichen Interessen. So waren bis zur Einführung der Langzeitstudiengebühren ScheinstudentInnen und SozialschmarotzerInnen tatsächlich ein Massenphänomen - im Übrigen ohne, dass deshalb die Bundesrepublik Deutschland in die Krise gestürzt wäre. Studieren war lange Zeit wenigstens für manche gleichbedeutend mit der Möglichkeit, den Eintritt in den kapitalistischen Alltag entfremdeter Arbeit und Lohnschinderei hinauszuzögern und noch ein paar Jahre halbwegs selbstbestimmten Lebens genießen zu können.
[3.4 Kapitalismus und Universität]{#3.4}\ Warum werden diese kulturellen Errungenschaften spätestens seit Ende der 80er Jahre so konsequent Schritt für Schritt abgebaut? Die Kosten, die ScheinstudentInnen verursachen, sind im Grunde relativ gering, denn sie benutzen ja kaum die universitäre Infrastruktur. Aber trotzdem fallen sie als Nicht-Arbeitende aus dem ökonomischen Verwertungszusammenhang heraus, und werden durch ihre Arbeitsverweigerung zum schlechten Beispiel, das anstecken könnte. In einer Universität als verlängertem Arm der Wirtschaft haben solche Elemente folglich keinen Platz.\ Wie gesagt ist die Einebnung dieser Freiräume völlig plausibel, solange man sich in die Betriebslogik des Kapitalismus hineinversetzt; und erst recht, wenn man diesen Betrieb selbst akzeptiert. Denn auf der Ebene der unmittelbaren Systemlogik gilt eben der Maßstab der möglichst kurzfristigen Gewinnmaximierung. Alles andere ist irrelevant: gearbeitet wird - außer im öffentlichen Dienst - stets unter der Maßgabe größtmöglicher Rentabilität im Interesse eines jeweils ganz bestimmten Privateigentums. Und selbst im öffentlichen Dienst wird keineswegs \"für alle\" gearbeitet, sondern für einen Staat, dessen Funktion es gerade ist, dieses Privateigentum zu schützen und die herrschende Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten.
Akzeptiert man die Grundlage dieser Gesellschaft: das Privateigentum an Produktionsmitteln, dann wird man wohl einsehen - und die CDU tut dies ebenso wie SPD und Grüne - dass im Interesse der Kapitalverwertung Bedingungen hergestellt werden müssen, die diese Kapitalverwertung fördern. Dazu gehören - neben dem notfalls auch gewaltsamen Schutz des Eigentums - unter anderem niedrige Spitzensteuersätze, gezielte Standortpolitik sowie Universitäten, in denen Menschen herangebildet werden, die sich gut verwerten lassen. Aus diesem Grund greift die Kritik an Studiengebühren oft zu kurz, wenn sie nicht zu benennen vermag, welcher Mechanismus es eigentlich ist, der hinter der aktuellen Bildungspolitik steht. Oder, wie es schöner heißen könnte: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von der Bildungspolitik schweigen.
[3.5 \"Die Wurzel für den Menschen ist der Mensch selbst\"]{#3.5}\ Das eigentlich Verwunderliche an der Argumentation der StudiengebührengegnerInnen ist, dass sie so selten ehrlich sagen, worum es wirklich geht. Man argumentiert für soziale Gerechtigkeit - aber jeder andere Bereich der Gesellschaft, in dem keine soziale Gerechtigkeit herrscht, wird nicht angegriffen. In einer Gesellschaft, in der ohnehin keine soziale Gerechtigkeit herrscht, ist das zumindest nicht sehr glaubwürdig. Oder es wird gegen \"Bildung als Ware\" argumentiert - in einer Gesellschaft, in der fast alles eine Ware ist. Was die protestierenden Studierenden aber eigentlich bewegt, ist nicht irgendein abstraktes Prinzip von sozialer Gerechtigkeit oder ein Humboldtsches Bildungsideal, sondern die schlichte Tatsache, dass sie selbst von diesem Prozess betroffen sind.
Der eigentliche Beweggrund der Proteste ist also egoistisch - aber eben dieser Egoismus ist keiner, für den man sich schämen müsste. Jeder Arbeitskampf um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, jeder Widerstand gegen Sozialabbau oder gegen den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten, alle diese Kämpfe sind egoistische Kämpfe, und nur deshalb werden sie geführt. Auch die klassischen revolutionären Kämpfe waren keine abstrakten Einsätze für das \"Prinzip\" des Kommunismus oder ähnliches, sondern Kämpfe für ein besseres Leben, für welches die kommunistische Revolution nichts anderes sein sollte als Mittel zum Zweck.
Alle Theorie, alle Argumentation für soziale Gerechtigkeit und Freiheit der Bildung ist insofern eine Waffe im öffentlichen Kampf, die man durchaus benutzen kann - aber die eigentliche Logik, die hinter den Protesten steht, ist eine andere, nämlich ganz konkret existenzielle. Und wer weiß, welche Theoriewaffe schärfer schneidet: diejenige, die abstrakt ist, uneigennützig, und die die eigenen Interessen verleugnet, oder diejenige, die ihre eigenen Interessen gerade zum Ausgangspunkt macht für das Handeln konkreter Menschen mit eben diesen ganz konkreten, materiellen, existenziellen Interessen.\ Bei Karl Marx heißt es dazu in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (MEW 1, S. 385): \"Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muss gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem [am Menschen] demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst.\" Und weiter unten heißt es dann: \"Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist.\"
Wenn insofern die Theorie (die also nicht von außen kommt, sondern vom Menschen selber) der theoretische Ausdruck der menschlichen Bedürfnisse, Wünsche und Interessen ist, dann wird zweierlei klar: 1.) dass die Theorie erst noch verwirklicht werden muss, um ihren Zweck zu erfüllen, und dass sie erst durch den Kommunismus verwirklicht wird - als jener Gesellschaft, in der es heißt: \"jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen\". Und es wird 2.) klar, dass die Verwirklichung dieser Art von Theorie nicht irgendein Kampf um irgendetwas ist, sondern der Kampf um die eigene Existenz.
[3.6 Solidarität ist eine Waffe!]{#3.6}\ Dies ist also das eine: dass Protest nur dann entschlossen geführt werden wird, wenn die Protestierenden ein existenzielles Interesse haben. Ohne Egoismus geht es nicht, beziehungsweise bleibt die Kampfkraft der Protestierenden gering. Aber Egoismus ist wiederum nicht alles. Auch das Elend anderer betrifft mich, weil ich mitverantwortlich bin, wenn die Gesellschaft, in der ich lebe, Elend hervorbringt. Solidarität ist zunächst ein moralisches Gebot, und es macht wenig Sinn, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der die Menschen nicht mehr Feinde sind, sondern zusammenarbeiten, wenn man nicht heute schon beginnt, diese Zusammenarbeit auch zu praktizieren.
Aber Solidarität ist nicht nur ein moralisches Gebot - sonst könnte es auch heißen: \"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral\" - sondern Solidarität ist auch und vor allem eine Waffe. Wenn stets nur die unmittelbar Betroffenen auf die Straße gehen würden, fänden zwar einige Demonstrationen statt, doch keine einzige große. Den WagenbewohnerInnen in Freiburg aber würde es helfen, bequemten Studierende sich auf ihre \"Love-or-Hate-Parade\", so wie es umgekehrt den Studierenden half, dass ein Großteil der Freiburger Linken sich auf den Studierenden-Demos blicken ließ - trotz aller Differenzen und Probleme, die einige Linksradikale mit den Studierenden haben.
[4 Für eine andere Uni! Für eine andere Gesellschaft!]{#4}\ Wie gesagt sind Studierende im Kapitalismus genauso Humankapital wie alle anderen Menschen, und Bildung prinzipiell genauso eine Ware wie Berufsausbildungen, Volkshochschulkurse und Bücher. Selbst wenn Studiengebühren verhindert werden können, wird sich hieran nichts ändern, und auch dann noch wird Studieren nicht kostenlos sein. Nach der 17. Erhebung des Deutschen Studentenwerks müssen jetzt schon fast 70% aller Studierenden nebenher arbeiten, um ihr Studium finanzieren zu können.
Worum es uns jedoch geht, ist nicht nur die Frage, wieviel Bildung kostet, und noch nicht einmal nur, dass sie überhaupt etwas kostet - worum es uns auch und vor allem geht, ist die spezifische Funktion von Bildung in dieser Gesellschaft. Selbst wenn Studieren wirklich kostenlos wäre, züchtet die Universität schließlich Eliten heran. Schon in der Schule wird selektiert zwischen jenen, die später einmal reich werden und jenen, die später einmal arm werden. Es wird getrennt zwischen jenen, die als sogenannte KopfarbeiterInnen ihr Geld mit Denken verdienen und jenen, die diesen KopfarbeiterInnen die Toiletten putzen, da sie die Dinge, die an der Uni gelehrt werden, nicht lernen durften - weil sie auf der falschen Schule waren.
Die Universität ist also von jeher eine Elite-Universität, und eben das ist die Rolle, die sie im Kapitalismus spielt. Ginge es an der Universität wirklich um Bildung im Humboldtschen Sinne - um die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Erziehung zum reifen und mündigen, denkenden Menschen - dann stünde die Uni logischerweise allen Menschen offen und Freiheit und Mündigkeit würde nicht nur an SchülerInnen mit Abitur und reichem Elternhaus verteilt. Aber es geht eben doch nicht, auch heute nicht, um Freiheit und Mündigkeit, sondern um Aus-Bildung im Interesse kapitalistischer Verwertung. Und es ist keineswegs nur die Universität, sondern die ganze Gesellschaft, in der es um diese Verwertung geht. Wenn man also schon soziale Gerechtigkeit fordert und \"Bildung für alle\", dann muss man diese soziale Gerechtigkeit auch für alle fordern, und das bedeutet letztlich, dass es nicht nur um \"Bildung für alle\" geht, sondern um \"Alles für alle\".
Wenn wir in einer Gesellschaft leben, deren Betriebslogik genau das Gegenteil der Bedürfnisse bedeutet all derer, die in dieser Gesellschaft leben, dann muss sich eines von beiden ändern: die Gesellschaft oder die Bedürfnisse der Menschen. Was wir im Zeitalter von Privatisierung, Sozialabbau und Bildungsabbau erleben, im Zeitalter von Arbeitszeitverlängerung und Ein-Euro-Jobs für Arbeitslose, ist der einseitige Versuch, die Bedürfnisse der Menschen zu ändern und an die Vorgaben des Systems anzupassen. Wofür wir kämpfen sollten, ist das Gegenteil: die Anpassung der sozialen Verhältnisse an die Bedürfnisse der Menschen. Und eben das ist der Grund, warum wir immer wieder vom Kommunismus, von der Anarchie und von der Abschaffung des Kapitalismus reden: weil wir nicht denken, dass die bestehende Gesellschaft unsere Bedürfnisse dauerhaft erfüllen kann, und weil man die Übel dieser Gesellschaft nicht nur oberflächlich bekämpfen kann, sondern weil man radikal werden muss.
Und dies ist eben die Hauptkritik, die wir an den Studierendenprotesten haben und der Grund, warum wir in ihnen \"business as usual\" sehen: dass die elitäre und konforme Rolle, welche die Studierenden im Kapitalismus spielen, nicht hinterfragt und angegriffen, sondern unhinterfragt übernommen und sogar noch verteidigt wurde. Es geht eben nicht nur um die Falschheit von Studiengebühren, nicht nur um falsche Bildungspolitik, sondern um gesellschaftliche Verhältnisse, die selbst von Grund auf falsche sind.
Zumindest ein kleiner Schritt, diese Verhältnisse anzugreifen, wäre auch beim Streik schon möglich gewesen: \"Bildung für alle\" könnte als allererstes schließlich heißen, die Universitäten wirklich für alle zu öffnen. Wenn man Rektorate besetzen kann, kann man wohl auch die Uni selbst besetzen - und zwar eben nicht, um sie zu blockieren, sondern um sie zu verändern. Der Lehrbetrieb ließe sich umgestalten - einige ProfessorInnen würden sogar mitmachen - und die Universität könnte sich innerhalb kürzester Zeit in einen offenen und selbstverwalteten Betrieb verwandeln, in dem die Beteiligten selbst über ihr Leben und ihre Bildung entscheiden und nicht irgendein Staat im Interesse irgendeiner Wirtschaft. Dies wäre wirklich \"Bildung für alle\": sich die Uni im Interesse aller aneignen und so das bürgerliche Bildungssystem in ein revolutionäres verwandeln, das als Vorbild für noch ganz andere Bereiche der Gesellschaft dienen könnte.\ Derartige \"Bildung für alle\" ist aber freilich nichts, worum wir PolitikerInnen bitten könnten - im Gegenteil: wir müssen sie uns erkämpfen. Und eben diese Notwendigkeit eigenen Handelns sehen wir grundlegend mit dem Wesen politischer Emanzipation verbunden: denn Freiheit ist nichts, was man von jemandem fordern kann, sondern etwas, das man sich nimmt.
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
La Banda Vaga, Frühling 2005
[Anhang: Die Broschüren als Lese- und Druckversion]{#5}
Dieser Text ist der überarbeitete Vortragstext unserer Diskussionsveranstaltung zur gesellschaftliche Rolle der Studierenden im Kapitalismus und zur Analyse der Form der vergangenen Studiproteste, den wir als Broschüre veröffentlicht haben. Neben einem Vorwort dokumentieren wir darin ein Flugblatt von GewerbeschülerInnen zum Studistreik 1997 und unseren Text 30 Semester Minimum - Für Deutschland keinen Finger krumm!
Wir müssen den Staat an sich zerstören.
14.05.2005
Redebeitrag auf der Love OR Hate-Parade am 14. Mai 2005 in Freiburg.
Liebe Leute!
Ich begrüße euch auf der Love OR Hate-Parade im Namen von La Banda Vaga. Paradieren wir, auf dass die Sonn' schein' ohn' Unterlass...
Die Stadt Freiburg ist seit jeher bemüht um ein sauberes Image. Es werden Unsummen für die Gehwegreinigung ausgegeben, während an der Kultur gnadenlos gespart wird. Da passt es ins Bild, wenn GraffitikünstlerInnen wie Kriminelle behandelt werden, weil sie nicht die normierte Langeweile einer sauberen Fassade akzeptieren. Doch nur vordergründig geht es um eine Frage der Ästhetik. Tatsächlich wird den SprayerInnen die Missachtung einer der Grundsätze unserer Gesellschaft nicht verziehen: die Missachtung des Rechts auf Eigentum.
Auch im Namen der Ordnung geht die Stadt gegen unerwünschte Menschen vor. Ein sogenannter „Denkmalpunk" bekam letzten Monat einen Brief vom Amt für öffentliche Ordnung, in dem ihm ein Strafgeld angedroht wurde, falls er noch einmal „alkoholisiert in der Innenstadt angetroffen" würde. Er habe zudem durch die Lagerung von Rucksäcken, Bierflaschen und einer Wolldecke eine „öffentlich gewidmete Fläche über den Gemeingebrauch hinaus benutzt". Dieses Verhalten störe die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Tatsächlich jedoch stören die Punks mit ihrem unangepassten Verhalten lediglich das Bild einer sterilen Konsumwelt.
[]{.inline .inline-right}Wir erleben einen Angriff auf unsere Privatsphäre auf allen Ebenen. Es ist praktisch unmöglich, sich durch die Freiburger Innenstadt zu bewegen, ohne per Video überwacht zu werden. Zeitweise wurden sogar die Umkleidekabinen des städtischen Schwimmbads per Kamera kontrolliert. Immer effizientere Methoden werden angewandt, um eine möglichst lückenlose Überwachung der Menschen zu erreichen. Es ist deutlich die Abkehr vom Prinzip der Unschuldsvermutung zu erkennen. Prinzipiell ist jeder und jede verdächtig und stellt ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar.
Diese repressiven Maßnahmen auf niedrigem Niveau stehen im Kontext einer immer stärkeren Einschränkung der Freiheitsrechte. Wir beobachten eine präventive Konterrevolution, ohne dass die reale Gefahr einer revolutionären Bewegung vorhanden wäre. Diese Entwicklung wird durch eine Eigendynamik des staatlichen Herrschaftssystems vorangetrieben. Dessen Logik beruht auf einer immer weiteren Perfektionierung und Effizienzsteigerung seiner Mittel, um die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten. Falls wir ihm nicht entgegentreten, führt dieser Prozess in letzter Konsequenz zu einem totalitären Überwachungsstaat.
Gerade wegen der inneren Logik des Systems können wir nicht darauf hoffen, dass diese Entwicklung irgendwann einfach aufhört. Wir dürfen nicht nur die Symptome der repressiven Herrschaft bekämpfen. Wir müssen den Staat an sich zerstören.
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
„\...bleibt auch die Diakonie legitimes Angriffsziel\..."
01.03.2005
Leserbrief an das evangelische Magazin „profile"
La Banda Vaga\ c/o Infoladen KTS\ Baslerstr. 103\ 79111 Freiburg\ info „AT" labandavaga.de\ www.labandavaga.de
profile-Redaktion\ Goethestraße 2\ 79100 Freiburg
Betreff: Leserbrief zum Artikel „Hartz IV - Vom Ein-Euro-Job zur Gemeinwohlarbeit - eine diakonische Bestandsaufnahme" von Albrecht Schwerer in Nummer 21, März bis Mai 2005. Mit der Bitte um Veröffentlichung.
Sehr geehrte profile Redaktion,
wir, die Mitglieder der Gruppe La Banda Vaga, haben in den vergangenen Tagen und Wochen Flugblätter gegen den Einsatz von sog. „Ein-Euro-JobberInnen" in verschiedenen Institutionen verteilt. U. a. waren davon auch Einrichtungen der Diakonie betroffen. Aus diesem Grunde waren wir sehr gespannt, als wir in Ihrer Zeitschrift einen Artikel des Geschäftsführers des Diakonischen Werkes Breisgau-Hochschwarzwald entdeckten, in dem dieser den Einsatz von „Ein-Euro-JobberInnen" in Einrichtungen der Diakonie zu legitimieren versuchte.\ Dies ist ihm allerdings gründlich misslungen. Denn mit einer schlichten Umbenennung der „Ein-Euro-Jobs" in „Gemeinwohlarbeit" ändert sich nichts an den verheerenden Inhalten dieser staatlichen Zwangsmassnahme. Mit diesem „Etikettenschwindel" soll lediglich das Ansehen der Profiteure, in diesem Fall der Diakonie, erhöht werden. Denn das eine größere Anzahl ALG 2 BezieherInnen durch eine sechsmonatige Zwangsarbeit wieder in den sog. ersten Arbeitsmarkt integriert werden könnte, dürfte bei real bis zu neun Millionen Arbeitslosen selbst der Geschäftsführer der Diakonie nicht ernsthaft glauben. Die „Ein-Euro-Jobs" haben stattdessen den Zweck, erstens die Arbeitslosenstatistik zu schönen, zweitens die Arbeitslosen zu disziplinieren (bei Ablehnung oder Renitenz drohen Leistungskürzungen) und drittens den Druck auf die noch regulär Beschäftigten zu erhöhen. Nicht ohne Grund fordert inzwischen auch die Industrie den Einsatz von „Ein-Euro-JobberInnen".\ Ein weiterer für die Regierung erfreulicher Nebeneffekt ist außerdem, dass viele Sozialverbände die anfangs die „Hartz 4 Reformen" kritisiert haben nun nachdem sie erkannt haben welchen Vorteil sie von den „Ein-Euro-Jobs" haben, ihre Kritik doch deutlich zurückgefahren haben. Selbst wenn die Diakonie, wie Herr Schwerer schreibt, sich an die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes hält, was die meisten Einrichtungen nicht tun werden und „Ein-Euro-JobberInnen" nur zusätzlich zu den noch regulär Beschäftigten einsetzt und spezielle Qualifizierungsprogramme für die ALG 2 EmpfängerInnen anbietet, so legitimiert die Diakonie doch trotzdem das gesamte repressive Gesetzeswerk mitsamt den oben beschriebenen Auswirkungen auf die ALG 2 EmpfängerInnen und die noch regulär Beschäftigten. Aus diesem Grund bleibt auch die Diakonie legitimes Angriffsziel weiterer Protestaktionen gegen die „Arbeitsmarktreformen" der Regierung.
Bis bald,
La Banda Vaga
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Die profile-Redaktion hat in der Nummer 22, Juni bis August 2005, eine verstümmelte Version unseres Leserbriefes abgedruckt. „Kürzungen sind vorbehalten" bedeutet bei den ProtestantInnen scheinbar, dass Kritik an der Diakonie nicht abgedruckt wird.
Sehr geehrte profile Redaktion,
wir, die Mitglieder der Gruppe La Banda Vaga, haben in den vergangenen Tagen und Wochen Flugblätter gegen den Einsatz von sog. „Ein-Euro-JobberInnen" in verschiedenen Institutionen verteilt. U. a. waren davon auch Einrichtungen der Diakonie betroffen. Aus diesem Grunde waren wir sehr gespannt, als wir in Ihrer Zeitschrift einen Artikel des Geschäftsführers des Diakonischen Werkes Breisgau-Hochschwarzwald entdeckten, in dem dieser den Einsatz von „Ein-Euro-JobberInnen" in Einrichtungen der Diakonie zu legitimieren versuchte.\ Dies ist ihm allerdings gründlich misslungen. Denn mit einer schlichten Umbenennung der „Ein-Euro-Jobs" in „Gemeinwohlarbeit" ändert sich nichts an den verheerenden Inhalten dieser staatlichen Zwangsmassnahme. Mit diesem „Etikettenschwindel" soll lediglich das Ansehen der Profiteure, in diesem Fall der Diakonie, erhöht werden. Denn das eine größere Anzahl ALG 2 BezieherInnen durch eine sechsmonatige Zwangsarbeit wieder in den sog. ersten Arbeitsmarkt integriert werden könnte, dürfte bei real bis zu neun Millionen Arbeitslosen selbst der Geschäftsführer der Diakonie nicht ernsthaft glauben. Die „Ein-Euro-Jobs" haben stattdessen den Zweck, erstens die Arbeitslosenstatistik zu schönen, zweitens die Arbeitslosen zu disziplinieren (bei Ablehnung oder Renitenz drohen Leistungskürzungen) und drittens den Druck auf die noch regulär Beschäftigten zu erhöhen. Nicht ohne Grund fordert inzwischen auch die Industrie den Einsatz von „Ein-Euro-JobberInnen".\ Ein weiterer für die Regierung erfreulicher Nebeneffekt ist außerdem, dass viele Sozialverbände die anfangs die „Hartz 4 Reformen" kritisiert haben nun nachdem sie erkannt haben welchen Vorteil sie von den „Ein-Euro-Jobs" haben, ihre Kritik doch deutlich zurückgefahren haben. Selbst wenn die Diakonie, wie Herr Schwerer schreibt, sich an die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes hält, was die meisten Einrichtungen nicht tun werden und „Ein-Euro-JobberInnen" nur zusätzlich zu den noch regulär Beschäftigten einsetzt und spezielle Qualifizierungsprogramme für die ALG 2 EmpfängerInnen anbietet, so legitimiert die Diakonie doch trotzdem das gesamte repressive Gesetzeswerk mitsamt den oben beschriebenen Auswirkungen auf die ALG 2 EmpfängerInnen und die noch regulär Beschäftigten. Aus diesem Grund bleibt auch die Diakonie legitimes Angriffsziel weiterer Protestaktionen gegen die „Arbeitsmarktreformen" der Regierung.
Bis bald,
La Banda Vaga
„Die Arbeiter haben kein Vaterland" (Karl Marx)
27.02.2005
Über Arbeitsfetischismus, Nationalismus und Emanzipation
Der Begriff mag altmodisch klingen, doch es existiert noch immer: das Proletariat. Es gibt sie noch, jene Klasse der Gesellschaft, die nichts besitzt außer ihrer Arbeitskraft, welche sie Tag für Tag verkaufen muss, um sich vom dabei erzielten Lohn am Leben erhalten zu können. Das Proletariat existiert in Deutschland genauso wie in allen anderen Staaten, in denen Lohnarbeit und Warenproduktion, sowie, daraus resultierend, die Teilung der Gesellschaft in Klassen existiert, das heißt: auf dem gesamten Globus. Aber mit dem entsprechenden Klassenbewusstsein ist es fast überall nicht weit her --- hierzulande am wenigsten. Trotz des immer offener geführten Klassenkampfs von oben, trotz Sozialabbau, Arbeitszwang und Massenentlassungen, trotz Arbeitszeiterhöhungen und was sonst noch alles kommen mag: „vereinigen" wollen die ProletarierInnen sich nicht, und mit ihren LeidensgenossInnen aus anderen Ländern erst recht nicht.
Wenn in Deutschland das Proletariat auf die Straße geht --- wie kürzlich bei den „Montagsdemonstrationen" oder den „wilden Streiks" bei Opel --- stellt es seine objektive Lage nicht etwa in Frage und kämpft grundsätzlich gegen seine alltägliche Ausbeutung am Arbeitsplatz, sondern es wünscht sich zurück in jene goldene Wirtschaftswunder-Zeit, als die Ausbeutung noch „menschlich" war und der Kapitalismus scheinbar „sozial". Das Modell der „Sozialpartnerschaft" zwischen Beschäftigten und Unternehmensführung, nichts anderes als ein zeitweilig geglückter Versuch, die objektiven Interessengegensätze zwischen Bevölkerung und Kapital durch allgemeinen Wohlstand zu befrieden und scheinbar abzuschaffen --- dieses in Krisenzeiten längst überholte Modell des „rheinischen Kapitalismus" dient auch heute noch einigen als Vorbild „linker" Politik. Nicht die Teilung in Besitzende und Nichtbesitzende, Arbeitende und Arbeiten-Lassende, nicht der untrennbare Zusammenhang von steigendem Profit und sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, Überproduktion und Armut, Arbeitszeitverlängerung und Arbeitslosigkeit --- nicht dieser fundamentale Skandal der kapitalistischen Vergesellschaftung selbst soll angegriffen werden, sondern nur seine gegenwärtige Erscheinungsform, die doch ohne ihre ökonomisch-politischen Grundlagen gar nicht denkbar ist.
Es scheint fast so, als ginge es den Protestierenden um nichts anderes als darum, auf keinen Fall aus dem Verwertungszusammenhang herauszufallen; als ginge es ihnen gerade darum, arbeiten zu dürfen und im Zweifelsfall nur möglichst „sozialverträglich" aus ihren sozialen Zusammenhängen herauskatapultiert zu werden. Um nicht von schöpferischer Untätigkeit bedroht zu werden, bieten die noch Arbeitenden sogar bereitwillig an, auf Teile ihres Lohns zu verzichten --- als wäre Lohnarbeit ein Selbstzweck und das Bedienen von Maschinen im Takt der Stechuhr ein Privileg, für das kein Preis zu hoch und kein Lohn zu niedrig ist.
Wie wenig die direkt (d.h. beschäftigten) oder indirekt (d.h. arbeitslosen) Lohnabhängigen in Deutschland fähig und willens sind, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Karl Marx), machen die Slogans deutlich, die auf etwa auf den Montagsdemos 2004 auf Plakaten zu lesen waren. Da stand zum Beispiel: „MENSCHEN WÜRDE(N) ARBEIT(EN)". - Was soll das heißen? Hat Lohnarbeit, außer dass sie sie mit Füßen tritt, irgendetwas mit Würde zu tun? Definiert sich die menschliche Würde --- was auch immer diese eigentlich sein mag --- über Besitz oder Fehlen eines Jobs? Die entfremdete Lohnarbeit --- d.h.: Produkte herzustellen, die den Herstellenden selbst nicht gehören und die ihnen für teures Geld wieder verkauft werden - das Herumstehen in der Fabrikhalle, im Großraumbüro und im Call-Center --- das ist heute, nach 300 Jahren Aufklärung, der neue Ort der menschlichen Würde?
Nichts anderes kann gemeint sein. Und mehr noch schwingt in diesem Slogan mit: „Menschen würden arbeiten, wenn..." --- wenn was? Die realistische Antwort würde lauten: wenn da nicht der Kapitalismus wäre, dessen Prinzip es ist, dass Arbeit sich für das Kapital rentieren muss, was im Zeitalter der Maschinen bekanntlich nicht durchweg der Fall ist. Oder gar, aus linker Perspektive: Menschen würden eigentlich nicht arbeiten, wenn sie nicht dazu gezwungen wären!
Tatsächlich gemeint aber ist vielmehr der obrigkeitshörige Appell an die einzelnen UnternehmerInnen und PolitikerInnen: „Menschen würden arbeiten, wenn Ihr uns arbeiten lassen würdet!" Letztlich zeigt sich hier also ein absurder moralischer Appell an die AkteurInnen eines Systems, in dem es von Grund auf noch nie weder moralisch noch nach dem Willen einzelner AkteurInnen zugegangen ist; ein Appell an die Macht der Autorität, sich besser um ihre Untertanen zu kümmern, und zugleich eine Anerkennung und Legitimierung eben dieser Autorität. Die Unterwerfung geht schließlich soweit, dass die Bedingungen der eingeforderten Arbeit zur Nebensache werden: Flexibilisierung, unbezahlte Mehrarbeit und Lohnsenkungen sind allesamt akzeptabel, um dem Zustand der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Denn Arbeitslosigkeit wird in dieser Logik --- weil Arbeit eben Würde ist --- als soziale Stigmatisierung und Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben erfahren anstatt als Freiheit von Ausbeutung und Entfremdung. Die Aussicht auf Ein-Euro-Sklaverei gibt zur Zeit immerhin berechtigten Anlass, Arbeitslosigkeit realistisch als Stigma zu empfinden; die Stigmatisierung der Arbeitslosigkeit selbst aber wird nicht thematisiert. Stattdessen heißt es in den Reihen der Gewerkschaftslinken ebenso wie bei der SPD und der CDU: „Sozial ist, was Arbeit schafft!"
Es ist dies die grundlegende ideologische Verkehrung des Bewusstseins über die eigene Lage, die den Kapitalismus auszeichnet: die Aufrechterhaltung der eigenen Knechtschaft wird als Eigeninteresse der Individuen wahrgenommen, das es mit allen Mitteln zu verteidigen gilt --- im Zweifelsfall gegen die Herren selber. Diese ideologische Verkehrung des Bewusstseins ist freilich weder ein neues Phänomen, noch ist es ein spezifisch deutsches Phänomen. Sehr deutsch jedoch ist die besondere Art und Weise, wie sich dieses falsche Bewusstsein hierzulande zuspitzt. Denn ist es allzu abwegig, in den Ein-Euro-Jobs eine neue Form des faschistischen Arbeitsdienstes zu erkennen? Spiegelt sich in der Anbetung der Arbeit nicht jene Tradition wider, die den Dienst an der Nation über alles vernünftige Eigeninteresse stellte? War es nicht der Fetisch Arbeit, der schon einmal alle Klassengegensätze zum scheinbaren Verschwinden gebracht hat, weil plötzlich alle --- Ausgebeutete und Ausbeutende --- im angeblich selben deutschen Boot saßen? Was ist die Ausgrenzung und Diskriminierung Nicht-Arbeitender prinzipiell anderes als der Ausstoß der Faulen und Verräter aus der Volksgemeinschaft?
Auch der mittlerweile wieder offen auftretende Antisemitismus erscheint in dieser Logik nur konsequent: postulierte der antisemitische Wahn doch seit jeher auf die Trennung zwischen einem bösen, „raffenden" (das heißt: faulen und „jüdischen", fremden) Kapital und einem guten, produktiven (der Volksgemeinschaft zugehörigen, „deutschen") Kapital; beharrte er doch seit jeher auf der typisch deutschen Trennung zwischen scheinbar „anständiger" Arbeit im Dienste der Nation und zersetzendem „Intellektualismus" im Dienste der bolschewistischen Zersetzung. Bis heute hat dieses Denken in weiten Teilen der Bevölkerung, und bis weit in die Linke hinein, Bestand.
In diesem „postfaschistischen" gesellschaftlichen Klima ist es nicht verwunderlich, wenn die von der CDU kürzlich wieder einmal neu angefachte „Patriotismus-Debatte" auf fruchtbaren Boden fiel und fällt. Aufgeschreckt durch die Landtagswahlerfolge der rechtsradikalen Parteien, die den bürgerlichen Parteien 2004 in Brandenburg und Sachsen erhebliches Wählerpotential abgegraben hatten, entdeckten Konservative ihre Vaterlandsliebe als Mittel, die auftretende Unzufriedenheit in ihrem Interesse zu kanalisieren. Sie rührten bewusst einen schwarzbraunen Kitt an, der die sich immer offener als Barbarei präsentierende Gesellschaft quer durch alle Schichten wieder zur „Nation" zusammenpappen sollte. Ein deutliches Beispiel für diese Tendenz zeigt sich im Ausspruch des sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU): Zu den braunen Stimmengewinnen meinte dieser, dass seine Partei nun verstärkt „nationale Themen" besetzen müsse, um wieder „an den Stammtischen" verstanden zu werden.
Diese allzu wohlwollende Empathie gegenüber dem „Volksempfinden" hat verschiedene Ziele und Hintergründe. Immer jedoch führt das Denken in Kategorien von „Volk" und „Nation", selbst wo es ganz harmlos und pazifistisch auftritt, zur Ausgrenzung all jener Menschen, die in diesen Konstrukten keinen Platz haben; immer schon lauert unter der Oberfläche nationalistischen Denkens die Möglichkeit des Pogroms: denn wo Deutsche sind, da sind immer auch Nicht-Deutsche; wo Patrioten sind, sind immer, per definitionem, auch Verräter; wo Volk ist, da sind immer auch Volksfremde.
Wenn sich auch bürgerliche PolitikerInnen (von Roland Koch bis Gerhard Schröder und Wolfgang Clement) gegenüber diesem Denken öffnen, so tun sie es vielleicht vor allem aus einem Grund: Für das Interesse des Gesamtsystems Kapitalismus ist der Nationalismus eine erfolgreiche Strategie, tatsächliche Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern und widerständiges Denken wirksam im Keim zu ersticken. Wir sitzen ja alle, erst recht im Konkurrenzkampf gegen die Polen und die Chinesen, in einem Boot. Diese Strategie ist nicht neu; sie ist spätestens seit Bismarck und Kaiser Wilhelm fester Bestandteil rechter Regierungspolitik. Gehörten zu dieser Strategie damals jedoch, wie später im deutschen Faschismus auch, zahlreiche soziale Zugeständnisse, welche die Bevölkerung an die Obrigkeit binden sollten und linkem Widerstand den Wind aus den Segeln nehmen sollten --- von Sozialleistungen bis „Kraft-durch-Freude"-Privilegien ---, so hat die gegenwärtige Krise nichts weiter zu bieten als die bloß noch ideologische Verschleierung der sich verschärfenden Ausbeutung und realen Verelendung. Um so seltsamer muss es erscheinen, dass das Proletariat auch heute noch so anfällig für völkisches Denken ist und es selbst mit produziert. Der „korporative", sozialstaatliche Kapitalismus gehört der Vergangenheit an, aber die Ideologie, die diesen begleitet, lebt fort als Relikt pseudolinker Wünsche und Hoffnungen, eine Rückkehr in die gute alte Zeit des sozialen Friedens wäre innerhalb des kapitalistischen Systems irgendwie möglich.
Tatsächlich aber zeigen sich die gesellschaftlichen Verhältnisse heute unverhüllter denn seit langem. Ihnen ins Auge zu schauen heißt darum zunächst nicht mehr als: sich von der Sozialstaatspropaganda nicht einwickeln zu lassen. Denn der Sozialstaat war von vornherein nichts anderes als der Versuch des Kapitals, mögliche Revolutionen im Keim zu ersticken, indem der materielle Druck auf die Beschäftigten gemildert wurde. Wenn dieser Druck heute nicht mehr gemildert werden kann, ohne den Verwertungsinteressen des Kapitals zuwiderzulaufen, so bedeutet dies zunächst eine Chance der Bewusstwerdung, nämlich die Möglichkeit, sich der prinzipiellen Un-Möglichkeit bewusst zu werden, es könne im Kapitalismus jemals ein gutes Leben geben. Die gegenwärtige Krise ermöglicht --- bei allem Leid, das sie leider erzeugt --- auch die Einsicht in die fundamentalen Widersprüche eines Systems, das immer schon auf Barbarei und Ausbeutung, Entfremdung, Entwürdigung und Verelendung basiert.
Die Krise ist zugleich eine Chance, sich bewusst zu werden, dass der Hauptfeind noch immer im eigenen Land steht und dass nur die soziale Revolution, als „Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl" (Marx), uns aus dem Elend befreien kann. Keine Obrigkeit kann uns die Aufgabe abnehmen, dem Kapitalismus sein wohlverdientes Ende zu bereiten. Keine Partei kann uns die Notwendigkeit abnehmen, uns selbst zu organisieren und die Regierung des Menschen durch den Menschen zu ersetzen durch eine Assoziation freier Individuen, in welcher der Reichtum der Einen nicht mehr das Elend der Anderen bedeutet. Eine Gesellschaft, in der die unwürdige Teilung der Menschen in Besitzende und Besessene endlich aufgehoben ist und in der es für alle Menschen heißt, unabhängig von Herkunft und Geschlecht: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"
Der erste Schritt in diese Richtung muss darin bestehen, alle bestehenden Illusionen aufzugeben, der Kapitalismus selbst könne dauerhaft die Probleme lösen, die er seit seinem Bestehen unweigerlich erzeugt. Letztlich aber ist „die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf." (Marx) Der Weg, diesen Zustand selbst aufzugeben, führt nur über den Zusammenschluss derer, die von den Verhältnissen betroffen sind --- sei es als Arbeitende, Arbeitslose, als Studierende oder als Ausgegrenzte und Marginalisierte. Insofern sitzen wir tatsächlich alle in einem Boot. Anstatt uns gegeneinander ausspielen und spalten zu lassen in solche, die dazugehören und solche, die nicht dazugehören, müssen wir dem organisierten Klassenkampf von oben den organisierten Klassenkampf von unten entgegensetzen: den erbitterten Kampf gegen untragbare Verhältnisse --- gegen das Regiertwerden, gegen das Privateigentum, gegen die Ausbeutung. Stattdessen: für die Selbstverwaltung, für das gesellschaftliche Eigentum, für die soziale Revolution!
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
Peitschen?
24.02.2005
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
ihr Unternehmen beschäftigt seit Januar 2005 sogenannte „Ein-Euro-Jobber". Wir wenden uns an Sie, weil wir entweder arbeitslos sind oder befürchten, es jederzeit werden zu können, weil wir also - genau wie Sie selbst - von Hartz IV betroffen sind bzw. früher oder später betroffen sein können.
Der „Ein-Euro-Job" ist der moderne Arbeitsdienst der Bundesagentur für Arbeit. Bezieher von Arbeitslosengeld II werden auf einen Arbeitsplatz vermittelt, an dem sie zusätzlich zu ihrer Sozialleistung bis zu 2 EUR in maximal 30 Wochenstunden dazuverdienen können. Wer nicht will, dem wird die Stütze gekürzt oder gestrichen. Wenn Sie demnächst einen Hartz IV-Jobber „zugeteilt" bekommen, wundern Sie sich nicht, wenn dessen Motivation, recht fleißig und kooperativ zu sein, gegen Null geht.
Noch sind die „Ein-Euro-Jobs" als „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" definiert, die laut Gesetz „zusätzlich und gemeinnützig" bzw. „im öffentlichen Interesse" sein müssen, wobei dies bereits jetzt sehr weit ausgelegt wird, wie v. a. die Vorschläge des rot-roten Berliner Senats zeigen. Aber auch die Industrie hat bereits ihr Interesse an dieser modernen Form der Zwangsarbeit signalisiert.
Dies verwundert nicht, denn der „Ein-Euro-Job" kostet Ihrem Unternehmen keinen müden Cent. Im Gegenteil: Er ist ein prima Geschäft. Ihr Unternehmen streicht pro Jobber ca. 300 EUR von der Bundesagentur für Arbeit ein, die für Verwaltungskosten und die „Qualifizierung" des Langzeitarbeitslosen vorgesehen sind. Seine „Aufwandsentschädigung", sprich maximal 2 EUR pro Stunde, erhält der Jobber vom Arbeitsamt.
Tatsächlich wird er bei Ihnen keinen Abschluss machen können, der ihm auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft irgendwas nützt. Sie werden diesen Menschen ganz nebenbei anlernen müssen, was aber völlig umsonst ist, da er den Betrieb nach längstens sechs Monaten wieder verlassen muss und Sie mit einem neuen Jobber von vorn beginnen. Die Maßnahmen dienen lediglich der Disziplinierung von Arbeitslosen, nicht ihrem beruflichen Fortkommen. (Niemand wird Ihnen Ihre eigene Arbeit in dieser Zeit abnehmen.)
Wenn es aber dazu kommen sollte, dass er Ihrem Laden tatsächlich Nutzen bringt - glauben Sie nicht, dass Ihr Chef Ihre Löhne dann bald unangemessen hoch finden wird? Er wird selbstverständlich darüber nachdenken, wie er die Struktur des Unternehmens so anpasst, dass er so viele Jobber wie möglich bekommt und so viele teure Arbeitskräfte wie irgend möglich los wird. „Ein-Euro-Jobber" haben kein reguläres Arbeitsverhältnis, wählen keinen Betriebsrat und haben auch sonst keine Arbeitnehmer-Rechte im Betrieb, dafür müssen sie befürchten, auch noch beim Arbeitsamt angeschwärzt zu werden, wenn sie nicht funktionieren, wie sie sollen.
Das eigentliche Ziel dieser tollen „Arbeitmarkt-Reform" ist, Ihnen, den noch regulär Beschäftigten, zu zeigen wo die Reise hingeht! „Schnauze halten und Arbeiten - egal was, egal wieviel und egal zu welchen Bedingungen!" - Das soll die einzig gültige Parole sein. Für Sie und für die Jobber.
Ein Mittel dagegen ist, sich diesem Druck gemeinsam zu verweigern, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Dienst nach Vorschrift und Sand ins Getriebe sind dazu bewährte Mittel. Sie sind ganz unaufwändig und an jedem Ort möglich. Sie setzen nur eines voraus, um wirklich wirksam zu sein: die Solidarität der Kollegen untereinander. (Das sollte doch zu schaffen sein.)
P.S. Wer sich noch mehr über die aktuellen Angriffe auf unseren Lebensstandard informieren oder sich gemeinsam gegen die ganzen Schweinereien organisieren will, findet Informationen im Internet unter La Banda Vaga und der FAU
Politik der Aneignung
18.12.2004
Dieser Redebeitrag wurde auf der Demonstration gegen Repression am 18. Dezember 2004 in Freiburg gehalten. Die Antifa Freiburg hat die Repressionswelle gegen linke Strukturen dokumentiert.
Das neue Ausmaß polizeilicher Repression in Freiburg ist für die Betroffenen tragisch und muss allein aus diesem Grund mit allen Mitteln zurückgeschlagen werden. Wir wehren uns dagegen, dass jemand bestraft wird, der oder die für eine andere Gesellschaft kämpft. Aber die Einschüchterungsversuche zeigen auch, dass die Proteste der Freiburger Linken im letzten Jahr nicht wirkungslos geblieben sind: gerade am übertriebenen Verfolgungswillen der Polizei zeigt sich, dass es für das Funktionieren des Staats nicht einerlei ist, wenn Häuser und Parteizentralen besetzt werden oder auf Flugblättern zum Schwarzfahren und Umsonstbaden aufgerufen wird. Wir sind stolz darauf, dass der Staat unsere Politik nicht dulden kann, denn seine Reaktion zeigt, dass wir einen wunden Punkt des Systems getroffen haben: die Eigentumsverhältnisse. Dass alles allen gehört und gesellschaftliche Bedürfnisse wichtiger sind als Geld, ist eben nur im Kommunismus möglich.
Wir hier in Freiburg sind nicht die einzigen, die von Repression betroffen sind, und wir sind auch nicht die einzigen, die Aktionsformen praktizieren, die den Herrschenden nicht gefallen. In allen möglichen Städten haben Leute angefangen, nicht mehr nur brav zu demonstrieren, sondern vom Reden zum Handeln überzugehen. Immer öfter wird am kapitalistischen Heiligtum namens Eigentum gerüttelt. In Hamburg, Berlin, Leipzig, Dresden, Köln und Mannheim haben sich Umsonst-Kampagnen gegründet und wird zum öffentlichen Schwarzfahren, Umsonstbaden oder Gratiskino aufgerufen. In Kassel wurden nach dem letzten Buko-Kongress im Mai Geschäfte wie H&M geplündert und die erbeuteten Sachen unter den PassantInnen verteilt. Das Motto des Kongresses lautete \"Aneignung: Das Ende der Bescheidenheit\". Worum ging es da? Zunächst ist Aneignung ein negativer Begriff: Jemand nimmt jemandem etwas weg, das ihm eigentlich nicht gehört. Im Kapitalismus heißt das vor allem: was alle angeht und alle brauchen, gehört nur einigen, die anderen müssen dafür bezahlen. Wer kein Geld hat, hat Pech gehabt. Wer sich keinen Fahrschein leisten kann, um zur Uni oder zum Ein-Euro-Job zu fahren, muss laufen oder wird bestraft. Wer kein Geld hat, kann nicht baden gehen. Das Geldprinzip reicht bis weit in die intime Lebensgestaltung hinein: Kino, Kneipe, Kultur, Essen - so ziemlich alles außerhalb des Umsonstladens in der KTS kostet Geld.
Das ist die eine Form von Aneignung: die Waren, die die Gesellschaft kollektiv produziert, werden von Privateigentümern angeeignet. In diesem Sinne hat man früher mal gesagt, dass Eigentum Diebstahl sei. Aber es gibt noch eine andere Form der Aneignung, auch die heißt leider Diebstahl: dass die Gesellschaft sich von den Privateigentümern zurücknimmt, was diese ihnen weggenommen haben. \"Expropriation der Expropriateure\", heißt das bei Marx: \"Enteignung der Enteigner\". Diese Politik der Aneignung von unten beendet den menschenunwürdigen Zustand, dass Herkunft, Geschlecht, Klassenzugehörigkeit, Einkommen oder Vermögen über die gesellschaftliche Gestaltungsmacht der Einzelnen entscheiden, und stellt stattdessen einen Zustand her, in dem alle gleichberechtigt über die sie betreffenden Belange entscheiden und am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben können. Das heißt konkret: Was allen gehören soll, wird einfach an alle verteilt. Bis das soweit ist, bleibt Aneignung nicht mehr als ein symbolischer Akt, der aufzeigen soll, dass es auch ohne Eigentum gehen kann, und symbolischer Protest gegen eine Welt, in der alles immer mehr Geld kostet, obwohl die meisten immer weniger davon haben.
Worum es aber auch geht, ist nicht nur, dass wir etwas vom Kuchen abhaben wollen. Wir wollen nicht, dass wir auch mal konsumieren dürfen, sondern wir wollen eine Gesellschaft, in der wir alle gleichberechtigt sind und Geld keine Rolle spielt. Deshalb laufen auch die meisten Umsonst-Kampagnen nicht auf persönliche Bereicherung hinaus, sondern auf Weiterverteilung an Passanten. Wir wollen nicht im kapitalistischen Spiel mitspielen, sondern wir wollen die Spielregeln ändern. Aneignung heißt darum immer auch Aneignung von Lebensverhältnissen und politische Umgestaltung der eigenen Existenz im Interesse der eigenen Existenz. Oder, wie es bei Marx heißt: \"der Kommunismus ist die Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.\" Aneignung appelliert nicht an den Staat, besser für uns zu sorgen. Aneignung durchbricht die allgemeine Unterwerfung unter Sachzwänge und Recht und Gesetz, und ermächtigt sich selbst, das heißt alle Menschen dieser Gesellschaft, zur Selbstorganisation jenseits von Staat und Kapital. Aneignung ist deshalb auch ein Gegenentwurf zu den staatskonformen Hartz-IV-Protesten und Montagsdemonstrationen. Aneignung heißt, nicht auf parlamentarische Heilsversprechen und neue angebliche Linksparteien zu vertrauen, nicht abzuwarten und um Gnade zu betteln, sondern sich hier und jetzt die Rechte zu nehmen, die allen Menschen zustehen. Und Aneignung geht an die Wurzel des Übels, weil sie nicht irgendein oberflächliches Symptom der falschen Gesellschaft kurieren will, sondern die Ursache des Übels selbst angreift: Die Herrschaft des Privateigentums. Aber das alles ist gerade erst im Entstehen. Vielleicht ist es auch nur eine Modeerscheinung, die bald wieder unmodisch wird. Das wäre ganz im Interesse des Systems, das mit linken Modeerscheinungen bekanntlich ganz gut leben kann, vor allem wenn sie vorbei sind. Aber vielleicht ist das ganze auch mehr als ein Modeerscheinung, nämlich der Anfang einer neuen Art von Politik, die nicht mehr nur redet, analysiert und ihre Meinung kundtut, sondern die Analyse endlich auch in die Tat umsetzt.
Dem Staat jedenfalls ist schon der kleinste Versuch selbstorganisierter linksradikaler Politik ein Versuch zu viel. Den kleinsten Ungehorsam gegen die Fundamente der kapitalistischen Ordnung muss er mit Repression beantworten, damit das Übel der Anarchie nicht um sich greift. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden diesen Weg weitergehen. Wir werden ihn so lange weitergehen, bis endlich alles allen gehört.
ALLES FÜR ALLE!
Gegen Revanchismus, Volk und Heimat!
18.09.2004
Dieser Redebeitrag wurde auf der Kundgebung gegen den „Tag der Heimat" in Karlsruhe gehalten.
Nachdem der Anthroposoph und Bundesinnenminister Otto Schily im Mai 2002 auf dem „Sudetendeutschen Tag" in Nürnberg von Tschechien die Aufhebung der Benes-Dekrete gefordert hatte, redete er den Berufsvertriebenen ins Gewissen auf die Rückgabe ihres ehemaligen Eigentums zu verzichten und die Aufnahme Tschechiens in die EU zu unterstützen. Denn schließlich ging die Aggression gegen die Tschechoslowakei von Deutschland aus und Tschecheninnen und Tschechen gehörten zu den ersten Opfern von Vertreibungen. Die Erwähnung dieser eigentlich banalen historischen Tatsache löste allerdings bei den Anwesenden wahre Proteststürme aus. Was den Bundesinnenminister eigentlich nicht hätte verwundert müssen, denn in dieser Reaktion zeigte sich nur einmal mehr das geschichtsrevisionistische Weltbild der so genannten Vertriebenen. Es stellt sich nun also eher die Frage warum ein sozialdemokratischer Innenminister auf einer solchen Veranstaltung spricht und diese damit aufwertet.
Haben die sog. Vertriebenen immer noch eine solche Bedeutung, dass die Spitzen der Politik auf solchen Treffen auftreten müssen? Schließlich sprach auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler übrigens, im Jahr 2000 beim „Tag der Heimat" des „Bundes der Vertriebenen". Oder bedeutet die Teilnahme des politischen Führungspersonals an diesen Veranstaltungen einen aktuellen Paradigmenwechsel in der Sicht auf die deutsche Vergangenheit? Der Einfluss der Vertriebenenverbänden in der deutschen Nachkriegspolitik ist enorm: Die parlamentarische Vertretung der sog. Vertriebenen, der „Gesamtdeutsche Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten" war von 1953 bis 1955 mit zwei Ministern in der Regierung Adenauer vertreten, außerdem in unzähligen Landesregierungen. Nach der Auflösung der Partei engagierten sich viele Vertriebenenfunktionäre in CDU/CSU, SPD oder FDP oder beteiligten sich direkt bei der Gründung der NPD. Von 1949 bis 1969 gab es sogar ein eigenes Vertriebenenministerium, das natürlich entsprechend besetzt war. Unter anderem mit Theodor Oberländer dem ehemaligen Parteivorsitzenden des „Gesamtdeutsche Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten", der dann später zur CDU überwechselte. Und mit dem Präsidenten des Verbandes der Landsmannschaften Hans Krüger. Beide mussten nach Diskussionen über ihre Verbrechen im Nationalsozialismus zurücktreten. Denn Oberländer war als SA-Hauptsturmführer verantwortlich für ein Massaker in der Ukraine und Krüger als NSDAP Ortsgruppenleiter in Chojinice und Richter an Sondergerichten verantwortlich für die Hinrichtung von Regimegegnern und anderen.
Aber im Laufe der Siebziger und Achtziger Jahre nahm der Einfluss der organisierten Vertriebenenverbänden doch deutlich ab. Erst der Anschluss der DDR und der Sturz des staatskapitalistischen Systems in Osteuropa eröffneten ihnen wieder neue Betätigungsmöglichkeiten. Schließlich war Deutschland jetzt von den Fesseln der Vergangenheit befreit und konnte nun wieder aggressiv seine Interessen vertreten. Dies geschieht vor allem im traditionellen deutschen Hinterhof, in Osteuropa, wo die deutsche Wirtschaft sehr schnell große Teile der Ökonomie unter ihre Kontrolle bekam. Die schwerwiegendsten Folgen hatte das deutsche Engagement auf dem Balkan, wo die traditionelle deutsche Politik der Aufsplittung von Staaten nach völkischen Kriterien mit zu den dortigen Kriegen beigetragen hat.
Auf dem Balkan zeigte sich auch die Umdeutung der deutschen Geschichte zu aktuellen machtpolitischen Interessen. Denn weil die Deutschen, im Gegensatz zu den Serben, aus der Vergangenheit gelernt hätten, wird Auschwitz zum Standortvorteil zum Führen von Angriffskriegen. Dies haben auch die organisierten Vertriebenenverbände verstanden und planen deshalb in Berlin den Bau eines „Zentrums gegen Vertreibungen", in dem neben den sog. Kosovoalbanern in erster Linie den sog. Deutschen Vertriebenen gedacht werden soll. Dieses Vorhaben reiht sich ein in eine lange Reihe von Diskussionen in den letzten Jahren, in denen die Deutschen als die wahren Opfer des 2. Weltkrieges entdeckt wurden. Günther Grass Novelle „Im Krebsgang" über den Untergang der Wilhelm Gustloff und Jörg Friedrichs Bestseller „Der Brand" über die Bombenangriffe der Alliierten auf deutsche Städte sind nur die Eisbergspitze des neuen deutschen Opferbewusstseins, das doch nichts anderes ist als die: „[...] schamlose Umwidmung der deutschen Tätergesellschaft in ein nationales Kollektiv von Opfern der Alliierten [...]", wie es Erich Später formuliert hat.
Jede sich als antifaschistisch verstehende Kritik muss sich dem entgegensetzen um die Möglichkeiten einer Gesellschaft jenseits von Volk und anderen repressiven Zwangskollektiven zu erhalten. Deshalb:
Gegen Revanchismus, Volk und Heimat!\ Die Vertriebenenverbände pulverisieren!\ Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!\ Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
Ich warte jeden Montag Morgen schon auf Freitag Nacht\...
01.08.2004
Eine Kritik an den aktuellen Protesten gegen Sozialabbau
\"Wir erwarten - ebenso wie die Gewerkschaft der Polizei -, dass es zu Handgreiflichkeiten und Gewalt vor und in den Arbeitsagenturen kommt,\" meinte kürzlich Paul Saatkamp, Bundesausschussmitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO), in einem Interview mit der Osnabrücker Zeitung (30.07.04) auf die Frage nach möglichen Reaktionen der Betroffenen auf die Hartz-IV-Gesetze. Gewalt und Aggression? Die gibt es schon längst, und Übergriffe in den Arbeitsämtern haben sich in den letzten Jahren drastisch gehäuft. Die neuen \"Kundencenter\" reagieren darauf schon jetzt mit verstärkten Sicherheitsvorkehrungen: Trenngläser sollen die Angestellten vor Wutausbrüchen schützen, und Sicherheitsdienste sorgen, wie etwa in Chemnitz und Halle, für Ruhe und Ordnung im Behördendschungel. Ob aus den Wutausbrüchen, die AWO und Polizeigewerkschaft gleichermaßen zu befürchten scheinen, eine Massenbewegung werden könnte, bleibt freilich abzuwarten.
[]{.inline .inline-right}Auch die in den Medien derzeit vielbeachteten \"Montagsdemonstrationen\" könnten sehr schnell in harmlose Bahnen gelenkt werden, indem sie von den üblichen AnhängerInnen des sozialen Reformismus vereinnahmt werden: allen voran vom regierungsfreundlichen DGB, aber auch der staatsfixierten Organisation ATTAC und der systemkonformen PDS, die, wo immer sie selbst an Regierungen beteiligt ist, Kürzungen und Sozialabbau mitträgt. Die allwöchentlichen Proteste, deren TeilnehmerInnen sich aus der Masse der direkt oder potentiell von Hartz-IV und anderen Maßnahmen der Agenda 2010 Betroffenen rekrutieren, werden vermutlich nicht davon verschont bleiben, bald in den Genuss des typischen DGB-Demokultur-Standardprogramms - Bratwurstbuden, Fassbier, DGB-Fähnchen und Kappen - zu kommen, sodass die Unmutsbekundungen und Forderungen nach Kurskorrekturen letztendlich wahrscheinlich in - höchstens - minimale Gesetzesänderungen münden werden.
Dass sich die DGB-Gewerkschaften und andere pragmatisch-sozialreformerische Kräfte an den Protest anhängen können, ja sich an ihn heranwanzen und die aufrührerische Stimmung dadurch kanalisieren und abschwächen werden, ist besonders aufgrund des mangelnden emanzipatorischen Gehalts der Protestbewegung zu erwarten. Noch immer glauben viele an das unerfüllbare Glücksversprechen der bürgerlichen Ökonomie, die innerkapitalistische Möglichkeit eines \"Wohlstands für alle\" - ohne das System zu hinterfragen, das sie dazu zwingt, tagtäglich ihre Arbeitskraft zu Markte zu tragen, und ohne den Faktor Arbeit an sich und seine Rolle im Kapitalismus infrage zu stellen. Arbeit ist hier nicht nur ein Mittel der Ausbeutung, sondern auch ein Instrument zur Disziplinierung und Ruhigstellung der ausgebeuteten und entfremdeten Individuen. Treffend drückte es Friedrich Nietzsche aus, als er feststellte, \"dass eine solche Arbeit die beste Polizei ist, dass sie jeden im Zaume hält und die Entwicklung der Vernunft, der Begehrlichkeit, des Unabhängigkeitsgelüstes kräftig zu hindern versteht.\" Arbeit bedeutet im Kapitalismus nicht zuletzt die Entfremdung des bzw. der Arbeitenden von sich selbst. \"Sie verbraucht außerordentlich viel Nervenkraft und entzieht dieselbe dem Nachdenken, Grübeln, Träumen, Sorgen, Lieben, Hassen.\"
Hartz-IV ist ein Gesetzespaket, das durch finanziellen Druck und gesellschaftliche Ächtung des Arbeitslosenstatus die tatsächlich bzw. potentiell Betroffenen dazu nötigen soll, sich mit Hungerlöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen abzufinden - und zugleich die Noch-ArbeitsplatzbesitzerInnen zur Dankbarkeit für ihre (Dumpinglohn-) Jobs und ständiger Hochmotivation im Arbeitsalltag erziehen. Es ist ein Krisenbewältigungsversuch des politisch-wirtschaftlichen Systems, um das Lohniveau zu drücken, die gesellschaftlichen Verhältnisse aufrechtzuerhalten und Widerstand klein zu halten.
Die Protestbewegung spielt mit ihren Forderungen dem Funktionieren des Systems in die Hände, anstatt wirkliche Kritik zu üben, wodurch nie ein Ausbrechen aus der Spirale des Kapitalismus möglich werden wird. Dieser wird, wenn überhaupt, nur so weit kritisiert, dass einzelne PolitikerInnen, Staaten oder (global agierende) Konzerne an den Pranger gestellt werden und deren Immoralität beklagt wird, anstatt dass die Menschen ihre eigene systemstabilisierende Rolle in der Warengesellschaft als KonsumentInnen und willige Arbeitskräfte hinterfragen und aufzuheben versuchen. Eine simplifizierende Argumentation im Sinne von \"böse KapitalistInnen und Regierung oben - armes, wehrloses Volk unten\" verschleiert, dass Arbeit und Kapital zwei Seiten derselben Medaille sind.
Neben einer Überwindung dieser verkürzten Kritik des Kapitalismus wären revolutionäre Formen politischer Selbstbestimmung zu praktizieren: so z.B. politische Generalstreiks auf unbestimmte Zeit, massenhafte Besetzung von Fabriken und Betrieben und ihre Überführung in ArbeiterInnenselbstverwaltung, Hausbesetzungen und konkrete Wiederaneignung von Gütern durch Kaufhausklau (der Sieg des Gebrauchswertes über den Tauschwert!).
\"Wenn wir schreiten Seit' an Seit' und die alten Lieder singen...\"
Ein weiteres Manko der \"Montagsdemos\" ist der historische Hintergrund, auf den sie sich stützen: die Zeit um 1989, die so genannte \"Wende\", als der Nationalismus der Deutschen, das Großmachtsstreben der BRD sowie das völkische Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in Ost und West keine Schranken mehr kannte, was sich nicht nur in dem immer wieder skandierten Slogan \"Wir sind ein Volk\" manifestierte. Was damals schon ein Zeichen dafür war, dass die Deutschen ihre braune Vergangenheit und das Gedenken an ihre nazistischen Verbrechen gleichermaßen in diesem Freudentaumel vergessen machen wollten und weder links noch rechts, sondern nur noch Deutsche und Deutschsein kannten, äußert sich heute darin, dass viele der montäglichen DemonstrantInnen sich erschreckenderweise kaum daran stören, wenn Neonazis ungestört mit ihnen mitmarschieren, die gleichen Schlachtrufe krakeelen und ihre unmenschliche Propaganda verbreiten. (jungle world vom 11.8.04)
Das verwundert kaum in einer Zeit, in der \"sozialer Patriotismus\" (Sigmar Gabriel, SPD) Hochkonjunktur hat; in der Arbeitgebervertreter, die stolz erklären, dass sie ausschließlich in Deutschland produzieren, in Polit-Talkshows frenetischen Applaus dafür ernten, wenn sie ihre Konkurrenten, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, als \"unpatriotisch\" geißeln; in einer Zeit, in der sich Beschäftigte bei Verhandlungen über Lohn und Arbeitsbedingungen regelmäßig über den Tisch ziehen lassen, nur damit der \"Wirtschaftsstandort Deutschland\" für Investoren attraktiv bleibt; in einer Zeit, in der sogar die Belegschaften von arbeitsplatzverlagernden Global-Unternehmen wie Siemens oder Otis mit dem schwarz-rot-goldenen Banner in die Betriebsversammlungen einmarschieren, um ihre sozial-vaterländische Gesinnung zur Schau zu stellen.
Diese Identifizierung der Individuen über ein irrationales ideologisches Konstrukt namens \"Volk\" führt zur scheinbaren Aufhebung aller Klassenwidersprüche: die Einzelnen stellen ihre persönlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte hinter das herbeihalluzinierte \"Gemeinwohl\" einer nicht existierenden Interessengemeinschaft zurück, in der plötzlich deutsche Beschäftigte mit deutschen ArbeitgeberInnen in einem gemeinsamen Boot sitzen, in welchem nur die polnischen und türkischen ArbeitnehmerInnen nichts zu suchen haben. Aber erst, wenn alle Zwangskollektive aufgelöst sind, und die Menschen sich nicht als \"Volk\", sondern als Assoziation von freien Individuen begreifen, kann das bestehende Elend überwunden werden, und der Weg frei werden für eine klassen- und staatenlose Weltgesellschaft ohne Ausbeutung, Entfremdung, Diskriminierung und HERRschaft.
Für den rätekommunistischen Anarchismus!
30 Semester Minimum - Für Deutschland keinen Finger krumm!
01.06.2004
Und mal wieder protestieren die Studis...
Und das ist ja auch erstmal gut, denn Proteste, Demos und Streiks bieten die Möglichkeit, die scheinbar widerspruchslose Oberfläche der Gesellschaft aufzubrechen und den ewig gleichen stupiden Alltag zu stören. Aber es fragt sich doch, warum die regelmäßig wiederkehrenden Proteste der Studierenden so wirkungslos bleiben und sie von PolitikerInnen aller Parteien sogar dann noch begrüßt werden, wenn diese im gleichen Atemzug die Einführung von Studiengebühren, Eliteuniversitäten und Ähnlichem fordern.
Das liegt zum einen sicher an den nur auf Medienwirksamkeit ausgelegten, harmlosen Formen der Proteste. Denn wenn zum hundertsten Mal die Bildung zu Grabe getragen wird, die Bildung baden geht oder Vorlesungen in der Öffentlichkeit abgehalten werden, stört das die EntscheidungsträgerInnen furchtbar wenig.
Zum anderen aber liegt es vor allem an den Inhalten, die vertreten werden und die sich von denen der oben erwähnten PolitikerInnen kaum unterscheiden. Natürlich ist es richtig gegen die Einführung von Studiengebühren oder überfüllte Seminarräume und Hörsäle zu protestieren. Aber wenn der Protest dabei stehen bleibt, die individuellen Studienbedingungen verbessern zu wollen, ohne dabei die gesellschaftliche Funktion der Universität zu kritisieren, bleibt er elitär.
Denn die Zeiten als die Universität einen gewissen Freiraum bot, die die Zeit in der jede/r gezwungen wird seine Arbeitskraft zu veräußern noch etwas raus schiebt und in der mensch sich ungezwungen mit Themen beschäftigen konnte, die einen interessierten und die auch keinen positiven Nutzen für diese Gesellschaft erbringen mussten, sind lange vorbei (wenn es sie denn überhaupt jemals gegeben hat). Inzwischen sind die Unis längst ordinäre Ausbildungsorte wie die Autowerkstatt oder der Friseursalon, allerdings mit dem Unterschied, dass an der Uni keine Ausbildungsvergütung bezahlt wird, die Studis sich aber trotzdem als privilegiert ansehen, da sie hoffen, in der Zukunft bessere Berufe zu erreichen als Kfz-MechanikerIn oder Friseuse/Friseur.
Das anachronistische humboldtsche Gehabe der Studierenden und v. a. der DozentInnen ist dagegen seit Jahrzehnten reine Ideologie. Bereits 1966 schrieb die Situationistische Internationale darüber:\ „Die Fakultäten und Schulen, die noch mit vorzeitlichem Prestige dekoriert sind, sind von Akademien zur ‚Allgemeinbildung' zum Nutzen der herrschenden Klasse zu Produktionsstätten zur hastigen Aufzucht von Führungskräften unteren und mittleren Ranges geworden."
Während dies aber Mitte und Ende der Sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von den protestierenden StudentInnen noch kritisiert wurde, beschränkt sich heute die Kritik darauf, doch bitte schön solche Studienbedingungen zu schaffen, dass mensch sein Studium in schnellst möglicher Zeit beenden kann, um dann seine Arbeitskraft scheinbar privilegiert zu Markte tragen zu können.
Zugespitzt und endgültig unerträglich wird diese Position dann, wenn erklärt wird, dass \"unser Land\" keine anderen Rohstoffe hätte als sein Humankapital und deshalb die verstärkte Förderung der Bildung auch im Interesse der angerufenen PolitikerInnen sei. Dann wird, ganz abgesehen davon dass sich dadurch die Protestierenden selbst verdinglichen, der scheinbar kritische Protest endgültig zum Standortnationalismus. Dieser Affirmation der bestehenden widersinnigen Verhältnisse setzten wir die Forderung nach Abschaffung entgegen. Abschaffung der Verhältnisse, in der Menschen gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen und sich nur in Warenkategorien begegnen können. Konkret bedeutet dies die Abschaffung der Universität, der Arbeit, des Kapitals, des Staates...
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!\ Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
ps.\ Im Mai 2005 machten wir eine Diskussionsveranstaltung zur gesellschaftliche Rolle der Studierenden im Kapitalismus und zur Analyse der Form der vergangenen Studiproteste. Den Vortragstext haben wir zusammen mit einem Vorwort, einem Flugblatt von GewerbeschülerInnen zum Studistreik 1997 und diesem Flugblatt als Broschüre herausgegeben und kann hier gelesen bzw. heruntergeladen werden.
Vorwort zu Erich Mühsam - Alle Macht den Räten
01.02.2004
\"Alle Macht den Räten\" - diese Parole steht nicht nur für die russische Oktoberrevolution, sondern auch exemplarisch für jenen antiautoritären Flügel der ArbeiterInnenbewegung, der sich eine befreite Gesellschaft (und auch den Weg dorthin) niemals als Diktatur einer Partei vorstellen wollte, sondern als \"Assoziation der Freien und Gleichen\", frei von jeglichen Hierarchien. Ob AnarchistInnen oder RätekommunistInnen, die befreite Gesellschaft war immer mit der Idee einer Organisation derselben von unten nach oben verbunden. Entscheidungen sollen gleichberechtigt und nur von jenen getroffen werden, die wirklich betroffen sind. Die Räte, eigentlich nichts anderes als Plena und DelegiertInnentreffen, sind Strukturen, welche die Organisation des Kommunismus als \"staaten- und klassenlose Weltgesellschaft\" ermöglichen.
Etwas altmodisch aus heutiger Sicht erscheint, dass Mühsam die Räte als \"Repräsentation der Arbeit\" sieht und folglich die \"Organisation [der Gesellschaft] von den Arbeitsstätten und Arbeitsbeziehungen aus\" will, statt der Organisation (auch der Produktion) aus dem unmittelbaren Lebenszusammenhang heraus. Dass in den Räten (nur) die \"gesamte [...] arbeitende Bevölkerung [...] zusammengeschlossen\" sei, steht auch in einem gewissen Gegensatz zur Parole \"Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.\" Immerhin weist Mühsam darauf hin, wie schwer es sein wird, die auf kapitalistische Verwertung ausgerichtete Produktion auf die Bedürnisbefriedigung umzustellen: wozu sicherlich gehören muss, diese für die einzelnen Produzenten so angenehm wie möglich zu gestalten. Arbeit, als \"die Plackerei, wie die Vergangenheit sie einzig kennt\" (Horkheimer) wird es so dann hoffentlich nicht mehrgeben.
Um die Umgestaltung der Produktion in einer Revolution zu ermöglichen, schlägt Mühsam vor, statistische Erhebungen über die gegenseitige Versorgung oder Rohstoffbeschaffung zu erstellen. Sicherlich kann es zu bedeutenden Problemen kommen, beispielsweise die Nahrungsmittelversorgung während der Revolution oder der Austausch zwischen Menschen in der \"3. Welt\" und Menschen hier. Auch hätten derartige Pläne möglicherweise eine gewisse Mobilisierungskraft bei jenen, die \"das Funktionieren\" einer freien Gesellschaft bezweifeln. Andererseits ist es aber unmöglich, die Bedürfnisse der Menschen einfach autoritär festzulegen, und konkrete Vorhersagen über eine befreite Gesellschaft sind durchaus fragwürdig, schließlich können \"alle derartigen Versuche [...] immer nur auf die Richtung hinweisen, in der Freiheit und Sozialismus liegt.\"
In Russland mussten die Bolschewiken während der Oktoberrevolution die Parole \"Alle Macht den Räten\" aufgreifen, sie haben sie aber schnell durch ihr despotisches \"Alle Macht der Partei\" ersetzt. Der Aufstand der Petrograder ArbeiterInnen und der Matrosen in Kronstadt 1921 war der letzte große Versuch, die Revolution zu retten, doch er wurde von Trotzkis Truppen blutig niedergeschlagen. Heute jedoch, lange nach dem Zusammenbruch dieses staatskapitalistischen Ostens und dem daraufhin ausgerufenen \"Ende der Geschichte\", hat die Idee der Räte nicht an Aktualität verloren, denn die kapitalistische Welt ist keineswegs annehmbarer geworden.
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
La Banda Vaga, Frühling 2004
Siehe auch: Alle Macht den Räten von Erich Mühsam.
Offener Brief an die VeranstalterInnen des Ska-P Konzerts
10.12.2003
Wir dokumentieren hier einen offenen Brief an die VeranstalterInnen des Ska-P Konzerts am 13.12.2003 im E-Werk in Freiburg, der neben La Banda Vaga auch von der Antifa Freiburg, KTS, Initiative Sozialistisches Forum (ISF), einigen Redaktionsmitglieder der Stattzeitung für Südbaden und Virginia Edwards-Menz unterzeichnet wurde.
Sehr geehrte VeranstalterInnen,
laut eures Programms soll am 13.12. ein Konzert mit der spanischen Band Ska-P stattfinden. Ein Mitglied unserer Gruppe, das spanisch spricht, wies uns im Plenum auf den Text \"Intifada\" aus dem Jahr 2000 hin, der eindeutig antisemitische Denkmuster enthält. Wir möchten dem E-Werk nicht Antisemitismus unterstellen und gehen davon aus, dass ihr euch, als ihr die Gruppe eingeladen habt, über den Inhalt dieses Textes nicht klar wart. Im Anhang haben wir eine eigens vorgenommene deutsche Übersetzung beigefügt. Ein weiteres Mitglied erzählte uns von einem Festival im Frühsommer diesen Jahres in Straßburg, bei dem der Sänger der Band durch die von ihm initiierten Intifada-Sprechchöre und antiisraelische Reden unangenehm aufgefallen ist.
Besonders klar ersichtlich an diesem Text ist die Täter-Opfer-Verkehrung und der Umgang mit dem Holocaust. Gemeinsam mit der Band soll der Hörer \"aus der Geschichte lernen\". Die Opfer, also die getöteten Juden, seien zu Henkern geworden, zu \"Imperialisten\" und \"Faschisten\", denn \"alles hat sich verkehrt\", die Juden sind \"wiedereinmal ohne jede Vernunft\". Warum sind sie wiedereinmal ohne Vernunft? Weil sie in \"palästinensischen Gebieten\" siedeln? Weil sie aus Europa geflüchtet sind? Oder sind Juden generell \"ohne Vernunft\"? Die Staatsgründung Israels 1948 war eine Reaktion auf die Shoah.
Im Weiteren heißt es, dass \"aus David Goliath\" geworden sei. David waren also vor der Verkehrung die Juden, Goliath die Nazis. Wenn David zu Goliath wird, werden im logischen Umkehrschluss Juden zu Nazis. Mit der Schlussfeststellung \"Palästina leidet unter dem schlimmsten aller Kriege\", kann das nur bedeuten, dass der Holocaust relativiert wird, was in Israel/Palästina passiert, sei \"am schlimmsten\". So sind die Juden nicht zu Nazis geworden, sie sind noch schlimmer. Dem Holocaust wird hier also nur eine Alibifunktion zugeschrieben. Generell dient den Antisemiten, wie jüngst Hohmann von der CDU in seiner Rede bewies, die Verkehrung von Juden als Opfern zu Juden als Tätern als Legitimation ihrer Hetzreden.
Der Sänger behauptet, er \"verurteile lediglich Leid, Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch\", kann diesen jedoch nur auf israelischer Seite feststellen. Das Leid und das Unrecht, welches den Opfern von Selbstmordattentätern widerfährt, lässt er vollkommen außer Acht - die Attentate finden sicher nicht mit \"Steinen\" statt. Die \"Intifada\" sieht er als \"Befreiung\" - von wem sich da befreit werden soll, wird im Text klar, vom \"Juden\", und so ist der Vernichtungswille klar artikuliert.
Sonderbar ist auch, dass sich der Songschreiber als Atheist beschreibt und gleichzeitig eine islamistisch dominierte Intifada unterstützt. Diese wird außerdem nicht nur von den Palästinensern getragen, sondern auch von den meisten umliegenden arabischen Ländern. Daher geht es nicht nur um Israel und Palästina, sondern um den Nahostkonflikt.
Summiert man die Adjektive, welche der Autor für Israel verwendet, ergibt sich klar das gängige antisemitische Stereotyp: der raffgierige, reiche, mächtige, global agierende Finanzjude (siehe: imperialistisch, reich, mächtig, arrogant).
Aufgrund eines solchen Textes werdet ihr sicher verstehen, dass wir von euch die sofortige Absage dieses Konzerts, sowie eine Stellungnahme fordern. Eine Abschrift dieses Briefes werden wir an die \"Badische Zeitung\" schicken.
La Banda Vaga, Antifa Freiburg, KTS, Initiative Sozialistisches Forum (ISF), einige Redaktionsmitglieder der Stattzeitung für Südbaden und Virginia Edwards-Menz
Dokumentation: Intifada von Ska-P\ \ Sechs Millionen Juden wurden grausam vernichtet,\ ein imperialistischer Massenmord, von faschistischen Armeen ausgeführt.\ Wir müssen aus der Geschichte lernen.\ Die Opfer sind zu Henkern geworden, alles hat sich verkehrt.\ Sie siedeln in palästinensischen Gebieten, wiedereinmal ohne jede Vernunft.\ \ \ Tote, Tote, in wessen Namen?\ Tote, Tote, in Jahwes Israel\ Tote, Tote, in wessen Namen?\ Tote, Tote, in Jahwes Israel\ \ \ Was würdest du tun, wenn sie dich aus deinem Haus vertrieben,\ ohne das Recht sich zu beschweren,\ auf deiner Kultur herumtrampelten, dich im Wahnsinn zurückließen, ohne jede Würde?\ Palästina leidet unter dem Reichtum Israels im Exil,\ einer arroganten und mächtigen Regierung,\ die sich auf den Krieg gegen du-weißt-schon-wen vorbereitet.\ \ \ Steine gegen Gewehre, eine neue Intifada in Transjordanien, Gaza oder Jerusalem\ \ \ Wer hätte gedacht,\ dass aus David Goliath werden könnte?\ \ \ Intifada, Befreiung!\ Versteht mich nicht falsch, ich bin Atheist, glaube an gar keinen Gott.\ Ich bewerte Menschen nicht nach Rasse, Kultur oder ihrer Scheißreligion.\ Ich verurteile lediglich Leid, Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch.\ Palästina leidet unter dem schlimmsten aller Kriege, dem Reichtum Israels.
Uns ist leider ein Übersetzungsfehler unterlaufen, \"de mas terca des las guerras\" heißt nicht \"der schlimmste aller Kriege\", sondern der \"der stureste Krieg\". Der antisemitische Gehalt des Liedes bleibt allerdings gleich.
Badische Zeitung berichtete:\ Uncle Sam mit der Sense - Ska-P spielten im E-Werk
Ganz die Freiburger Linie, könnte man meinen: Da gibt eine schwer anarchistische Band ein Konzert und hat einen Song namens \"Intifada\" im Programm, der sich gegen die israelische Besatzungspolitik richtet. Der Text enthält bei aller Plakativität zur Klarstellung gleich eine Zeile, in der man sich rechtfertigt, Menschen nicht nach ihrer Religion zu beurteilen und mit Antisemitismus nichts am Hut zu haben. Und dann trifft im Vorfeld natürlich dennoch prompt ein \"Offener Brief\" linker Gruppierungen von Antifa bis KTS mit ebendiesem Vorwurf ein und fordert eine sofortige Absage des Konzertes. Darauf sind die Veranstalter des E-Werks zum Glück aus zwei Gründen nicht eingegangen: Zum einen wäre den 1000 Besuchern der ausverkauften Veranstaltung ein erstklassiger, energiegeladener Abend entgangen. Und zum anderen wäre dies nur ein weiterer trauriger Tiefpunkt einer hier zu Lande völlig verfahrenen, nur noch reflexhaft geführten Debatte gewesen. Wer selbst eine Band wie Ska-P, die Gewalt ablehnt, sofort mit Antisemitismus-Bann belegt, verharmlost dadurch letztlich die wirklich bedenklichen Fälle.
Doch zurück zur Musik: Ohne (bislang) große Medienpräsenz, aber mit schweißtreibenden Konzerten und erstklassigen Platten hat sich die Band aus Vallecas, einem durch seinen Widerstand während Francos Diktatur bekannt gewordenen Arbeiterviertel in Madrid, eine Fangemeinde erspielt, die sehr treu ist - und auffallend jung. Eigentlich nahe liegend, denn in dieser Altersgruppe hat man meist eine besondere Affinität zu kompromisslosen Parolen gegen Krieg, Todesstrafe, Fleischkonsum, Kapitalismus - und zudem die nötige Kondition, ein komplettes Ska-P-Konzert durchzustehen.
Denn im voll gepackten E-Werk wurde mit solcher Leidenschaft Pogo getanzt, auf den Händen der Konzertbesucher durch die Menge gesurft und die Faust in den Himmel gereckt, dass die Luft teils zu dick zum Atmen war. Weiter aufgeheizt wurde die Stimmung durch die zahlreichen Verkleidungen von Background-Sänger Pipi, der schon mal als mit Sense bewaffneter Uncle Sam auf Stelzen über die Bühne stolzierte. Subtilität, man merkt es langsam, ist zumindest in den Aussagen die Sache der Band nicht. Musikalisch sieht es da schon anders aus: Während für die nicht ganz so knochenharten Ska-Fans die meisten Genrevertreter auf Dauer arg gleichförmig klingen, mischen Ska-P die charakteristischen Bläsersätze mit Rock, Folk, Punk - und unglaublich guten Melodien. Da mag man ansonsten auch etwas differenziertere Standpunkte bevorzugen, für zwei Stunden wird man dennoch gerne zum kompromisslosen Anarchisten - wenn damit schon ein so hoher Spaßfaktor verbunden ist.
Stefan Rother\ Quelle: Badische Zeitung vom Mittwoch, 17. Dezember 2003
Kein Rederecht für Antisemiten! Verhindern wir den Vortrag von Jamal Karsli bei der Burschenschaft Saxo-Silesia!
01.11.2003
Die Burschen machen mal wieder Programm - organisiert wie eh und je. Da gibt's freitags Fisch, den Rest der Woche pauken und saufen, Planspiele und Referate als Propaganda nach innen und außen. Freiheit gewähren sie im Sinne von Freibier und Junger Freiheit. Frauen sind für sie nur eine Fußnote, doch ist immer ein Zimmer frei. Dafür müssen sie kein Haus besetzen, die Seilschaft lebt und gedeiht, in Neusprech heißt das „umgekehrter Generationenvertrag".\ Sie sind der militante Arm der Justiz, Politik und Industrie. Nur mühsam kaschieren sie ihre Forderung nach einer deutschen Vormachtsstellung in Europa und üben bis dahin täglich den bewaffneten Kampf:\ „Unabhängig von den staatlichen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland tritt der Schwarze Verband für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes in einem einigen Europa der Gemeinschaft freier Völker ein. Die Burschenschaften des Schwarzen Verbandes bekennen sich zum Prinzip der Bestimmungsmensur und fordern von ihren Mitgliedern die Pflichtmensur ein."\ Quelle: http:/www.buschenschaft-saxo-silesia.de/html/schwarzer_verband.htm
Am Donnerstag haben die Burschen den Antisemiten Jamal Karsli eingeladen. Jenen fraktionslosen Landtagsabgeordneten aus NRW, der bei den Grünen rausflog, weil er sich mit Saddam Hussein solidarisierte, der Israel \"Nazimethoden\" vorwarf und von der zionistischen Weltverschwörung faselte.\ Quelle: http://www.antifaschistische-nachrichten.de/2002/11/karsli.php
Nach dem tiefen Fall seines Beschützers Möllemann bei der FDP hat Karsli, jetzt als fraktionsloser Märtyrer seine eigene Partei gegründet:\ „Die Partei soll sozialliberal, interkulturell, multireligiös, freidenkend und vor allem deutsch sein. Jeder soll seine Meinung sagen können, ohne angegriffen zu werden."\ Quelle: http://www.wdr.de/themen/politik/nrw/karsli/eigene_partei.jhtml\ Das ist traditioneller deutscher Zynismus wie er den Burschen gefällt. Möllemann meidet seit seinem letzten Besuch Freiburg, sorgen wir dafür, dass Karsli das in Zukunft auch tut!
Auf_zur Saxo-Silesia! (Kapellenweg 4,79100 Freiburg)\ Treffpunkt in der KTS (www.kts-freiburg.org)\ am Donnerstag, den 6.11.2003 um 19:00Uhr
Total Klasse
02.07.2003
Dieser Beitrag erschien in der Disko \"Was tun?\" der Jungle World (Nr. 28, 2. Juli 2003).
Der Vorteil der \"neuen Linken\" war und ist sicherlich die Inschutznahme des Individuums und des Genusses vor dem Getöse jeglicher Zwangskollektive. Aus der Tradition der Arbeiterbewegung bietet sich der Begriff der \"Klasse\" als emanzipatorisches Kollektiv an. Nur ist der Bezug auf dererlei Kategorien mittlerweile , wenn auch nicht falsch, zumindest aber strategisch ungeschickt. Zu groß wäre die Gefahr, in alte und überwundene Raster zurückzufallen.
Stattdessen könnte man das Individuum bzw. seine Konfrontation mit dem totalitären Alltag zum Initiationspunkt des Kampfes machen. Max Horkheimer schrieb 1940 in \"Autoritärer Staat\": \"Mit der Erfahrung, dass ihr politischer Wille durch die Veränderung der Gesellschaft wirklich ihr eigenes Dasein verändert, wird die Apathie der Massen verschwunden sein.\"
Konkret hieße das, dass jeder sein direktes Umfeld nach Zwängen durchsucht, die ja meist schon verinnerlicht sind, und gegen diese aufbegehrt, anstatt dann und wann gönnerhaft mit der IG Metall mitzulatschen. Der Umsturz der Verhältnisse ist mehr als eine Soliaktion.
Würde jeder Linke sein Geschäft gewissenhaft betreiben, wäre jeder Tag an der Uni, jeder Gang zum Arbeitsamt, jedes Vegetieren im Job und jede andere Erniedrigung und Widerwärtigkeit, zu denen auch die Agenda 2010 gehört, ein Eroberungsplatz der Freiheit.
Im Laufe dieses Kampfes ergäben sich auch Strukturen, welche am Ziel orientiert und deshalb umso effektiver wären. Die historische Antwort ist das alte, aber umso modernere Konzept der Rätebewegung, deren Gedanken es wiederzubeleben gilt und welche sich schon am Anfang des vorigen Jahrhunderts für das Individuum schlug.
Der Kampf kann aber nur antiautoritär, d.h. nur gegen den Staat und die ihn konstituierenden Organisationen wie Parteien oder Gewerkschaften geführt werden, um zu einem Zustand zu kommen, \"worin sich die Bewegung und die Auflösung der ganzen Scheiße auflöst\". (Marx-Engels-Werke 32, S. 75)
La Banda Vaga, 2003
¡ Que se vayan todos !
26.04.2003
Alle (Politiker, Funktionäre, etc.) sollen abhauen. So lautet die Parole des seit mehr als einem Jahr anhaltenden Aufstandes in Argentinien, denn all' die Bürokraten und Direktoren sind die Apparatschiks des Systems, welches sich nur durch Rationalisierung und Krieg, d.h. durch Menschenverachtung und Unmündigkeit, konservieren lässt. Der Zusammenbruch der Wirtschaft dieses sogenannten Schwellenlandes macht deutlich, dass die immerwährende kapitalistische Krise nun auch vor den Vorzeigeselbstausbeutern und damit Hoffnungsträgern der nachholenden Entwicklung nicht halt macht. Nachdem schon lange kein denkender Mensch mehr an das wirtschaftliche Wachstum der Länder der \"Dritten Welt\" glaubt, vegetiert somit folgerichtig der größte Teil der Weltbevölkerung außerhalb der kapitalistischen Verwertung vor sich hin. Nun hat die Krise der vergangenen Jahre aber in erster Linie die Staaten betroffen, die als \"Schwellenländer\" vorgeblich vor dem Anschluss in die vordere Garde der Industrienationen standen. Argentinien, Indonesien und die Türkei sind nur drei Beispiele für eine ganze Reihe von Ländern, deren Ökonomien zusammengebrochen sind. Ebendort steigt gleichzeitig die Zahl der nationalistischen und religiösen Fundamentalisten genauso in die Höhe wie die stacheldrahtgesäumten Mauern, die die Villenburgen der Oligarchen vor der Masse der Nutzlosen schützen sollen. In Sorge um das Weiterbestehen des kapitalistischen Welttheaters (das leider nur Tragödien aufführt) und in Angst um die Liquidität der Absatzmärkte der führenden Industrienationen, gewähren die dem gesamtkapitalistischen Interesse verpflichteten Institutionen IWF und Weltbank Kredite, die selbstverständlich an Bedingungen gekoppelt sind. Diese verlangen, Staat und Produktion durch Rationalisierung rentabel zu machen und so den realexistierenden Kapitalismus in voller Blüte zu entfalten.
Nichtsdestotrotz hat die Krise nun auch die Metropolen erreicht: Die USA etwa sind so hoch verschuldet, dass im Vergleich dazu die DDR in ihrer Endphase geradezu als wirtschaftliche Supermacht erscheinen könnte. Nur die militärische Macht der Vereinigten Staaten garantiert noch die Zahlungsfähigkeit.
Als exportabhängige und auf konsumwillige Bürger angewiesene Nation bleibt auch Deutschland von der auseinanderbrechenden Entwicklung des Kapitalismus nicht verschont. Nur wird die Lage aufgrund des spezifischen Charakters der deutschen Gesellschaft besonders prekär und damit, wie hier üblich, für alles \"nicht-deutsche\" gefährlich: Die deutsche Gesellschaft ist keine klassisch kapitalistische mit den offenen Gegenspielern Arbeit und Kapital, sondern es herrscht seit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung eine Art dauerhafter Burgfriede. Arbeit und Kapital werden mit dem Band \"Staat\" bzw. \"Nation\" fest verschnürt. Der eigentlich unüberbrückbare Interessenskonflikt wird an die höhere Autorität, das Allgemeinwohl, hier repräsentiert durch den Staat, delegiert und aufgelöst. Dieser ist wiederum allgegenwärtig: Er schützt die Unternehmer im Ausland (als Deutschland-AG tritt die deutsche Wirtschaft im Ausland geschlossen und untereinander loyal auf) wie im Inland (der Staat gibt Kredite und bewahrt die Wirtschaft durch die Verfasstheit des Tarifsystems vor ungelegenen und zu freiheitlichen Ansprüchen der Arbeiter). Auch die Beschäftigten werden versorgt: So ist Deutschland gegen jeden Zuzug hermetisch abgeriegelt; die Ausbeutung der 240.000 osteuropäischen Saisonarbeiter ist durch eine eigene Behörde, die Zentrale Arbeitsvermittlung (ZAV) so verwaltet, dass eine eventuelle Integration oder Migration der Arbeitsuchenden von vornherein ausgeschlossen wird und die Ausgebeuteten nach dem Verkauf ihrer Arbeitskraft staatlich kontrolliert wieder außer Landes gekarrt werden.Den Gewerkschaften kommt die Funktion zu, jeden Widerstand autoritär zu verwalten und in systemkonforme Bahnen zu lenken. Um im Kapitalismus aufblühen zu können, stimmten die Arbeitervertretungen dem Kuhhandel \"Freizeit für Freiheit\" zu: So sind die Gewerkschaften durch das Tarifsystem vollends entmündigt (politische Streiks sind verboten). Die einzigen Forderungen, die sie stellen dürfen, lauten: \"Mehr Lohn und weniger Arbeitszeit\". Nichts davon kratzt auch nur im Entferntesten an dem unfassbaren Zustand von Ausbeutung und Beherrschung.
Ganz im Gegenteil, die Tarifkonflikte werden immer im Bezug auf das Wohl der sogenannten Allgemeinheit entschieden. Was als \"Rheinischer Kapitalismus\", Korporatismus oder \"Formierte Gesellschaft\" bezeichnet wird, hat einer der Erneuerer dieses Systems, Ludwig Erhard, mit seinen Think Tanks so formuliert: \"Wir brauchen die verpflichtende Hingabe an das Staatsganze\" oder \"Das Sozialsystem der Formierten Gesellschaft ist nur zu schaffen, wenn der labile Status Quo durchorganisiert und rationalisiert wird, wobei seine Teilhaber des Egoismus zu entwöhnen und einer starken Disziplinierung zu unterwerfen sind.\" Jeder rackert sich im Zweifelsfall für das abstrakte Ziel des Gemeinwohls ab und die staatliche Autorität mit ihren Regeln und Gesetzen werden die höchste nur denkbare Instanz. Im Gegenzug wird man vor dem Fremden & Anderen und in Notlagen vor der Armut geschützt und es etabliert sich von Seiten der Bürger ein masochistisch/devotes und autoritätsabhängiges Zwangsverhältnis zum Staat. Folge einer solchen Gesellschaft ist eine hinterfotzige Denunziationslüsternheit (\"Mein Nachbar kassiert Sozikohle und arbeitet dazu noch schwarz!\") und eine widerliche Staatsstreberei (\"Die Ampel ist rot!\"), gepaart mit einem verlogenen, vor sich hergetragenen und selbstgerechten Gutmenschentum (\"Bei uns in Deutschland kann man gar nicht verhungern.\").
Neben der Heranzüchtung ganzer Generationen autoritärer und nach Führung gierender Charaktere, ist das gefährliche an dieser Gesellschaft aber, dass sie auf wirtschaftliches Wachstum angewiesen ist. Es muss immer etwas da sein, was den Arbeitnehmern als Abfertigungs- und Sättigungsbrocken hingeworfen werden kann. Die Untertanen verlieren die seit jeher vom Staat garantierte soziale Sicherheit oder erleben ihr Wegbrechen bei anderen. Um das auseinanderfallende Sozialgefüge zu verkraften, wird auf den verinnerlichten Bezugspunkt, die Identität, die Arbeit und Kapital eint, gepocht. Gefunden wird die scheinbar gemeinsame kulturelle Abstammung, d. h. letztendlich nichts anderes als die gemeinsame \"Rasse\". So entpuppt sich die Sozialpartnerschaft als nur notgedrungen \"entnazifizierte\" Form der Volksgemeinschaft in der postfaschistischen Gesellschaft. In Deutschland, wo der Staat sich offiziell nicht für die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen Herrschenden und Ausgebeuteten einsetzt, sondern für das moralische Allgemeinwohl, dort wird in Krisenzeiten dann auch nicht ordinärkapitalistisch um neue Märkte, sondern für die Moral gekämpft, d.h. gegen all die, die ums Verrecken nicht zur deutschen Allgemeinheit gelten dürfen. Der Schritt zur Verfolgung innerer Feinde und Volkszersetzern wie Juden, Roma und Sinti, Querdenkern, Obdachlosen und allem, was als irgend anders halluziniert wird, ist ein kleiner.
Nun hat die Technologisierung die Arbeiter anstatt der Arbeit überflüssig gemacht, was in Deutschland durch die real 7,2 Mio Arbeitslosen seinen Niederschlag findet. Keine Regierung könnte die Zahl vermindern, wollte sie nicht über Staatsintervention nach NS-Vorbild für einen neuen Weltkrieg rüsten. Stattdessen wird versucht, die Arbeitslosen zu disziplinieren, indem immer weiter soziale Leistungen abgebaut werden. Zweck des Ganzen ist die Modernisierung des korporatistischen \"Modells Deutschlands\", um jenes so lange über die Runden zu bringen, bis die schon akribisch geplante, (Kosovo-Afghanistan-Irak) räuberische Expansion mit Europa im Gepäck auch militärisch und diplomatisch endlich machbar ist. Diverse Kommissionen wie Hartz oder Rürup arbeiten daran, den Staat des \"welfare\" (Wohlfahrtsstaat) in einen des \"workfare\" umzuwandeln. Nur wer arbeitet, soll auch essen. Dabei handelt es sich nicht nur um pure Zwangsarbeit, die den Reichtum der Ausbeuter mehren soll, sondern zumeist um eine stupide Zwangsbeschäftigung, in der die Erpressten ihre kostbare Zeit mit stumpfsinnigem Grashalmspitzenschneiden verschwenden müssen. Man sieht, dass hier nur Arbeit um ihrer selbst Willen getätigt wird. Nach der Maxime \"Arbeit schafft Wert, also ist nur der etwas wert, der arbeitet\" erweist sich die Plackerei für den kapitalistischen Denker als unabdingbares Moment einer jeden normalen Existenz. Die Finanznot des Staates wird vom Bund an die Länder und Kommunen nach unten weitergegeben, so dass viele deutsche Städte eigentlich Konkurs anmelden müssten. Auf allen Ebenen werden ständig neue Sparpakete geschnürt, die in erster Linie immer die sozial Schwachen und andere Randgruppen treffen. Ebenso könnte der Papst die Slumbewohner zur Askese auffordern, damit diese wirklich selig würden. Demnach sehen die Pläne des Freiburger Bürgermeisteramtes Einschnitte beim Arbeitslosenpass, bei der Straßenbahnermäßigung für Einkommensschwache, für die Geschäftsstelle der Sinti und Roma, bei Kinderstätten in Problemvierteln und vieles mehr vor.
Die Krise ist im Kapitalismus Normalzustand. Alle Zeiten, in denen das System angeblich funktionierte, waren Aufräum- und Aufbauperioden nach imperialistischen Raubzügen, makroökonomischer überproduktionsvernichtung in Form von Kriegen oder der eben deutschen Krisenlösungsstrategie, wie sie im Nationalsozialismus exerziert wurde. Es ist notwendig und zudem vollkommen logisch, die immer und immer wieder auseinanderdriftende Gesellschaftskonstitution nicht ebenso ständig zwanghaft in irgendwelchen Kollektiven mit irgendeiner Systematik oder Ideologie bis zur Versteinerung aneinanderketten zu wollen, sondern in der Dekonstruktion der alten auch das Hervorschimmern der wahren, freien Gesellschaft zu erkennen. Der Kommunismus ist eine Ordnung, nach welcher die Erde das Gemeingut aller Menschen sein, nach welcher jeder nach seinen Fähigkeiten arbeiten, \"produzieren\", und jeder nach seinen Kräften genießen, \"konsumieren\", soll; die Kommunisten wollen also die ganze alte gesellschaftliche Organisation einreißen und eine völlig neue an ihre Stelle setzen. Dass dann aber, an der alten, gänzlich verfaulten Gesellschaftsordnung zu flicken und zu übertünchen, Zeitverschwendung ist, wird jeder vernünftige Mensch leicht erkennen. Wir wollen, dass die Menschen die Dinge, die sie betreffen, von Grund auf selbst bestimmen können, wie dies ansatzweise in den Nachbarschaftsversammlungen in Argentinien verwirklicht ist.
Für eine staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!\ Alle Macht den Räten!
La Banda Vaga, 2003
Antwort an Klaus von der Stattzeitung
01.03.2003
Klaus Schramm von der Stattzeitung schrieb uns eine Kritik an unserem Text \"Krieg dem deutschen Frieden\", auf der Homepage der Stattzeitung nachzulesen. Hier findet sich hingegen unsere Antwort.
Hallo lieber Kritiker,
vielen Dank für Deine Reaktion auf unseren Text. Wir freuen uns immer wenn sich jemand mit unseren Veröffentlichungen auseinandersetzt und steigen gerne in eine Diskussion ein. Wie es bei einer basisdemokratischen Gruppe üblich ist, dauern auch bei uns die Antworten seine Zeit, deshalb bitten wir um Nachsicht.
Nun zum Inhaltlichen: Wir gehen, wie wohl die ganze Welt, von der Unabwendbarkeit eines Irak-Krieges aus und empfinden es deshalb als sehr gewagte Aussage, wenn Du schreibst, dass es zu keinem Krieg gegen den Irak kommen wird. Also wir würden auf das Gegenteil wetten. Vielleicht um einen Bio-Roquefort?
Zur These 1:
Das die Europäisierung des Militärs leider nicht nur Geschwätz ist, wird sich wahrscheinlich schon dieses Jahr zeigen, wenn die globalagierende EU-Eingreiftruppe aufgestellt sein wird. Wichtige Schritte in diese Richtung sind bereits unternommen, wie z.B. die multinationalen Brigaden (etwa die dtsch-franz. In Müllheim) Und auch größtenteils realisiert ist schon die Europäisierung der Rüstungsindustrie, die auf Betreiben der angeblich so machtlosen Nationalstaaten, explizit als Konkurrenz zur Rüstungsindustrie der USA, wenn auch noch weit entfernt davon, zur European Aeronautic Defense and Space Company (EADS) zusammen geschlossen wurde. Zur weiteren Analyse der EU-Militärpolitik verweisen wir auf unsere Homepage (www.labandavaga.de), wo sich weitere Texte dazu finden. Die Auseinandersetzungen zwischen der EU und den USA auf anderen Gebieten, die wir ironisch an den Handelskriegen um Roquefort und Bananen festgemacht haben, lassen sich fast beliebig erweitern. Von Differenzen um Hormonfleisch, genetisch veränderte Lebensmittel, Stahlzölle, generelle Agrarsubventionen, das Klimaabkommen von Kyoto, der Menschenrechtsgerichtshof etc. etc. etc. Anhand dieser empirisch belegbaren Interessensgegensätze zwischen der EU und den USA lässt sich auch die These der Globalisierungsgegner widerlegen, Nationalstaaten spielten in der sog. Globalisierung keine Rolle mehr. Mitnichten gibt es \"nur noch ein internationales Kapital\", schließlich hat selbst der multinationalste Konzern immer noch irgendwo seinen Sitz (und zwar meistens in den Metropolen, wo der starke Staat die notwendige Sicherheit gewähren kann) und seine Fabriken, schließlich gibt es auch zwischen \"Multis\" Konkurrenz und auch Biolandbetriebe sind kapitalistische Betriebe, in denen es nur um Mehrwert und sonst nichts geht. Das Geschwätz von den Regierungen als Agenturen und Vasallen (wahlweise des nationalen oder \"globalen\" Kapitals) ignoriert, dass der Staat wie seit eh und je notwendig ist, um die \"allgemeinen Geschäftsbedingungen\" des Kapitalismus bereit zu stellen. Dazu gehört die Sicherung von Privateigentum oder das allgemein anerkannte Rechtsverhältnis etc. genauso wie die notwendige Reproduktion des \"freien Arbeiters\", was der Staat ggf. auch gegen Angriffe einzelner Kapitalisten zu verteidigen hat. Die Verschiebung zu einem immer globaleren Agieren der Wirtschaft hat eher die Folge, dass sich die Konkurrenz zwischen den Staaten teilweise zu einer Konkurrenz der Standorte transformiert. Gerade in Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Krise verstärken sich nationalistische Tendenzen und die Konkurrenz zwischen den Standorten. Und besonders im neokorporatistisch organisierten Postfaschismus in Deutschland ist die These vom \"Absterben der Nationalstaaten\" reine Ideologie und zeigt nur, dass Sozialdemokraten wie attac mit ihren etatistischen Forderungen von der Totalität kapitalistischer Vergesellschaftung nichts verstanden haben und deshalb alles Übel in der, scheinbar \"staatsfreien\" Zirkulationssphäre suchen müssen.
Zu These 2:
Allerdings, jedes Freund-Feind-Schema ist blöd, jedoch ist gerade die Friedensbewegung anfällig dafür, wie all die Solidarisierungen mit dem Irak zeigen: der Feind meines Feindes ist mein Freund? Nebenbei sei noch darauf hingewiesen, dass wir bei der Beschreibung des permanenten Kriegszustandes im Irak nicht vom Embargo, sondern vom Terror des Regimes gegen die eigene Bevölkerung gesprochen haben. Aber auch sonst ist die Friedensbewegung \"blöd\", auch unabhängig von der Begeisterung für die neue \"Speerspitze der Bewegung\" (so Bütikofer über die Grünen). Zu auffällig ist der Aufschrei, sobald die USA Krieg führen wollen, während doch die Bewegung zu Zeiten der Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien marginal war. Heute kritisieren alle, wie sehr die US-Gesellschaft auf den Krieg eingepeitscht wird, aber wie sehr haben all diese \"Kritiker\" und Friedensfreunde zum Krieg gegen jenen neugefundenen \"Hitler\" in Belgrad gehetzt und damit immerhin den ersten deutschen Angriffskrieg seit 1945 ermöglicht. Damit stehen all jene objektiv für die Militärisierung der deutschen Politik und für ein immer aggressiveres Vertreten der deutschen Interessen.
An der Parole \"Der Hauptfeind steht im eigenen Land\" halten wir auch weiterhin fest, denn, trotz aller Krise ist die Konkurrenz zwischen den Staaten, mit aller begleitenden Ideologie, eine der herausragenden Stärken des Kapitalismus. Denn so wird es leicht, alles schlechte auf \"die böse USA\" zu projizieren und die (als Alternative vorgestellte) Politik Europas zu affirmieren. Natürlich kann das falsche Bestehende nur international abgeschafft werden, solange aber keine weltweite revolutionäre Bewegung in Sicht ist, ist der Hauptfeind notwendig im eigenen Land.
Mit rätekommunistisch/anarchistischen Grüßen\ La Banda Vaga
Krieg dem deutschen Frieden!
01.12.2002
In Kriegsfragen erfreut sich die deutsche Gesellschaft mal wieder an ihrem liebsten Zustand: Der Einigkeit. Die Einheitsfront der deutschen Friedensphalanx gegen den Irakkrieg vereint alle Deutschen, von Autonomen, DKP, Grünen, SPD über CDU, NPD (wobei diese seit einiger Zeit eh bei jeder Friedensdemo mitmarschiert) bis zu den rechtsradikalen Straßenmörderbanden (\"Kameradschaften\"). Folgerichtig präsentieren sich Gerhard Schröder und Joseph Fischer als offizieller Arm der deutschen Friedensfreunde. Dabei sollte die Tatsache, seit langem mal wieder mit und für die deutsche Regierung zu protestieren, jeden kritischen Menschen, jeden Materialisten allemal, skeptisch stimmen. So brachten doch gerade jene Peace-Lovers von heute eventuelle Abweichler per Erpressung (\"Vertrauensfrage\") zur Unterstützung von Streubombenangriffen, Verminung und Bündnissen mit wildgewordenen Schlächtertrupps (\"Nordallianz\").
Deutschland stellt nach den USA die zweitmeisten Truppen in Auslandseinsätzen. Momentan sind es mehr als 10000 Soldaten in 14 Ländern von Mazedonien bis Afghanistan. Durch das Rotationsprinzip sind sogar mehr als 60000 Bundeswehrsoldaten in diese Einsätze involviert. Deutschland und Frankreich versuchten mittels einer Europäisierung der Militärs die Konkurrenzposition gegen die bisher im militärischen Bereich unangefochten führenden USA zu verbessern. Doch auf diese Pläne, eine EU-Armee aufzubauen, haben die USA bereits reagiert. Die auf dem Prager Gipfel beschlossene schnelle Eingreiftruppe der NATO soll die europäischen Träume sabotieren. Auch auf ökonomischem Gebiet gibt es Auseinandersetzungen, wie die Handelskriege um Roquefort und Bananen zeigen. Natürlich ist die Konkurrenz um Einfluss im Nahen Osten keine Ausnahme.
Sollte man Amerikas Kriegsfreude durch potentielle Ölvorkommen und deren Kontrolle entlarven, so ist es Pflicht, die Deutschen Friedensgelüste als ebensolches Wirtschaftsinteresse zu sehen, will man nicht vollkommen in einen antiamerikanischen Legitimationswahn abdriften: So gehört Deutschland mit Frankreich doch zu denjenigen westlichen Ländern, die heute den meisten Handel mit arabischen Staaten im Nahen Osten treiben. Die beiden europäischen Staaten sind die Top-Exporteure in den Iran, Syrien und nahezu alle Anrainerstaaten des Irak, wo vornehmlich am Ölboykott vorbeigeschmuggelte Petrodollars - besser Petroeuros - gewaschen werden. Dass die deutsche Wirtschaft eben diesen Vorteil auszubauen gedenkt und kein Interesse an einem Krieg und veränderten Machtstrukturen hat, zeigt unter anderem, dass die Deutschen den größten Teil an Ausstellern der irakischen Handelsmesse dieses Jahres stellten (subventioniert vom dt. Wirtschaftsministerium). Genauso wie die Amerikaner verfolgt auch die deutsche Regierung lediglich die eigenen wirtschaftlichen Interessen. Sie vertritt also keine moralisch höherstehende Position, sondern gebraucht nur eine etwas verstecktere und vor allem verlogenere Taktik. Wer sich nun an die Seite der Kriegsverbrecher Schröder und Fischer stellt, mit den dt. Herrschenden den Schulterschluss übt, der macht sich, wenn auch unbewusst und vielleicht ungewollt, zum Mitstreiter für dt. Hegemonialinteressen gegen die USA.
Um so erstaunlicher ist es, dass eben jenen Gruppen, die immer gebetsmühlenartig das materialistische Brevier von Ölquellen herunterleiern, bei Deutschlands Interessen die Stimme versagt. Als sei das nicht genug, schlägt das Pendel des Irrsinns sogar merklich in die andere Richtung aus: Gerade viele sich als kommunistisch begreifende Parteien/Gruppen solidarisieren sich mit Saddam Hussein. Dabei ist dieser ein traditioneller faschistoider Despot und Tyrann, der keine Opposition duldet, die Menschen ausbeutet, foltert, unterdrückt und ermordet, zig Milliarden für Waffen, Geheimdienste, Standbilder und Paläste ausgibt, während die Bevölkerung hungert, und der ganz nebenbei einer der Hauptfinanziers der antisemitischen Selbstmordbomber in Israel ist. Der Unterschied zu Pinochet in Chile, gegen den sich alle Kommunisten vereint haben, ist kaum erkennbar. Nur fehlt im Irak die emanzipatorische Unidad Popular, mit der man sich als progressiver Mensch solidarisieren könnte. Warum? Weil Husseins Baath-Partei seit Machtantritt fast zehntausend Kommunisten ermorden ließ. Noch heute sind die irakischen Kommunisten verfolgt und können nur aus dem Exil heraus agieren. Im Irak herrscht seit Jahren permanenter Kriegszustand, sich immer wiederholende Aufstände von Kurden, Schiiten und anderen unterdrückten Gruppen werden mit ebenso repetitiver Brutalität niedergewalzt. Es gibt also keinen, aber auch gar keinen Grund, sich in irgendeiner Frage mit Hussein gemein zu machen oder ihn auch nur zu tolerieren. Dass in letzter Zeit trotzdem zig Solidaritätscommunique für Hussein von Kommunisten und Faschisten aller Welt proklamiert werden, lässt die bittere Vermutung aufkommen, dass der einzige Kitt, der diese Kommie-Nazi-Allianz zusammenhält, ein dumpfes antiamerikanisches Ressentiment ist. Machen wir uns nichts vor: Ein \"kapitalistischer Friede\" ist ein Oxymoron, denn er bedeutet immer Krieg und Elend in den ausgebeuteten Ländern. Auch ein \"faschistischer Friede\" ist da nicht anders, konzentriert er doch Terror und Unterdrückung im eigenen Land. Beide stehen einer freien Gesellschaft diametral entgegen und müssen von jedem vernünftigen Menschen bekämpft werden !
Nun ist Bushs/Blairs Krieg kaum besser als Saddams/Schröders \"Friede\". Die USA folgen in ihrer Kriegslogik, wie immer nach dem 2. Weltkrieg, den Gesetzen des Kapitalismus. So müssen, um die in diesem System zyklisch auftauchenden Krisen zu überstehen, zwei Dinge getan werden: Erstens muss die Wirtschaft durch Staatsinvestitionen stimuliert werden, um den inneren Markt anzukurbeln und wieder Geld in den Konsumkreislauf zu stecken; dies nennt sich Keynesianismus. Da die USA aber bankrott ist, kann dieses Geld nur durch Kredite bereitgesellt werden. Am liebsten investiert der Staat in die arbeitsplatzschaffende Schwermetallindustrie, namentlich in die Rüstungskonzerne. Um diesen riesigen Pump zu finanzieren, müssen die neuen Waffen aber auch gewinnbringend eingesetzt werden. Keynes funktioniert nur mit Krieg.
Als zweiter Punkt ist es unabdingbar, dass dem heimischen Markt billige Rohstoffe zugefügt werden, um die Produktionskosten zu senken. Dass Öl hier eine nicht kleine Rolle spielt und die irakischen Quellen vor der Verstaatlichung alle in US-amerikanischer und britischer Hand waren, soll hier nicht verschwiegen werden. Was bietet sich nach kapitalistischen Gesetzen mehr an, als eine Intervention der USA im Irak? Dabei geht es den USA um das Meistern der Krise und um sonst nichts. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass die Vereinigten Staaten außer dem Gesetz der Akkumulation keine ideologische Linie verfolgten, die eine emanzipatorische Hoffnung in irgendeiner Weise rechtfertigt, wie es einige verzweifelte Linke tun. Der Kapitalist paktiert mit jedem, auch mit dem Faschisten oder Taliban, solange der ihm nicht ins Gehege kommt.
In Afghanistan, diesem von Warlords, Kriegsverbrechern und Islamisten kontrollierten Land, wurde die menschenverachtende Scharia nach kurzer Abstinenz wieder eingeführt, die Religionspolizei prügelt die Afghanen Freitags wieder in die Moscheen. Der Aufklärung ist man hier nur um 3 cm Bartlänge näher gekommen. Genauso beweist die Kooperation der USA mit der völkischen UCK im Kosovo, dass die Vereinigten Staaten keine stringente Position verfechten, die dem völkischen Prinzip zuwiderläuft und mit dem man sich identifizieren könnte.
Für uns, die in dieses Deutschland hineingeboren wurden, gilt aber trotz alldem wie seit eh und je: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Deshalb ist es für uns wichtigste Aufgabe, gegen das deutsche Kapital und seine Großmachtsambitionen in aller Welt, gegen seine Vertreter, die Regierung mit ihrer verlogenen und infamen deutschen Friedenswegsparole und die gehörige Portion Antiamerikanismus zu kämpfen.
La Banda Vaga, Dezember 2002
Klaus Schramm von der Stattzeitung hat uns eine Replik geschickt, unsere Antwort findet sich hier.
5 Jahresplan übererfüllt
01.11.2002
La Banda Vaga feiert Jubiläum!\ Mit festem Schritt voran zum Sozialismus:\ 5 Jahresplan übererfüllt!
Das ZK gibt bekannt: Fünf Jahre nach der Gründung der Gruppe La Banda Vaga als Vorhut des revolutionären Proletariats ist der erste Fünfjahresplan bereits übererfüllt. Wir schreiten also festen Schrittes weiter voran zum Sozialismus. Dies ist ein Grund zum Feiern und zur Bekanntgabe der Ziele des nächsten Fünfjahresplans. Gefeiert wird ab 22 Uhr zu den Klängen eines DJs, dazu kann ein leckerer Cocktail geschlürft werden. Der Eintritt ist natürlich frei! Nun zu den Zielen des nächsten Fünfjahresplans: Er sieht die Umwandlung Freiburgs in eine Räterepublik vor. Venceremos!!
Party: 8.11.2002 KTS
Bordercamp Strasbourg - Ein Diskussionspapier zur Antisemitismusdebatte
10.06.2002
Am Osterwochenende, bzw. dem jüdischen Pessachfest, ging eine heftige Welle antisemitischer Anschläge um die Welt. Vor allem in Frankreich brannten etliche Synagogen und auch in Straßburg gab es einen Brandanschlag, auch wurden mehrmals jüdische Friedhöfe geschändet. Die Täter waren zumeist Jugendliche aus dem Kreis der maghrebinischen EinwandererInnen.
In den Mobilisierungstexten für das Grenzcamp, sowohl in Freiburg als auch international, wurde dieses Thema leider bisher nicht einmal erwähnt, während andererseits die Immigrantenkids äußerst einseitig als Opfer von Rassismus und Polizeiwillkür beschrieben werden [1], was natürlich auch stimmt und wogegen diese sich ja auch zu recht auflehnen. Doch wir denken, dass die Anschläge nicht von uns ignoriert werden können.
Zur Erinnerung: Mit Beginn der palestinensischen \"zweiten Intifada\" im Herbst 2000 begann eine weltweite Serie antisemitischer Pogrome, die ihren ersten Höhepunkt am jüdischen Feiertag Yom Kippur hatte. Auch in Raum Straßburg, wo am 13.10.2000 Molotov-Cocktails auf eine Synagoge geworfen wurden [2]. In der Zeit danach flaute es etwas ab, doch es gab immer wieder Vorfälle wie antisemitische Grafitti, Steinwürfe gegen die Synagoge in Bischheim, Verwüstung des jüdischen Friedhofs in Fegersheim, Schlägereien, Drohungen und Beleidigungen [Badische Zeitung, 30.3.2002: Aus Angst sitzt auf vielen Köpfen die Schirmmütze statt der Kippa. (hier)]. Dann kam es dieses Jahr an Ostern zum neuen Höhepunkt. Während in Marseilles die Synagoge bis auf die Grundmauern abbrannte, gab es bei einem Brandanschlag auf die Synagoge im Straßburger Stadtteil Cronenbourg zum Glück nur geringen Sachschaden. In den Tagen darauf folgte ein Brandanschlag und später (wie schon einmal im März) ein versuchter Anschlag mit einer selbstgebastelten Bombe auf den jüdischen Friedhof im Vorort Schiltigheim. Auch wurden auf dem jüdischen Friedhof in Cronenbourg Gräber mit Hakenkreuzen und antisemitischen Parolen beschmiert [3].
Es ist hoffentlich nicht notwendig, zu erklären, dass es durchaus bereits antisemitisch ist, wenn hier lebende JüdInnen für die Politik Israels (wie auch immer man diese einschätzt) verantwortlich gemacht werden, da dies nur Sinn machen würde, wenn von einer jüdischen Weltverschwörung ausgegangen wird. Der oft gehörte Hinweis, Araber könnten keine Antisemiten sein, da sie ja selbst ein \"semitisches Volk\" seien, macht es sich zu einfach. Ganz davon abgesehen, dass hier munter bei der Einteilung der Menschen in Völker / Ethnien / Rassen mitgemacht wird, die wir ja bekämpfen wollen, ignoriert diese Bemerkung, dass Antisemitismus nicht einfach ein gegen Juden gerichteter Rassismus ist. Schließlich gibt es massive Unterschiede zwischen dem Hass auf als minderwertig angesehene Fremde einerseits und der Angst vor dem als allmächtig angesehenen Juden andererseits, dem Hass auf diesem zugeschriebene Eigenheiten wie Kosmopolitismus, \"Wucher\", \"Schmarotzertum\", Neigung zu Verschwörung usw. Tatsächlich neigt der moderne Antisemit dazu, alle negativen Auswirkungen des Kapitalismus und alle Krisen der Macht \"des Juden\" zuzuschreiben.
Angesichts des militanten Antisemitismus eines Teils jener ImmigrantInnen in den Banlieus stellt sich allerdings die Frage, wie damit umgegangen wird. Auf diesen Teil der MigrantInnen können wir uns ja wohl wirklich nicht positiv beziehen. Glücklicherweise handelt es sich dabei nur um eine Minderheit, wie u.a. Aussagen aus den jüdischen und muslimischen Gemeinden nahelegen [4]. Auch verfassten rund 50 maghrebinische Intellektuelle einen Appell gegen Antisemitismus [5].
Ein Camp, das die jüngsten Anschläge ignoriert, würde hingegen sich und seinen emanzipatorischen Anspruch einigermaßen blamieren. Daher finden wir es notwendig, dass der Antisemitismus in öffentlich wahrnehmbarer Form thematisiert wird.
Es geht nicht darum, irgendwelche konstruierten Neben - oder Hauptwiedersprüche gegeneinander auszuspielen. Stattdessen wollen wir, dass die Herrschaft von Menschen über Menschen und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in ihrer Totalität in allen ihren Facetten kritisiert und hoffentlich auch irgendwann abgeschafft werden. Immerhin ist doch die Frage durchaus relevant, ob die Menschen im Falle einer Krise anfangen, JüdInnen und AusländerInnen zu jagen und nach dem starken Staat rufen, oder endlich die falschen Verhältnisse abschaffen.
In diesem Sinne:
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!\ Für freies Fluten!
La Banda Vaga, Juni 2002
Anmerkung:\ Wir hatten dieses Papier ursprünglich in einer anderen Fassung veröffentlicht. Ein unglücklich formulierter und daher falschverstandener Satz und der ursprüngliche Titel, der als Ablehnung des Camps überhaupt wahrgenommen wurde, haben die Änderungen notwendig gemacht.
Notizen:\ [1] Z.B. im Koraktor\ [2] Siehe Hagalil\ [3] Badische Zeitung, 3.4. und 15.4.2002.\ [4] Badische Zeitung, 30.3. (hier) und 3.4. 2002; siehe auch: La haine des antijuifs, Jungle World Nr. 14/2002.\ [5] Graswurzelrevolution 269, Mai 2002.
Die Zerstörung der Vernunft - Zur Esoterik- und Religionskritik
02.06.2002
»Unmittelbar gesehen ist der okkulte Spuk gewiss nur Fascisierung des Bürgertums, übergang seines unbrauchbar gewordenen Liberalismus ins autoritäre und irrationale Lager.«\ Ernst Bloch
Auch in der Folge des 11. Septembers wurde illustriert, wie weit irrationales Denken in der bürgerlichen Gesellschaft verbreitet ist. Religion (und vor allem die Beschäftigung mit dem Islam) hatte Konjunktur, Nostradamus Bücher waren ausverkauft und die esoterische Szene bastelte sich Verschwörungstheorien zu recht. In der Überzeugung, ausschließlich das Bewusstsein bestimme das Sein, wendet sich die Esoterik von emanzipatorischen Bewegungen der 1960er Jahre ab und setzt rein auf individuelle Bewusstseinsveränderung als Voraussetzung für gesellschaftlichen Wandel. Auch erschreckend viele ehemalige Linke haben ihren Weg zum Irrationalen gefunden. Horoskope, Tarotkarten, Heilsteine, Erdstrahlen, Mondgläubigkeit, Urintherapie ... Nach vorsichtigen Schätzungen sind in der BRD zehn Millionen Menschen der Esoterik aktiv zugeneigt, der Umsatz der bundesdeutschen Esoterikindustrie beläuft sich auf über 10 Milliarden Euro. Gerade Freiburg ist als \"Esoterikhauptstadt\" bekannt.
Doch wie kann heute noch ein derartiges Bedürfnis nach irrationalen Denkformen entstehen? Diese Gesellschaft, die mit der Spaltung der Menschheit in Ausbeuter und Ausgebeutete, Herrscher und Beherrschte an sich irrational ist, produziert eine Sicht, die voller Verkehrungen ist. So wird das gesellschaftliche Verhältnis statt dessen als Verhältnis der Dinge wahrgenommen. Die Sicht auf die Warenwelt ist zwangsläufig eine ideologische. Die bürgerliche Wissenschaft als Legitimationswissenschaft des Kapitalismus ist nicht in der Lage, die gesellschaftlichen Widersprüche, die sie als Naturgesetze wahrnimmt, aufzuheben. Deshalb droht stets der übergang in den Irrationalismus. Reicht dem sozial verunsicherten Bürgertum die \"Religion des Alltagslebens\" nicht aus, sucht sie Halt in den Versprechungen der Esoterik und befördert damit die zunehmende Entsolidarisierung in der Gesellschaft.
Ein in der Esoterik weit verbreiteter Glaube ist das, aus den asiatischen Religionen übernommene, Karma. Demnach werden Menschen bis zur \"Erlösung\" immer \"wiedergeboren\" und sollten durch \"gute Taten\" versuchen, ihre Stellung im nächsten Leben zu bestimmen. Diese Lehre führt schnell zur Vorstellung, dass zum Beispiel behinderte oder in Armut lebende Menschen daran selbst Schuld seien, weil sie ihr \"früheres Leben\" falsch gelebt haben sollen. Alice Ann Bailey, eine Anhängerin Rudolf Steiners, rechtfertigte damit sogar die Ermordung von 6 Millionen Juden im Nationalsozialismus als \"Feuer der Reinigung\".[2] Die 170 (Tendenz steigend) Waldorfschulen, die sich leider auch in der Linken ob ihres scheinbar alternativen Charakters großer Beliebtheit erfreuen, werden z.T. auch staatlich unterstützt. Auch die Freiburger Linke Liste willigte Gelder zu. Der Schulalltag in diesen weitgehend ausländerfreien Privatschulen gibt hingegen ein antiemanzipatorisches Bild. Im Kern autoritär, mit stupidem Auswendiglernen, Aufsagen im Chor, Frontalunterricht, sozialer Kontrolle, Fußballverbot (weil dies kein deutscher Sport sei) und Diskriminierung. Noch heute hat die Wurzelrassenlehre im Geschichtsunterricht der Waldorfschulen einen festen Bestandteil. Deren rassistischer [3] Gehalt wird unter anderem durch folgende Zitate Steiners, dem Begründer der Anthroposophie, deutlich: \"Das Judentum hat sich längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens, dass es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte, dessen Folgen nicht ausbleiben konnten.\"[4] Und: \"die Negerrasse gehört nicht zu Europa. [...] Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geist schaffende Rasse.\"[5] Diese Wurzelrassentheorie wurde von Steiner direkt von Helena Blavatzky (1831
- 1891), der Begründerin der Theosophie, übernommen. Diese Geheimlehre ging in das Gedankengut der Thulegesellschaft, einer Vorgängerorganisation der NSDAP, ein. Blavatzkys Werke sind heute Bestseller in Esoterikbuchläden. Ein Förderer der Neuherausgabe ihrer Bücher ist unter anderen der Dalai Lama. Tatsächlich pflegt dieser gefeierte \"Gottkönig\" Kontakte zu Altnazis und religiösfanatischen Terroristen. So bezeichnet er den Führer der Aum-Sekte, Shoko Asahara, als seinen Freund .[6]
Dem Esoteriker ist nicht mit rationalen Argumenten beizukommen. Gegebenenfalls wird der Kritiker auf seine \"zu niedrige Bewusstseinsstufe\" oder ähnliches verwiesen. Dieses Verhalten gleicht dem von der Kritischen Theorie beschriebenen autoritären Charakter. Erich Fromm könnte auch einen Esoteriker gemeint haben, als er schrieb: \" Die relative Undurchschaubarkeit des gesellschaftlichen und damit des individuellen Lebens schafft eine schier hoffnungslose Abhängigkeit, an die sich das Individuum anpasst, in dem es eine sadomasochistische Charakterstruktur entwickelt. [...] Der masochistische Charakter erlebt sein Verhältnis zur Welt unter dem Gesichtspunkt des unentrinnbaren Schicksals.\"[7] Im Zuge allgemeiner Krisenerscheinungen versucht das bürgerliche Subjekt verstärkt, sich die verkehrte Welt irrational zu erklären. Der Boom der Esoterik erinnert an die Krisen der späten 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, als der Mystizismus zu einem der geistigen Vorreiter des Nationalsozialismus wurde. So verwundert es auch nicht, dass es noch heute ideologische und personelle Verbindungen zwischen Esoterik und Rechtsradikalen gibt.
Nur durch das radikale Brechen mit der bürgerlichen Ideologie ist eine Annäherung an die Vernunft zu haben!
\"Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.\"\ Marx [8]
Veranstaltungen zur Esoterik- und Religionskritik\ 13.6.2002 Ludwig Feuerbach: \"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde\" 20:00 KTS Referent: Dipl.-Soz. Päd. Heribert Sommer, Coburg, Redaktion Marxistische Kritik ( OKF Süd ) Die Kritik der Religion ist bis heute nicht zu gesellschaftlicher Bedeutung gelangt. Sie hat keinen Eingang in das Bildungssystem gefunden und wird von der bürgerlichen Wissenschaft ignoriert. Insofern befindet sich die Menschheit materiell zwar im Kapitalismus, ideell aber noch immer im Stadium des geistigen Mittelalters - entsprechend eines Satzes von Ludwig Feuerbach, der schrieb: \"Das Christentum ist das Mittelalter der Menschheit\". Die Religionskritik des Philosophen Ludwig Feuerbach war in Deutschland im 19. Jahrhundert ein zentrales Moment der Aufklärung. Sie beeinflußte viele bedeutende Denker dieser Zeit, darunter auch Karl Marx. In diesem Vortrag geht es u.a. darum, das anthropologische Wesen der christlichen Gottesvorstellung aufzuzeigen. Die menschliche Vorstellung von der Gottheit gipfelt in der Person Jesus Christus. Es ging Feuerbach nicht vordringlich darum, die Gottheit zu leugnen, sondern diese Vorstellung in all ihren Ausprägungen als menschlich und nicht fremd zu erklären.\ 16.6.2002 Esoterik und Irrationalismus 20:00 KTS Vier ReferentInnen der Redaktion des Streitblatts (München) \"Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik,\" schrieb Karl Marx 1844. 158 Jahre später ist das religiöse Bewußtsein verbreiteter denn je - nur nennt es sich anders: Spiritualität und Esoterik geben dem \"anderen\" Rechnung, was es da angeblich noch gäbe. Seit zwei Jahrhunderten ist die Religion widerlegt; die prolongierte theoretische Widerlegung der Religion macht sich darum der Unwahrheit schuldig, das Volk in seiner kapitalistischen Vergesellschaftung sei aufzuklären. Das religiöse Bewußtsein ist die Projektion der menschlichen Bedürfnisse ins Jenseits und die Negation der Kritik am Diesseits. Je länger das religiöse Bewußtsein über seine theoretische Aufhebung fortdauert, desto mehr widerstreitet es theoretisch jedem richtigen Urteil und praktisch jedem Versuch, unmenschliche Verhältnisse umzuwerfen. Diese Verhältnisse sind der Feind, der nicht zu widerlegen, sondern zu vernichten ist. Widerlegt wird die esoterische Ideotie nicht durch seine Widerlegung, sondern indem man die Verhältnisse der Ausbeutung von Menschen durch Menschen abschafft, die es nötig macht. Oder, wie Marx an andrer Stelle geschrieben hat: \"Friede den teutonischen Urwäldern! Krieg den deutschen Zuständen!\"
La Banda Vaga, 2002
Fussnoten:\ [1] Zitiert nach: Peter Bierl, in: Stud. Sprecherrat der Universität München (Hrsg.), Ganzheitlich und ohne Sorgen in die Republik von morgen, Aschaffenburg 2001, S. 62.\ [2] Zitiert nach: Jutta Ditfurth, Feuer in die Herzen, Hamburg 1997, S. 330.\ [3] Natürlich ist jede Einteilung der Menschen in Rassen an sich schon rassistisch.\ [4] Rudolf Steiner 1888, zitiert nach Bierl, 2001, S. 39.\ [5] Rudolf Steiner, GA 349, S. 52 ff. Dieser Text strotzt nur so von Rassismus und stellt zugleich eine Steilvorlage für die deutsche Großmachtspolitik dar.\ [6] Vgl.: Colin Goldner, Dalai Lama, Fall eines Gottkönigs, Aschaffenburg 1999. Die Aum-Sekte verübte 1995 einen Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn, bei dem 12 Menschen ermordet und 500 z.T. schwer verletzt wurden.\ [7] Erich Fromm, Sozialpsychologischer Teil, in: Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Studien über Autorität und Familie, Paris 1936, S. 118.\ [8] Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosopie, Einleitung, MEW 1.
Der Nächste bitte! - Eine Analyse des Nato-Einsatzes in Mazedonien
26.10.2001
\"Die Welt ist in Bewegung, Osteuropa wird jetzt aufgeteilt. Wer nicht dabei ist, der verliert.\" [1] formulierte der ehemalige Vorstandsvorsitzende von VW, Hahn, 1990 nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Und damit Deutschland bei dieser Aufteilung nicht zu kurz kommt, bedient es sich einer schon \"traditionellen deutschen\" Politik, wie folgende Aussagen belegen. Die erste stammt aus dem Jahr 1941 vom Leiter der Reichskanzlei Martin Bormann: \"Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen (damit ist Osteuropa gemeint; La Banda Vaga) handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.\" [2] Die zweite Aussage stammt aus dem Jahr 1989 vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Dieser meint, Deutschland müsse im Hinblick auf Osteuropa \"durch Regionalisierung [...] für sich die politischen Sahne bzw. Filetstückchen herausbrechen.\" [3] Das \"Zerlegen\" bzw. \"Regionalisieren\" von dem Bormann und Herrhausen sprechen, geschieht anhand einer völkischen oder neudeutsch \"ethnischen\" Kontinuitätslinie, die bis ins Kaiserreich zurückreicht. Dabei werden angeblich unterdrückte \"Völker\" oder \"Volksgruppen\" konstruiert, die anschließend als Manövriermasse dem Interesse der deutschen Expansion nach Osten dienen.
Jugoslawien wird ethnisch parzeliert
Geradezu mustergültig lässt sich diese spezielle deutsche Politik im ehemaligen Jugoslawien nach verfolgen. Stichworte hierzu sind die einseitige Anerkennung Kroatiens und Sloweniens und die Unterstützung der völkischen UCK. Bis jetzt sind schon vier Staaten und zwei internationale Protektorate auf dem Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens gebildet worden, doch ein Ende ist nicht abzusehen. Die ethnische Parzelierung geht weiter! Die völkisch-terroristische UCK hat bereits Begehrlichkeiten auf Teile Serbiens, Montenegros und Griechenlands angemeldet, Montenegro möchte sich lieber heute als morgen von der Bundesrepublik Jugoslawien trennen und auch im Norden Restjugoslawiens gibt es sezzesionistische Bestrebungen. Aktuell wird Mazedonien zum \"dritten westlichen Protektorat auf dem Balkan\" (FAZ) gemacht und entlang völkischer Kriterien geteilt. Entstanden ist der Konflikt als die völkische UCK, nachdem sie im Kosovo unter der Aufsicht von 40.000 KFOR Soldaten alle Minderheiten (SerbInnen, Roma, JüdInnen und div. andere) ermordet und vertrieben hat (nur im Norden des Protektorats leben noch einige SerbInnen), nach Mazedonien einsickerte und den Kampf zur Beendigung der Unterdrückung der AlbanerInnen aufnahm. Die albanisch sprechenden Mazedonier wurden zwar nie unterdrückt, es sind sogar Parteien der albanisch-sprachigen Minderheit an der Mazedonischen Regierung vertreten, aber die UCK stört das wenig. Ihr Ziel ist und bleibt die Schaffung eines \"völkisch reinen\" Großalbanischen Reiches und nachdem mithilfe der NATO das Kosovo schon \"befreit\" wurde, ist nun eben Mazedonien an der Reihe. Erste \"ethnische Säuberungen\" haben in den vor ihr besetzten Gebieten schon stattgefunden. [4] Der Westen unterstützt die UCK bei diesen Plänen großzügig, indem er ihr erlaubt vom Kosovo nach Mazedonien einzudringen (für die KFOR wäre es kein Problem die Grenzen abzuriegeln), indem er ihr Waffen liefert und indem er die mazedonische Regierung hindert, sich gegen die terroristischen Angriffe der UCK zu verteidigen. So reiste jedes Mal, wenn Mazedonien den Kriegszustand verhängen wollte, was die rechtlichen Möglichkeiten erweitert hätte, der \"Quasi-Außenminister\" der EU Javier Solana nach Skopje und verhinderte diesen Schritt, und die Sicherheitsberaterin von Georg W. Bush reiste im Juli in die Ukraine, von woher Mazedonien Waffen kaufte und unterband weitere Unterstützung. Diese Eingriffe in das Handeln eines souveränen Staates durch den Westen charakterisiert der Sprecher des mazedonischen Premierministers Antonio Milososki so: \"Mazedonien gilt ja teilweise nicht mehr als souveräner Staat.\" [5] Und auch verbal wissen sich die \"Ethno-Krieger\" der UCK vom Westen unterstützt, etwa wenn der deutsche Außenminister Joseph Fischer von der \"offenen albanischen Frage\" [6] spricht und damit die bestehenden Grenzen verschieben will. Auch die jetzt angelaufene NATO Aktion zur Einsammlung der Waffen der UCK ist auf den zweiten Blick ein Eingreifen auf Seiten der Sezzesionisten. Denn dadurch wird die UCK als legitimer Verhandlungspartner aufgewertet. Daß es nicht darum geht, der UCK die Waffen wegzunehmen war schon beim \"Streit\" um die Anzahl der einzusammelnden Waffen klar. Während die UCK angab, sie besäße 3.000 Waffen, sprach die mazedonische Regierung von 60 -80.000 Waffen. Die NATO, neutral wie sie nun mal ist, entschied sich für die Mitte und beschloss 3.300 Waffen einzusammeln. Nun können wir jeden Abend in der Tagesschau bewundern, wie UCK Männer medienwirksam Flinten aus dem Ersten Weltkrieg an NATO Soldaten überreichen, während sie ihre richtigen Waffen natürlich behalten und gleichzeitig weiter Waffen aus dem Kosovo bekommen. [7]
Krieg - Wieder deutsche Normalität
Die Diskussion um die deutsche Beteiligung an diesem Einsatz zeigt, dass es inzwischen wieder völlig normal ist, wenn deutsche Soldaten weltweit eingesetzt werden. Denn auch die Mehrzahl derjenigen die im Bundestag gegen diesen Einsatz gestimmt haben, sind nicht grundsätzlich gegen den Einsatz deutscher Soldaten in Mazedonien, sondern wollen entweder eine bessere Ausstattung der Bundeswehr (obwohl momentan eine riesige Aufrüstung der Einsatztruppen stattfindet) oder ein UN-Mandat. Dies zeigt, dass Deutschland ein wesentliches Kriegsziel des \"Kosovo-Krieges\" erreicht hat: Deutschland hat sich von seiner Vergangenheit befreit und kann wieder unbelastet weltweit Krieg führen! Neben diesem speziellen deutschen Interesse haben aber auch allgemeine ökonomische Gründe zu den Kriegen in Jugoslawien geführt. Eine aus kapitalistischer Sicht rückständige Sozialstruktur in großen Teilen Jugoslawien verhinderte eine wirtschaftliche Modernisierung. Weder dem Staatskapitalismus Titos, dem Druck des IWFs, noch den einzelstaatlichen Nationalismen ist es gelungen diese \"Rückständigkeit\" zu beseitigen und Jugoslawien Wettbewerbsfähig zu machen. Vor allem in den ärmsten Regionen, im Kosovo, in Mazedonien, in Bosnien und in der Herzegowina waren vor den Kriegen z.T. noch Elemente einer bäuerlichen Subsistenzwirtschaft vorherrschend, die sich jeglicher kapitalistischer Modernisierung verweigerten. \"Es sind die sozialen Strukturen und Werte [...] und die mit ihnen verbundenen Blockierungen nationaler und transnationaler Wertschöpfung, auf deren Zertrümmerung dieser Krieg abzielt.\" [8] Und auch in Mazedonien zeigt dieses Programm Wirkung. Nachdem bisher die Privatisierung der ehemaligen Staatsbetriebe nicht zur Zufriedenheit des westlichen Kapitals gelaufen ist, hat sich dies nach der Bombardierung Jugoslawiens gewandelt und durch den momentanen Bürgerkrieg gewinnt dieser Prozess noch an Fahrt. [9] All dies sind genug Gründe um Widerstand gegen den NATO-Einsatz in Mazedonien und v.a. den Einsatz der Bundeswehr zu leisten.
Nie wieder Deutschland!\ Für eine staaten- und klassenlose Weltgesellschaft
La Banda Vaga, 2001
Fussnoten:
[1] Vgl. Die Zeit vom 23.02.1990.\ [2] Martin Bormann, zitiert nach Ernst Klee und Willi Dressen (Hrsg.). Gott mit uns. Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939-1945. Frankfurt am Main 1989.\ [3] Alfred Herrhausen, zitiert nach Holger Kuhr. Russland wird De-Industrialisiert. Hamburg 1993.\ [4] Vgl. Meldungen der Nachrichtenagentur AFP vom 07.05.2001.\ [5] Vgl. \"Uns fragt hier gar keiner\", Interview mit Antonio Milososki in: Jungle World vom 05.09.2001.\ [6] \"Fischer: Die albanische Frage ist offen\", so die Seite 1-Schlagzeile der FAZ vom 22.03.2001.\ [7] \"Der Waffenschmuggel hat seit Beginn der NATO-Aktion nicht aufgehört, er geht unvermindert weiter\", so Victor Gobarev vom US-amerikanischen Polit-Institut statfor gegenüber der Wochenzeitschrift \"Jungle World\" vom 05.09.2001.\ [8] Die Ethnisierung des Sozialen. Die Transformation der jugoslawischen Gesellschaft im Medium des Krieges. Materialien für einen neuen Antiimperialismus Nr. 6. Berlin 1993.\ [9] Vgl. Jürgen Elsässer, Genua und Skopje, in Konkret 9/2001.
Gegen den Aufbau der EU-Armee
09.06.2001
Redebeitrag, gehalten auf der Demo gegen den deutsch-französischen Gipfel in Freiburg, 9.6.2001
Wir demonstrieren heute hier gegen das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der beiden wichtigsten EU-Staaten, Deutschland und Frankreich. Das wird viele verwundern, denn die EU wird von vielen, auch innerhalb der Linken, als etwas positives angesehen. Demgegenüber ist die Rolle des Bösewichts normalerweise für die USA reserviert. Denn diese würden für eine Politik der Gewalt und des Rechts des Stärkeren stehen. Die EU dagegen sei ein Zusammenschluss der europäischen Staaten, die aus der Vergangenheit gelernt hätten und die für eine friedliche Politik stehen. Das dem nicht so ist und das die EU zukünftig auch militärisch in ein Konkurrenzverhältnis mit den USA treten will, wirtschaftlich ist sie dies ja schon längst, zeigen die konkreten Pläne zum Aufbau einer schnellen europäischen Eingreiftruppe. Diese wurde noch während des NATO-Angriffskrieges gegen Jugoslawien beschlossen. Denn noch einmal wollte man sich nicht so von den USA vorführen lassen, wie über dem Himmel von Jugoslawien.
Deshalb wurde auf dem EU-Gipfel in Helsinki im Dezember 1999 beschlossen, dass diese Interventionstruppe aus 50-60.000 Soldaten bestehen soll, die ausgerüstet mit hochmodernen Material innerhalb von nur 60 Tagen mobilisiert werden soll, um bei Konflikten selbst in peripheren Gebieten auf dem Globus nach dem Rechten zu sehen. Im Klartext heißt das: Die EU will in Zukunft ihre Interessen weltweit auch militärisch durchsetzen. Bis 2003 soll der Aufbau dieser schnellen Eingreiftruppe abgeschlossen sein. Wer dann das Sagen in dieser Truppe haben wird, machen schon allein die Zahlen deutlich. Deutschland will mit 18.000 Soldaten etwa ein Drittel der Kräfte bereitstellen, die restlichen zwei Drittel werden von den übrigen 14 EU-Staaten gestellt. Auch der Oberbefehlshaber dieser Truppe wird von Deutschland gestellt. Bernd Schuwirth leitet als Generaldirektor den Militärstab aus Offizieren aller EU-Staaten. Wenn angesichts dieser Fakten angebliche Linke wie Hans-Christian Ströbele von Jäger 90/Die Olivgrünen den Aufbau der EU-Armee befürworten, weil damit Deutschland eingebunden und gebändigt würde, kann es sich dabei eigentlich nur um einen totalen Realitätsverlust handeln, oder aber die Kritik an Deutschland ist doch nicht so ernst gemeint. Auf jeden Fall unterstützen solche Position Deutschlands Drang nach einer neuen Großmachtspolitik. Ein hoher deutscher Offizier sah die Situation dagegen schon 1991 klarer, als er sagte: \"Deutschland ist nicht mehr Objekt des Geschehens, sondern macht selbst das Spiel - und zwar mit europäischen Trumpfkarten!\"
Die USA reagieren auf diese Herausforderung durch die EU unter deutscher Führung mit scharfer Kritik. So nannte ein Sicherheitsberater des US-Präsidenten den Aufbau der EU-Armee Anfang des Jahres einen \"Dolchstoß in das Herz der NATO\". Auch vor diesem Hintergrund muss der geplante Aufbau des amerikanischen Raketenabwehrprogramms gesehen werden. Noch sind die Europäer allerdings gezwungen auf die militärische Führungsmacht der USA Rücksicht zu nehmen und deshalb betonen sie auch ständig, die EU- Armee sei keine Konkurrenz zur NATO. In der Realität wird sie dies natürlich werden.
Damit aber die EU in ein auch militärisches Konkurrenzverhältnis mit den USA treten kann, müssen noch immense Rüstungsmaßnahmen bewältigt werden. Erste Schritte in diese Richtung sind mit der Bildung des größten europäischen Rüstungskonzern, der European Aeronautic Defense and Space Company (EADS) aus der deutschen DASA, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen CASA schon gemacht. Durch die Forcierung des weltraumgestützten \"Helios\" Aufklärungssystem sollen Defizite in der Informationsbeschaffung beseitigt werden. Und Airbus baut einen eigenen europäischen Militärtransporter - nicht zuletzt dafür wird in Hamburg-Finkenwerder ein Naturschutzgebiet zugeschüttet. Und auch die Bundeswehr wird schon seit Jahren für diese neuen Aufgaben umgebaut. So wurde erst letztes Jahr beschlossen die sog. Krisenreaktions Kräfte, also die diejenigen Einheiten die Kriege führen sollen auf 150.000 Männer und neuerdings auch Frauen aufzustocken.
Dies alles zeigt, dass es sich bei der EU nicht um ein \"positives, friedliches Projekt\" handelt, sondern dass die EU, unter deutscher Führung, ein imperialistisches Herrschaftsprojekt ist. Deshalb gilt für uns:
Deutschland stoppen !\ Den Aufbau der EU-Armee verhindern!\ Das imperialistische Herrschaftsprojekt EU zu Grabe tragen!\ Für den Kommunismus! Für die Anarchie!\ La Banda Vaga 2001
Deutschland stoppen! - Den Aufbau der EU - Armee verhindern!
28.05.2001
Der Text ist in dieser Fassung in \"Knack den Gipfel\", der Mobilisierungsbroschüre gegen den deutsch - französischen Gipfel, abgedruckt worden. Eine ältere Version war ein Aufruf zur Beteiligung am Ostermarsch.
\"Es wird ein nächstes Mal geben, obwohl ich nicht weiß, wann und wo!\"[1] So der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann nach dem Ende des NATO-Angriffskrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Und beim nächsten Mal wollen sich die Europäer unter der Führung Deutschlands natürlich nicht so von den USA vorführen lassen wie bei der Bombardierung Jugoslawiens. Deshalb haben die Herrschenden in Europa ihre Konsequenzen aus dem Verlauf des Krieges gezogen und auf dem EU-Gipfel in Köln im Juni 1999 beschlossen, die Westeuropäische Union (WEU), ein ursprünglich gegen Deutschland gerichtetes Militärbündnis, in die EU zu integrieren. Damit wird die EU selbst zu einem Militärbündnis. Dafür soll das aus der deutsch-französischen Brigade hervorgegangene Eurokorps zu einer schnellen europäischen Eingreiftruppe ausgebaut werden. Auf dem EU-Gipfel in Helsinki im Dezember 1999 wurde dann beschlossen, dass diese Interventionstruppe aus 50 - 60 000 Soldaten bestehen soll, die, ausgerüstet mit hochmodernem Material, innerhalb von nur 60 Tagen mobilisiert werden soll, um bei Konflikten selbst in peripheren (!) Gebieten auf diesem Globus rasch nach dem Rechten sehen zu können. Im Klartext heißt das: Die EU will in Zukunft ihre Interessen weltweit auch militärisch durchsetzen. Bis 2003 soll der Aufbau dieser schnellen Eingreiftruppe abgeschlossen sein. Wer dann das Sagen in dieser Truppe haben wird, machen schon die Zahlen deutlich. Deutschland will mit 18 000 Soldaten etwa ein Drittel der Kräfte bereitstellen, die restlichen Zwei Drittel werden von den übrigen 14 EU Staaten gestellt. Auch für einen deutschen Oberbefehlshaber dieser Truppe setzt sich das deutsche Regierungspersonal verhement ein. [2]
Damit die EU in ein auch militärisches Konkurrenzverhältnis mit den USA treten kann, müssen noch immense Rüstungsmaßnahmen bewältigt werden. Erste Schritte in diese Richtung sind mit der Bildung des größten europüischen Rüstungskonzern, der European Aeronautic Defense and Space Company (EADS) aus der deutschen DASA, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen CASA schon gemacht. Durch die Forcierung des weltraumgestützten \"Helios\" Aufklärungssystems sollen Defizite in der Informationsbeschaffung beseitigt werden. Und Airbus baut einen eigenen europäischen Militärtransporter - nicht zuletzt dafür wird in Hamburg-Finkenwerder ein Naturschutzgebiet zugeschüttet. Die USA reagieren auf diese Herausforderung durch die EU unter deutscher Führung mit Kritik. So formulierte der stellvertretende US-Außenminister Talbott unlängst: \"Wir wollen keine europäische Verteidigungsinitiative erleben, die erst in der NATO entsteht, dann aus der NATO herauswachse und sich dann von der NATO wegbewege.\" [3]\ Auch vor diesem Hintergrund muß der geplante Aufbau des amerikanischen Raketenabwehrprogramms gesehen werden. Noch sind die Europäer unter deutscher Führung gezwungen, auf die militärische Führungsmacht der USA Rücksicht zu nehmen. Deshalb betonen europäische Politiker auch ständig, die EU-Armee sei keine Konkurrenz zur NATO. In der Realitüt wird sie dies natürlich werden. Vor diesem Hintergrund sind Positionen, wie die von Hans-Christian Ströbele (Jäger 90 / Die Olivgrünen), der für den Aufbau der EU-Armee ist, weil damit angeblich Deutschland eingebunden und gebändigt wird [4], naiv bzw. gefährlich, da die Durchsetzung deutscher Interessen momentan nur europäisch möglich ist. Er befördert damit genauso deutsche Großmachtspolitik wie andere \"Linke\" (z.B. die Wochenzeitung \"Freitag\" [5]), die fordern die EU müsse gegen die alleinige Weltmacht USA gestärkt werden. Ein hoher deutscher Offizier sah die Situation schon 1991 klarer: \"Deutschland ist nicht mehr Objekt des Geschehens, sondern macht selbst das Spiel - und zwar mit europäischen Trumpfkarten!\" [6]
La Banda Vaga 2001
Notizen\ [1] Klaus Naumann zit. n. Arno Neuber. Armee für alle Fälle. Der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee, in: ISW (Hrsg.) ISW Report Nr. 44 vom August 2000. S. 3.\ [2] vgl. AP - Agenturmeldung. vom 15.11.2000. Streit um General.\ [3] Strobe Talbott zit. N. Oliver Thrünert. Wie die Europäer sicherheitspolitisch erwachsen werden wollen, in: Frankfurter Rundschau vom 24.7.2000, S. 8.\ [4] Vgl. Interview mit Christian Ströbele \"Die Grünen sind keine Kriegspartei\", in: Junge Welt vom 3./4.3.2001. S. 2 f.\ [5] \"Wer eine multipolare Welt amerikanischer Hegemonie vorzieht, wird dafür sorgen müssen, dass sich alternative Machtzentren entwickeln, die im Wettbewerb mit den USA bestehen können. Die Weltmacht Europa darf damit auch für europüische Linke kein Tabu sein.\", so der \"Freitag\" im Frühjahr 2000. Zit. n. Ralf Schröder, EU contra SDI, in: Konkret 3/2001, S. 40.\ [6] Zit. n. Johannes Varwick, Sicherheit und Integration in Europa. Zur Renaissance der Westeuropüischen Union, Opladen 1998, S. 199.
Knack den Gipfel! - Aufruf des Bündnisses \"Tollerohne\"
26.05.2001
Aufruf zu einem bunten und vielfältigen PROTEST gegen ein Europa der Gewalt und Unterdrückung
Deutsch-französischer Gipfel in Freiburg\ Wenige Tage vor dem EU-Gipfel in Göteborg werden sich Chirac, Schröder & Co. am 12. Juni in Freiburg im Breisgau treffen. Dabei demonstrieren die europäischen Führungsmächte Deutschland und Frankreich Geschlossenheit, nicht zuletzt weil das Verfolgen deutscher (französischer etc.) Interessen nur noch europäisch möglich ist. Aber auch mit zunehmender Europäisierung der Nationalstaaten bleibt dies ein Eu- ropa der Ausgrenzung, der kriegerischen Interventionen und des Arbeitszwangs. Doch dieses Europa ist nicht unseres!\ Diesen Sommer werden europaweit Tausende ihren Widerstand gegen die kapitalis- tische Verwertung und deren Auswirkungen auf die Straße tragen: neben Freiburg in Göteborg gegen den EU-Gipfel (14. Juni), die Weltbank-Tagung in Barcelona (24. Juni) und den G8-Gipfel in Genua (20. Juli). Spucken wir den Herrschenden in die Suppe! Für eine Welt, in der viele Welten Platz haben!
Wirtschaftsmacht Europa\ In den letzten Jahren hat sich der marktwirtschaftliche Wettbewerb zwischen den Nationalökonomien hin zu konkurrierenden Wirtschaftsräumen verlagert. Dabei bildeten sich die Wirtschaftsblöcke EU, Japan und USA (mit Freihandelszonen NAFTA und bald FTAA) heraus. Wirtschaftliche Krisen, zunehmende Kapitalanhäufung, verschärfte Ausbeutung von Arbeitskraft usw. führen zur Marginalisierung weiter Bevölkerungsteile nicht nur des Trikonts. Dort müssen sich immer mehr Menschen in Fabriken zu Niedrigstlöhnen verdingen, unter denkbar schlechtesten Bedingungen und ohne gewerkschaftlichen Schutz. Bei uns wird denjenigen, die in dieser Verwertung gerade nicht gebraucht werden, die Schuld an ihrer Erwerbslosigkeit zugeschoben: \"Es gibt kein Recht auf Faulheit\" (Schröder). Soziale Sicherungssysteme werden abgebaut, Erwerbslose in Billiglohnjobs gezwungen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich eine vielstimmige Bewegung: Die Streiks im öffentlichen Dienst, die \"sans papier\" (Flüchtlinge ohne Papiere) thematisieren ihre Situation als entrechtete ArbeiterInnen, Arbeitslose gehen auf die Straße. Neben reformistischen Forderungen steckt im Kampf um die realen Zumutungen des Kapitalismus immer ein Funke Utopie: \"Travaillez jamais!\" - Arbeitet nie!
Festung Europa\ Der Wunsch nach einem besseren Leben treibt seit Jahren MigrantInnen in die Europäischen Union. Doch willkommen sind sie hier nicht. Ihnen wird die Einreise er- schwert, sie werden drangsaliert, eingesperrt und zu Niedriglohnarbeiten gezwungen. Und sie werden wieder rausgeschmissen: In Deutschland wurden allein im Jahr 2000 32.443 Menschen auf dem Luftweg abgeschoben, wobei hier Methoden angewandt werden, durch die der Tod von Flüchtlingen billigend in Kauf genommen wird. Mit der EU-Osterweiterung werden die Beitrittskandidaten in die rigide Asylpolitik der EU-Staaten eingebunden: Aufrüstung der Grenzen, Installierung von Abschiebeknästen und verstärkte Kontrollen im Hinterland. Zudem soll die Asylgesetzgebung in der EU vereinheitlicht werden. Die EU-Kommission hat dazu einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Dieser könnte in einigen Ländern Flüchtlingen durchaus Verbesserungen einbringen. So soll z.B. gesichert werden, dass Asylsuchende \"nicht in Armut absinken\". Der Entwurf ist aber vage formuliert und orientiert sich durchaus an den strikten und harten Regelungen Deutschlands. So soll die so genannte \"Residenzpflicht\", die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf den jeweiligen Landkreis, bestehen bleiben. Das Schicksal der Menschen, denen kein Asyl gewährt wird oder die ein solches erst gar nicht beantragen, wird von dem Vorschlag freilich nicht berührt. Von einer Orientierung am Menschenrecht auf Freizügigkeit kann keine Rede sein. Völlig ausgeblendet bleiben zudem die Fluchtgründe. Genau darum muss es aber Menschen gehen, die nicht hinnehmen wollen, dass es Menschenrechte gibt, die für ein paar gelten, für die große Mehrheit der Weltbevölkerung aber nicht.
EU-Armee\ Die EU zeigt sich, unter Führung Deutschlands, auch militärisch zunehmend selbstbewusster. Der im Kosovokrieg demonstrierten militärischen Abhängigkeit von den USA begegnete sie daher mit dem Beschluss, das Militärbündnis WEU (Westeuropäische Union) in die EU einzugliedern und eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden. Auf dem EU - Gipfel in Helsinki im Dezember 99 wurde dann beschlossen, dass diese Interventionstruppe aus 50-60.000 Soldaten bestehen soll, die, ausgerüstet mit hochmodernem Material, innerhalb von nur 60 Tagen mobilisiert werden kann, um bei Konflikten selbst in peripheren(!) Gebieten weltweit schnell eingreifen zu können. Im Klartext: Die EU will in Zukunft ihre Interessen weltweit auch militärisch durchsetzen. Wer dabei das Sagen haben wird, machen allein die Zahlen deutlich. Deutschland will mit 18.000 Soldaten etwa ein Drittel stellen, den Rest die übrigen 14 EU-Staaten. Damit die EU auch militärisch als Konkurrent gegenüber den USA auftreten kann, müssen aber noch immense Rüstungsmaßnahmen getroffen werden. Mit z.T. einer gehörigen Portion Antiamerikanismus haben sich jedoch bereits PDS, olivGrüne bis hin zum neuen europäischen Rüstungskonzern EADS alle auf die Ideologie eines \"guten\" europäischen Militarismus geeinigt.
Es gibt kein ruhiges Hinterland!\ Gegen alle \"Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes und geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist\", setzen wir die Utopie einer klassen- und staatenlosen Weltgesellschaft. Auch jenseits von Seattle und Prag gilt es, den Herrschenden klarzumachen, dass sie mit unserem Widerstand rechnen müssen.
Reißen wir die Mauern ein, thematisieren wir den Rassismus des herrschenden Europa! Macht Protest zum Widerstand!
Tollerohne - Bündnis, Freiburg, 2001
Nazis morden - Rotgrün schiebt ab
20.01.2001
»Auch der Ausländer, der vielleicht morgen abgeschoben wird, soll sich heute noch auf unseren Straßen sicher fühlen können.«\ Günter Beckstein, CSU
Mit diesen Worten macht der Innenminister Bayerns klar, was den Kern der Rechtsextremismusdebatte ausmacht, die seit dem letzten Sommerloch durch die bundesweiten Medien geistert. In trauter Eintracht verurteilen die Industrie, Rotgrün und Teile der Union den gewalttätigen Rechtsextremismus hierzulande.\ Doch nach all dem Medienrummel ist zumindest klar geworden, worauf mensch hinaus will: Das Bild eines sauberen Deutschlands soll wiederhergestellt werden. Wie die Realität aussieht, zeigt aber beispielsweise die Debatte über die Abspeisung der NS - ZwangsarbeiterInnen und die antisemitische Brandrede Martin Walsers. Ein weiteres Beispiel war die rotgrüne Begründung des Angriffskriegs gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit der zynischen Bemerkung, gerade die Täternation von Auschwitz sei nun dazu berufen, überall auf der Welt militärisch für Ordnung sorgen. Im Kosovo können albanisch - völkische Gruppierungen nun unter dem Schutz deutscher Soldaten weiterhin daran arbeiten, diese Region Juden- und Romafrei zu machen.\ Deutsche! Kauft deutsche Bananen!\ Es geht also nicht um Menschenwürde, sondern um den Standort (\"Green-Card\"), um das \"Wir Deutsche\" als standortbewußte, leistungsdenkende Produzenten und Konsumenten. Inwiefern aber gerade der Standort für hierlebende Menschen, insbesondere für nichtdurchschnittsaussehende Menschen, gefährlich sein kann, wird nicht thematisiert. Viele dieser Menschen erfahren es aber tagtäglich am eigenen Leib, was es heisst, nicht \"deutsch\" genug zu sein. Einerseits sind sie körperlichen Übergriffen von Nazis und RassistInnen ausgesetzt, andererseits unterliegen sie staatlichen rassistischen Gesetzen, wie der Residenzpflicht (Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch bearbeitet wird, dürfen den Landkreis, in dem sie gemeldet sind, nicht ohne behördliche Genehmigung verlassen). Gerade dieses Hand - in - Hand von \"Volk\" und Staat macht den Ruf nach einem NPD-Verbot heuchlerisch: denn dadurch wird nur das immense Bedürfnis nach einem Sündenbock befriedigt - und alles kann bleiben, wie es ist. Die Grundlagen des Rassismus werden damit aber nicht angetastet. Diese liegen einerseits in den Auschlußmechanismen von Staat und \"Volk\", anderseits in der kapitalistischen Logik der Verwertung von Humankapital. Ohne beides wären Nazis gar nicht möglich. Die Parole \"Ausländer raus!\" ist nämlich meistens auch die verbale Kurzform für das, was viele Bundesbürger fordern (vgl. Diskussion über die \"Doppelte Staatsbürgerschaft\"), sowie für das, was nach den Abschiebeknästen erfolgt. Die politische Sprache muß sich ändern, seit langer Zeit betreibt sie etwa verbale Mobilmachung gegen Flüchtlinge: Da müssen \"Fluchtwege\" abgeschnitten, da muß \"Abschreckung\" praktiziert werden. Solange Migrationspolitik im Stil von Katastrophenpolitik gemacht und über Flüchtlinge geredet wird wie über eine Heuschreckenplage, sind solche Verbotsforderungen peinlich. Gleichzeitig nutzen die Herrschenden die Verbotsdebatte zur Stärkung der sog. \"Inneren Sicherheit\". Das Demonstrationsrecht soll verschärft, die gerade erst wegen rechtsstaatlichen Bedenken abgeschaffte Kronzeugenregelung wieder eingeführt und viele weitere repressive Maßnahmen ergriffen werden. Der Ruf nach einem NPD-Verbot ist damit zugleich der Ruf nach einem \"Starken Staat\", er schürt Illusionen, der Rechtsnachfolger des 3. Reichs, die BRD, könnte tatsächlich die faschistische Gefahr bannen.
Lieber einen anständigen Aufstand als den Aufstand der Anständigen!\ Weltrevolution statt NPD-Verbot!\ Für freies Fluten!\ La Banda Vaga, 2001
Soziale Kämpfe und anarchistische Bewegung in Griechenland
26.12.2000
Zur Veranstaltung am 12. Januar 2001, 20 Uhr, KTS Freiburg, Basler Strasse 103
Griechenland, vielen bekannt als sonniges Urlaubsland, taucht nur selten in den deutschen Medien auf. Wenn doch einmal, dann meistens, um über Katastrophen wie Erdbeben, Waldbrände oder wie im Oktober 2000 den Untergang einer Kykladenfähre zu berichten. Was politisch geschieht, ist dagegen gänzlich unbekannt. Dabei lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen sozialen Kämpfe, die die Anpassung Griechenlands an die EU-Normen begleiten. Radikale Lohnkämpfe, Straßenblockaden von Bauern, demonstrierende SchülerInnen und eine vielseitig aktive anarchistische Szene sorgen immer wieder für kurze Aussetzer im kapitalistischen Alltag. Um diesen Widerstand zu brechen und potentiell wiederständige Teile der Bevölkerung abzuschrecken, werden immer wieder AktivistInnen der anarchistischen Szene zu TerroristInnen aufgebaut und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Nicht selten gelingt es jedoch in den Revisionsprozessen, die Konstrukte des staatlichen Verfolgungsapparates zu entlarven und Freisprüche für die Angeklagten zu erkämpfen. Um diese \"juristischen Schwierigkeiten\" zu bewältigen, bereitet die Regierung seit einiger Zeit ein sog. Antiterrorgesetz vor. Dieses Gesetz, das diesen Winter verabschiedet werden soll, wird die Verurteilung von \"TerroristInnen\" erheblich erleichtern. So sollen Geschworenengerichte in \"Terrorismus-Prozessen\" abgeschafft werden (die Geschworenen haben in Politprozessen immer wieder die Berufsrichter überstimmt und so für Freisprüche gesorgt). Video- und Tonbandaufzeichnungen mit verzerrter Stimme werden als Beweismittel gelten, Blutentnahme und DNA-Kontrolle als Beweismittel eingeführt. Des weiteren soll die schon heute praktizierte Rolle des Agent Provokateur gesetzlich verankert und Kronzeugen begünstigt und geschützt werden. Neben der EU spielen die USA, deren Polizei und Geheimdienste einen ständigen Druck auf griechische Stellen ausüben, eine führende Rolle bei diesem Umbau der Strafprozessordnung. Schon Anfang September 2000 wurde zwischen Beiden Ländern das \"Memorandum of understanding\" unterzeichnet. Dieses bilaterale Abkommen sieht den Austausch von Informationen zur \"Bekämpfung organisierter Kriminalität und Terrorismus\", sowie Zusammenarbeit bei \"Prävention und Repression\" und der \"Verfolgung von Flüchtlingen\" vor. Angeblich geht es in der Diskussion einzig um die Bekämpfung der seit 1975 aktiven Organisation \"17. November\". Für die griechische Regierung jedoch geht es v.a. um die effektive Bekämpfung des inneren Feindes und darum, endlich Erfolge gegen die Vielzahl klandestiner Gruppen vorweisen zu können, die die verschiedenen gesellschaftlichen Kämpfe mit kleineren Anschlägen begeiten. Erfahrungsgemäß wird sich jede Gesetzesverschärfung zuallererst gegen die anarchistische Bewegung richten.
Ralf Dreis, bis vor kurzem Griechenland-Korrespondent der \"Jungle World\", gibt einen Abriss über die Entwicklung seit dem Wahlsieg der sozialdemokratischen Pasok 1981 unter Andreas Papandreou; übrigens der erste linke Wahlsieg in Griechenland, auf den kein Putsch folgte und der mit Parolen, wie \"Raus aus der NATO\", \"Nein zur EG\", \"Enteignung der Kirche\", \"Verteilung von Kirchengrund an Bauerngenossenschaften\" und \"Gleiche Rechte für Frauen\" gelang. Schwerpunkte der Veranstaltung werden die politischen Gefangenen, die überwiegend der anarchistischen Bewegung angehören, die Antikriegsbewegung wärend des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien und die HausbesetzerInnen Szene sein. Dazu wird auch der Film \"10 Jahre besetztes Zentrum Villa Amalia in Athen\" gezeigt.
La Banda Vaga 2000
Offener Brief an den Stadtkurier
26.11.2000
Der Freiburger Stadtkurier hat in einer seiner letzten Ausgaben erneut dem Chef der Freiburger REPs Manfred Jordan eine Plattform geboten. Er durfte sich über die momentane Rechtsextremismus-Debatte äußern. Wir wollen dies nicht länger akzeptieren.
Folgenden offenen Brief erhielt der Stadtkurier Anfang November 2000:
Sehr geehrte Damen und Herren!\ In ihrer Ausgabe vom 27.09.2000 haben sie zum wiederholten Male dem Kreisvorsitzenden der Republikaner in Freiburg Manfred F. Jordan eine Plattform für sein rechtsextremistisches Gedankengut gegeben. Scheinbar fühlen sie sich von der Resolution gegen Rechts, die vom Stadtrat beschlossen wurde, nicht angesprochen. Auch die täglichen Übergriffe auf AusländerInnen, Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und Synagogen in diesem Land scheinen sie nicht zu beeindrucken. Daß die Republikaner mit ihrer rassistischen Politik für diese Vorkommnisse mitverantwortlich sind, sollte ihnen nicht unbekannt sein. Doch damit nicht genug, stellen sie den rechtsradikalen \"Deutschen Konservativen e.V.\" auch noch eine Plattform in ihrer Zeitung zur Verfügung (ganzseitige Anzeige der \"Deutschen Konservativen e.V.\" für eine Demonstration der rechtsextremen pseudochristlichen Splitterpartei \"Christliche Mitte\" gegen das Theaterstück \"Corpus Cristi\" in Freiburg). Laut dem \"Handbuch Deutscher Rechtsextremismus\" verbreiten die \"Deutschen Konservativen e.V.\" neben rassistischen und volksverhetzenden Tönen (...) vermehrt auch antisemitische Stereotypen..\". Die Bereitstellung einer Plattform für solche rechtsextremistischen Gruppen läßt sich auch nicht mit Meinungsfreiheit und Pluralismus begründen. Deshalb fordern wir sie auf, in Zukunft Rechtsextremisten keinen Platz mehr zur Selbstdarstellung zu bieten. Damit dieses glaubwürdig ist, fordern wir sie auf, dieses in ihrer Zeitung publik zu machen. Sollte das nicht geschehen, werden wir mit ihrem Nichtverhalten weiter an die Öffentlichkeit gehen.\ Mit freundlichen Grüßen
Die unterzeichenden Gruppen/Personen\ La Banda Vaga (Freiburg)\ Antifa Freiburg\ Informationszentrum Dritte Welt (Freiburg)\ Rosa Hilfe (Freiburg)\ Radio Dreyeckland (Freiburg)\ Redaktion \"Schwul in Freiburg\"\ WHK (Wissenschaftlich-Humanitäres Komitee) Regionalgruppe Südbaden\ Medienwerkstatt (Freiburg)\ Stattzeitung für Südbaden\ WHK Regionalgruppe Ruhrgebiet\ PDS Dortmund\ (und eine Reihe Einzelpersonen, die hier nicht namentlich erwähnt werden)
Keine Plattform für die rassistische Christliche Mitte!
26.04.2000
Die Proteste gegen das Theaterstück \"Corpus Christi\" werden in Freiburg, wie schon in anderen Städten, von der \"Christlichen Mitte - Für ein Deutschland nach Gottes Geboten\" (CM) angeführt. Doch wer ist diese \"Christliche Mitte\"?
Die CM wurde 1988 mit Sitz in Lippstadt gegründet. Sie ist eine von mehreren christlich-fundamentalistischen Splitterparteien (neben \"Partei Bibeltreuer Christen\" oder der \"Christlichen Liga - Partei für das Leben\"). Bei Wahlen blieb sie bisher ohne nennenswerte Erfolge. Monatlich erscheint ihre Publikation \"Kurier der Christlichen Mitte\".
Inhaltliche Schwerpunkte der CM sind die Ablehnung der Abtreibung und \"der Kampf gegen die Islamisierung Deutschlands\". Dies zeigt den rassistischen Charakter der CM, denn sie behauptet, Moslems würden Deutschland gezielt unterwandern, um einen islamischen Gottesstaat zu errichten. Dagegen haben die Fundamentalisten eine \"Bürgerbefragung\" gestartet. Außerdem vertreiben sie Bücher mit Titeln wie \"Muslime erobern Deutschland\" oder Kassetten wie \"Der Islam auf dem Vormarsch\". Aus diesem Grund lehnt die CM auch Einwanderung nach Deutschland, ausgenommen sind natürlich \"Deutsche\" aus Osteuropa, ab. Wenn diese Positionen dann zurecht als rassistisch kritisiert werden, behauptet sie, ganz im Stil der \"Neuen Rechten\", \"multikulturelle Tugendwächter der politischen Korrektheit\" würden die Deutschen indoktrinieren. Doch nicht nur gegen Moslems hetzt die CM. Einen weiteren Hauptfeind in ihrem Kreuzzug sieht sie in der Homosexualität, die für sie eine \"pervertierte Sexsucht\" ist. Aufgrund eines in Freiburg verteilten Flugblattes (\"Nein zur Homosexualität\") prüft die Staatsanwaltschaft nun, ob Anklage wegen Volksverhetzung erhoben wird. Natürlich vertritt die CM auch frauenfeindliche Positionen und bekämpft die Emanzipation der Frau vehement.
Aus all diesen Positionen heraus ist es dann kein Wunder, daß die CM gute Kontakte zu anderen rechtsextremen Organisationen unterhält. Der angekündigte Hauptredner der CM bei der Protestveranstaltung in Freiburg, Winfried Pietrek, trat schon bei Veranstaltungen der \"Deutschen Konservativen\" und der rechten Deutschlandbewegung\" von Alfred Mechtersheimer auf. Und der Bundesgeschäftsführer der CM, Michael Platt, war früher bei den \"Republikanern\" aktiv. Dies alles sind mehr als genug Gründe, um zu sagen:
Keine Toleranz für Rassismus, Sexismus und Homophobie!
Verhindern wir die Kundgebung der Christlichen Mitte!
La Banda Vaga 2000
EXPO stoppen! Kapitalismus abschaffen!
26.01.2000
Am 1 Juni 2000 soll in Hannover die \"erste Weltausstellung auf deutschem Boden\", die EXPO 2000, ihre Pforten öffnen. Fünf Monate lang wollen rund 200 Regierungen und Großkonzerne den 40 Millionen Besucherinnen \"aus aller Welt\" unter Aufwendung der modernsten und teuersten Multimedia - Präsentationstechniken ihr Bild der Zukunft schmackhaft machen.
Während Armut, Ausbeutung und Unterdrückung weltweit verschärft werden, geloben die Herrschenden Besserung und malen die Zukunft in den rosigsten Farben. Während die bestehenden patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse immer unerträglicher werden, soll das Bewußtsein dafür durch modische Modernisierungsfloskeln zum Verschwinden gebracht werden. Krieg heißt heute \"Humanitäre Mission\", die verschärfte Ausbeutung von Mensch und Natur \"Nachhaltige Entwicklung\", rassistische Ausgrenzung \"Innere Sicherheit\", und imperialistische Bestrebungen werden zynischerweise \"Globale Verantwortung\" genannt.
Nachhaltige Ausbeutung und Herrschaft
Die EXPO soll Besucherinnen eine \"Welt der Zukunft\" zeigen, die nach den ökotechnokratischen Maßgaben der Agenda 21 und deren nicht mehr ganz so taufrischem Herrschaftskonzept \"Nachhaltigkeit\" gebaut sein soll. Und das heißt praktisch: Nur durch neue umweltzerstörerische Technologien, durch die ungehemmte Entfaltung kapitalistischer Akkumulation - wie es die EXPO-GmbH nennt, und wie es auch integraler Bestandteil der Agenda 21-Ideologie ist - durch den Einsatz der \"Lösungskompetenz von Unternehmen\" seien die sog. globalen Menschheitsprobleme zu lösen.
Miseren wie die steigende Rohstoffverknappung Umweltzerstörung, Hunger und Armut sind für die EXPO-GmbH natürlich nicht Folgen der jahrhundertelangen kolonialen Ausbeutung, der fortdauernden imperialistischen Abhängigkeitsverhältnisse und der kapitalistisch-patriarchalen Arbeitsteilung, sondern seien auf traditionsbedingte Ursachen zurückzuführen. Die Ursachen für ökologische Zerstörung und soziale Verelendung liegen angeblich in den Menschen selbst und ihrem \"Fehlverhalten\", genauer: in ihrer angeblichen Technikfeindlichkeit und dem Fortpflanzungsverhalten der Menschen im Trikont. Die alte reaktionäre Legende von der \"Bevölkerungsexplosion\" als Hauptübel wird wieder aufgewärmt. Es leben ihnen immer noch zu viele, vom Kapital ausgebeutete und vertriebene Menschen auf der Erde. Die eigentlichen Ursachen werden systematisch ausgeblendet und zum Teil sogar als Lösungen präsentiert. So werden z.B. Gen- und Atomtechnologie als zukunftsweisende Konzepte propagiert.
Deutschland marschiert - an der Spitze des Fortschritts
Die ausgestellte Hochtechnologie wird aber auch für militärische und repressive Zwecke genutzt. Autoritäre, reaktionäre und kriegführende Staaten wie die Türkei, Spanien und Mexiko (Chiapas) erhalten anläßlich von \"Nationentagen\" Gelegenheit zur Selbstdarstellung; die BRD feiert den ihren am 3. Oktober. Ein Jahr nach der Beteiligung am Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien will die BRD \"...zeigen, wie wir sind - weltoffen, mit gelebter Menschlichkeit, mit der Fähigkeit zur internationalen Solidarität\" (Kohl 1997). Das \"...Bild der Deutschen wird mit der EXPO 2000 vielfach neu bestimmt. Deutschland kann mit der EXPO. . .beweisen, daß es aus dem Schatten diese Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen herausgetreten ist\" (EXPO-Generalkommisarin Birgit Breuel 1996).
Mit dem Abfeiern von zehn Jahren \"Wiedervereinigung\" will sich die BRD endgültig von der Last ihrer NS-Vergangenheit befreien. Sie will damit den viel zitierten \"Schlußstrich\" ziehen, während das BRD-Kapital die Ausstellung für ihre imperialistischen Ambitionen nutzt. Dabei stört es die Expo-Macherlnnen auch keineswegs, daß der Chefarchitekt des Ausstellungsgeländes ausgerechnet Albert Speer jr. heißt. Ganz im Sinne seines Vaters plante er den deutschen Nationenpavillon als den zentralen und größten Punkt der EXPO, gleich neben dem Europa Center und dem Pavillon der christlichen Kirchen gelegen. Diese Symbolik verdeutlicht die von der BRD schon erreichte Vormachtstellung innerhalb eines erstarkten Europas (s. Osterweiterung) und den offenen Anspruch mit den großen Konkurrenten USA und Japan in die nächste Runde um den heiß umkämpften Weltmarkt zu treten. Der deutlichste Ausdruck hierfür ist der Aufbau einer, von der NATO unabhängigen, Militärorganisation; der WEU. Da wundert es um so weniger, daß die USA ihre Teilnahme an der EXPO - angeblich wegen Geldmangel - abgesagt hat.
Entsichert - Der Polizeistaat lädt nach
Während der Zeit der EXPO wird Hannover exemplarisch für das Vertreibungs- und Repressionskonzept, das auch in anderen BRD-Städten praktiziert wird, zu einer Polizeifestung ausgebaut. Mit Unterstützung von Polizei aus ganz Europa soll den Gästen eine gesäuberte Metropole präsentiert werden. Der Staat wird zum Sicherheitsstaat: BGS und SEK sperren die kameraüberwachte Innenstadt ab. Die Vorbeugehaft wurde von vorher maximal 48 Stunden auf vier Tage ausgeweitet. Mit Beginn der EXPO wird ein zusätzlicher Knast eingerichtet, mit der Begründung, daß insbesondere durch \"ausländische Täterinnen und Täter\" die Kriminalitätsrate steigen würde.
Ab 2001 wird das EXPO-Gefängnis als Abschiebeknast genutzt. Der Zynismus wird komplett, wenn die EXPO-Macherlnnen einen sog. Tag der Weltenwanderung während der Ausstellung arrangieren und gleichzeitig, mit dem Ausbau der Festung Europa, die Lage der Flüchtlinge gerade in der BRD immer dramatischer wird (Flughafenregelung, Asybewerberleistungsgesetz etc.).
Die Beherrschung verlieren! EXPO angreifen!
\"Lust auf Zukunft\" soll sie machen, die EXPO. Wir alle sitzen angeblich in einem Boot, und wenn alle die ärmel hochkrempeln und ihren Teil zur Rettung des Planeten beitragen, wird schon alles gut. Als wären die heutigen Verhältnisse Ergebnis mangelnden Wissens oder Willens. Das Eingeständnis der \"Krise\" dient vor allem der Herstellung von Leistungs- und Anpassungsbereitschaft für die gemeinsame große Sache. Und wer nicht mitmachen will, macht sich schuldig am Elend der Welt und hat in der \"Neuen Mitte\", der wohligen Weltrettungsgemeinschaft, nichts verloren.
Um die Allgemeingültigkeitsansprüche des Weltbildes der EXPO zu untermauern, werden bei der EXPO auch KritikerInnen bestehender Verhältnisse einbezogen und sollen über Integrationsangebote von GegnerInnen zu konstruktiven MitarbeiterInnen gewandelt werden. Dadurch sollen die grundlegenden Gegensätze zwischen EXPO-ldeologie und emanzipatorischen Ideen und Bewegungen verwischt werden. Garniert mit einigen \"Feigenblatt\"-ökoprojekten ergibt das den Versuch, diese Bewegungen verbal zu vereinnahmen - faktisch aber abzuwickeln. Dabei spielen auch die sog. NGOs (Non governmental organizations) die Rolle der Akzeptanzbeschaffer. Damit entlarven sie sich endgültig als systemimmanente Flickschuster des Kapitalismus.
Wir werden trotzdem nicht mitmachen! Mehr noch halten wir diese Propagandaveranstaltung der herrschenden Weltordnung - ebenso wie die bekannteren Inszenierungen kapitalistischer Macht wie EU- und Weltwirtschaftsgipfel oder WTO-Tagungen, für ein Ereignis, gegen das es Widerstand zu entwickeln gilt. Die EXPO bietet thematisch wie praktisch eine große Angriffsfläche, die wir nutzen sollten, um zu zeigen, daß wir auch noch da sind!
Kein Friede mit dem System! Seattle ist überall! EXPO lahmlegen!\ La Banda Vaga 2000
Volk, Völker, am Völkesten - Über die irreführende Analyse der \"Gesellschaft für bedrohte Völker\"
26.10.1999
Dieser Text richtet sich entschieden gegen die \"Gesellschaft für bedrohte Völker\". Wir gehen dabei davon aus, dass es durchaus sein kann und sogar sehr wahrscheinlich ist, dass viele Mitglieder dieser Organisation von edlen Idealen bewegt sind und dass darüber hinaus die Arbeit vor Ort, die von etlichen dieser Mitglieder z.B. gerade in Kosovo geleistet wird, hilfsreich und notwendig sein kann.
Doch uns geht es hier um grundsätzliche Kritik an den Konzepten, die Voraussetzung für die Arbeit vor Ort sind. Diese Arbeit können wir nicht hinterfragen, doch sehr wohl die Frage stellen, ob sie hiermit ein Übel bekämpfen wollen, wofür sie eigentlich selber mitverantwortlich sind.
\"Für Menschenrechte, Emanzipation, Selbstbestimmung\" hiess das Motto der Gesellschaft in den späten Siebzigern, als ihre Zeitschrift \"pogrom\" noch von namhaften Linken wie Helmut Gollwitzer oder Ernst Bloch herausgegeben wurde.
Diese Gesellschaft wird zusätzlich oft in den Medien gepriesen. So im Freitag von 15 Oktober 1999: \"Theodor Fründt von der GfbV besucht das Zeltlager und ist sofort umringt von den Bewohnern. (...) Schon sagt einer, herausfordernd: \'Wir wollen, dass der Mann hierbleibt, der einzige, der sich richtig um uns kümmert.\'\"
Gerade aber das Beispiel Kosovos ist exemplarisch geeignet, um zu zeigen, wie falsch und reaktionär der Ansatz ist, auf dem die Praxis der GfbV beruht. Denn hier ist eine ethnisierte Vertreibung durch andere ersetzt worden.
Dabei bezieht sich der Begriff \"Volk\" bei dieser Gesellschaft stets auf die \"Volksgruppen\" und \"autochthonen Minderheiten\" d.h. etwas, das irgendwie mit einem unverwechselbaren Naturzustand zu tun hat und nicht sozial konstruiert ist.
Dieser Begriff \"Volk\" impliziert geradezu eine erwünschte Nichtvermischung mit anderen. Somit besteht seine Eigendynamik in Ausgrenzung und Negation anderer. Der Begriff \"Volk\" fördert noch dazu eine notwendige Ethnisierung des Sozialen. Durch die Definition des Anderen wird das Eigene aufgebaut. Darüber hinaus, gibt es dort, wo \"Volk\" ist und sich erhalten will, wenig oder keinen Raum für politisch-ökonomische Analysen. Diese reduzierte Sicht kultureller und ethnologischer Sachverhalte ist bequem, naiv und gefährlich zugleich.
Die Möglichkeit einer Koexistenz verschiedener Kulturen auf einem Gebiet wird damit gleich als unmöglich erklärt. Diese Eigendynamik der Ausgrenzung bedeutet aber zugleich die Vernichtung der Möglichkeit, eine oder mehrere Kulturen enstehen zu lassen, wenn wir davon ausgehen, dass zur jeglicher Kultur eine Vermischung und Verschmelzung mit anderen bedeutet. So ist es, mit diesem Volksverständnis, für jeglich neue Kultur schnell zu spät.
Nicht mal der selbstgewählte Name der Organisation mag uns einleuchten, denn jegliches \"Volk\", das als Naturerscheinung definiert ist und nicht als sozialkulturelles Konstrukt gedeutet wird, ist definitionsgemäss bedroht - vom Aussterben nämlich. Jedes Volk ist bei dieser Gesellschaft bedroht - nicht zuletzt das deutsche Volk selbst. Hierzu sind die Beziehungen der Gesellschaft zu den Vertriebenenverbänden zu beachten.
Ein strategischer Rückzug auf eine defensive ethnische Identität in minoritären Gemeinschaften zeigt sich dabei nicht nur ideologisch bedingt, sondern vor allem politisch wirksam. Eine ethnische Identität zu verteidigen, nämlich die deutsche, tat auch der Mob, als er Brandsätze in Rostock-Lichtenhagen warf.
Dass diese Politik der \"zweiten Menschenrechtsorganisation Deutschlands\" (Eigenwerbung) eine reaktionäre Volkstümelei sein muss, wollen wir mit diesem Text gezeigt haben. Diesen Rassismus ohne \"Rassen\" wollen wir bekämpfen.
Diese Politik kann, konsequent durchdacht,nur zu einem Menschenrechtsimperialismus führen, die gerade das auslöst, was sie zu bekämpfen vorgibt: ethnisierte Vertreibungen.
Für uns bleibt es dabei:
kein \"Volk\", kein Reich, kein Führer!
2. Teil
Im ersten Teil dieses Textes sind wir auf den theoretischen Überbau der GfbV eingegangen und kamen zu dem Schluß, daß dieser reaktionär und gefährlich ist. Im zweiten Teil nun wollen wir zeigen, wie sich diese reaktionären Überlegungen in der Praxis auswirken. Als Beispiel dient uns das Verhalten der GfbV zu den Kriegen in Jugoslawien.
»Das Selbstbestimmungsrecht ist nichts als eine Waffe. Man nutze jede aus den Minderheitsproblemen erwachsende Spannung. Man schüre nationale und rassische Konflikte, wo man kann. Jeder Konflikt wird Deutschland, dem neuen selbsternannten weltweiten Hüter der Ehre, Freiheit und Gleichberechtigung, in die Hände spielen.«\ Franz Neumann 1944
Ganz dem sog. \"Selbstbestimmungsrecht der Völker\" verpflichtet, unterstützte die \"Gesellschaft für bedrohte Völker\" die Sezession jedes \"Volkes\" auf dem Balkan und damit die Zerschlagung Jugoslawiens. In ihren vielbeachteten Medienkampagnen forderte sie immer wieder die NATO zu Bombenangriffen, auf die ihrer Meinung nach einzigen Schuldigen an den \"Völkermorden\", auf: \"Den Serben\".[1] In ihrer Propaganda legitimierte sie solche Forderungen mit Vergleichen mit den Verbrechen des deutschen Faschismus. Die GfbV relativiert damit die Verbrechen des NS-Faschismus. Ein besonders widerliches Beispiel dieser Relativierung gab die GfbV ausgerechnet auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald, wo sie auf Transparenten Karadzic, Milosevic, Stalin und Hitler gleichsetzte. Bei solch einem Umgang mit der deutschen Vergangenheit verwundert es nicht, daß 1995 bekannt wurde, daß der ehemalige Naziverwalter des Ghettos Kolomea in Polen, dem die Mitverantwortung für den Tod von 30 000 Juden vorgeworfen wird, im Beirat der GfbV arbeitete. [2]\ Wenn nun die von der GfbV als \"bedrohten Völker\" definierten Gruppen einen eigenen Staat, oder auch nur ein von der NATO überwachtes Protektorat zugestanden bekommen haben, begannen meist erneut ethnisierte Vertreibungen, wie in Kroatien oder im Kosovo. Die GfbV war nun völlig überrascht und bestürzt vom Verhalten ihrer Schützlinge und verlangte jetzt den Schutz der aktuellen Vertreibungsopfer. Das ethnisierte Vertreibungen aber eine logische Konsequenz ihrer Politik sein müssen, kann sie dagegen nicht verstehen, denn das hieße ihren gesamten Politikansatz in Frage zu stellen. Insgesamt läßt sich sagen, daß die Politik der \"Gesellschaft für bedrohte Völker\" im Jugoslawienkonflikt die gleiche ist, wie sie von den Vorfeldorganisationen des völkischen deutschen Imperialismus, wie der \"Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen\" (FUEV) und dem \"Europäischen Zentrum für Minderheitsfragen\" (EZM) vertreten wird. Da verwundert es auch nicht, daß die GfbV enge Kontakte zu beiden Organisationen unterhält.[3] Was alle drei Gruppen verbindet, ist der Grundsatz, daß das \"Volk\" über dem Staat steht und deshalb das Recht zur Sezession hat. In der Konsequenz bedeutet das ein \"ethnische Parzellierung\" der europäischen Nationen in Regionen und Territoralparzellen und die Vorherreschaft des einzigen Staates, der nicht zerlegt werden soll; Deutschland.
La Banda Vaga, 1999
[1] vgl. Andreas Selmeci. Die Kosovaren brauchen unsere Solidarität, Slobodan Milosevics dritter Völkermord muß gestoppt werden. In: Progrom 202 Januar-März 1999\ [2] vgl. Hubert Brieden. Gewehr bei Fuß. In: Junge Welt vom 29.10.1999\ [3] vgl. Walter von Goldenbach und Rüdiger von Minow. Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas. Dritte Auflage Berlin 1999
And the winner is \...
26.07.1999
So, nun ist der Krieg schon seit einem Monat zu Ende, aber wer hat ihn eigentlich gewonnen? Den USA, als Führungsmacht der NATO, ist es jedenfalls gelungen, die neue NATO-Doktrin durchzusetzen. Diese erlaubt es dem Militärbündnis auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates oder Rücksichtnahme auf das Völkerrecht weltweit dort einzugreifen, wo ihre Interessen verletzt werden könnten. Um diese Doktrin durchzusetzen, bedurfte es den Präzedenzfall Kosovo. Ein weiteres Kriegsziel der USA war es, den Eroberungszug ihres imperialistischen Konkurrenten Deutschland auf dem Balkan zu stoppen. Denn Deutschland hatte durch die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens maßgeblich zur Zerschlagung Jugoslawiens und zum Ausbruch des jugoslawischen Bürgerkriegs beigetragen. Dies hatte das Ziel, die beiden mit Abstand reichsten Teilrepubliken Kroatien und Slowenien an den von Deutschland dominierten Wirtschaftsblock EU heranzuführen. Dies alles geschah trotz Proteste der USA. Der Bombenkrieg gegen Jugoslawien hatte deshalb für die USA auch das Ziel, den Hinterhof der BRD/EU zu destabilisieren. Dies wurde durch die enormen ökonomischen Verluste der Nachbarstaaten, die Fluchtbewegungen und die Gefahr weiterer Konflikte innerhalb Jugoslawiens erreicht. Allerdings stellen diese Erfolge für die USA nur einen Pyrrhussieg dar. Denn Deutschland ist es durchaus gelungen, die Situation für sich zu nutzen. Eine weitere Eskalation und Destabilisierung durch einen von den USA geplanten Bodenkrieg konnte verhindert werden. Des weiteren ist es der deutschen Regierung gelungen, militärische Beschränkungen aufgrund der deutschen Vergangenheit zu beseitigen. Dies wurde durch eine beispiellose Umdeutung der Geschichte erreicht. Mußte sich Deutschland wegen Auschwitz in der Vergangenheit militärisch zurückhalten, so argumentieren die Herrschenden heute, daß gerade wegen Auschwitz Deutschland moralisch verpflichtet sei, militärisch einzugreifen. Kriegführen ist ab jetzt für Deutschland wieder normal! Und damit das in Zukunft auch gut klappt, hat Kriegsminister Scharping den Krieg gegen Jugoslawien genutzt, um die für weltweite Kampfeinsätze zuständigen Krisenreaktionskräfte (KRK) der Bundeswehr von 37000 auf 50000 Mann aufzustocken. Gleichzeitig wurde der Kölner EU-Gipfel dazu genutzt den militärischen Arm der EU, die Westeuropäische Union (WEU) zu stärken. Dies geschah mit dem Ziel, künftig auch unabhängig von der NATO Kriege zu führen.\ Trotz dieser einschneidenden und folgenreichen Entwicklungen gab es in Deutschland keinen relevanten Protest gegen den Krieg. Dies wird verheerende Folgen in der Zukunft haben. Denn es stellt sich nicht die Frage, ob es wieder Kriege mit Beteiligung der NATO oder WEU geben wird, sondern nur die Frage, wo dies geschehen wird. Etwa wieder auf dem Balkan oder schon im Kaukasus (der Konflikt um Berg-Karabach eignet sich doch hervorragend für \"humanitäre Interventionen\") oder, oder...
La Banda Vaga, 1999
»Der Hauptfeind steht im eigenen Land«
26.05.1999
»Entgegen pazifistischer Erwartungshaltung hat ein [...] Wettlauf um die künftigen Einflußbereiche im ehemaligen Osteuropa bereits eingesetzt. [...] Wobei sowohl innerhalb der EU als auch im Sinne nationalstaatlicher Politik künftig die Rolle Deutschland beachtet werden muß.«\ (Hartmut Bagger, Generalinspekteur der Bundeswehr)[2]
Seit dem 24. März 1999 bombardiert die NATO unter der militärischen Führung der USA die Bundesrepublik Jugoslawien. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beteiligen sich deutsche Soldaten militärisch an einem Krieg. Und obwohl diese Premiere ausgerechnet auf dem schon zweimal von deutschen Armeen heimgesuchten Balkan stattfindet, gibt es in Deutschland keinen relevanten Widerstand. Auf die Frage, woran das liegt, folgt meist die Antwort, mensch könne sich diesen Krieg nicht erklären und wisse folglich auch nicht, gegen wen sich der Protest richten soll.\ Natürlich muß sich der Widerstand in erste Linie gegen Deutschland richten. Denn neben den historischen Gründen, die es Deutschland verbieten sollten, jemals wieder Krieg zu führen, ist Deutschland auch ein Hauptverantwortlicher dieses Krieges. Im Folgenden soll dies erläutert werden.
Wie der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Hartmut Bagger, oben schon ausgeführt hat, setzte direkt nach dem Zusammenbruch des wirtschaftlichen Systems in Osteuropas der Wettlauf um die künftigen Einflußbereiche ein. Die Taktik des größer gewordenen Deutschlands griff dabei auf schon \"traditionelle deutsche\" Vorgehensweisen zurück, wie die folgenden Aussagen belegen. Die erste stammt aus dem Jahr 1941 vom Leiter der Reichskanzlei Martin Bormann: \"Grundsätzlich kommt es also darauf an den riesenhaften Kuchen (damit ist Osteuropa gemeint. Anmerkung La Banda Vaga) handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.\" [3] Die zweite Aussage stammt aus dem Jahr 1989 vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Alfred Herrhausen. Dieser meint, Deutschland müsse im Hinblick auf Osteuropa \"durch Regionalisierung [...] für sich die politischen »Sahne bzw. Filetstückchen« herausbrechen.\" [4] Das \"Zerlegen\" bzw. \"Regionalisieren\", von dem Bormann und Herrhausen sprechen, geschieht anhand einer völkischen oder neudeutsch \"ethnischen\" Kontinuitätslinie, die bis ins Kaiserreich zurückreicht. Dabei werden angeblich unterdrückte \"Völker\" oder \"Volksgruppen\" konstruiert, die anschließend als Manövriermasse dem Interesse der deutschen Expansion nach Osten dienen. So geschehen auch in Jugoslawien, wo Deutschland durch die einseitige Anerkennung Sloweniens und Kroatiens 1991 maßgeblich zur Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawiens und zum Ausbruch des innerjugoslawischen Krieges beigetragen hat. Dass ausgerechnet Slowenien und Kroatien aus dem jugoslawischen Staat herausgebrochen und an die EU herangeführt wurden, ergibt sich aus den ökonomischen Bedingungen. Diese beiden Teilrepubliken sind nämlich die mit weiten Abstand reichsten Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens. Im Gegensatz zu diesen, hindert in den anderen Teilrepubliken eine aus kapitalistischer Sicht rückständige Sozialstruktur die wirtschaftliche Modernisierung. Weder dem Staatskapitalismus Titos, dem Druck des IWFs, noch dem Nationalismus Milosevics ist es gelungen, diese \"Rückständigkeit\" zu beseitigen und Jugoslawien Wettbewerbsfähig zu machen. Vor allem in den ärmsten Regionen, im Kosovo, in Mazedonien, in Bosnien und in der Herzegowina sind z.T. noch Elemente einer bäuerlichen Subsistenzwirtschaft vorherrschend, die sich jeder kapitalistischen Modernisierung verweigern.\ \"Es sind die sozialen Strukturen und Werte [...] und die mit ihnen verbundenen Blockierungen nationaler und transnationaler Wertschöpfung, auf deren Zertrümmerung dieser Krieg abzielt.\" [5]\ Dieses Zitat zielt zwar eigentlich auf den innerjugoslawischen Krieg, trifft aber auf die Bombardierungen Restjugoslawiens zu. Der Auslöser für die Angriffe dürfte dagegen eher in einer Art innerimperialistischen Konkurrenz zu finden sein. Für die USA muß es darum gehen, die Ausweitung der deutschen Einflußsphäre in Osteuropa zu begrenzen. Daneben haben die beiden Hauptakteure, Deutschland und die USA, aber auch noch andere Gründe. Die USA setzten die neue NATO Strategie durch, die in Zukunft auf störende Elemente wie Vereinte Nationen und Völkerrecht verzichten kann. Für Deutschland geht es darum, die \"Last der Vergangenheit\" hinter sich zu lassen und als \"normale und erwachsene\" Nation endlich auch ökonomische Ziele militärisch durchsetzen zu dürfen. Dabei relativieren die Kriegsminister Scharping und Fischer die Verbrechen des deutschen Faschismus, indem sie Milosevic mit Hitler gleichsetzen, und die Vertreibungen als Deportationen bezeichnen. Sorgen wir dafür, daß Deutschland keinen Schlußstrich unter seine Geschichte ziehen kann! Verhindern wir zukünftige deutsche Eroberungszüge!\ Stoppt die Großmachtsphantasien Deutschlands!\ Wir fordern deshalb:\ Einen Stopp der Bombardierungen und Vertreibungen!\ Grenzen auf für alle Flüchtling, ob aus dem Kosovo oder anderswo!\ Für eine staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!
La Banda Vaga 1999
Notizen
[1] Karl Liebknecht. Gesammelte Reden und Schriften. Band 8 August 1914 bis April 1916. Berlin 1974\ [2] zitiert nach Erich Reiter. Die Bedeutung Österreichs für Künftige Hegemonialbereiche. in: Europäische Sicherheit 5/96\ [3] Martin Bormann zitiert nach Ernst Klee und Willi Dreßen (Hrsg.). Gott mit uns. Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939-1945. Frankfurt am Main 1989\ [4] Alfred Herrenhausen zitiert nach Holger Kuhr. Rußland wird De-Industrialisiert. Hamburg 1993\ [5] Die Ethnisierung des Sozialen. Die Transformation der jugoslawischen Gesellschaft im Medium des Kriegs. Materialen für einen neuen Antiimperialismus Nr.6. Berlin 1993
Verbindungen kappen! - Korporationen abschaffen!
26.08.1998
Du bist neu in der Stadt? Willst dich an der Uni einschreiben? Suchst noch ein Zimmer? Und kennst noch niemanden in der Stadt? So oder ähnlich werben Studentenverbindungen auch hier in Freiburg um Erstsemester. Studentenverbindungen? Sind das nicht nur harmlose Traditionsverbände, die saufen, singen und fechten? Oder steckt mehr dahinter? Für den nichtkorporierten Laien scheint die Struktur des Verbindungswesens kaum durchschaubar. Gut eintausend Verbindungen bestehen an den Hochschulen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Dabei ist Verbindung oder Korporation nur Sammelbegriff. Im einzelnen spalten sich diese in Burschenschaften, Landsmannschaften und Corps.
Burschenschaften:
Sie sind alle farbentragend und größtenteils schlagend. Der größte Dachverband ist die Deutsche Burschenschaft (DB), in der 130 Verbindungen organisiert sind. In die DB werden nur gesunde, nichtbehinderte \"volksdeutsche\" Männer, die den Kriegsdienst nicht verweigert haben, aufgenommen.
Landsmannschaften:
Sie stellen die älteste Form studentischer Verbindung dar. Im bedeutendsten Dachverband, dem Coburger Convent (CC), sind rund 100 farbentragende und schlagende Landsmannschaften und Turnerschaften zusammengeschlossen. Im Gegensatz zur DB bezeichnet sich der CC gerne als unpolitisch - seine Toleranz zeigt sich allerdings insbesondere in Bezug auf seine rechtsradikalen Mitglieder.
Corps:
Im Unterschied zu den Burschenschaften standen die Corps schon immer für des elitäre Studententum. heute noch sehen sich die Corps als die Elite unter den Verbindugen und schotten sich gegenüber der Außenwelt ab. Die meisten farbentragenden und schlagenden Corps haben sich entweder dem Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) oder dem Weinheimer Senioren-Convent (WSC) angeschlossen.
Geschichte der Korporationen
Die Burschenschaften entstanden in der Zeit der Kriege gegen Napoleon (1815-1819) und vertraten in den ersten Jahren ihrer Existenz weitgehend fortschrittliche Ziele. Mit der 1848 gescheiterten Emanzipation des liberalen Bürgertums verschwanden jedoch auch die fortschrittlichen Tendenzen der Burschenschaften mehr und mehr. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden Corps, Burschenschaften und Landsmannschaften immer stärker durch eine antisemitische Haltung geprögt. Mit der Reichsgründung 1871 wurden Nationalismus und Militarismus wesentliche Elemente ihrer Ideologie, die dann unter der Herrschaft Wilhelm des II. weiter florierten. Bei dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, daß gerade die Korporierten sich 1914 in den vordersten Reihen mit patriotischem Hurrageschrei in den Krieg stürzten. Aus dem I. Weltkrieg kehrte eine stramm rechts ausgerichtete Studentenschaft an die Hochschulen zurück. Viele organisierten sich in den Freicorps und kämpften im ganzem Reich gegen die Arbeiterbewegung. So waren Verbindungsstudenten sowohl bei der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik, als auch beim gescheiterten Hitlerputsch beteiligt.
Der gefährliche Dunst der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie hatte früh in die Verbindungshäuser Einzug gehalten. Folgerichtig wurde die Machtergreifung der Nazis 1933 von den meisten Studentenverbindungen begrüßt. Da sie in der Naziherrschaft ihre Verbandsziele erfüllt sahen, führten sie ihre Verbände der Selbstauflösung zu. Das anschließende Verbot war nur noch eine Formalie. Heute wird dieses Ereignis von den Verbindungen fälschlicherweise benutzt, um sich als Nazigegner darzustellen. Einzig katholische Verbände kritisierten den Nationalsozialismus halbherzig. Als Lehre des Nazifaschismus verboten die Alliierten im Nachkriegsdeutschland sämtliche Studentenverbindungen. Im Klima der konservativen Adenauerära und der Wiederbewaffnung konnten sie sich allerdings reorganisieren und ihre alten Beziehungen und Strukturen wiederherstellen. Erst die Studentenbewegung von 1968 konnte den Einfluß korporierter Studenten zurückdrängen. Im Zuge der konservativen Wende der Kohlära und besonders durch den Rechtsruck im Folge der \"Wiedervereinigung\" ist es ihnen gelungen, wieder gesellschaftlich Bedeutung zu erlangen. Dies wird deutlich an den gesteigerten Aktivitäten, die sie heute an den Tag legen. Besondere Bedeutung haben dabei Gerichtsprozesse gegen das politische Mandat, um die angebliche Vorherrschaft linker Asten an den Unis zu brechen.
Ein Männerbund fürs Leben\ Schon immer (ge-)brauchten die Herrschenden, um ihre Machtposition zu festigen, willfährige Gehilfen. Gerade das Korporationsstudententum bietet weißen, funktionierenden, \"nichtbehinderten\", deutschen Männern die Möglichkeit, in führende Positionen gehoben zu werden. Beispiele für diese besondere Art der Karriere sind H.M. Schleyer, Ferdinand Porsche, Dieter Stolte (Intendant des ZDF) und Heinz-Klaus Mertes (Programmchef von Sat1). Andere Korporierte dienten sich bis in verschiedene Entscheidungsebenen der Politik: Kinkel, Kanther, Schäuble, Kohl, Adenauer, Strauß...
Das Korporationswesen entstand in einer Ziet, als die Universitäten nur Männern offenstand. und an ihren Traditionen hat sich in den letzten hundert Jahren nur wenig geändert. Keiner der großen traditionellen Dachverbänden rückte von seinem reaktionär-patriachalen Weltbild ab. Frauen bleiben aus den korporierten Zirkeln ausgeschlossen, ebenso wie sie aus allen wichtigen und entscheidungstragenden Positionen der Gesellschaft ferngehalten werden sollen.
Nationalismus und Militarismus gehören seit jeher zu den Eckpfeilern der Ideologie der Verbindungen. Sie propagieren einen völkischen Nationalismus und unterstreichen durch Fechten, Uniformtragen und einen hierarchisch-autoritären Aufbau ihre Bewunderung für Militär und Militarismus. Daneben fordern die meisten Korporationen ein Großdeutsches Reich in den Grenzen von 1939. So zum Beispiel geschehen auf dem Burschentag der DB 1992 in Eisenach. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, daß österreichische Verbindungen dem DB angeschloßen sind.
Geistige Verwandtschaften zum Rechtsextremismus sind augenfällig. Folgerichtig gibt es einige Querverbindungen ins neonazistische Lager. Besonders in der sog. Neuen Rechten, die eine intellektualisierung der extremen Rechten anstrebt, engagieren sich viele Korporierte.
Ein Beispiel unter vielen ist der neurechte Multifunktionär Hans Ulrich Kopp. Dieser ist Vorsitzender des Altherrenverbandes Danubia München und Mitglied des Witikobundes. Gleichzeitig fungierte er als Sprecher des republikanischen Hochschulverbands und war journalistisch tätig bei den Rechtsaußenpostillen \"Criticon\" und \"Junge Freiheit\". Die in Verbindungskreisen viel gelesene Zeitschrift \"Junge Freiheit\" bemüht sich schon seit längerem, rechtsradikales Gedankengut salonfähig zu machen.
Diese rechte Ideologie wird besonders von österreichischen Verbindungsstudenten in blutige Taten umgesetzt. So sind fast alle österreichischen Neonazis in Korporationen organisiert bzw. waren es. Ein Beispiel hierfür war die Beteiligung von korporierten Studenten an den Bombenanschlägen in Südtirol.
Studentische Verbindungen in Freiburg\ Auch Freiburg als traditionelle Uni-Stadt wird von den Umtrieben der Studentenverbindungen nicht verschont. Insgesamt gibt es hier 36 Korporationen. Alle wichtigen Dachverbände sind in der Stadt präsent. Neben den bereits schon erwähnten DB und CC sind auch der Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) und der Kartellverband Katholischer Studentenvereine (KV) stark vertreten.\ Praktisch alle besitzen Verbindungshäuser in Freiburgs besten Villengegenden. Zimmer in diesen Häusern werden in lokalen Kleinanzeigenblättern kostengünstig angeboten.
Auch in Freiburg durchliefen rechtsextremistische Aktivisten Studentenverbindungen: Wohl der bekannteste war Albert Leo Schlageter, der 1923 wegen seiner rechtsradikalen Terrorakte zum Tode verurteilt wurde. Im NS-Regime wurde er zum \"Ruhrfreiheitskämpfer\" hochstilisiert. Schlageter war Mitglied der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Falkenstein 1913 (Mitglied im CV).
Auch in heutiger Zeit gab und gibt es rechte Aktivisten in Freiburger Verbindungen. Ein Beispiel hierfür ist der Republikaner und \"Junge Freiheit\"-Redakteur Torsten Witt. Dieser war in der Landsmannschaft Neoborussia Halle zu Freiburg 1849 organisiert. Zudem war er noch Sprecher des CC.\ Rechte Tendenzen zeigen sich auch in der Einladungspolitik der Verbindungen. So veranstaltete am 19.5.1998 die Akademische Damenverbindung Merzhausia 1982 einen Vortrag, zu dem als Referent Dr. A. Klocke eingeladen war. Dieser ist Mitglied des erzkonservativen und elitären Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Bei einer Diskussion, die von der Katholischen Studentenverbindung Brisgovia 1880 (Mitglied im KV) am 9.7.1998 veranstaltet wurde, sprach Prof. Bernward Büchner, der Gründer der militanten Lebensschützervereinigung \"Juristenvereinigung Lebensrecht\".
Korporationen abschaffen!
Literaturhinweise:\ D. Heither, M. Gehler, A. Kurth, G. Schäfer: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften. Frankfurt a. M. 1997\ Broschüre der Autonomen Antifa Heidelberg: Stützen der Gesellschaft - Elite der Nation. Studentische Verbindungen in Heidelberg.\ Broschüre des Autonomen Antirassismusreferats in AStA Uni Trier: Studentische Korporationen in Trier\ Diverse Ausgaben der Zeitschrift Burschen raus! der Gruppe Anarcho Randalia.
La Banda Vaga 1998
Her mit dem schönen Leben! - Gemeinsam gegen Ausgrenzung und Sicherheitswahn!
01.07.1998
Der Abbau des sogenannten \"Sozialstaates\" geht einher mit der Konzeption der inneren Sicherheit. Der Staat hat Angst, daß die Menschen, die von der sozialen Ausgrenzung betroffen sind, sich irgendwann einmal zur Wehr setzen. Folgerichtig hat Bundesinnenminister Kanther das Jahr 1998 zum \"Sicherheitsjahr\" erklärt.
Tagtäglich behauptet die herrschende Politik, die \"Innere Sicherheit\" sei in Gefahr. Ohne Umschweife werden zugleich die Schuldigen präsentiert; \"kriminelle Ausländerbanden\", Flüchtlinge, \"kriminelle Jugendliche\", \"aggressive Obdachlose\" und überhaupt alle, die als nicht zur Gesellschaft zugehörig erachtet werden. So wundert es nicht, daß der Ruf nach mehr Polizei, noch schärferen Gesetzen und die vermeintlich gestiegene Angst der Bevölkerung, zu den Zahlen der Kriminalstatistik in keinem Verhältnis stehen.
Aufgrund dessen schaffen die Herrschenden das Feindbild der \"organisierten Kriminalität\"; obwohl diese nicht genauer definiert wird. Damit schaffen sie sich die Gesetze, die sie brauchen. Großer Lauschangriff, beschleunigte Verfahren, unzählige Verschärfungen im sogenannten Ausländer- und Asylrecht und verdachtsunabhängige Polizeikontrollen sind Ausdruck dieser Entwicklung.
La Banda Vaga, 1998
Uns stinkt\'s!!
02.12.1997
Wir dokumentieren hier ein Flugblatt von GewerbeschülerInnen, das diese beim Studistreik 1997 verteilt hatten.
Alle, die den Mund aufzumachen haben, sollen das tun!
Die Medien berichten ununterbrochen von den Protesten der Studis. Von uns ist nie die Rede. Um eins klarzustellen: uns ist die Verschärfung der Studienbedingungen erst mal scheißegal. Den Studis fehlen die neuen Bücher? Uns hat man nie beigebracht, sie richtig zu lesen. Die Studis protestieren dagegen, daß sie ihre Lehrerausbildung nicht zu Ende machen können, daß das ihre Lebensperspektive zerstört? Unsere ist schon lange im Eimer. Wir haben einen Hauptschulabschluß, manchmal einen Realschulabschluß. Wir sind also nie zu höherer Bildung gekommen. Das Schulsystem weist uns die schlechten Plätze in der Gesellschaft zu. Nicht mal Arbeiter dürfen wir mehr immer werden und selbst das ist beschissen genug! Unsere Eltern haben das erworben, was man \"bescheidenen Wohlstand\" nennt. Uns bleibt wahrscheinlich nicht viel mehr als häufige Arbeitslosigkeit. So eine Lebensperspektive ist ganz schön beschissen.
Auch viele Studis sind nach dem Studium immer öfter arbeitslos und müssen während ihres Studiums für miese Löhne jobben. Jetzt jammern sie darüber und fordern mehr Bafög. Aber sie vergessen dabei, daß Realschüler, Hauptschüler und Sonderschüler heute oft nicht einmal eine Lehrstelle finden. Wir träumen so gut wie sie vom guten Leben! Wir haben keinen Bock zu arbeiten! Wir haben kein Bock, Industriekaufmann, Jungarbeiter und Friseurin zu sein. Wir wollen nicht immer Rechnungsabschlüsse machen und immer irgendwelche fettigen Haare schneiden und dafür so wenig Geld bekommen, daß wir meist noch bei unseren Eltern wohnen müssen. Wir sind nicht dümmer als die Studis!
Die Studenten sagen uns später, was wir zu tun haben. Lehrer, die auch mal studiert haben, haben uns irgendwann einmal auf die Realschule oder die Hauptschule geschickt. Damit waren wir ausgegrenzt. Damit war klar, daß wir zu den 50% der Menschen in Deutschland gehören, die gerade 1% des Reichtums besitzen und dafür verdammt viel schuften müssen.
Wenn die Studis also nicht mehr wollen, als wieder die besseren Plätze in der Gesellschaft, dann sollen sie uns bloß vom Hals bleiben. Wenn sie aber wirklich Bildung für alle wollen wie sie sagen, dann sollen sie daran denken, daß man das Schulsystem wie es jetzt ist abschaffen muß. Wir sind nicht dümmer als sie, sie hatten nur gebildetere und reichere Eltern!
Bildung für alle heißt, daß es in Zukunft keine Sonderschüler, Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten mehr geben darf.
Bildung für alle heißt, daß auch Friseurinnen, Industriekaufmänner, Jungarbeiter, usw. an die Uni dürfen.
Bildung für alle heißt, daß alle so wenig arbeiten müssen, daß sie Zeit haben zu lernen!
Bildung für alle heißt, daß alle genug Geld für Bücher haben!
Schüler und Schülerinnen der Max-Weber-Schule, der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule und der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule.\ [Verteilt während des Studistreiks 1997]