And the winner is ...
So, nun ist der Krieg schon seit einem Monat zu Ende, aber wer hat ihn eigentlich gewonnen? Den USA, als Führungsmacht der NATO, ist es jedenfalls gelungen, die neue NATO-Doktrin durchzusetzen. Diese erlaubt es dem Militärbündnis auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates oder Rücksichtnahme auf das Völkerrecht weltweit dort einzugreifen, wo ihre Interessen verletzt werden könnten. Um diese Doktrin durchzusetzen, bedurfte es den Präzedenzfall Kosovo. Ein weiteres Kriegsziel der USA war es, den Eroberungszug ihres imperialistischen Konkurrenten Deutschland auf dem Balkan zu stoppen. Denn Deutschland hatte durch die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens maßgeblich zur Zerschlagung Jugoslawiens und zum Ausbruch des jugoslawischen Bürgerkriegs beigetragen. Dies hatte das Ziel, die beiden mit Abstand reichsten Teilrepubliken Kroatien und Slowenien an den von Deutschland dominierten Wirtschaftsblock EU heranzuführen. Dies alles geschah trotz Proteste der USA. Der Bombenkrieg gegen Jugoslawien hatte deshalb für die USA auch das Ziel, den Hinterhof der BRD/EU zu destabilisieren. Dies wurde durch die enormen ökonomischen Verluste der Nachbarstaaten, die Fluchtbewegungen und die Gefahr weiterer Konflikte innerhalb Jugoslawiens erreicht. Allerdings stellen diese Erfolge für die USA nur einen Pyrrhussieg dar. Denn Deutschland ist es durchaus gelungen, die Situation für sich zu nutzen. Eine weitere Eskalation und Destabilisierung durch einen von den USA geplanten Bodenkrieg konnte verhindert werden. Des weiteren ist es der deutschen Regierung gelungen, militärische Beschränkungen aufgrund der deutschen Vergangenheit zu beseitigen. Dies wurde durch eine beispiellose Umdeutung der Geschichte erreicht. Mußte sich Deutschland wegen Auschwitz in der Vergangenheit militärisch zurückhalten, so argumentieren die Herrschenden heute, daß gerade wegen Auschwitz Deutschland moralisch verpflichtet sei, militärisch einzugreifen. Kriegführen ist ab jetzt für Deutschland wieder normal! Und damit das in Zukunft auch gut klappt, hat Kriegsminister Scharping den Krieg gegen Jugoslawien genutzt, um die für weltweite Kampfeinsätze zuständigen Krisenreaktionskräfte (KRK) der Bundeswehr von 37000 auf 50000 Mann aufzustocken. Gleichzeitig wurde der Kölner EU-Gipfel dazu genutzt den militärischen Arm der EU, die Westeuropäische Union (WEU) zu stärken. Dies geschah mit dem Ziel, künftig auch unabhängig von der NATO Kriege zu führen.
Trotz dieser einschneidenden und folgenreichen Entwicklungen gab es in Deutschland keinen relevanten Protest gegen den Krieg. Dies wird verheerende Folgen in der Zukunft haben. Denn es stellt sich nicht die Frage, ob es wieder Kriege mit Beteiligung der NATO oder WEU geben wird, sondern nur die Frage, wo dies geschehen wird. Etwa wieder auf dem Balkan oder schon im Kaukasus (der Konflikt um Berg-Karabach eignet sich doch hervorragend für "humanitäre Interventionen") oder, oder...
La Banda Vaga, 1999