Gegen Revanchismus, Volk und Heimat!
Dieser Redebeitrag wurde auf der Kundgebung gegen den „Tag der Heimat“ in Karlsruhe gehalten.
Nachdem der Anthroposoph und Bundesinnenminister Otto Schily im Mai 2002 auf dem „Sudetendeutschen Tag“ in Nürnberg von Tschechien die Aufhebung der Benes-Dekrete gefordert hatte, redete er den Berufsvertriebenen ins Gewissen auf die Rückgabe ihres ehemaligen Eigentums zu verzichten und die Aufnahme Tschechiens in die EU zu unterstützen. Denn schließlich ging die Aggression gegen die Tschechoslowakei von Deutschland aus und Tschecheninnen und Tschechen gehörten zu den ersten Opfern von Vertreibungen. Die Erwähnung dieser eigentlich banalen historischen Tatsache löste allerdings bei den Anwesenden wahre Proteststürme aus. Was den Bundesinnenminister eigentlich nicht hätte verwundert müssen, denn in dieser Reaktion zeigte sich nur einmal mehr das geschichtsrevisionistische Weltbild der so genannten Vertriebenen. Es stellt sich nun also eher die Frage warum ein sozialdemokratischer Innenminister auf einer solchen Veranstaltung spricht und diese damit aufwertet.
Haben die sog. Vertriebenen immer noch eine solche Bedeutung, dass die Spitzen der Politik auf solchen Treffen auftreten müssen? Schließlich sprach auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler übrigens, im Jahr 2000 beim „Tag der Heimat“ des „Bundes der Vertriebenen“. Oder bedeutet die Teilnahme des politischen Führungspersonals an diesen Veranstaltungen einen aktuellen Paradigmenwechsel in der Sicht auf die deutsche Vergangenheit? Der Einfluss der Vertriebenenverbänden in der deutschen Nachkriegspolitik ist enorm: Die parlamentarische Vertretung der sog. Vertriebenen, der „Gesamtdeutsche Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ war von 1953 bis 1955 mit zwei Ministern in der Regierung Adenauer vertreten, außerdem in unzähligen Landesregierungen. Nach der Auflösung der Partei engagierten sich viele Vertriebenenfunktionäre in CDU/CSU, SPD oder FDP oder beteiligten sich direkt bei der Gründung der NPD. Von 1949 bis 1969 gab es sogar ein eigenes Vertriebenenministerium, das natürlich entsprechend besetzt war. Unter anderem mit Theodor Oberländer dem ehemaligen Parteivorsitzenden des „Gesamtdeutsche Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“, der dann später zur CDU überwechselte. Und mit dem Präsidenten des Verbandes der Landsmannschaften Hans Krüger. Beide mussten nach Diskussionen über ihre Verbrechen im Nationalsozialismus zurücktreten. Denn Oberländer war als SA-Hauptsturmführer verantwortlich für ein Massaker in der Ukraine und Krüger als NSDAP Ortsgruppenleiter in Chojinice und Richter an Sondergerichten verantwortlich für die Hinrichtung von Regimegegnern und anderen.
Aber im Laufe der Siebziger und Achtziger Jahre nahm der Einfluss der organisierten Vertriebenenverbänden doch deutlich ab. Erst der Anschluss der DDR und der Sturz des staatskapitalistischen Systems in Osteuropa eröffneten ihnen wieder neue Betätigungsmöglichkeiten. Schließlich war Deutschland jetzt von den Fesseln der Vergangenheit befreit und konnte nun wieder aggressiv seine Interessen vertreten. Dies geschieht vor allem im traditionellen deutschen Hinterhof, in Osteuropa, wo die deutsche Wirtschaft sehr schnell große Teile der Ökonomie unter ihre Kontrolle bekam. Die schwerwiegendsten Folgen hatte das deutsche Engagement auf dem Balkan, wo die traditionelle deutsche Politik der Aufsplittung von Staaten nach völkischen Kriterien mit zu den dortigen Kriegen beigetragen hat.
Auf dem Balkan zeigte sich auch die Umdeutung der deutschen Geschichte zu aktuellen machtpolitischen Interessen. Denn weil die Deutschen, im Gegensatz zu den Serben, aus der Vergangenheit gelernt hätten, wird Auschwitz zum Standortvorteil zum Führen von Angriffskriegen. Dies haben auch die organisierten Vertriebenenverbände verstanden und planen deshalb in Berlin den Bau eines „Zentrums gegen Vertreibungen“, in dem neben den sog. Kosovoalbanern in erster Linie den sog. Deutschen Vertriebenen gedacht werden soll. Dieses Vorhaben reiht sich ein in eine lange Reihe von Diskussionen in den letzten Jahren, in denen die Deutschen als die wahren Opfer des 2. Weltkrieges entdeckt wurden. Günther Grass Novelle „Im Krebsgang“ über den Untergang der Wilhelm Gustloff und Jörg Friedrichs Bestseller „Der Brand“ über die Bombenangriffe der Alliierten auf deutsche Städte sind nur die Eisbergspitze des neuen deutschen Opferbewusstseins, das doch nichts anderes ist als die: „[...] schamlose Umwidmung der deutschen Tätergesellschaft in ein nationales Kollektiv von Opfern der Alliierten [...]“, wie es Erich Später formuliert hat.
Jede sich als antifaschistisch verstehende Kritik muss sich dem entgegensetzen um die Möglichkeiten einer Gesellschaft jenseits von Volk und anderen repressiven Zwangskollektiven zu erhalten. Deshalb:
Gegen Revanchismus, Volk und Heimat!
Die Vertriebenenverbände pulverisieren!
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!
Für den Kommunismus! Für die Anarchie!