Peitschen?
24.02.2005
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
ihr Unternehmen beschäftigt seit Januar 2005 sogenannte „Ein-Euro-Jobber". Wir wenden uns an Sie, weil wir entweder arbeitslos sind oder befürchten, es jederzeit werden zu können, weil wir also - genau wie Sie selbst - von Hartz IV betroffen sind bzw. früher oder später betroffen sein können.
Der „Ein-Euro-Job" ist der moderne Arbeitsdienst der Bundesagentur für Arbeit. Bezieher von Arbeitslosengeld II werden auf einen Arbeitsplatz vermittelt, an dem sie zusätzlich zu ihrer Sozialleistung bis zu 2 EUR in maximal 30 Wochenstunden dazuverdienen können. Wer nicht will, dem wird die Stütze gekürzt oder gestrichen. Wenn Sie demnächst einen Hartz IV-Jobber „zugeteilt" bekommen, wundern Sie sich nicht, wenn dessen Motivation, recht fleißig und kooperativ zu sein, gegen Null geht.
Noch sind die „Ein-Euro-Jobs" als „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" definiert, die laut Gesetz „zusätzlich und gemeinnützig" bzw. „im öffentlichen Interesse" sein müssen, wobei dies bereits jetzt sehr weit ausgelegt wird, wie v. a. die Vorschläge des rot-roten Berliner Senats zeigen. Aber auch die Industrie hat bereits ihr Interesse an dieser modernen Form der Zwangsarbeit signalisiert.
Dies verwundert nicht, denn der „Ein-Euro-Job" kostet Ihrem Unternehmen keinen müden Cent. Im Gegenteil: Er ist ein prima Geschäft. Ihr Unternehmen streicht pro Jobber ca. 300 EUR von der Bundesagentur für Arbeit ein, die für Verwaltungskosten und die „Qualifizierung" des Langzeitarbeitslosen vorgesehen sind. Seine „Aufwandsentschädigung", sprich maximal 2 EUR pro Stunde, erhält der Jobber vom Arbeitsamt.
Tatsächlich wird er bei Ihnen keinen Abschluss machen können, der ihm auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft irgendwas nützt. Sie werden diesen Menschen ganz nebenbei anlernen müssen, was aber völlig umsonst ist, da er den Betrieb nach längstens sechs Monaten wieder verlassen muss und Sie mit einem neuen Jobber von vorn beginnen. Die Maßnahmen dienen lediglich der Disziplinierung von Arbeitslosen, nicht ihrem beruflichen Fortkommen. (Niemand wird Ihnen Ihre eigene Arbeit in dieser Zeit abnehmen.)
Wenn es aber dazu kommen sollte, dass er Ihrem Laden tatsächlich Nutzen bringt - glauben Sie nicht, dass Ihr Chef Ihre Löhne dann bald unangemessen hoch finden wird? Er wird selbstverständlich darüber nachdenken, wie er die Struktur des Unternehmens so anpasst, dass er so viele Jobber wie möglich bekommt und so viele teure Arbeitskräfte wie irgend möglich los wird. „Ein-Euro-Jobber" haben kein reguläres Arbeitsverhältnis, wählen keinen Betriebsrat und haben auch sonst keine Arbeitnehmer-Rechte im Betrieb, dafür müssen sie befürchten, auch noch beim Arbeitsamt angeschwärzt zu werden, wenn sie nicht funktionieren, wie sie sollen.
Das eigentliche Ziel dieser tollen „Arbeitmarkt-Reform" ist, Ihnen, den noch regulär Beschäftigten, zu zeigen wo die Reise hingeht! „Schnauze halten und Arbeiten - egal was, egal wieviel und egal zu welchen Bedingungen!" - Das soll die einzig gültige Parole sein. Für Sie und für die Jobber.
Ein Mittel dagegen ist, sich diesem Druck gemeinsam zu verweigern, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Dienst nach Vorschrift und Sand ins Getriebe sind dazu bewährte Mittel. Sie sind ganz unaufwändig und an jedem Ort möglich. Sie setzen nur eines voraus, um wirklich wirksam zu sein: die Solidarität der Kollegen untereinander. (Das sollte doch zu schaffen sein.)
P.S. Wer sich noch mehr über die aktuellen Angriffe auf unseren Lebensstandard informieren oder sich gemeinsam gegen die ganzen Schweinereien organisieren will, findet Informationen im Internet unter La Banda Vaga und der FAU
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