Aktuelles

  • Rückblick zur Vortragsreihe „Mehr Plan wagen“

    Wir haben einen Rückblick zu unserer letzten Vortragsreighe auf Communaut veröffentlicht: https://communaut.org/de/rueckblick-zur-vortragsreihe-mehr-plan-wagen

    Die Vortragsreihe „Mehr Plan wagen“ hatte sich den thematischen Schwerpunkt gesetzt, das Modell einer demokratischen Planwirtschaft in der Klimakatastrophe zu beleuchten und zu diskutieren. Unsere Überlegungen waren davon geleitet, dass bisherige Vorstellungen vom Sozialismus oder Kommunismus angesichts der Auswirkungen des Klimawandels einer gewissen Revision unterzogen werden müssen. Da wir selbst dabei sind, einen Text zu diesem Thema zu verfassen, organisierten wir diese Vortragsreihe. Der Text wird in Kürze veröffentlicht.

    1. Vortrag von La Banda Vaga:
    Fossiler Kapitalismus und die Folgen für die Vorstellungen des Kommunismus

    Um diese These direkt zur Diskussion zu stellen, hielten wir den ersten Vortrag selbst. Ziel war, einerseits die Unmöglichkeit einer marktbasierten Bewältigung der Klimakrise zu verdeutlichen und andererseits Konturen einer Alternative aufzuzeigen. Wie bereits angedeutet müssen historische Vorstellungen über den Kommunismus revidiert werden. Beispielsweise ist die Idee einer Gesellschaft, in der jeder Mensch nur noch wenige Stunden arbeiten müsse, angesichts der notwendigen Abkehr von fossilen Energieträgern passé. Das hat weitreichende Konsequenzen für das, was wir eine befreite Gesellschaft nennen. Mehr Arbeit und weniger Ressourcen sowie weitreichendere ökologische Verwüstungen als bisher angenommen bedeuten ein geringeres Maß an Genuss und Freiheit als in den linken Utopien vor der Klimakrise. Dennoch ist der einzig wünschenswerte Weg durch die Krise eine demokratische Planwirtschaft. Was diese unserer Ansicht nach ausmacht, haben wir skizzenhaft dargelegt. Da es sich um einen Work-in-progress handelt und hier nicht der Ort wäre, dies darzulegen, werden ein paar Schlagworte reichen müssen:

    Mit dem Begriff „demokratisch“ beziehen wir uns keinesfalls auf die bürgerliche Gesellschaft, sondern vielmehr auf die Überzeugung, dass die Klimakatastrophe nur kollektiv bearbeitet werden kann. Das heißt, dass möglichst alle Menschen in sie betreffende Entscheidungen einbezogen werden – eine höchst komplexe Aufgabe. Planwirtschaft bedeutet eine Überwindung des Marktes als Vermittlungsinstanz zwischen der Produktion und Reproduktion durch dezentrale Absprachen sowie die Aufhebung des Geldes durch allgemeine Erfassung von Arbeitszeit und Ressourcen. An die Stelle von Markt- und Geldwirtschaft träte dann eine Ökonomie, in der Güter und Dienstleistungen anhand von individuell berechneter Arbeitszeit konsumiert und ferner anhand von Plänen produziert werden. Die bedingungslose Deckung der Grundbedürfnisse aller Menschen ist dabei allerdings vorausgesetzt und von der individuellen Arbeitszeit unabhängig.

    In der anschließenden Diskussion wurden vor allem der Begriff des Verzichts und die Frage nach einem revolutionären Subjekt diskutiert. Dem Schlagwort „Mangelverwaltung“ für eine auf den fossilen Kapitalismus folgende demokratische Planwirtschaft hielten wir entgegen, dass letztere einen deutlichen Zuwachs an anderen Formen des Reichtums darstellen würde. Bezüglich eines revolutionären Subjekts wurde eingewendet, wir setzten zu stark auf die Klimabewegung. Dies stellt ein Missverständnis dar: Auf die Folgen der Klimakrise einzugehen bedeutet keineswegs, dass wir uns von den Lohnabhängigen als revolutionärem Subjekt verabschieden würden – ganz im Gegenteil. Nur durch das (Re-)Produktionswissen und die entsprechende Macht der Lohnabhängigen kann eine revolutionäre Umwälzung des Kapitalismus gelingen.

    Um unsere Skizzen zu vervollständigen, ungeklärte Fragen zu diskutieren und auch neue aufzuwerfen, haben wir uns Unterstützung geholt: Samia Mohammed, Heide Lutosch, Walther Zeug und Jan Groos haben ihre jeweiligen Schwerpunkte zu diesem Themenkomplex dargelegt und sind mit dem Publikum und uns in die Diskussion gegangen.   

    2. Samia Mohammed: 
    Keine Fehler aus dem kapitalistischen Herrschaftsverhältnis übernehmen

    Nach unserem Einstieg in das Thema ging Samia Mohammed auf das Verhältnis zwischen Kultur, Klimakrise, Reproduktionsarbeit und einer demokratischen Planwirtschaft ein. Sie stellte knapp die historischen Thesen der Planungsdebatte von der sozialistischen Kalkulationsdebatte bis heute dar und formulierte eine solidarische Kritik an gegenwärtigen Ansätzen. Eine ihrer Hauptthesen betraf die gesellschaftliche Aneignung von Natur als einem bloßen Gegenstand. Unter dem Begriff des „prometheischen Paradigmas“ zielte ihre solidarische Kritik auf die Reproduktion eines Herrschaftsverhältnisses der Gesellschaft über die Natur. Damit soll gesagt werden, dass auch in der Debatte zur demokratischen Planwirtschaft Muster kapitalistischer Aneignung reproduziert würden, wodurch gerade jene Praxis wiederholt werde, die die Klimakrise mitverursache. Natur als einem autonomen System, deren Teil Gesellschaft sei und daher mit ihr in einem allgemeinen ökologischen Zusammenhang stehe, müsse Mohammed zufolge Rechnung getragen werden. Ähnliches gelte auch für den Stellenwert der Reproduktionsarbeit. Diese müsse einen zentralen Platz in einer demokratischen Planwirtschaft einnehmen – anders als in vielen produktionsorientierten Ansätzen dargestellt.

    3. Heide Lutosch:
    Demokratische Planwirtschaft aus feministischer Perspektive

    Im darauffolgenden Vortrag von Heide Lutosch wurde eben jener zentrale Stellenwert der Reproduktionsarbeit genauer und konkreter präsentiert. Lutosch wagte den Versuch einer konkreten Darstellung einer demokratischen Planwirtschaft aus feministischer Perspektive. Bei ihrem vorgestellten Modell wurde beispielhaft auf lokaler Ebene gezeigt, wie eine auf Reproduktionsarbeit fokussierte Planwirtschaft aussehen könnte. Nachbarschaften, lokale Betriebe sowie kommunale Räte stünden in einem engen Austausch über die Erfassung der Bedürfnisse und ihrer Verwirklichung. Ein neuer Impuls für uns war dabei, dass Bedürfnisse wie beispielsweise Risikoschwangerschaften, Geburten und Drehbücher für Jugendfilme Erwähnung fanden. Die Ermittlung der Bedürfnisse könne Lutosch zufolge zwar durchaus durch digitale Tools und Erfahrungswissen erfasst werden, es brauche aber unbedingt eine politische Debatte darüber, welche Bedürfnisse die Menschen hätten. Fragen der kollektiven Elternschaft, der Gewalt bei der Geburtshilfe oder der Notwendigkeit neuer Kindergärten sollten demnach öffentlich diskutiert und die Ergebnisse an einen Bezirksrat weitergegeben werden. Dieser könne dann im Verbund mit verschiedenen Planungsräten (z. B. Bau, Gesundheit, Kinder) die notwendigen Projekte umsetzen. Von besonderer Bedeutung bei Lutoschs Modell ist die Forderung Reproduktionsarbeit konkret zu erfassen. In anschaulichen Beispielen zeigte sie, wie dies möglich sei. Pauschalen von zwölf Stunden (am Tag) beziehungsweise sechs Stunden (in der Nacht) stellten dann die Arbeitssumme der Betreuung von Säuglingen dar. Diskutiert wurde unter anderem, wo die Grenze der Sorgearbeit zu unbezahlter freundschaftlicher Beziehung liege. Lutosch unterschied die beiden Sphären mit dem Begriff der Gegenseitigkeit. Freundschaftliche Beziehungen fänden im wechselseitigen Miteinander statt, während die Sorge beispielsweise für Menschen mit Behinderung oder Kinder und Jugendliche insofern als Arbeit bezeichnet werden könne, als dass diese auf verschiedene Art auf Unterstützung angewiesen seien.

    4. Walther Zeug:
    Ein Werkzeug für eine demokratische Planwirtschaft

    Walther Zeug nahm diesen Ansatz in seiner Darstellung der Cybernetic Democratic Economic Planning (CDEP) auf. Die von ihm und Jakob Heyer entwickelte CDEP versteht sich als Werkzeug für eine demokratische Planwirtschaft. Im Wesentlichen basiert sie auf der Erfassung der zentralen Inputs der Ökonomie: Arbeit, Ressourcen und CO₂-Ausstoß. Durch ein Tool sei bereits heutzutage möglich, die Arbeitsstunden, die notwendigen Ressourcen und den CO₂-Ausstoß von Gütern genau zu bestimmen. Die gesellschaftliche Planung von Produktion und Konsumtion spiele sich demnach auf Grundlage dieser Kategorien ab. Zunächst finde eine Ermittlung des Produktionsbedarfs an Arbeit, Ressourcen und CO₂‑Ausstoß statt, der mit den gewünschten planetaren Grenzen ausgehandelt werde. Die Konsumtion wiederum werde durch ein egalitäres Tokensystem vermittelt, wodurch alle Menschen die gleiche Summe an Arbeits-, Ressourcen- und CO₂‑Ausstoß-Tokens bekämen. Tokens seien hier nichtzirkulierende Recheneinheiten, die Informationen über ganzheitliche Kosten, Knappheit sowie Nutzen von Produkten und Dienstleistungen widerspiegeln. Der Vorteil der Token-Rechnung bestehe Zeug zufolge darin, dass sie sich automatisch in Echtzeit an die jeweilige Produktivkraftentwicklung, festgesetzte planetare Grenzen und Ressourcenvorkommen anpassen könne – daher handle es sich hier um ein kybernetisches Modell. Kybernetik bedeute, dass digitale Rückkopplung von Informationen stattfinde. Die Menge an Informationen, welche hier über einzelne Güter und Dienstleistungen vorhanden seien, lasse herkömmliche Preisbildung alt aussehen. Tokens würden allerdings nicht allein von einzelnen Konsument:innen für den Konsum verwendet – ähnlich wie man im Kapitalismus einkaufe –, sondern auch von den einzelnen (Re-)Produktionseinheiten. Eine Bäckerei erwerbe über die ihr von der Planungsstelle zur Verfügung gestellten Tokens ebenso ihr Mehl, Wasser und die benötigte Arbeitszeit wie ein Mensch, der sich dann sein Brot „kaufe“. Da das Modell sehr elaboriert ist, kann hier nicht der Ort sein, es weiter auszuführen. Zeug betonte jedenfalls in der Diskussion, dass es sich hierbei um ein Werkzeug handle, dessen politische Implikationen durchaus zur Disposition stünden. D. h., es sei nicht ausgemacht, wer wie viele Tokens erhalte oder wie planetare Grenzen ausgehandelt würden.

    5. Jan Groos:
    Ungeklärte Fragen und die Lösung als Prozess

    Im letzten Vortrag stellte Jan Groos die aktuelle Debatte dar und ging auf seinen Ansatz einer demokratischen Planwirtschaft als „kreative Schöpfung“ ein. Im ersten Teil seines Vortrags zeigte er, welche zentralen und kontrovers diskutierten Fragen sich aktuell in der Planungsdebatte stellen.

    Wie schon von Mohammed und Lutosch ausgeführt, unterschlügen einige Ansätze den zentralen Stellenwert von Reproduktionsarbeit. Neben diesem blinden Fleck ergäben sich allerdings auch Kontroversen darüber, wie Reproduktionsarbeit erhoben werden könne und inwieweit eine Sphärentrennung zwischen Produktion und Reproduktion sinnvoll oder überhaupt wünschenswert sei.

    Ferner prägten sich Konfliktlinien in der aktuellen Debatte über das Thema Märkte aus. Inwiefern Märkte eine Rolle spielen sollten, sei umstritten, d.h. ob es in einem gewissen Rahmen geregelte Märkte (Marktsozialismus) oder eben keinerlei marktförmige Strukturen geben solle.

    Ein Gesichtspunkt, der uns besonders wichtig erscheint, ist die Frage der Vermittlung von Entscheidungen. Klar ist, dass weder rein zentrale noch rein dezentrale Ansätze allein ausreichend für eine freie und funktionierende Planwirtschaft wären. Fakt ist, dass demokratische Planung Koordination auf mehreren Ebenen erfordert: lokal, regional und global.

    Ferner bleibt die Frage, wie Menschen zu bestimmten Arbeiten motiviert werden. Auch hier polarisiert sich die Debatte: Von Standpunkten, die von völliger Freiwilligkeit ausgehen, bis hin zu Vertreter:innen eines Arbeitsanreizes durch Opportunitätskosten findet sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze. Es zeige sich, so Groos, die Notwendigkeit, neue „prozessuale Perspektiven“ zu finden.

    Der Ansatz, für den Jan Groos den Begriff der „kreativen Schöpfung“ verwendet, geht von diesen letztlich nicht am Schreibtisch lösbaren Fragen aus. Ausgehend von einem Zitat Stafford Beers, dass bei der Planung nicht das Produkt, sondern vielmehr der Prozess das Entscheidende sei, beschreibt Groos eine Herangehensweise, in der schematische, statische Modelle in Zeiten der Klimakrise nicht adäquat seien. Das bedeute, dass die oben genannten Fragen sich im Hier und Jetzt nicht auflösen ließen. Vielmehr gehe es um eine Art des „Managing Decline“, d. h., es brauche fluide Modelle, welche sich an schwerwiegenden ökologischen und sozialen Folgen der Klimakrise ausrichteten. Außerdem sollten sich solche Modelle an den oben genannten Fragen ausrichten, um sie aus einem Prozess heraus zu bearbeiten.

    Ausblick

    Schlussendlich war die Vortragsreihe für uns sehr gewinnbringend. Zum einen trugen die Vortragenden wichtige Inputs bezüglich Naturverhältnissen, Reproduktionsarbeit, kybernetischer Planwirtschaft und prozessualem Modellieren zu unserer eigenen Debatte bei. Zum anderen konnten wir die Planungsdebatte auch in Freiburg bekannt machen und kamen mit verschiedenen Menschen darüber ins Gespräch: Was macht Markt aus? Wie können die Folgen der Klimakrise bewältigt werden? Welche Chancen hat ein solches Projekt heute? Und wie kann man Reproduktionsarbeit sichtbar und der Produktionsarbeit mindestens gleichgestellt machen? In unserem Text werden wir versuchen, auf diese Fragen einzugehen und ein Modell vorzustellen, für das es sich zu kämpfen lohnt.

    Wir danken an dieser Stelle den Vortragenden für ihre Inputs und hoffen auf eine weitere fruchtbare Debatte!

  • There is an alternative! Unser Beitrag für den Postwachstum Blog

    Wie haben einen Beitrag für den Postwachstum Blog geschrieben: Warum wir für eine Überwindung des Wachstumszwangs, der Naturzerstörung und den sozialen Ungleichheiten im Neoliberalismus radikal anders denken müssen. https://www.postwachstum.de/author/la-banda-vaga

  • Solidarität mit der Selbstverwaltung in Argentinien

    Gründung und Aufruf zur Mitwirkung im Internationalen Solidaritätskomitee für die Selbstverwaltung in Argentinien. Kontaktiert für weitere Infos auf Deutsch gruppe_arbeitszeit@riseup.net oder solidaridadERT@proton.me (Spanisch/Englisch).

  • Interviews und Mitschnitte zur Vortragsreihe auf Radio Dreyeckland

    Veranstaltungsreihe „Demokratische Planwirtschaft in Zeiten der Klimakatastrophe“

    Interview mit Samia Mohammed über ihren Vortrag Natur, Kultur & Sorgearbeit: https://rdl.de/beitrag/natur-kultur-sorgearbeit-der-demokratischen-planung

    La Banda Vaga zur Klimakrise und der Notwendigkeit antiautoritärer Planung
    https://rdl.de/beitrag/die-welt-steht-flammen-aber-wird-schon-laufen

  • Veranstaltungsreihe

    Am 16.05. startet unsere Veranstaltungsreihe: Mehr Plan wagen! Demokratische Planwirtschaft in Zeiten der Klimakatastrophe mit einem Vortrag von uns zum Thema: Notwendigkeit einer Planwirtschaft in Zeiten der Klimakatastrophe um 20 Uhr im Susi Cafe in der Vauban-Allee 2 a.

    mehr infos zur Veranstaltungsreihe

  • Stellungnahme zum Text vom AK Beau Séjour „Die Komplizenschaft der deutschen Linken. Zur Absage unserer Veranstaltung bei der Gruppe La Banda Vaga“

    Zunächst möchten festhalten, dass wir es gut finden, dass die Genoss_innen diese Debatte eröffnet haben. Uns scheint es wichtig, solche Themen gemeinsam zu diskutieren.

    Konkret zur Sache, möchten wir folgendes sagen: Uns sind die Geschehnisse in Berlin am 7. Oktober zum Zeitpunkt unserer Zusage einen Vortrag zum Thema „Thesen zum Islamismus. Versuch einer materialistischen Analyse aus sozialrevolutionärer Perspektive“ auf dem Kongress „Antifa out of line – Kongress gegen die autoritäre Formierung“ zu halten, nicht bekannt gewesen und wir verurteilen sowohl die staatlichen Repressionen gegen pro-palästinensische Gruppen, als auch das Bejubeln derselben durch scheinbare Linke. Auch wenn wir sicher nicht alle Inhalte der pro-palästinensischen Gruppen teilen, stellen solche Repressionen einen Angriff auf uns alle dar. Und wäre die Befürwortung von solchen staatlichen Maßnahmen eine Position der Organisator_innen des Kongresses, wäre dies tatsächlich ein guter Grund die Teilnahme zurückzuziehen. Wir sehen das aber nicht als klar gegeben an.

    Wir sind der Meinung, dass Diskussion und Debatte innerhalb der Linken richtig und wichtig sind und finden die Tendenz zur Einengung der Debattenkultur gefährlich. Wir sehen innerhalb der radikalen Linken eine bedenkliche Entwicklung, Diskussionen nur noch innerhalb sehr enger Grenzen zuzulassen. Wer andere Meinungen vertritt, egal aus welchen Gründen, wird als Feind betrachtet. Dies halten wir für falsch. Auch wenn wir andere Meinungen vertreten, so muss es doch möglich sein mit anderen Strömungen der Linken zu diskutieren, egal ob anarchistischen, marxistisch-leninistischen oder sozialrevolutionären. Eine Diskussion bedeutet nicht die andere Position zu übernehmen, sondern die eigene klarzumachen und auch an der anderen Positionen zu schärfen. Wir machen uns nicht mit den Positionen der anderen Gruppe gemein nur weil wir mit ihr sprechen. Dies betrifft besonders stark umstrittene Themen, wie auf dem Kongress geplant, etwa das Verhältnis der radikalen Linken zum Islamismus.

    Dieser stellt, neben anderen Formen der reaktionären Formierung gegen emanzipatorisches Bestreben, eine durchaus starke Kraft dar – man denke nur an die Situation in Rojava und der jüdischen Bevölkerung in und außerhalb Israels. Der Austausch über die Ursachen des Erstarkens gegenwärtiger islamistischer Bewegungen, als auch des Islamismus im Allgemeinen, ist daher für Linke eine Notwendigkeit. Wir geben aber dem AK Beau Séjour in seiner Einschätzung der momentanen Militarisierung des deutschen Staates und der damit einhergehenden Zunahme an Repressionen recht. Zugleich scheint uns bisher die Grenzziehung zwischen „uns“ und den Ausrichter_innen des Kongresses – wie sie der AK macht – nicht gegeben. Wie sehen gerade an der doch eben nicht einheitlichen Positionierungen der eingeladenen Referent_innen eine gute Möglichkeit eine strömungsübergreifende Debatte innerhalb der radikalen Linken zu führen. So finden sich etwa in der Ankündigung des Kongresses Vorträge bzw. Workshops, die sich einerseits eindeutig auf eine Seite im aktuellen Ukraine-Krieg stellen, aber andererseits auch andere, die eine defätistische Position vertreten. Aufgrund dieser Offenheit halten wir es weiterhin für sinnvoll uns am Kongress zu beteiligen.

    Wo wir allerdings an den Kritiken am Kongress mitgehen können ist der Punkt, dass es doch deutliche Auslassungen gibt. Das sich die autoritäre Formierung des deutschen Staates momentan in erster Linie an der Repression gegen Palästina-solidarische Gruppen manifestiert, etwa an Verboten von Demonstrationen, Kongressen, Gruppen usw. wird völlig ignoriert. Doch obwohl wir diese Auslassung und auch noch weitere Leerstellen, die das Kongressprogramm fraglos hat, für falsch halten, denken wir doch, dass diese Punkte auf den Podien, Workshops und Vorträgen eingebracht werden können und solange uns dies möglich scheint, finden wir eine Teilnahme sinnvoll. Denn auch wenn die Diskussionen zwischen den zwei Polen „anti-imperialistisch“ und „anti-deutsch“ mittlerweile seit ca. 30 Jahren geführt werden, glauben wir, dass sie weiterhin innerhalb einer pluralen Linken sinnvoll sind. Wir begreifen uns dabei weder als Teil der einen noch der anderen, sondern vielmehr als Sozialrevolutionär_innen, für welche der Klassenstandpunkt der entscheidende, sowie die Überwindung der Klassengesellschaft das erklärte Ziel ist. Inwiefern es sich bei dem Kongress tatsächlich um eine „Querfront“ zwischen militarisierten Staat und staatstragender Linke handelt und er sich als „Stichwortgeber der Repression und Verfolgung“ andient, werden wir vor Ort beurteilen. D.h. trotz aller Kritik werden wir unseren Vortrag „Zur materialistischen Analyse des Islamismus aus sozialrevolutionärer Perspektive“ auf dem erwähnten Kongress halten, in dem Wissen, dass wir sehr viele Differenzen mit den Organisator_innen als auch dem Publikum haben werden.

  • Sterben und sterben lassen – der Ukrainekrieg als Klassenkonflikt

    Achtung: Der Vortrag muss leider ausfallen!

    Buchvorstellung & Diskussion mit dem Arbeitskreis Beau Séjour

    Freitag, 11. April 2025, 20 Uhr, Linkes Zentrum, Glümerstr. 2 in Freiburg

    Die russische Invasion in der Ukraine hat für große Verwirrung in der Linken gesorgt: Die NATO gilt vielen plötzlich als Schutzmacht der Schwachen und Unterdrückten, die ukrainische Armee wird als antifaschistische Guerilla inszeniert, der man Opfer und Waffen bringen müsse. Über Nacht scheint der westliche Imperialismus rehabilitiert. Die NATO-Staaten konnten ohne nennenswerten Widerstand zur massiven Aufrüstung übergehen; es liegt mehr als ein Hauch von Vorkrieg in der Luft.

    Mit dem Sammelband »Sterben und sterben lassen« legt der AK Beau Séjour Widerspruch ein gegen diesen neuen progressiven Militarismus, der Frieden an Aufrüstung knüpft und sich dem westlichen Kapitalismus als dem »kleineren Übel« in die Arme wirft. Das Selenskyi-Regime hat die politische Linke zerschlagen und das Arbeitsrecht ausgehebelt, Männer im wehrfähigen Alter müssen Entführungen zum Zweck der Zwangsrekrutierung fürchten. Und auch in den westlichen Ländern tritt die herrschende Klasse in ihrer Niedertracht Tag für Tag deutlicher hervor. In Deutschland wird die schrankenlose Aufrüstung im gleichen Atemzug gefordert wie die Streichung von bezahlten Krankheitstagen – und unterdessen nach Kräften Israels brutaler Militäreinsatz im Gaza-Streifen unterstützt.

    Wie kann in dieser Lage ein revolutionärer Antimilitarismus und Internationalismus aussehen?

  • Diskussionszyklus kommunistische Dissidenz

    Sonntag, 6. April 2025 – 16:00Uhr in der Belfortstr. 24 in Freiburg

    Konf Raum 1 des Stura(rechts neben dem Eingang)

    Gerne würden wir mit Euch einige Texte von Theoretiker*innen diskutieren, die uns bei der zeitgemäßen Analyse und der Kritik der Gesellschaft helfen können. Dabei wollen wir uns auf Schriften konzentrieren, die vom „offiziellen Marxismus“ abweichen und sich als antistaatlich und antiautoritär verstehen. Viele dieser Schriften sind in Vergessenheit geraten und auch innerhalb der Linken kaum noch präsent. Um dieser linken Geschichtsvergessenheit entgegenzuwirken und den Diskussionsprozess über undogmatische Traditionen revolutionären Denkens zu stärken, haben wir einige Texte u. a. des westlichen Marxismus, des Situationismus, der Kritischen Theorie, des Rätekommunismus und einigen mehr zu einem Reader zusammengestellt. Die einzelnen Texte würden wir gerne mit Euch jeden ersten Sonntag im Monat im Konf Raum 1 (rechts neben dem Eingang) in der Belfordstr. 24 um 16 Uhr diskutieren. Den Reader bekommt Ihr gerne von uns als PDF zugeschickt. Schreibt uns einfach an folgende Adresse: info@labandavaga.org. Beim vierzehnten Treffen am 06.04.2025 lesen wir Texte von Johannes Agnoli.