Der Nächste bitte! - Eine Analyse des Nato-Einsatzes in Mazedonien

26.10.2001

\"Die Welt ist in Bewegung, Osteuropa wird jetzt aufgeteilt. Wer nicht dabei ist, der verliert.\" [1] formulierte der ehemalige Vorstandsvorsitzende von VW, Hahn, 1990 nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Und damit Deutschland bei dieser Aufteilung nicht zu kurz kommt, bedient es sich einer schon \"traditionellen deutschen\" Politik, wie folgende Aussagen belegen. Die erste stammt aus dem Jahr 1941 vom Leiter der Reichskanzlei Martin Bormann: \"Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen (damit ist Osteuropa gemeint; La Banda Vaga) handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.\" [2] Die zweite Aussage stammt aus dem Jahr 1989 vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Dieser meint, Deutschland müsse im Hinblick auf Osteuropa \"durch Regionalisierung [...] für sich die politischen Sahne bzw. Filetstückchen herausbrechen.\" [3] Das \"Zerlegen\" bzw. \"Regionalisieren\" von dem Bormann und Herrhausen sprechen, geschieht anhand einer völkischen oder neudeutsch \"ethnischen\" Kontinuitätslinie, die bis ins Kaiserreich zurückreicht. Dabei werden angeblich unterdrückte \"Völker\" oder \"Volksgruppen\" konstruiert, die anschließend als Manövriermasse dem Interesse der deutschen Expansion nach Osten dienen.

Jugoslawien wird ethnisch parzeliert

Geradezu mustergültig lässt sich diese spezielle deutsche Politik im ehemaligen Jugoslawien nach verfolgen. Stichworte hierzu sind die einseitige Anerkennung Kroatiens und Sloweniens und die Unterstützung der völkischen UCK. Bis jetzt sind schon vier Staaten und zwei internationale Protektorate auf dem Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens gebildet worden, doch ein Ende ist nicht abzusehen. Die ethnische Parzelierung geht weiter! Die völkisch-terroristische UCK hat bereits Begehrlichkeiten auf Teile Serbiens, Montenegros und Griechenlands angemeldet, Montenegro möchte sich lieber heute als morgen von der Bundesrepublik Jugoslawien trennen und auch im Norden Restjugoslawiens gibt es sezzesionistische Bestrebungen. Aktuell wird Mazedonien zum \"dritten westlichen Protektorat auf dem Balkan\" (FAZ) gemacht und entlang völkischer Kriterien geteilt. Entstanden ist der Konflikt als die völkische UCK, nachdem sie im Kosovo unter der Aufsicht von 40.000 KFOR Soldaten alle Minderheiten (SerbInnen, Roma, JüdInnen und div. andere) ermordet und vertrieben hat (nur im Norden des Protektorats leben noch einige SerbInnen), nach Mazedonien einsickerte und den Kampf zur Beendigung der Unterdrückung der AlbanerInnen aufnahm. Die albanisch sprechenden Mazedonier wurden zwar nie unterdrückt, es sind sogar Parteien der albanisch-sprachigen Minderheit an der Mazedonischen Regierung vertreten, aber die UCK stört das wenig. Ihr Ziel ist und bleibt die Schaffung eines \"völkisch reinen\" Großalbanischen Reiches und nachdem mithilfe der NATO das Kosovo schon \"befreit\" wurde, ist nun eben Mazedonien an der Reihe. Erste \"ethnische Säuberungen\" haben in den vor ihr besetzten Gebieten schon stattgefunden. [4] Der Westen unterstützt die UCK bei diesen Plänen großzügig, indem er ihr erlaubt vom Kosovo nach Mazedonien einzudringen (für die KFOR wäre es kein Problem die Grenzen abzuriegeln), indem er ihr Waffen liefert und indem er die mazedonische Regierung hindert, sich gegen die terroristischen Angriffe der UCK zu verteidigen. So reiste jedes Mal, wenn Mazedonien den Kriegszustand verhängen wollte, was die rechtlichen Möglichkeiten erweitert hätte, der \"Quasi-Außenminister\" der EU Javier Solana nach Skopje und verhinderte diesen Schritt, und die Sicherheitsberaterin von Georg W. Bush reiste im Juli in die Ukraine, von woher Mazedonien Waffen kaufte und unterband weitere Unterstützung. Diese Eingriffe in das Handeln eines souveränen Staates durch den Westen charakterisiert der Sprecher des mazedonischen Premierministers Antonio Milososki so: \"Mazedonien gilt ja teilweise nicht mehr als souveräner Staat.\" [5] Und auch verbal wissen sich die \"Ethno-Krieger\" der UCK vom Westen unterstützt, etwa wenn der deutsche Außenminister Joseph Fischer von der \"offenen albanischen Frage\" [6] spricht und damit die bestehenden Grenzen verschieben will. Auch die jetzt angelaufene NATO Aktion zur Einsammlung der Waffen der UCK ist auf den zweiten Blick ein Eingreifen auf Seiten der Sezzesionisten. Denn dadurch wird die UCK als legitimer Verhandlungspartner aufgewertet. Daß es nicht darum geht, der UCK die Waffen wegzunehmen war schon beim \"Streit\" um die Anzahl der einzusammelnden Waffen klar. Während die UCK angab, sie besäße 3.000 Waffen, sprach die mazedonische Regierung von 60 -80.000 Waffen. Die NATO, neutral wie sie nun mal ist, entschied sich für die Mitte und beschloss 3.300 Waffen einzusammeln. Nun können wir jeden Abend in der Tagesschau bewundern, wie UCK Männer medienwirksam Flinten aus dem Ersten Weltkrieg an NATO Soldaten überreichen, während sie ihre richtigen Waffen natürlich behalten und gleichzeitig weiter Waffen aus dem Kosovo bekommen. [7]

Krieg - Wieder deutsche Normalität

Die Diskussion um die deutsche Beteiligung an diesem Einsatz zeigt, dass es inzwischen wieder völlig normal ist, wenn deutsche Soldaten weltweit eingesetzt werden. Denn auch die Mehrzahl derjenigen die im Bundestag gegen diesen Einsatz gestimmt haben, sind nicht grundsätzlich gegen den Einsatz deutscher Soldaten in Mazedonien, sondern wollen entweder eine bessere Ausstattung der Bundeswehr (obwohl momentan eine riesige Aufrüstung der Einsatztruppen stattfindet) oder ein UN-Mandat. Dies zeigt, dass Deutschland ein wesentliches Kriegsziel des \"Kosovo-Krieges\" erreicht hat: Deutschland hat sich von seiner Vergangenheit befreit und kann wieder unbelastet weltweit Krieg führen! Neben diesem speziellen deutschen Interesse haben aber auch allgemeine ökonomische Gründe zu den Kriegen in Jugoslawien geführt. Eine aus kapitalistischer Sicht rückständige Sozialstruktur in großen Teilen Jugoslawien verhinderte eine wirtschaftliche Modernisierung. Weder dem Staatskapitalismus Titos, dem Druck des IWFs, noch den einzelstaatlichen Nationalismen ist es gelungen diese \"Rückständigkeit\" zu beseitigen und Jugoslawien Wettbewerbsfähig zu machen. Vor allem in den ärmsten Regionen, im Kosovo, in Mazedonien, in Bosnien und in der Herzegowina waren vor den Kriegen z.T. noch Elemente einer bäuerlichen Subsistenzwirtschaft vorherrschend, die sich jeglicher kapitalistischer Modernisierung verweigerten. \"Es sind die sozialen Strukturen und Werte [...] und die mit ihnen verbundenen Blockierungen nationaler und transnationaler Wertschöpfung, auf deren Zertrümmerung dieser Krieg abzielt.\" [8] Und auch in Mazedonien zeigt dieses Programm Wirkung. Nachdem bisher die Privatisierung der ehemaligen Staatsbetriebe nicht zur Zufriedenheit des westlichen Kapitals gelaufen ist, hat sich dies nach der Bombardierung Jugoslawiens gewandelt und durch den momentanen Bürgerkrieg gewinnt dieser Prozess noch an Fahrt. [9] All dies sind genug Gründe um Widerstand gegen den NATO-Einsatz in Mazedonien und v.a. den Einsatz der Bundeswehr zu leisten.

Nie wieder Deutschland!\ Für eine staaten- und klassenlose Weltgesellschaft

La Banda Vaga, 2001

Fussnoten:

[1] Vgl. Die Zeit vom 23.02.1990.\ [2] Martin Bormann, zitiert nach Ernst Klee und Willi Dressen (Hrsg.). Gott mit uns. Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939-1945. Frankfurt am Main 1989.\ [3] Alfred Herrhausen, zitiert nach Holger Kuhr. Russland wird De-Industrialisiert. Hamburg 1993.\ [4] Vgl. Meldungen der Nachrichtenagentur AFP vom 07.05.2001.\ [5] Vgl. \"Uns fragt hier gar keiner\", Interview mit Antonio Milososki in: Jungle World vom 05.09.2001.\ [6] \"Fischer: Die albanische Frage ist offen\", so die Seite 1-Schlagzeile der FAZ vom 22.03.2001.\ [7] \"Der Waffenschmuggel hat seit Beginn der NATO-Aktion nicht aufgehört, er geht unvermindert weiter\", so Victor Gobarev vom US-amerikanischen Polit-Institut statfor gegenüber der Wochenzeitschrift \"Jungle World\" vom 05.09.2001.\ [8] Die Ethnisierung des Sozialen. Die Transformation der jugoslawischen Gesellschaft im Medium des Krieges. Materialien für einen neuen Antiimperialismus Nr. 6. Berlin 1993.\ [9] Vgl. Jürgen Elsässer, Genua und Skopje, in Konkret 9/2001.

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