Krieg dem deutschen Frieden!
In Kriegsfragen erfreut sich die deutsche Gesellschaft mal wieder an ihrem liebsten Zustand: Der Einigkeit. Die Einheitsfront der deutschen Friedensphalanx gegen den Irakkrieg vereint alle Deutschen, von Autonomen, DKP, Grünen, SPD über CDU, NPD (wobei diese seit einiger Zeit eh bei jeder Friedensdemo mitmarschiert) bis zu den rechtsradikalen Straßenmörderbanden ("Kameradschaften"). Folgerichtig präsentieren sich Gerhard Schröder und Joseph Fischer als offizieller Arm der deutschen Friedensfreunde. Dabei sollte die Tatsache, seit langem mal wieder mit und für die deutsche Regierung zu protestieren, jeden kritischen Menschen, jeden Materialisten allemal, skeptisch stimmen. So brachten doch gerade jene Peace-Lovers von heute eventuelle Abweichler per Erpressung ("Vertrauensfrage") zur Unterstützung von Streubombenangriffen, Verminung und Bündnissen mit wildgewordenen Schlächtertrupps ("Nordallianz").
Deutschland stellt nach den USA die zweitmeisten Truppen in Auslandseinsätzen. Momentan sind es mehr als 10000 Soldaten in 14 Ländern von Mazedonien bis Afghanistan. Durch das Rotationsprinzip sind sogar mehr als 60000 Bundeswehrsoldaten in diese Einsätze involviert. Deutschland und Frankreich versuchten mittels einer Europäisierung der Militärs die Konkurrenzposition gegen die bisher im militärischen Bereich unangefochten führenden USA zu verbessern. Doch auf diese Pläne, eine EU-Armee aufzubauen, haben die USA bereits reagiert. Die auf dem Prager Gipfel beschlossene schnelle Eingreiftruppe der NATO soll die europäischen Träume sabotieren. Auch auf ökonomischem Gebiet gibt es Auseinandersetzungen, wie die Handelskriege um Roquefort und Bananen zeigen. Natürlich ist die Konkurrenz um Einfluss im Nahen Osten keine Ausnahme.
Sollte man Amerikas Kriegsfreude durch potentielle Ölvorkommen und deren Kontrolle entlarven, so ist es Pflicht, die Deutschen Friedensgelüste als ebensolches Wirtschaftsinteresse zu sehen, will man nicht vollkommen in einen antiamerikanischen Legitimationswahn abdriften: So gehört Deutschland mit Frankreich doch zu denjenigen westlichen Ländern, die heute den meisten Handel mit arabischen Staaten im Nahen Osten treiben. Die beiden europäischen Staaten sind die Top-Exporteure in den Iran, Syrien und nahezu alle Anrainerstaaten des Irak, wo vornehmlich am Ölboykott vorbeigeschmuggelte Petrodollars - besser Petroeuros - gewaschen werden. Dass die deutsche Wirtschaft eben diesen Vorteil auszubauen gedenkt und kein Interesse an einem Krieg und veränderten Machtstrukturen hat, zeigt unter anderem, dass die Deutschen den größten Teil an Ausstellern der irakischen Handelsmesse dieses Jahres stellten (subventioniert vom dt. Wirtschaftsministerium). Genauso wie die Amerikaner verfolgt auch die deutsche Regierung lediglich die eigenen wirtschaftlichen Interessen. Sie vertritt also keine moralisch höherstehende Position, sondern gebraucht nur eine etwas verstecktere und vor allem verlogenere Taktik. Wer sich nun an die Seite der Kriegsverbrecher Schröder und Fischer stellt, mit den dt. Herrschenden den Schulterschluss übt, der macht sich, wenn auch unbewusst und vielleicht ungewollt, zum Mitstreiter für dt. Hegemonialinteressen gegen die USA.
Um so erstaunlicher ist es, dass eben jenen Gruppen, die immer gebetsmühlenartig das materialistische Brevier von Ölquellen herunterleiern, bei Deutschlands Interessen die Stimme versagt. Als sei das nicht genug, schlägt das Pendel des Irrsinns sogar merklich in die andere Richtung aus: Gerade viele sich als kommunistisch begreifende Parteien/Gruppen solidarisieren sich mit Saddam Hussein. Dabei ist dieser ein traditioneller faschistoider Despot und Tyrann, der keine Opposition duldet, die Menschen ausbeutet, foltert, unterdrückt und ermordet, zig Milliarden für Waffen, Geheimdienste, Standbilder und Paläste ausgibt, während die Bevölkerung hungert, und der ganz nebenbei einer der Hauptfinanziers der antisemitischen Selbstmordbomber in Israel ist. Der Unterschied zu Pinochet in Chile, gegen den sich alle Kommunisten vereint haben, ist kaum erkennbar. Nur fehlt im Irak die emanzipatorische Unidad Popular, mit der man sich als progressiver Mensch solidarisieren könnte. Warum? Weil Husseins Baath-Partei seit Machtantritt fast zehntausend Kommunisten ermorden ließ. Noch heute sind die irakischen Kommunisten verfolgt und können nur aus dem Exil heraus agieren. Im Irak herrscht seit Jahren permanenter Kriegszustand, sich immer wiederholende Aufstände von Kurden, Schiiten und anderen unterdrückten Gruppen werden mit ebenso repetitiver Brutalität niedergewalzt. Es gibt also keinen, aber auch gar keinen Grund, sich in irgendeiner Frage mit Hussein gemein zu machen oder ihn auch nur zu tolerieren. Dass in letzter Zeit trotzdem zig Solidaritätscommunique für Hussein von Kommunisten und Faschisten aller Welt proklamiert werden, lässt die bittere Vermutung aufkommen, dass der einzige Kitt, der diese Kommie-Nazi-Allianz zusammenhält, ein dumpfes antiamerikanisches Ressentiment ist. Machen wir uns nichts vor: Ein "kapitalistischer Friede" ist ein Oxymoron, denn er bedeutet immer Krieg und Elend in den ausgebeuteten Ländern. Auch ein "faschistischer Friede" ist da nicht anders, konzentriert er doch Terror und Unterdrückung im eigenen Land. Beide stehen einer freien Gesellschaft diametral entgegen und müssen von jedem vernünftigen Menschen bekämpft werden !
Nun ist Bushs/Blairs Krieg kaum besser als Saddams/Schröders "Friede". Die USA folgen in ihrer Kriegslogik, wie immer nach dem 2. Weltkrieg, den Gesetzen des Kapitalismus. So müssen, um die in diesem System zyklisch auftauchenden Krisen zu überstehen, zwei Dinge getan werden: Erstens muss die Wirtschaft durch Staatsinvestitionen stimuliert werden, um den inneren Markt anzukurbeln und wieder Geld in den Konsumkreislauf zu stecken; dies nennt sich Keynesianismus. Da die USA aber bankrott ist, kann dieses Geld nur durch Kredite bereitgesellt werden. Am liebsten investiert der Staat in die arbeitsplatzschaffende Schwermetallindustrie, namentlich in die Rüstungskonzerne. Um diesen riesigen Pump zu finanzieren, müssen die neuen Waffen aber auch gewinnbringend eingesetzt werden. Keynes funktioniert nur mit Krieg.
Als zweiter Punkt ist es unabdingbar, dass dem heimischen Markt billige Rohstoffe zugefügt werden, um die Produktionskosten zu senken. Dass Öl hier eine nicht kleine Rolle spielt und die irakischen Quellen vor der Verstaatlichung alle in US-amerikanischer und britischer Hand waren, soll hier nicht verschwiegen werden. Was bietet sich nach kapitalistischen Gesetzen mehr an, als eine Intervention der USA im Irak? Dabei geht es den USA um das Meistern der Krise und um sonst nichts. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass die Vereinigten Staaten außer dem Gesetz der Akkumulation keine ideologische Linie verfolgten, die eine emanzipatorische Hoffnung in irgendeiner Weise rechtfertigt, wie es einige verzweifelte Linke tun. Der Kapitalist paktiert mit jedem, auch mit dem Faschisten oder Taliban, solange der ihm nicht ins Gehege kommt.
In Afghanistan, diesem von Warlords, Kriegsverbrechern und Islamisten kontrollierten Land, wurde die menschenverachtende Scharia nach kurzer Abstinenz wieder eingeführt, die Religionspolizei prügelt die Afghanen Freitags wieder in die Moscheen. Der Aufklärung ist man hier nur um 3 cm Bartlänge näher gekommen. Genauso beweist die Kooperation der USA mit der völkischen UCK im Kosovo, dass die Vereinigten Staaten keine stringente Position verfechten, die dem völkischen Prinzip zuwiderläuft und mit dem man sich identifizieren könnte.
Für uns, die in dieses Deutschland hineingeboren wurden, gilt aber trotz alldem wie seit eh und je: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Deshalb ist es für uns wichtigste Aufgabe, gegen das deutsche Kapital und seine Großmachtsambitionen in aller Welt, gegen seine Vertreter, die Regierung mit ihrer verlogenen und infamen deutschen Friedenswegsparole und die gehörige Portion Antiamerikanismus zu kämpfen.
La Banda Vaga, Dezember 2002
Klaus Schramm von der Stattzeitung hat uns eine Replik geschickt, unsere Antwort findet sich hier.